Die "Reichskrone" als ehemaliges "Herrschaftssymbol der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation" wird untersucht

josef

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#1
Die in der "Kaiserlichen Schatzkammer" im Schweizertrakt der Hofburg aufbewahrte "Reichskrone" wird untersucht:

Wiener Reichskrone wird untersucht
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Ein großes Forschungsprojekt will bis Ende 2024 zentrale Fragen rund um das Herrschaftssymbol des Heiligen Römischen Reiches beantworten. Es wird untersucht, welche Materialien und Technologien bei der Krone eingesetzt wurden.
Online seit heute, 12.27 Uhr
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Die Reichskrone ist mutmaßlich das wichtigste Objekt der Kaiserlichen Schatzkammer in Wien. Das einstige Herrschaftssymbol der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation hat zwar ikonischen Charakter und wurde in seiner tausendjährigen Geschichte schon vielfach untersucht. Nun jedoch wird die Krone in einem dreijährigen Forschungsprojekt nochmals genau unter die Lupe genommen. Dessen zeitgemäßer, netflixiger Titel: „Crown“.

Konkret läuft das breit aufgesetzte Vorhaben, das bis Ende 2024 abgeschlossen sein soll, bereits seit einem Jahr. Erste Zwischenergebnisse präsentierte am Montag Sabine Haag als Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums, zu dessen Institutsfamilie die Kaiserliche Schatzkammer in der Hofburg gehört. „Wir sind stolz, dass wir die wichtigsten Partner für diese Felder zusammenbringen konnten“, freute sich Haag.

Museum muss Krone auch erforschen
Die Aufgabe des KHM sei es auch, seine Objekte nicht nur zu bewahren, sondern auch zu erforschen. So sind bei dem auf 1,3 Mio. Euro taxierten und von Sponsoren wie der Ernst von Siemens Stiftung unterstützten Projekt etwa die Unis in Wien und Graz, der Essener Domschatz, der Pariser Louvre oder das Kölner Erzbistum mit an Bord.

Der umfassende Forschungsansatz sei nicht zuletzt deshalb vonnöten, da trotz einer 250-jährigen Forschungsgeschichte zur bis 1806 genutzten Reichskrone viele basale Punkte noch nicht geklärt seien. „Ganz substanzielle, selbstverständliche Fragen im Umgang mit solch einem Objekt sind in all diesen Jahren nie gestellt worden“, zeigte sich Projektleiter Franz Kirchweger etwas verwundert: „Welche Materialien, welche Technologien sind hier wie und wann eingesetzt worden?“ Da geht es etwa um eine detaillierte Bestimmung der 172 auf dem Objekt befindlichen Steine oder eine Analyse der angebrachten Schriften.

Um den Erhaltungszustand und die einzelnen Arbeitsschritte über die Jahrhunderte genau nachvollziehen zu können, setzt man samt und sonders auf berührungsfreie Methoden, unter anderem auf ein 3D-Mikroskop, die Röntgenfluoreszensanalyse oder die Ramanspektroskopie, aber auch eine umfassende Bild- und Textsuche in Archiven. Letztlich hoffen die Beteiligten so auf neue Erkenntnisse zum einzig erhaltenen Kronschatz des Mittelalters in Europa. Am Ende sollen dann auch eine ORF-Dokumentation sowie eine Ausstellung stehen.
30.01.2023, red, wien.ORF.at/Agenturen
Wiener Reichskrone wird untersucht
 
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#2
KULTURGESCHICHTE
Wiener Reichskrone unter der Lupe: Das Kleinod der ganz Großen
Die Reichskrone aus der Wiener Schatzkammer adelte jahrhundertelang römisch-deutsche Kaiser. Ungeklärte Fragen zu ihrer Entstehung soll nun ein Forschungsprojekt erhellen
Wie viele Männer von edlem Geblüt die Krone auf den Kopf geklotzt bekamen, ist nicht restlos geklärt. Als gesichert gilt aber, dass spätestens ab Konrad II. (1024 n. Chr.) den meisten römisch-deutschen Kaisern und Königen, die bis 1806 halb Europa regierten, diese symbolische Legitimation zuteilwurde. Die allermeisten davon waren Habsburger, in deren Nachlass die Krone bis heute in der Wiener Schatzkammer ihr erhabenes Vitrinendasein fristet. Nun soll sie erstmalig mit modernsten wissenschaftlichen Methoden vor allem hinsichtlich ihrer Materialbeschaffenheit untersucht werden.


