Franziszeische Kataster - Vermessung des Reiches vor 200 Jahren

josef

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#1
Vermessung des Reiches vor 200 Jahren

Kaiser Franz der Erste ließ vor 200 Jahren sein Reich exakt vermessen, um Steuerungerechtigkeiten zu beheben. Es entstand der Franziszeische Kataster. Teile davon werden in der Niederösterreichischen Landesbibiliothek ausgestellt.

Eigentlich wollte Österreichs Kaiser Franz I. bereits 1806 mit der Vermessung seines Reiches beginnen, doch die Napoleonischen Kriege und der darauffolgende Wiener Kongress hatten dieses immense Vorhaben verhindert.

Allein in Niederösterreich, zu dem damals Wien gehörte, galt es 1.000 Gemeinden voneinander „abzugrenzen“ und danach erst die einzelnen Grundstücke in den Orten zu vermessen. Drei Millionen Flecken Erde galt es im „Land unter der Enns“, dem heutigen Niederösterreich, zu bestimmen.

„Vermessenes“ Vorhaben
„Zuerst wurde die Gemeindegrenze festgelegt. Man hat dazu nicht nur Vermessungsbeamte ausgeschickt, sondern auch erfahrene Dorfbewohner aus den aneinander grenzenden Orten zusammengeholt. Bestehende Grenzsteine wurden abgegangen und neue Grenzpunkte gesetzt. Begleitend wurde auch ein Protokoll der Begehung festgeschrieben. Das hat bis auf wenige Grenzstreitigkeiten sehr gut funktioniert“, erklärt Elisabeth Loinig, die Ausstellungskuratorin vom Landesarchiv in St. Pölten. Es war also einerseits rein technisch ein beinahe „vermessenes“ Unternehmen, andererseits auch gesellschaftspolitisch von hoher Brisanz.

Unter Kaiserin Maria Theresia war adeliger und bäuerlicher Besitz unterschiedlich besteuert. Kaiser Joseph II. hatte erstmals 1785 versucht, eine allgemeine und gleiche Besteuerung von Grund und Boden einzuführen. Er scheiterte vor allem am Widerstand des Adels.

Erst mit dem Franziszeischen Kataster unter Franz I. wurden die Grundlagen für ein gerechteres Grundsteuersystem geschaffen. Das Grundsteuerpatent wurde im Dezember 1817 angeordnet, die Vermessungen dauerten vier Jahrzehnte. Der Vorteil für den Kaiser war, dass er wusste, wie viel Einnahmen er aus der Grundsteuer zur Verfügung haben wird. Der Landwirt wusste, dass er gleich behandelt wird wie der Nachbar.

Daten zum Kataster
Zwischen 1817 und 1861 wurden 300.000 Quadratkilometer und mehr als 50 Millionen Grundstücke vermessen und ihre Grenzen auf Plänen festgehalten. Es entstand der erste umfassende moderne Liegenschaftskataster.

Südturm des Stephansdomes als Mittelpunkt
Als Mittelpunkt des Kartensystems wurde der Südturm des Stephansdoms gewählt. Von dort aus wurden Planquadrate ausgelegt. Der erste Ort, der nach den neuesten Methoden der Wissenschaft 1817 vermessen wurde, war Perchtoldsdorf. Für die Landvermesser genügte eine Gerade und ein Punkt oder eine Gerade und ein Winkel, um mithilfe mathematischer Formeln und Gesetze, wie dem Pythagoräischen Lehrsatz, die restlichen Strecken zu bestimmen. So konnten exakte Flächeninhalte, die zur Berechnung des Stuersatzes dienten, ermittelt werden.

Die entstandenen „Urmappen“ liegen heute im Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen in Wien. Die Kronländer erhielten Kopien im damals neuartigen Lithografie-Verfahren. Die Katastralmappen von Niederösterreich liegen im Tiefspeicher des Landesarchivs in St. Pölten. Sie sind heute vollständig digitalisiert und können online eingesehen werden.

Eine Karte misst in etwa 60 x 50 Zentimeter. Die rund 12.000 Blätter, die Niederösterreich ergeben, würden zusammenpassen und aneinander gelegt eine Fläche von 3.000 Quadratmeter ergeben.

Pionierleistung und Quelle für weitere Forschungen
Als herausragendes Objekt gibt es den einzigen originalen Messtisch dieser Vermessung Österreichs zu sehen, der vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen als Leihgabe zur Verfügung gestellt wird.

