Wien-Museum: Ausstellung "WIEN VON OBEN" - Die Stadt auf einen Blick

josef

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Das Ideal verdeckt die Wirklichkeit

Die Größe und Beschaffenheit einer Stadt begreifbar zu machen, das hat Menschen seit Jahrhunderten fasziniert. Das Wien Museum erkundet in der aktuellen Ausstellung „Wien von oben“ nun, wie sich Kartografen und Künstler der Abbildung der österreichischen Bundeshauptstadt mit Hilfe von Stadtkarten, Modellen, Panoramen und Vogelschauen über die Zeit angenähert haben. Dabei zeigt sich, dass die Kartografie keine absolute Wissenschaft ist - und sich die Darstellung der Stadt oftmals mehr an Idealvorstellungen als an der Wirklichkeit orientierte.

Eine schöne und wehrhafte Stadt
Über Jahrhunderte hinweg haben Kartografen und Künstler versucht, Wien als Ganzes abzubilden. Anhand dieser Stadtbilder und -pläne zeigt das Wien Museum in einer neuen Schau, wie sich der Blick auf die Hauptstadt in den vergangenen 500 Jahren verändert hat, und dass es die objektive Karte nicht gibt.

In vier Kapiteln führt „Wien von oben“, so der Titel der Ausstellung, durch die lange Geschichte der Gesamtdarstellung Wiens. Besucher können chronologisch vorgehen oder sich von den Querverweisen zwischen den mehr als 150 Objekten, darunter Grundrisse, Stadtkarten, Modelle, Panoramen und Vogelschauen, leiten lassen.


Wien Museum
Der „Albertinische Plan“

Das erste Kapitel firmiert unter dem Titel „Vermessen und Darstellen“. Mit dem „Albertinischen Plan“, der etwa um 1421 angefertigt wurde, existiert für Wien einer der ältesten Stadtpläne Europas. Eingezeichnet sind neben Kirchen und Klöstern auch „weltliche“ Einrichtungen wie der Vorläufer der Hofburg und die Universität. Auch die Stadtmauer mit ihren Wehranlagen hat der namentlich nicht überlieferte Zeichner grafisch festgehalten.

Die späte Entdeckung der Vogelschau
Anfang des 17. Jahrhunderts - und damit sehr spät im internationalen Vergleich - etablierte sich in Wien die Vogelschau, die die Stadt und ihre Umgebung von einer fiktiven Erhöhung aus betrachtet. Bei den Panoramen dann, die im 19. Jahrhundert Einzug hielten, nutzten die Zeichner reale Aussichtspunkte, etwa Türme oder Hügelspitzen.


Folbert van Ouden-Allen/Wien Museum
Jacob Hoefnagel: „Vogelschau der Stadt Wien mit Teilen der Umgebung“, 1609

Der Detailreichtum dieser Gesamtdarstellungen täuscht. Oder, wie die Kuratoren Elke Doppler und Sandor Bekesi im Katalog zur Ausstellung schreiben: „(...) der Blick von oben korrelierte oft mit Machtanspruch und Kontrolle und wurde so auch zum Ausdruck und Instrument neuzeitlicher Herrschaft.“ Die objektive Karte gibt es somit nicht. Wien sollte in ein bestimmtes Licht gerückt werden - als schöne Residenzstadt des Kaisers etwa und als sehr wehrhaft.

Aus dem Maßstab gerutscht
Unter „Repräsentieren und Idealisieren“ beschreibt das sehr kunstlastige zweite Kapitel die repräsentative Funktion von Stadtdarstellungen. Fremdenverkehrsplakate als Imagetransporteure, Wien-Inszenierungen in Schlachtenbildern, aber auch zeitgenössische Fotoarbeiten als schwarz-weiße, verfremdete Landschaftsdarstellungen findet man hier. Nachgespürt wird auch dem Design von Karten, um sie lesbar zu machen: Farbgestaltung, piktogrammähnliche Stadtleitsysteme für Messebesucher und eine völlig aus dem Maßstab gerutschte Posterabstraktion aus 2007 führen die Wichtigkeit des Designs vor Augen.


Hermann Kosel/Wien Museum; Nina Simone Wilsmann (Montage)
Blick auf Wien von der Höhenstraße (1936, links), „Vianina“-Poster (2007)

Im dritten Abschnitt „Beherrschen und Ordnen“ stehen einerseits Karten im Mittelpunkt, die kriegerische Auseinandersetzungen schildern - hauptsächlich aus der Zeit der Türkenbelagerung. Gleichzeitig wurden Pläne immer wieder auch bewusst verfälscht, um dem Feind keine Details der Stadtbefestigung preiszugegeben. Daneben wurden Stadtkarten zusehends zu einem Instrument der Verwaltung und Kontrolle - etwa in Form von Bebauungsplänen oder der Erfassung aller Gemeindebauten im Zuge der Februar-Kämpfe 1934. Pläne der Nazis, wie Wien weiterentwickelt hätte werden sollen - neue Straßenachsen, riesige Hafenbecken über der Donau und ein neuer Flughafen -, sind ebenfalls zu sehen.

Der Blick auf Wien der Gegenwart
Großteils mit der gegenwärtigen Rezeption von Blicken auf Wien beschäftigt sich das vierte Kapitel „Emanzipieren und Experimentieren“. Durch Demokratisierung von Daten durch das Internet können Karten nicht mehr nur von wenigen Privilegierten hergestellt werden. Schleichwege für Radfahrer, eine „Karte der Gefühle“, aber auch das Spiel „Pokemon Go“ zeigen die Alltäglichkeit und Individualisierung von Stadtansichten.


Ausstellungshinweis
„Wien von oben“, Wien Museum, bis 17. September. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags und feiertags 10.00 bis 18.00 Uhr.
Als Rahmenprogramm hat man sich auch einiges einfallen lassen. So wird etwa im Atrium in Kooperation mit der Technischen Universität ein „Jumpcube“ aufgebaut. Dadurch lässt sich ein virtueller Fallschirmsprung über Wien erleben. Mit einem Flugsimulator der MA 18 kann man eigenständig über der Stadt schweben. Einen kleinen Teil der Schau nimmt außerdem eine Fotoauswahl im Zuge einer Instagram-Challenge zum Thema ein. Wer es analog will: Ein dicker Begleitkatalog zur Ausstellung ist erschienen.

Link:
cppp, ORF.at/Agenturen

Publiziert am 23.03.2017
http://orf.at/stories/2384217/2384218/
 
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