Funde von Venus-Figuren aus der "jüngeren Altsteinzeit" in Stratzing und Willendorf

josef

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#1
"Fanny vom Galgenberg"

Am Galgenberg, an den Gemeindegrenzen von Stratzing und Krems gelegen, wurde 1988 eine 7,2 cm große Statuette aus grünem Amphibolitschiefer gefunden.

Die Venusfigur stammt nach wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge aus der Zeit des Aurignaciens (jüngere Altsteinzeit) und ist ca. 32.000 Jahre alt. Sie ist also um 7.000 Jahre älter als die rund 25 km weiter westlich gefundene "Venus von Willendorf".

Bei einem "Winterspaziergang mit Frühlingswetter" besuchten wir heute die Fundstelle oberhalb Krems-Rehberg bzw. Stratzing:

1. Venus vom Galgenberg (Bildquelle Wiki)
2. - 3. Bereich Fundstelle am Galgenberg
4. Blick von der Fundstelle zum Ort Stratzing (Norden)
5. Blick Richtung Süden zur Donau vom Wetterkreuzberg über Göttweig zum Dunkelsteinerwald
6. ...und Richtung Osten über Gneixendorf ins Tullner Feld, im Hintergrund die Wienerwald Berge.
 

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#2
Willendorf in der Wachau - "Älteste Menschenspuren" gefunden

Im ca. 25 km westlich vom "Stratzinger Galgenberg" gelegenen Fundort der "Venus von Willendorf" wurden nun noch ältere Spuren der Menschheit gefunden bzw. nachgewiesen:
Wachau: Älteste Menschenspuren gefunden
Der moderne Mensch ist schon vor 43.500 Jahren in Europa angekommen, wie Archäologen anhand von Ausgrabungsfunden in Willendorf (Bezirk Krems) herausfanden. Das ist ein paar tausend Jahre früher als bisher angenommen, berichten sie im Journal „PNAS“.

Durch das frühe Auftauchen der modernen Menschen sei die Zeitspanne, in der sie sich den Kontinent mit den Neandertalern teilten, größer, so Bence Viola, der die Arbeit am Department für Anthropologie der Universität Wien und dem Max-Planck-Institut für Anthropologie in Leipzig (Deutschland) durchgeführt hatte, im Gespräch mit der APA. „Wir wissen, dass sie sich vermischt haben, denn alle heutigen Menschen außerhalb Afrikas tragen eineinhalb bis drei Prozent Neandertaler-DNA.“

Die ersten Menschen kamen vor 43.500 Jahren
Nach den neuen Daten hatten sie dafür mindestens 3.500 Jahre Zeit, denn die Neandertaler seien nach dem derzeit aktuellen Wissensstand vor etwa 40.000 Jahren verschwunden, erklärte der Anthropologe. Bis jetzt hatten verschiedene Wissenschaftler die Ankunft der modernen Menschen frühestens auf 41.500 oder knapp 40.000 Jahre vor heute geschätzt.

1908 wurde die Venus von Willendorf dort gefunden
Die Forscher fanden bei Grabungen zwischen 2006 und 2011 an der Fundstelle Willendorf II für moderne Menschen charakteristische „Lamellenwerkzeuge“ in einer Bodenschicht, die sie als 43.500 Jahre alt identifizierten. An diesem Platz war 1908 auch die berühmte, allerdings viel jüngere rund 25.000 Jahre alte Statuette Venus von Willendorf entdeckt worden.

Lamellen sind kleine Steinartefakte, die bis zu einem Zentimeter breit und manchmal mehrere Zentimeter lang sind und wahrscheinlich Teile von Jagdwaffen waren, so der Leiter der Studie Philip Nigst vom Department of Archeology and Anthropology der Universität Cambridge gegenüber der APA. Die in Willendorf gefundenen Lamellen seien typisch für eine Epoche der jüngeren Altsteinzeit, dem sogenannten Aurignacien.

Verhältnismäßig warmes Klima in Tundra-artiger Steppe
Das damalige Klima und die Vegetation konnten die Forscher anhand unterschiedlicher Bodenanalysen herausfinden. Einerseits wurden der Bodentyp und die Bodenmorphologie charakterisiert, andererseits könne man auch durch die Zusammensetzung der Arten und Unterarten von Schnecken, deren Häuser in dieser Schicht vergraben sind, das Klima rekonstruieren, erklärte er. Dadurch habe man eine viel größere Genauigkeit erreicht als nur mit Kohlenstoff(C14)-Datierungen, die mit bekannten Paläoklimadaten korreliert werden.

