Bombenfund in Frankfurt: Größte Evakuierungsaktion der deutschen Nachkriegsgeschichte

josef

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Die Bergung einer britischen "Blockbuster" Bombe am Sonntag in Frankfurt relativiert die Evakuierungsmaßnahmen einer derartiger Aktion vom Dezember des Vorjahres in Augsburg:


Bis zu 70.000 Menschen betroffen
Frankfurt steht am Sonntag die wahrscheinlich größte Evakuierungsaktion der deutschen Nachkriegsgeschichte bevor. Bis zu 70.000 Menschen müssen ihre Wohnungen vorübergehend verlassen. Grund ist ein britisches Kriegsrelikt, eine rund 1,8 Tonnen schwere Sprengbombe. Der Typ trägt wegen seiner enormen Wirkung den Namen „Blockbuster“. Für die Bergung des Blindgängers wird eine Sperrzone um den Fundort eingerichtet. In den letzten Jahren tauchten in Deutschland öfter solch gefährliche Relikte auf - und legten ganze Stadtteile vorübergehend lahm.

„Blockbuster“ mit 1,4 Tonnen Sprengstoff
Ein Teil von Frankfurt am Main wird am Sonntag für ein paar Stunden stillstehen. Nach dem Fund eines Blindgängers aus dem Zweiten Weltkrieg müssen bis zu 70.000 Menschen während der Bergung vorübergehend ihre Wohnungen verlassen.

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Rund um den Fundort im Stadtteil Westend wird eine Sperrzone von 1,5 Kilometern eingerichtet, in der sich niemand außer Entschärfungsdienst und Sicherheitskräften aufhalten darf. Bei dem Kriegsrelikt handelt es sich um eine Luftmine, eine Sprengbombe vom Typ HC-4000, die während des Zweiten Weltkriegs von der britischen Royal Airforce (RAF) auf die Stadt abgeworfen worden war.


Grafik: Omniscale/OSM/ORF.at; Quelle: Polizei Frankfurt

Der Blindgänger gilt laut deutschen Behörden nicht als akut gefährlich. Allerdings enthält er etwa 1.400 Kilogramm Sprengstoff. Luftminen wie die in Frankfurt gefundene wurden im Zweiten Weltkrieg mit den Sprengstoffen Amatol bzw. Torpex (Hexagen), das noch dazu giftig ist, gefüllt. Wegen ihrer Sprengwirkung wurden die Bomben auch „Blockbuster“ genannt.

Presse in heller Aufregung
Die deutsche Presse ist trotzdem in heller Aufregung. „Frankfurt droht größte Bomben-Evakuierung seit Kriegsende“, titelte „Die Welt“ Mitte der Woche. „70.000 Menschen müssen Sonntag raus“, hieß es in der „Bild“-Zeitung. Die „hessenschau“ widmete sich dem Thema mit einem Hintergrund zum gefundenen Blindgänger unter dem Titel „Diese Bombe sorgt für Ausnahmezustand in Frankfurt“ und einer Chronologie samt Großevakuierungen bisher.


APA/AFP/dpa/Rolf Vennenbernd
Entschärftes Kriegsrelikt in Köln im Mai 2015

Laut Hessischem Rundfunk (HR) wurden im Zweiten Weltkrieg rund 68.000 Luftminen von den Alliierten auf Deutschland abgeworfen. Das Kriegsrelikt ist - nicht mehr ganz vollständig - zwei Meter lang und habe einen Durchmesser von 76 Zentimetern.

Mögliche Folgen auch für Flugverkehr
Laut Feuerwehr Frankfurt muss die Zone rund um den Fundort auf einer Baustelle in der Wismarer Straße nahe dem Campus Westend der Frankfurter Goethe-Universität bis Sonntag 8.00 Uhr geräumt sein. Dann soll laut Plan der Kampfmittelräumdienst der deutschen Bundeswehr mit der Bergung des Sprengkörpers beginnen. Bis dahin wird der Fundort von der Polizei bewacht.

In der Sperrzone liegen unter anderem das Frankfurter Polizeipräsidium, Krankenhäuser und der Sitz des Hessischen Rundfunks. Ein Bürgertelefon wurde eingerichtet, um Fragen von Anrainern zu beantworten. Polizei und Feuerwehr informieren auch über Facebook und Twitter.

