Boden unter Großstädten der US-Ostküste sinkt ein

josef

Administrator
Mitarbeiter
#1
UNTERGANG
Metropolen an der US-Ostküste sinken mit beunruhigendem Tempo
Aktuelle Satellitendaten zeigen, wie rasant New York, Baltimore, Charleston und andere Metropolen dem Meer entgegensinken

Manhattan, von der Seeseite aus gesehen. Der Big Apple versinkt langsam im Untergrund, zahlreichen anderen Ostküstenmetropolen geht es ähnlich.
Foto: REUTERS/AMANDA PEROBELLI

Acqua alta gehört zu Venedig wie seine Palazzi und Kanäle. Doch die regelmäßigen Hochwasser vor allem während der kalten Jahrezeit bedrohen "La Serenissima" – in gar nicht so ferner Zukunft könnte Venedig völlig untergehen. Großteils ist dafür der steigende Meeresspiegel im Kielwasser des Klimawandels verantwortlich, aber auch das Fundament der Stadt, ein Wald aus Millionen Holzpfählen, gibt unter dem Gewicht der steinernen Lagunenstadt langsam nach. Heute liegt Venedig um bis zu 30 Zentimeter tiefer im Wasser als noch vor 100 Jahren.

Mehrere Millimeter pro Jahr
Mit demselben Problem, allerdings in einem völlig anderen Ausmaß, kämpfen einige Metropolen der US-amerikanischen Ostküste. Dass New York City langsam im Untergrund versinkt, ist freilich keine Neuigkeit: Im Mai vergangenen Jahres belegte ein Team vom United States Geological Survey in Menlo Park (US-Bundesstaat Kalifornien), dass der Big Apple im Schnitt um ein bis zwei Millimeter pro Jahr absackt. Eine aktuelle Studie bestätigt dies – und mehr noch: Ballungszentren der gesamten Ostküste sind von dem bedenklichen Trend betroffen, einige sinken dabei in einem alarmierenden Tempo.

Die Bilder, die die Nasa-Abteilung Earth Observatory am 20. Februar veröffentlichte, zeigen Landbewegungen von Boston bis Miami. Die Bodensenkungen bedrohen nicht nur Gebäude und Infrastruktur, auch Ackerflächen und Feuchtgebiete sind betroffen. Der steigende Meeresspiegel verschärfte die Situation zusätzlich, berichtete ein Team um Leonard Ohenhen von der Virginia Tech im Fachjournal "Pnas Nexus".


Die Forschenden um Leonard Ohenhen analysierten Satelliten- und GPS-Daten, um die Bewegung der Küstenregionen zwischen Neuengland und Florida nachzuweisen.
Foto: NASA Earth Observatory/Lauren Dauphin/Ohenhen et al.

Detaillierte Bestandsaufnahme
Die Forschungsgruppe untersuchte mithilfe von Satellitenaufnahmen und bodengestützten GPS-Sensoren die Küste von Neuengland bis Florida. Anschließend erstellte sie eine detaillierte Karte, die die Variabilität der Hebung und Senkung verschiedener Gebiete entlang der Küste aufschlüsselt, um die Geschwindigkeit des Absinkens zu ermitteln. Den Ergebnissen zufolge sinkt die mittelatlantische Region stärker als der Nordosten der USA.

Diese Unterschiede sind laut Ohenhen größtenteils auf geologische Prozesse zurückzuführen, die dem Gewicht der eizeitlichen Eisschilde zu verdanken sind. Der Rand des riesigen Laurentidischen Eisschildes verlief dabei durch das heutige Pennsylvania und New Jersey und drückte das Land durch seine enorme Masse nach unten. Gleichzeitig wurde das Land jenseits des Eisrandes nach oben gedrückt. Als das Eis schließlich vor etwa 12.000 Jahren schmolz, hoben sich ganze Regionen, während Gegenden, die sich heute die Küste entlang ziehen, zu sinken begannen und dies auch heute noch tun.

Übersehenes Phänomen
Die nun veröffentlichten Satellitendaten belegen, dass der Boden unter New York, Baltimore und Norfolk (Virginia) zwischen 2007 und 2020 um durchschnittlich ein bis zwei Millimeter pro Jahr sinkt. Schlimmer ist es in einigen Bezirken der Bundesstaaten Delaware, Maryland, South Carolina und Georgia: Dort gab der Boden in diesem Zeitraum doppelt bis dreimal so schnell nach.

"Ballungszentren, die sich allmählich senken, werden vor dem Hintergrund des globalen Meeresanstiegs gerne übersehen", sagte Ohenhen. "Und doch ist diese Vorgang ein wichtiger Faktor, der erklärt, warum der Meeresspiegel im Ostens der USA mancherorts so schnell emporklettert." Die Kombination dieser beiden Entwicklungen habe für die dicht besiedelten Küsten bereits jetzt spürbare Folgen, darunter ein höheres Überschwemmungsrisiko und häufigere Schäden an Straßen und Häusern, betont der Geophysiker.