„Auf diese Art hätten wir nicht gewusst, in welcher von drei bis vier Warm- oder Kaltphasen der Eiszeit unser Fund liegt“, sagte er. Erst die zusätzlichen Informationen würden den Zeitabschnitt so weit einengen, dass man sagen kann, die ersten modernen Menschen siedelten hier am Beginn einer warmen Phase innerhalb der Eiszeit, als hier eine Tundra-artige Steppe mit lichten Nadelwäldern war, so der Archäologe.
Text- u. Bildquelle: http://noe.orf.at/news/stories/2669944/
 

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#3
"Venus von Willendorf"

In Willendorf in der Wachau, einer Katastralgemeinde von Aggsbach (Bezirk Krems), fand man 1908 beim Bau der Donauuferbahn eine 11 cm große Venus-Figur aus Kalkstein.

Die als "Venus von Willendorf" bezeichnete Figur ist als Österreichs bekanntestes Fundstück aus der "jüngeren Altsteinzeit" im Naturhistorischen Museum in Wien zu sehen. Nach neuesten Erkenntnissen wird das Alter des Artefakts mit ca. 29.500 Jahren angegeben (früher 25.000 Jahre).

Bei der Rückfahrt meiner "montanhistorischen Tour" durch das südliche Waldviertel am 29.03.2017 besuchte ich die Fundstelle in Willendorf:

Fotos Teil 1:

1. Blick von der Ruine Aggstein ins Donautal: In Bildmitte Willendorf, links Groisbach und rechts Schwallenbach. Die vom Donautal hinter den Orten ansteigenden bewaldeten Erhebungen sind die Vorberge des "Jauerling Massivs". Rechts, wo die Donau hinter den Berghängen verschwindet, ist als heller Fleck ein Teil des Steinbruchs Spitz zu sehen, wo sich die Anlagen der Kleinraffinerie mit Decknamen "Ofen XV-XVI" befanden. (Aufnahme vom 18.09.2016)
2. Im Ortszentrum des kleinen Ortes gleich nach der Bahnüberführung geht es rechts zum Fundort oberhalb der Bahnstrecke.
3. Koordinaten der Fundstelle.
4. Die Fundstelle, Blickrichtung Spitz.
5. Nochmals die Fundstelle mit Blick in die Gegenrichtung (stromaufwärts) ->Groisbach -> Aggsbach Markt...
6. Abbildung der Vorder- und Rückseite der Figur auf einer Schautafel. Die "üppige Ausprägung" der weiblichen Formen deuten auf ein Fruchtbarkeitssymbol hin.
7. Text der Schautafel.
8.-10. Ansichten aus verschiedenen Blickwinkel der in Großformat nachgebildeten "Venus-Figur"
 

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#4
"Venus von Willendorf" - Fortsetzung

Fotos Teil 2 (Rest)

11. Nochmals Überblick über die Fundstelle.
12. Schnitt durch das Schichtprofil der Lösswand in der die Funde (-> siehe auch Beitrag # 2) gemacht wurden.
13. Ausblick von der Fundstelle stromabwärts nach Spitz: Links am Hang ist die Ruine Hinterhaus zu erkennen...
14. ...und am gegenüberliegenden Südufer thront die Burgruine Aggstein hoch über dem Tal...
 

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#5


Fotos der fast 30.000 Jahre alten "Venus von Willendorf" Statue galten bei Facebook als „gefährlich pornografisch“...


Venus von Willendorf doch nicht „pornografisch“
Die Venus von Willendorf ist zwar einer der bedeutendsten Funde Österreichs, war auf Facebook bisher aber nicht gerne gesehen. Das Unternehmen zensierte die Statue als „gefährlich pornografisch“. Jetzt folgte die Entschuldigung.
„Wir entschuldigen uns für den Fehler“, erklärte eine Facebook-Sprecherin am Donnerstag. Zwar seien Nacktabbildungen nach den Werbevorschriften auf dem Portal verboten, es gebe „aber eine Ausnahme für Statuen“. Die fast 30.000 Jahre alte Venus von Willendorf, die 1908 bei Bauarbeiten zur Donauuferbahn in Willendorf in der Wachau (Bezirk Krems) entdeckt wurde, darf damit ab sofort auf Facebook gezeigt werden. Die elf Zentimeter kleine Figur zeigt eine üppige nackte Frau.