Das Karten- sowie auch das historische Steuermaterial und die Protokolle stammen aus einer Zeit vor der industriellen Revolution. Es sind also noch keine Eisenbahnstrecken erfasst, keine Fabriken oder Industriegebiete eingezeichnet. Die Karten stellen somit heute eine unschätzbare Quelle für die Agrar-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Landes vor der Industrialisierung dar.

Künstlerische Reflexionen mit grafischen Arbeiten
Die Ausstellung dokumentiert diese Pionierleistung mit Originalkarten und gliedert sich in die Themenbereiche „Vermessung“, „Grenzen“ und „Gerechtigkeit“. Verantwortlich zeichnen dafür die Kuratorin Elisabeth Lonig und die Künstlerin und Ausstellungsgestalterin Renate Stockreiter.

Marcus Hufnagl und Stockreiter ergänzen und kommentieren die Ausstellung als Künstler mit ihren Reflexionen. Sie greifen in Texten und Druckgrafiken, die auch erworben werden können, die „Schönheit, die Struktur und die genaue Arbeit der Kartenblätter auf“, sagt Stockreiter zu den Arbeiten. Sie sind auch für den Besucher als Inspiration für eine moderne Auseinandersetzung mit den im Archiv verwahrten Zeugnissen der Vergangenheit gedacht.


Hannes Steindl, noe.ORF.at
http://noe.orf.at/news/stories/2819570/

1. Die Stadt Krems 1818, mit Seitenarm der Donau aber noch ohne Bahn
2. Die Gesamtkarte am Ende der Vermessung des Reiches mit Wien als Mittelpunkt
3. „Urmappen“-Bild des Marktes Lassee
4. Historischer Messtisch aus dem Amt für Eich- und Vermessungswesen
 

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josef

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#2
Dazu ein Bericht über das "Kärntner Landesarchiv":
Zeitreise für Jedermann
Hinter dem sperrigen Namen „franziszeischer Kataster“ verbirgt sich ein 200 Jahre altes Kartenwerk, das bis heute Basis für die Grundsteuer ist. Jeder Grundstücksbesitzer kann nachschauen, wie sich sein Grundstück über die Jahrhunderte verändert hat.

Unter Franz I. wurden die Kronländer auf den Quadratmeter genau vermessen, um zu wissen, wie viel die Untertanen an Steuer zahlen müssen. Was damals, ab 1817, ein jahrzehntelanges Unterfangen war, ist noch heute für Wissenschaftler interessant, denn man kann eine Zeitreise in die Vergangenheit der Kärntner Dörfer und Städte machen.

Der Direktor des Landesarchivs, Wilhelm Wadl, bewahrt die Karten in seinem „Allerheiligsten“ auf, wo Geschichte gut klimatisiert für die nächsten Jahrhunderte verwahrt wird. In einem Kartenschrank liegen die fast 200 Jahre alten Blätter über Kärnten.


ORF/Peter Matha
Von Hand gezeichnet und beschriftet, die alten Karten. Der Schatz von Wilhelm Wadl.


„Steueraufkommen sollte erhöht werden“
Die Flurnamen auf den Karten sind ein bisschen verspielt verschnörkelt geschrieben, ansonsten sind die Karten klar gegliedert. Grenzen sind farblich gekennzeichnet und abgetrennt, zum Beispiel Wald, Wiesen, Teiche oder Gebäude. Diese Mühe machte man sich, um unabhängig, vom Ertrag eines Grundstücks, Grundsteuer kassieren zu können, so Wadl: „Natürlich sollte es das Steueraufkommen erhöhen. Damals hat man noch die Steuer aufgrund von Selbsteinbekenntnissen, die man teilweise überprüfte hat, festgesetzt.“

800 Gemeinden von acht Geometern vermessen
Das ganze Land ist auf 53 mal 66 Zentimeter großen Blättern dargestellt. Gemessen wurde damals mit einem sogenannten Kartentisch in Zoll und Klaftern: „Der Fixpunkt für Kärnten liebt in der Nähe von Laibach, weil Kärnten damals verwaltungstechnisch an Illyrien angeschlossen war. Über 800 Katastralgemeinden wurden damals von acht Geometern in vier Jahren mit den damaligen bescheidenen technischen Möglichkeiten vermessen. Bis hin ins Hochgebirge.“