Die Bombenentschärfung könnte zumindest kurzzeitig auch Folgen für den Luftverkehr haben. Zumindest bei Ostwind überqueren Flugzeuge im Anflug auf den größten deutschen Flughafen in Frankfurt das Gebiet über dem Fundort der Bombe, wie die Deutsche Flugsicherung (DFS) berichtete.

Bisher größte Räumungsaktion Ende 2016
Als bis dato größte Evakuierungsaktion wegen eines Blindgängers aus dem Zweiten Weltkrieg gilt jene Ende 2016 in der Stadt Augsburg in Bayern. Damals mussten etwa 54.000 Menschen ihre Wohnungen vorübergehend verlassen. Im Mai dieses Jahres mussten im niedersächsischen Hannover rund 50.000 Anrainer in Sicherheit gebracht werden. Dort war der Grund die Bergung bzw. Entschärfung dreier Bomben.


APA/AFP/dpa/Tobias Hase
Häufige Bombenfunde: Sperrzone in Augsburg Ende 2016

In Hildesheim (Niedersachsen) mussten im August während der Entschärfung einer Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg 20.000 Menschen ihre Wohnungen verlassen, ähnlich wie zuvor im Mai 2015 in Köln (Nordrhein-Westfalen). Ebenfalls im Mai 2015 wurde in Hannover auf einem Schulgelände ein Blindgänger gefunden. 31.000 Menschen mussten vorübergehend die Gefahrenzone verlassen.

Evakuierung auch in Koblenz
In Koblenz wurde Ende 2011 beinahe die halbe Stadt geräumt. Von einer angeordneten Evakuierung waren damals 45.000 der damals etwa 107.000 Bewohner betroffen. Schon am Samstag müssen erneut rund 21.000 Menschen ihre Wohnungen verlassen.

In der Sperrzone mit einem Radius von einem Kilometer liegen auch zwei Bahnhöfe, ein Krankenhaus, zwei Altenheime, das Bundesarchiv, Schulen und Kindergärten sowie das Koblenzer Gefängnis. Dessen rund 160 Häftlinge waren schon zuvor auf andere Justizvollzugsanstalten verteilt worden. Der 500-Kilogramm-Blindgänger US-amerikanischer Herkunft war am Montag bei Bauarbeiten für einen Kindergarten gefunden worden. Koblenz war im Zweiten Weltkrieg besonders intensiv bombardiert und fast vollständig zerstört worden.

„Nebeneffekte des Baubooms“
Auf Deutschland fielen während des Zweiten Weltkriegs Millionen von Bomben, längst sind nicht alle Blindgänger gefunden. Im Gegenteil, Bombenfunde würden in Zukunft noch häufiger werden, hieß es kürzlich etwa in der Welt unter dem Titel „Immer mehr gefährliche Blindgänger tauchen auf“.

Die schlichte Erklärung: „Es wird fleißig gebaut und gegraben, damit steigt auch das Risiko, auf ein Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg zu treffen.“ Die Funde seine „Nebeneffekte des Baubooms“ schrieb die „Welt“ unter Verweis auf das Beispiel Hamburg, wo der Kampfmittelbeseitigungsdienst dieses Jahr schon mehrfach hatte ausrücken müssen. Laut Einschätzung der Zeitung werden auch noch in den nächsten 100 Jahren Blindgänger auftauchen.

Links:
red, ORF.at/Agenturen Publiziert am 02.09.2017
http://orf.at/stories/2405233/
 

josef

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Zünder raus, Gefahr nicht gebannt
Die Entschärfung einer gefährlichen Sprengbombe aus dem Zweiten Weltkrieg in Frankfurt verzögert sich. Zunächst sorgten uneinsichtige Anwohner und viele Sondertransporte für Verspätungen, dann erwies sich die Entschärfung als komplizierter als gedacht. Die Zünder seien inzwischen zwar entfernt, die Gefahr aber nicht gebannt. Mehr als 60.000 Anwohner hatten ihre Wohnungen vorübergehend verlassen müssen. Es war die größte Evakuierungsaktion in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Geduldsprobe für 60.000 Anwohner
Die Entschärfung einer Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg in Frankfurt ist komplizierter als gedacht. Wie Polizei und Feuerwehr am frühen Sonntagabend berichteten, sind zwar alle drei Zünder entfernt. Aber bei zweien habe die Sprengladung beim Ausbau der Zünder nicht mit entfernt werden können. Die Sprengkapseln müssten nun gesondert ausgebaut werden.