Die Reichskleinodien bestehen aus der Krone, dem Reichsapfel und dem Reichsschwert. Das Ensemble wurde ursprünglich in Nürnberg aufbewahrt, mit den Napoleonischen Kriegen gelangte es nach Wien.
Foto: KHM-Museumsverband

Wann, für wen und wie genau die Krone entstanden ist, ist eine der zentralen Fragen, denen sich das internationale Forschungsprojekt des Kunsthistorischen Museums in den nächsten Jahren widmet. Erste Ergebnisse wurden am Montag bekanntgegeben, die Website projekt-reichskrone.at präsentiert diese anschaulich und laufend für die Öffentlichkeit, eine vom ORF und Arte produzierte Dokumentation ist geplant. 2025 soll das Projekt womöglich in eine Ausstellung münden, jedenfalls aber will das KHM damit seiner geplanten, bis dato noch nicht finanzierbaren Neuaufstellung der Schatzkammer Vorschub leisten.

3,5 Kilo schweres Achteck
Viel spricht heute dafür, dass die Krone nicht wie bisher gedacht aus der Zeit der Ottonenkönige (vor 980 n. Chr.) datiert, sondern möglicherweise erst für Konrad II. oder Konrad III. (1138 n. Chr.) in einem Stück geschaffen wurde.
Klar ist: Mit 3,5 Kilo bekamen die Auserwählten nicht nur eine der größten und gewichtigsten derartigen Insignien aufs Haupt gewuchtet, sondern mit ihr auch gleich die gesamte Würde und Bürde des untergegangenen Römischen Reichs mit umgehängt. Denn das Heilige Römische Reich, später mit dem Zusatz der "deutschen Nation" versehen, verstand sich als christlicher Erbe des antiken Imperium Romanum.


Foto: KHM-Museumsverband, DER STANDARD

Die Krone, reich an Symbolik, ist achteckig statt rund, weil der Bibel nach acht Menschen die Sintflut überlebt hatten. Man dichtete der Krone an, sie sei bereits von Karl dem Großen, der als Charlemagne auch den Franzosen als Reichsgründer gilt, getragen worden – ein längst widerlegter Mythos, der angesichts der mittelalterlichen Sitte, sich Stammbäume bis zurück zu Adam und Eva, gerne auch inklusive des Propheten Mohammed, auszudenken, nicht verwundert.

142 Steine, kein Diamant
Unterm Mikroskop wurde nun erstmals genau erfasst, wie oft Hand an das Prunkstück der sogenannten Reichskleinodien, zu denen auch Reichsapfel und Reichsschwert gehören, gelegt wurde. Ziemlich oft. Denn zu allen Zeiten wurde ersetzt, repariert, gebohrt und gehämmert. Korrosion setzt den eingelegten Emaillebildchen zu, im Profil betrachtet ist sogar mit freiem Auge zu sehen, dass 1000 Jahre nicht spurlos vorübergegangen sind: Das abnehmbare Kreuz am Stirnende ist verbogen, die eingesetzten Steine tragen Spuren ihres Vorlebens als Teil anderer Schmuckstücke.

Mittels eines Lasers werden die insgesamt 142 Edelsteine und 224 Perlen, die den Goldgrund zieren, erfasst: Es handelt sich mehrheitlich um blaue Saphire, zudem um Granate, Smaragde, Amethysten – Diamanten als wertvollste Steine finden sich nicht. Die Herkunft der Steine ist schwer zu bestimmen, neben Europa (Amethysten) dürften sie aus der ganzen damals bekannten Welt stammen: dem Mittelmeerraum, Ägypten, Arabien, Indien.

Es sind auch Steine verloren gegangen. Dass die Krone nämlich durchaus einmal vom Pölsterchen gerutscht ist, gilt als verbrieft. Von Walther von der Vogelweide wurde sie besungen, von Albrecht Dürer meisterhaft gemalt. Während der napoleonischen Kriege wurden die Reichskleinodien von Nürnberg nach Wien evakuiert. Hitler ließ sie später zur Demütigung Wiens an ihren ursprünglichen Aufbewahrungsort schaffen, 1946 kehrten sie wiederum nach Wien zurück.

Zuletzt getragen wurde die Krone von Kaiser Franz II. von 1792 bis 1806. Unter dem Druck Napoleons legte dieser die Krone endgültig nieder, das Heilige Römische Reich verschwand. Den Titel Kaiser aber – er kommt von Cäsar – sollten sich auch danach noch viele überstülpen.
(Stefan Weiss, 30.1.2023)
Wiener Reichskrone unter der Lupe: Das Kleinod der ganz Großen
 

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#3
PROJEKT REICHSKRONE
Mänade auf dem Kaiserkopf: Reichskrone wird eingehend untersucht
Die Reichskrone war über Jahrhunderte das Symbol der Macht im Heiligen Römischen Reich. In der Schatzkammer des KHM wird sie derzeit bis ins kleinste Detail untersucht
Sie verkörpert die Kombination aus weltlicher und geistlicher Macht wie kaum ein anderer Gegenstand: Die mythenumrankte Reichskrone war gemeinsam mit den anderen Reichskleinodien viele Jahrhunderte lang das Symbol der Herrschaft der Kaiser und Könige im Heiligen Römischen Reich – und wurde so zu einem der wichtigsten Sinnbilder der europäischen Geschichte.