Das Salzwasser kommt
Insgesamt seien in den sinkenden Zonen mindestens 867.000 Häuser und kritische Infrastrukturen – darunter Autobahnen, Eisenbahnen, Flughäfen, Dämme und Deiche – besonders betroffen, so die Forschenden. Hinzu kommt, dass absinkende Landstriche zunehmend unter eindringendem Salzwasser zu leiden haben. Landwirtschaftliche Anbauflächen und Süßwasservorräte werden dadurch ebenso geschädigt wie Lebensräume für Wildtiere beispielsweise in Sumpfgebieten.


Charleston im US-Bundesstaat South Carolina zählt mit rund vier Millimetern pro Jahr zu den am schnellsten sinkenden Städten der Ostküste.
Foto: NASA Earth Observatory/Lauren Dauphin/Ohenhen et al.

Zu den am schnellsten sinkenden Städten zählt Charleston in South Carolina. Die auf einer Halbinsel im Bereich des Zusammenflusses von Ashley River und Cooper River errichtete 150.000-Einwohner-Stadt sinkt laut den nun veröffentlichten Daten um etwa vier Millimeter pro Jahr. Das ist umso mehr ein Problem, als das Stadtzentrum von Charleston nur drei Meter über dem Meeresspiegel liegt.

Abgepumptes Grundwasser
Das Phänomen ist – wie der steigende Meeresspiegel – zu einem wesentlichen Anteil auch selbstverschuldet: Wie das Nasa Earth Observatory berichtet, ist die Absenkung unter Charleston unter anderem auf das Abpumpen von Grundwasser und Erdgas zurückzuführen: Während sich der Untergrund langsam leert, entstehen große Hohlräume, die unter dem darüber liegenden Gewicht einstürzen. In New York City wiederum führt eine Kombination mehrerer Faktoren zur Bodensenkung. Hier ist es insbesondere der weiche Boden, auf dem die Metropole gebaut ist, und der unter dem Gewicht von mindesten 750 Millionen Tonnen Beton und Asphalt allmählich nachgibt.

Vermutlich sind auch andere Regionen der USA betroffen. Das Team möchte als Nächstes die Golfküste kartieren und auf entsprechende Sinktendenzen hin untersuchen. "Unser langfristiges Ziel ist es, alle Küstenlinien der Welt mit dieser Technik zu analysieren", sagte Manoochehr Shirzaei, Ko-Autor der Studie. Die Daten könnten für die Stadtplanung unverzichtbare Dienste dabei leisten, die Küstenstädte rund um den Globus sicherer zu machen, so die Foschenden.
(Thomas Bergmayr, 4.3.2024)
Metropolen an der US-Ostküste sinken mit beunruhigendem Tempo
 

fkv

Active Member
#2
Mit seiner Einleitung offenbart der Journalist seine Ahnungslosigkeit. Obwohl im Rest des Artikels ausschließlich von geologischen Prozessen die Rede ist, fantasiert er als Ursache des Absinkens Venedigs den Klimawandel herbei. Dabei ist doch gerade dort ein bekannter geologischer Prozess die naheliegende Ursache: Dort münden etliche Flüsse ins Meer und lagern Sedimente ab. Dadurch steigt das Gewicht der Erdkruste und sie sackt ab. Normalerweise würde das nicht auffallen, weil sich neue Sedimente auf den alten auflagern und das Absinken mehr als wettmachen. Die Venezianer schauen aber nicht zu, wie ihre Stadt von Schlamm überdeckt wird, sondern räumen ihn weg. Auch das Absacken der im wahrsten Sinne auf Sand gebauten Holzfundamente und die extremeren Gezeiten durchs Ausbaggern der Verbindungen zwischen Lagune und Adria haben mit dem Klimawandel nichts zu tun.
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#4
BEDENKLICHE TRENDS
Untergang der US-Ostküste kommt früher als gedacht
Sinkende Regionen und steigender Meeresspiegel gefährden in den nächsten Jahrzehnten weite Teile der US-Atlantik- und der US-Golfküsten. Gegenmaßnahmen werden kaum getroffen
Die Ostküste des nordamerikanischen Kontinents kippt langsam dem Meer entgegen. Mehrere Studien konnten diesen geophysikalischen Abwärtstrend bei einigen großen Städten am Atlantik bereits nachweisen. Zuletzt hat ein Team um Leonard Ohenhen und Manoochehr Shirzaei von der Virginia Tech im Fachjournal "Pnas Nexus" noch einmal eindringlich auf die Gefahrenzonen hingewiesen. Das langsame Absacken ist die Folge langfristiger geologischer Prozesse und schlechter Entscheidungen in der jüngeren Vergangenheit unter anderem in städtebaulicher Hinsicht.