Dafür seien andere Geräte nötig. „Das ist genauso gefährliche Arbeit wie das Entfernen der Zünder“, sagte Polizeipräsident Gerhard Bereswill. Auch nach dem Ausbau der Sprengkapseln sei die Arbeit noch nicht beendet. Dann müssten die Reste der Bombe transportsicher gemacht werden.

Froh, dass wir vorwärts kommen"
„Wir sind froh, dass wir vorwärts kommen“, sagte Feuerwehrchef Reinhold Ries, „aber die Gefahr ist noch nicht gebannt." Wann die Sperrung, von der mehr 60.000 Anwohner betroffen sind, aufgehoben werden kann, sei derzeit nicht absehbar. Die "Frankfurter Allgemeine“ berichtet unter Berufung auf Ries, die meisten Menschen könnten wohl erst gehen Mitternacht in ihre Häuser zurückkehren. Am längsten werde wohl die Sperrung der Autobahn 66 aufrechterhalten, wo die Einsatzfahrzeuge parken.


APA/AP/Andreas Arnold
Menschenleere Straßen rund um den Fundort der Bombe

Für die Bombenentschärfung hatte ein Gebiet im Umkreis von 1,5 Kilometern um den Fundort Bombe evakuiert werden müssen - es war die größte Evakuierungsaktion in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Arbeiten begannen dann am Sonntagmittag mit rund zweieinhalb Stunden Verspätung. Grund dafür waren uneinsichtige Anwohner, die sich weigerten, ihre Häuser zu verlassen.

Beginn mit Verzögerungen
„Wegen weniger als einem Dutzend Leuten ist jetzt die ganze Maschinerie angehalten“, sagte Feuerwehrchef Reinhard Ries am Mittag, als die Entschärfung eigentlich schon hätte laufen sollen. Seit dem Morgen hätten Polizei und Rettungskräfte einen super Job gemacht „und diese Herrschaften verhageln uns alles“. Ries sprach von einer Mischung aus „Ignoranz und Dummheit“.


APA/dpa/Boris Roessler
Eine Anwohnerin verlässt die Sperrzone

Rettungskräfte, die Hilfsbedürftige aus der Sicherheitszone brachten, hätten Anwohner winkend am Fenster gesehen. Das sei „unverschämt“. „Ich hoffe, dass das Konsequenzen hat." Eine Person musste nach Angaben von Polizeichef Gerhard Bereswill in Gewahrsam genommen werden. Die Behörden prüfen, ob sich der Anwohner damit strafbar gemacht hat oder ob man ihm die Kosten für den längeren Polizeieinsatz in Rechnung stellen kann. Einige Anwohner hätten sich auch zunächst versteckt und dann doch Angst bekommen und die Polizei gerufen.

"Super ärgerlich und super aufwendig“
Länger als erwartet dauerte es auch, hilfsbedürftige Menschen aus der Zone zu bringen. Weil bis zum Mittag immer neue Bitten um Hilfe bei der Feuerwehr eingingen, dauerten die Transporte länger als geplant. Das sei „super ärgerlich und super aufwendig“ gewesen, sagte ein Sprecher der Frankfurter Feuerwehr. Bei einem Krankentransport gab es laut Polizei einen Zwischenfall - eine Person sei beim Transport bewusstlos geworden und habe reanimiert werden müssen.
Statt wie geplant um 12.00 Uhr konnte die Entschärfung erst zweieinhalb Stunden später beginnen. "Um 14.27 Uhr ist der Einsatzleiter der Entschärfung informiert worden, dass Sicherheit besteht", sagte Bereswill, „das heißt, dass das Areal menschenleer ist“. Trotz Verzögerungen habe man die Evakuierung „in einigermaßen überschaubarer Zeit“ geschafft.
http://orf.at/stories/2405628/2405629/
 
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