Die Reichskrone in Frontalansicht.
Foto: KHM-Museumsverband

Umso erstaunlicher ist es, dass wesentliche Fragen die Krone betreffend bis heute nicht beantwortet werden können: so kann bis heute nicht einmal mit Sicherheit gesagt werden, wo und wann das einzigartige Kunstwerk entstanden ist.

Das Kunsthistorische Museum Wien versucht, im Rahmen des auf drei Jahre angesetzten internationalen Forschungsprojekts "Crown" Antworten auf diese Fragen zu finden. Mit interdisziplinären Ansätzen werden die verwendeten Materialien ebenso untersucht wie die benutzten Techniken. Die Erforschung des Erhaltungszustandes soll Aufschluss über nötige künftige konservatorische Maßnahmen geben, aber auch über die bewegte Geschichte des Prunkstücks der kaiserlichen Schatzkammer.


Ein Detail eines Zierelements auf dem Kronreif, mithilfe eines 3D-Digitalmikroskops und eines Rotationsspiegels zwanzigfach vergrößert.
Foto: KHM-Museumsverband

Ein so bedeutendes Objekt verlangt jedoch nach besonderen Bedingungen: Untersuchungen dürfen nur zerstörungs- und berührungsfrei durchgeführt werden, außerdem müssen die Analysen vor Ort stattfinden, denn die Krone verlässt die Schatzkammer nicht. Nach einem Jahr der Forschung wurden nun die ersten Ergebnisse präsentiert – diese betreffen vor allem den Steinbesatz.

Oktagonale Krone
Die Reichskrone besteht aus acht goldenen Tafeln, die von eisernen Reifen gehalten oktagonal angeordnet sind. 172 bunte Steine zieren die Krone, begleitet von 224 Perlen. Vier der Tafeln tragen Emailbilder mit Darstellungen von alttestamentarischen Königen und Jesus. Auf der Stirnplatte ist ein Kreuz montiert, dahinter ist ein Bügel zu der Nackenplatte gespannt. Auf diesem Bügel ist aus Perlen ein Schriftzug geformt: er verweist auf einen Chuonradus, von Gottes Gnaden römischer Kaiser und Augustus.


Die Krone in Seitenansicht. Auf dem Bügel ist aus Perlen der Schriftzug "Chuonradus Dei Gratia" geformt.
Foto: KHM-Museumsverband

Der Bügel, manchmal aber auch die gesamte Krone, wird deshalb in die Zeit des Saliers Konrad II. datiert, der von 1024 bis 1039 regierte. Eventuell stammt der Kronreif aber auch schon vom Liudolfinger Otto I., also vor 980. Analysen der Schriftzüge lassen aber auch eine viel spätere Datierung möglich erscheinen: So ist die Form des "M" in der Aufschrift "Rex Salomon" auf einer der Emailtafeln frühestens am Ende des 11. Jahrhunderts in Erscheinung getreten. Die Krone könnte daher sogar erst unter dem Staufer Konrad III. nach 1138 entstanden sein. Dass es sich wie überliefert um die Krone von Karl dem Großen handelt, ist jedenfalls schon lange widerlegt.


Die Email-Tafel mit der Darstellung König Salomons. Die Form des "M" in "Salomon" deutet auf eine spätere Entstehung der Krone hin.
Foto: KHM-Museumsverband

Korrodierendes Email
Die Emailtafeln waren dafür verantwortlich, dass das "Crown"-Projekt ins Leben gerufen wurde: 2014 wurden Korrosionen am Email festgestellt. Rückblickend betrachtet ist es ein Wunder, dass das filigrane Objekt überhaupt bis in heutige Zeiten überdauert hat. Schließlich wurden die Insignien immer wieder im Tross des reisenden Herrscherhofes quer durch das Reich transportiert.