Besonders schnell gibt der Boden dabei unter dichtbesiedelten Gebieten wie New York, Baltimore und Norfolk nach. Dort stellten die Forschenden eine Senkung von ein bis zwei Millimeter pro Jahr fest. Als einer der Spitzenreiter unter den sinkenden Städten hat sich Charleston in South Carolina erwiesen: Die 150.000-Einwohner-Stadt auf einer Halbinsel zwischen zwei Flüssen sinkt laut den jüngsten Zahlen sogar um etwa vier Millimeter pro Jahr.


Überschwemmungen auf dem Franklin D. Roosevelt East River Drive am 29. September letzten Jahresin Manhattan, New York. Damals waren es schwere Regenfälle, künftig sind es vor allem der steigende Meeresspiegel und das sinkende Land, die hier und anderswo an der US-Ostküste für "Land unter" sorgen werden.
Foto: AFP/ED JONES

Was sind schon vier Millimeter?
Doch was sind vier Millimeter in einem Jahr? Was zunächst nach wenig klingt, summiert sich im Verlauf eines Menschenlebens zu rund 35 Zentimetern. Das ist eine Sinkgeschwindigkeit, die für sich allein schon vielen Fachleuten tiefe Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Addiert man dazu das klimawandelbedingte Steigen des Meeresspiegels, kann man sich ausmalen, dass die Überschwemmungsszenarien der fernen Zukunft in Wahrheit schon viel früher eintreffen dürften.

Die Gruppe um Ohenhen und Shirzaei von der Virginia Tech, die zuvor schon den geologischen "Untergang" der US-Ostküste untersuchte, hat sich nun die mittelfristigen Konsequenzen dieser Entwicklungen genauer angesehen. Das nun im Fachjournal "Nature" präsentierte Ergebnis zeichnet ein düsteres Bild vom Leben der Bewohner mancher Landstriche an der Ostküste: Selbst wenn man die derzeitigen Küstenschutzstrukturen ins Kalkül zieht, werden demnach bis 2050 hunderttausende Menschen mit häufigen schweren Überschwemmungen zu rechnen haben.

Der globale Anstieg des Meeresspiegels stellt bis zum Ende des Jahrhunderts eine der größten sozioökonomischen Herausforderung für die Bevölkerung, die Infrastruktur und die Ökosysteme vieler Inseln und Regionen entlang der großen Küstenlinien dar. Das zeigen allein die nackten Zahlen: Der mittlere globale Meeresspiegel ist in den vergangenen 100 Jahren um durchschnittlich 0,17 Meter gestiegen, zuletzt freilich mit wachsender Geschwindigkeit: Während das Meeresniveau im späten zwanzigsten Jahrhundert um etwa 1,7 Millimeter pro Jahr zunahm, betrug dieser Wert Anfang des 21. Jahrhunderts bereits 3,1 Millimeter pro Jahr.

Immer schneller
Das beschleunigte Abschmelzen der polaren Eisschilde durch den Klimawandel bescherte uns mittlerweile ein Tempo von 3,7 Millimeter pro Jahr. Selbst wenn es gelingen sollte, die Temperatur in den kommenden Jahrzehnten zu stabilisieren, wird das am Meeresspiegelanstieg zunächst wenig ändern: Die Ozeane werden noch eine Weile brauchen, um die Folgen der Erwärmung der letzten Jahrzehnte zu verdauen.

Um herauszufinden, was das Zusammentreffen von rasantem Meeresanstieg und sinkenden Küstenarealen im Detail für die US-Atlantik-, -Golf- und -Pazifikküste bedeuten wird, haben die Forschenden Gezeitenkarten und Überschwemmungsmodelle, satellitengestützte Messungen sowie Prognosen zur Entwicklung des Meeresspiegels miteinander kombiniert. Die Analysen lieferten einen neuen umfassenden Blick auf das Überschwemmungspotenzial von insgesamt 32 Städten entlang dieser Küstengebiete. Wie sich unter anderem herausstellte, dürften sozial benachteiligte Bevölkerungsteile besonders stark unter den Folgen zu leiden haben.

"Das Problem des steigenden Meeresspiegels und der Landabsenkung wird auf breiter Ebene kaum wahrgenommen", sagte Ohenhen. Viele würden darin ein langfristiges Problem sehen, dessen Auswirkungen sich allenfalls am Ende des Jahrhunderts manifestieren, zu einer Zeit jedenfalls, die man selbst kaum mehr erleben werde. "Wir haben uns jedoch auf einen viel näher liegenden Zeitraum fokussiert, nur 26 Jahre von jetzt an."