Es war ein gewaltiges Projekt der Monarchie, so Wadl. Entscheidend war, dass auch die örtlichen Autoritäten eingebunden worden waren: „Der Kataster ist auch das erste große Verwaltungswerk, bei dem es Bürgermitbestimmung gab. Bis hin zu den untertänigen Bauern. Denn in jeder Katastralgemeinde wurden Ortsausschüsse und Vertrauensleute bestimmt, die jedes Blatt mit ihrer Unterschrift bestätigten mussten.“

Durch den Vergleich von „Franzi“ mit heutigen Luftbildern erkennt man die Veränderung der Landschaft. Beispiele: Völkermarkt, Klagenfurt, Klagenfurt, eine Alm im Mölltal un die Gail vor der „Begradigung“.

Duplikate oft schöner als Originale
Die Originale liegen im Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen in Wien. Was im Klagenfurter Landesarchiv lagert, ist eine Duplikatmappe. Sie ist ebenso alt wie die Urmappe, oft sogar schöner ausgearbeitet, so Wadl. Das Liniennetz der Mappe sind Lithographien, die Flächenfärbung ist aber handkoloriert. Je nach verwendeten Farben waren sie lichtecht oder weniger. Es gebe Mappen, die ausgebleicht seien und andere, die wie neu aussehen.

Alte, oft vergessene Flurnamen findet man auf den Karten. Holzhäuser wurden gelb, Steinhäuser rosa, öffentliche Gebäude rot gefärbt. Das Ganze wird verbunden mit neuen digitalen Daten. Für Historiker wie Wilhelm Wadl ist es ein Werkzeug mit zwei Seiten: „Ein faszinierendes Hilfsmittel, aber es macht auch den gläsernen Menschen von heute aus.“


ORF/Peter Matha

Die Welt des frühen 19. Jahrhunderts
In Kärnten wird seit Jahren daran gearbeitet, dass der 200 Jahre alte Kataster digitalisiert ins Internet kommt. Im KAGIS (Kärntner grafisches Informationssystem) findet man ihn nach ein paar Klicks in einem etwas gewöhnungsbedürftigen Menü. Dann sieht man die Welt des frühen 19. Jahrhunderts, bekommt eine Vorstellung wie das Land damals ausgesehen hatte, wo einst Häuser standen , wo sich jetzt Brachland befindet oder umgekehrt. Laut Wadl erkenne man den Kulturlandschaftsverall im Gebirge, die einsetzende Entsiedelung, auch die völlige Nutzungsänderung mit dem Ende des Ackerbaus in den Gebirgen. In den Städten die Siedlungsverdichtung. Es sei für Wissenschaftler aber auch für Laien, der sich mit seiner Umgebung beschäftigen will, faszinierend.

Entwicklung jedes Ortes zu verfolgen
Legt man online die jetzigen Grundstücksgrenzen über den alten Plan, was im KAGIS möglich ist, sieht man wie genau die Vermesser vor 200 Jahren fast immer gearbeitet haben: „Natürlich sind die Parzellengrenzen im Kataster heute schon längst nicht mehr identisch mit heutiger Nutzung. Der Kataster versteinert zum Teil frühere Zustände, das macht ihn so interessant, wenn man ihn aufeinanderlegt.“ Man könne auf der Ebene eines Dorfes oder Grundstückes alle Veränderungen der letzten 200 Jahre studieren.


ORF/Peter Matha

Wenn man jetzt zum Beispiele Mauerreste in einem Wald findet, wo einst ein Gebäude stand, kann man es mit den KAGIS-Werkzeugen wieder entstehen lassen. Manche Vermesser machten allerdings neue Orts- und Flurnamen amtlich: „Hauptsächlich waren das Militärgeometer, die oft nicht land- und sprachkundig waren. Daraus erklären sich in manchen Katastralmappen Verballhornungen und Verschreibungen bei Namen“, so Wald.

Bilder können günstig bestellt werden
Wem die digitalisierte Form des Katasters im Internet nicht reicht, bekommt beim Landesarchiv Besseres, so Wadl: „Wir haben von jedem Datenblatt hoch auflösende .tifs und auch hochwertige .jpgs. Wenn jemand ein schönes Blatt haben will, kann er es bestellen. Wir verlangen drei Euro bei Digitalkopien und schicken sie auch digital.“

Links:

Publiziert am 05.05.2017
http://kaernten.orf.at/news/stories/2840733/
 
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