Eine aus mehreren Mikroskopaufnahmen zusammengesetzte Detailaufnahme des Königs Salomon zeigt die Korrosionsschäden des Emails.
Foto: KHM-Museumsverband

Kartierung
Dokumentiert wird daher nun auch, welche Schäden die Krone aufweist und welche Veränderungen sie im Laufe der Zeit erfahren hat. Mit Hilfe eines neu angeschafften Hirox 3D-Digitalmikroskop wurden 60.000 Einzelbilder von Details der Krone angefertigt, erzählt Martina Griesser, die Leiterin des naturwissenschaftlichen Labors im KHM. Damit ist es möglich, erstmals komplette Kartierungen der Einzelteile anzufertigen und den Montageprozess in Explosionszeichnungen darzustellen. Nun kann eine Zeitleiste der über die Jahrhunderte vorgenommenen Veränderungen und Reparaturen erstellt werden.


Mit Hilfe eines 3D-Digitalmikroskops wurden zehntausende Einzelaufnahmen der Krone angefertigt.
Foto: KHM-Museumsverband

Auch historische Quellen werden im Zuge des Projekts ausgewertet. Neben Textquellen wurden auch 16.000 Bilder gesichtet und 550 davon in einer Datenbank zusammengefasst, berichtet Franz Kirchweger, der Kurator der Schatzkammer.

Hitzebehandelter Spinell
Im Zentrum der Untersuchungen standen zunächst vor allem die Steine. Lutz Nasdala vom Institut für Mineralogie und Kristallographie der Universität Wien konnte mit Hilfe von Raman- und Photolumineszenzspektrometern die Steine bestimmen. Zum überwiegenden Teil handelt es sich um Saphire und Granate, weiters zieren Smaragde, Amethyste, Chalcedone, Spinelle und verschiedene Gläser die Krone. Eine Überraschung zeigte sich bei der Untersuchung des großen roten Spinells auf der Stirnplatte der Krone: der Stein wurde einst einer Temperatur von fast 1000°C ausgesetzt. Heute werden Steine erhitzt, um ihre Farbigkeit zu verbessern. Ob diese Technik schon vor einem Jahrtausend eingesetzt wurde, ist nicht bekannt, es handelt sich jedenfalls um den ältesten möglichen Beleg für diese Methode.


Der großer Spinell im Zentrum der Stirnplatte wurde einst auf fast 1000°C erhitzt.
Foto: KHM-Museumsverband

Die Herkunft der Steine festzustellen ist im Wesentlichen kaum möglich. In manchen Vorkommen sei die Varianz oft größer als die Unterschiede zwischen den einzelnen Fundorten, erklärt Nasdala. Drei der Almandine könnten allerdings von sehr weit herkommen: sie ähneln den Granaten aus Garibpet im indischen Bundesstaat Telangana. Bei den Smaragden gibt es zwei verschiedene Typen, kräftig dunkle und sehr helle. Letztere stammen vermutlich aus Ägypten. Dass sie aus dem Salzburger Habachtal stammen könnten, ist eher unwahrscheinlich, aber das "wäre zu schön", sagt Nasdala.

Legendärer Waise
Über den legendärsten Stein der Reichskrone lässt sich jedenfalls auch mit den modernsten Untersuchungsmethoden keine Aussage treffen. Der Waise genannte Stein gilt als vielleicht wichtigster Edelstein des Mittelalters. Er wird als einzigartiger Leitstern beschrieben, dem die anderen Fürsten folgen sollten. Walther von der Vogelweide dichtete, wer unschlüssig sei, wem im Reich Folge zu leisten sei, der solle darauf achten, wer den Waisen im Nacken stehen hat. Möglicherweise handelt es sich beim Waisen um einen rotschimmernden Opal, doch es ist nicht einmal sicher, ob sich der Stein in der Nacken- oder in der Stirnplatte der Krone befunden hat. Offenbar wurden im Lauf der Zeit zahlreiche Steine der Krone ausgetauscht. Die Spur des Waisen verliert sich schon früh. Nach der Mitte des 14. Jahrhunderts wird er nicht mehr erwähnt.


Ein Saphir der linken Schläfenplatte in dreißigfacher Vergrößerung
.Foto: KHM-Museumsverband

Antike Intaglien
Zwei der Amethyste lieferten die bisher spektakulärste Erkenntnis des Projekts: auf ihren nach innen gewandte Seiten zeigen sie antike Intaglien. Auf einem der Steine ist eine Hafenszene zu sehen, auf dem zweiten eine halbnackte Mänade mit einer Theatermaske. Letzteres Schnitzbild dürfte etwa 50-25 v.u.Z. in Griechenland entstanden sein, die Schiffdarstellung ist ungefähr 1900 bis 2100 Jahre alt. Der Kaiser hatte also zwar eine mit christlicher Symbolik aufgeladene Krone auf seinem Kopf, im Nacken jedoch ohne es zu wissen eine heidnische Dionysos-Anhängerin. Weitere Steine zeigen Bohrungen von einer früheren Verwendung. Das bedeutet, dass die Krone in ihren Einzelteilen weitaus älter ist als bisher bekannt.