Die Studie liefert einen umfassenden Blick auf die Überflutungsrisiken für 32 Städte an drei Küsten bis zum Jahr 2050.
Grafik: Leonard Ohenhen

Steigende Fluten
Konkret zeigte sich, dass durch dieses unglückliche Zusammenspiel aus Geologie und Klimawandel der Meeresspiegel in 24 der 32 analysierten US-Küstenstädten bis zum Jahr 2050 in einzelnen Fällen um mehr als 30 Zentimeter ansteigen wird. Rund 55.000 bis 273.000 Menschen werden das mehr oder weniger direkt durch häufige Überflutungen zu spüren bekommen, sagte Ohenhen. Die Modelle ergaben zudem, dass von diesem stark erhöhten Überschwemmungsrisiko 31.000 bis 171.000 Grundstücke besonders betroffen sind. Während der Osten der USA, aber auch einige Regionen an der US-Golfküste (beispielsweise New Orleans) schneller untergeht, steigen die Pegel an der Pazifikküste langsamer.

Sollten in den nächsten 26 Jahren keine geeigneten Hochwasserschutzmaßnahmen ergriffen werden, könnte ihrem Modell zufolge durch den relativen Meeresspiegelanstieg eine zusätzliche Fläche von 1.334 bis 1.813 Quadratkilometern überflutet werden. In einem Worst-Case-Szenario wird dies womöglich dazu führen, dass einer von 50 Menschen in den gefährdeten Zonen entlang der US-Küsten von Überschwemmungen betroffen sein wird, schreiben die Autorinnen und Autoren.

Schutz hat kaum Priorität
Selbst wenn man die derzeitigen und bereits geplanten und in Bau befindlichen Schutzeinrichtungen berücksichtigt, würde der relative Meeresspiegelanstieg bis zum Jahr 2050 immer noch eine Fläche von 1.006 bis 1.389 Quadratkilometer betreffen. Nicht zuletzt deshalb beurteilen die Forschenden die derzeitigen Maßnahmen gegen künftige Überflutungen als unzureichend, in den meisten US-Küstenstädten würde die Gefahrenlage weitgehend verkannt. Die derzeitigen Küstenschutzsysteme sollten durch verbesserte Hochwasserschutz- und Senkungsschutzmaßnahmen ergänzt werden, forderte Ohenhen.

Nur drei der untersuchten Städte an der Atlantikküste unterhalten Dämme oder Flutmauern. "Wir haben festgestellt, dass der Hochwasserschutz vor allem an der Atlantikküste generell keine hohe Priorität hat", so Ohenhen. "Und selbst die Deiche dort schützen oft weniger als zehn Prozent der Stadt – im Vergleich zu anderen Städten an der Pazifik- oder Golfküste, wo bis zu 70 Prozent geschützt sind."


Als der Hurrikan Katrina im August 2005 auf die Golfküste traf, versank New Orleans teilweise in den Fluten. Derartige Katastrophen könnten in naher Zukunft häufiger auftreten.
Foto: AP/David J. Phillip

Insbesondere für ohnehin schon benachteiligte Bevölkerungsgruppen, die bereits überproportional mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen haben, werden von Landsenkung und Meeresanstieg reale Gefahren ausgehen. Die analysierten Datensätze und Gefahrenkarten zeigen, dass vor allem an der Golfküste Minderheiten unverhältnismäßig stark von der potenziell erhöhten Gefahrenlage betroffen sind.

Benachteiligte besonders betroffen
In vielen Siedlungsgebieten wurde darüber hinaus festgestellt, dass die Immobilien, die einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt sind, im Durchschnitt einen geringeren Wert haben als der durchschnittliche Immobilienwert der Region. In einigen wenigen Städten, darunter New Orleans und Port Arthur, Texas, überschneiden sich diese beiden demografischen Merkmale, sodass die Gebiete mit dem größten potenziellen Risiko überproportional häufig von farbigen Menschen bewohnt werden, die im Vergleich zur gesamten Stadt insgesamt auch wirtschaftlich benachteiligt sind.

"Das war der überraschendste Teil der Studie", sagte Ohenhen. "Wir haben festgestellt, dass es in diesen Gebieten eine Ungleichheit gibt, da dort historisch marginalisierte Gruppen überrepräsentiert sind. Das vervielfacht die potenziellen Auswirkungen auf diese Gebiete und ihre Möglichkeiten, sich von einer großen Überschwemmung zu erholen."
(Thomas Bergmayr, 10.3.2024)

Studien
Untergang der US-Ostküste kommt früher als gedacht
 
Oben