Das Intaglio mit Darstellung einer Mänade mit Theatermaske stammt von etwa 50–25 v. u.Z. Der Stein sitzt in der Nackenplatte des Kronreifs.
Foto: KHM-Museumsverband

Auch die Niello-Einlagen auf der Rückseite des Stirnkreuzes wurden analysiert und mit jenen auf dem ebenfalls in der Schatzkammer befindlichen Reichskreuz verglichen. Die Signaturen unterscheiden sich in wesentlichen Punkten: Die Niellomasse des Kreuzes auf der Krone enthält im Gegensatz zum Reichskreuz Bleisulfide. Offenbar wurden unterschiedliche Rezepturen verendet. Ein enger Zusammenhang der Objekte lässt sich daher nicht bestätigen, aber auch nicht widerlegen.

Partner
Möglich ist die kostenintensive Forschung nur mit Hilfe von Unterstützern. Das KHM konnte für das 1,3 Millionen Euro teure Projekt die Ernst von Siemens Kunststiftung und die Rudolf-August Oetker-Stiftung als Partner gewinnen. Neben Geldern der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und dem Kulturministerium kamen über private Spender rund 150.000 Euro zusammen – sozusagen ein erfolgreiches "Crownfunding".


Die rechten Schläfenplatte war einst gebrochen und wurde auf der Innenseite mithilfe eines bogenförmigen Goldblechs repariert.
Foto: KHM-Museumsverband

Langer Weg nach Wien
Dass die Reichskleinodien in Wien sind, ist übrigens mehr Zufall als historisch zwingend. Ursprünglich auf dauernder Wanderschaft wurden die identitätsstiftenden Objekte schließlich den Nürnbergern 1424 "auf ewige Zeiten, unwiderruflich und unanfechtbar" anvertraut. Dies sollte Papst Martin V. zufolge jedoch enden, wenn die Nürnberger vom rechten Glauben abfallen würden. Die Reformation ein Jahrhundert später änderte jedoch nichts am Aufbewahrungsort. Erst als Napoleons Truppen 1796 die Stadt bedrohten, wurde der Schatz aus Nürnberg gebracht und landete schließlich in Wien. Ein Jahrzehnt später endete das Heilige Römische Reich, Kaiser Franz II. legte die Krone nieder und regierte künftig als Franz I. von Österreich.


Die Email-Tafel mit der Darstellung des biblischen Königs Ezechias mit dem Propheten Jesaias.
Foto: KHM-Museumsverband

Die Reichskleinodien verblieben in Wien, bis Adolf Hitler sie nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wieder nach Nürnberg zurückbringen ließ. Dies stellte einen Versuch dar, mit dem proklamierten "tausendjährigen Reich" an das ein Jahrtausend bestehende Heilige Römische Reich anzuknüpfen. Bekanntlich endete das tausendjährige Reich aber bereits nach wenigen Jahren, und die US-amerikanischen Befreiungstruppen brachten die Kunstschätze wieder nach Wien, wo sie sich seit 1946 wieder befinden – vielleicht "auf ewige Zeiten, unwiderruflich und unanfechtbar". Über eine Restitution wird jedenfalls nicht ernsthaft nachgedacht.

Ausstellung und Film geplant
Martin Hoernes, der Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung, ist Kunsthistoriker – und gebürtiger Nürnberger. Für ihn ist eine Restitution dennoch kein Thema: das Wichtigste sei, dass die Reichskleinodien in einem Museum angemessen aufbewahrt werden und der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.


Zum Kernensemble der Reichskleinodien gehört neben der Reichskrone unter anderem auch der Reichsapfel und das Reichsschwert.
Foto: KHM-Museumsverband

Im Anschluss soll das Projekt 2025 in eine eigene Ausstellung münden. Auch ein Dokumentarfilm ist geplant. Auch eine Neuaufstellung der Schatzkammer ist angedacht, es fehlt aber noch die entsprechende Finanzierung. Die Schatzkammer stellt die Keimzelle der kaiserlichen Sammlungen dar. KHM-Direktorin Sabine Haag bezeichnet sie als das "Haus der Geschichte vor dem Haus der Geschichte": hier ist ein Streifzug durch ein Jahrtausend europäischer Geschichte erlebbar.
(Michael Vosatka, 4.2.2023)
Mänade auf dem Kaiserkopf: Reichskrone wird eingehend untersucht
 
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