APA / Helmut Fohringer
Die Venus von Willendorf ist im Naturhistorischen Museum in Wien zu sehen

Statue galt als „gefährlich pornografisch“
Facebook hatte die Abbildung der Venus von Willendorf zuvor als „gefährlich pornografisch“ zensiert. Die Kontroverse begann im Dezember, als die italienische Kunstaktivistin Laura Ghianda ein Foto des Kunstwerks auf ihrer Facebook-Seite teilte. Nachdem es zensiert worden war, kritisierte sie den „Krieg gegen die menschliche Kultur“.

Der Eintrag mit dem Foto der Statuette hätte erlaubt werden müssen, heißt es jetzt von Facebook. „Wir haben den Inserenten wissen lassen, dass wir den Beitrag zulassen“, betonte das Unternehmen.

Publiziert am 01.03.2018
http://noe.orf.at/news/stories/2898450/
 

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#6
Original der Venus von Willendorf im Naturhistorischen Museum in Wien:

1. Eingang in den neu adaptierten "Venusraum" mit den beiden Figuren aus Willendorf und Stratzing
3. - 6. Die Originalfigur aus Willendorf
7. - 8. Darstellung des Donautales bei Willendorf vor 30.000 Jahren
(Fotos v. 27.03.2017)
 

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#8
Die vielen Gesichter der Venus von Willendorf
Wissenschaftsobjekt, Fruchtbarkeitssymbol, Muse, Hexe, Göttin und jetzt sogar Model – die Venus von Willendorf inspiriert Menschen seit mehr als 30.000 Jahren
Es ist erstaunlich, welche Faszination auch heute noch von der altsteinzeitlichen Figur der Venus von Willendorf ausgeht. Das Ergebnis ist nicht das Bild, das Archäologen und Archäologinnen von ihrem Stellenwert bei den altsteinzeitlichen Menschen zu rekonstruieren versuchen. Sie ist nicht nur ein Relikt aus längst vergangener Zeit, sie ruft Emotionen hervor und berührt jeden auf unterschiedliche Weise.

Eine Frau aus der Eiszeit
Die Venus von Willendorf ist etwa 29.500 Jahre alt und heute die wohl bekannteste Frauenfigur der Altsteinzeit. Sie ist aus oolithischem Kalkstein mit Feuersteinwerkzeugen hergestellt. Die elf Zentimeter hohe, ursprünglich mit roter Farbe bemalte Figur zeigt eine beleibte unbekleidete Frau mit starken Hüften, vorstehendem Bauch und großen Brüsten. Auf schwachen Schultern sitzt ein verhältnismäßig großer Kopf. Ober- und Unterschenkel sind naturnah gebildet, aber verkürzt. Die dünnen Arme liegen über der Brust. Füße und Gesicht sind nicht dargestellt. Um den leicht vorgeneigten Kopf befindet sich eine Frisur aus parallelen Lockenreihen oder eine Kopfbedeckung. Im Zentrum der Darstellung sind jedoch Brust, Bauch und die detailliert dargestellten Geschlechtsmerkmale.

War die Deutung der Figur ursprünglich auf die weibliche Fruchtbarkeit konzentriert, so gibt es heute wesentlich umfassendere Erklärungsmodelle. Figuren von Frankreich bis Russland sind in ihrer Gestalt und Körperhaltung in vielen Details ähnlich. Wir nehmen an, dass sie die Vorstellung eines weiblichen Wesens widerspiegeln, das für die altsteinzeitlichen Menschen in ganz Europa mit Mythen und Legenden verbunden war. Die Venus von Willendorf ist eine sehr realistische Darstellung einer wohl reifen Frau, die neben der Fähigkeit Kinder zu gebären eine Ahnfrau, einen weiblichen Schutzgeist oder den Ursprung des Lebens dargestellt haben könnte. Über ihren genauen Stellenwert im Denken der eiszeitlichen Jäger und Sammler können wir aber nur Vermutungen anstellen.

Josef Szombathy, Leiter der Anthropologisch-Prähistorischen Sammlung des Naturhistorischen Hofmuseums, mit dem besonderen Fund.
Foto: Prähistorische Abteilung NHM Wien

Die Ursprünglichkeit als Inspiration
Zu Beginn meiner Tätigkeit als Kuratorin der Venus von Willendorf hat mich die Vielfalt persönlicher Zugänge zu dieser Figur verwirrt. Heute bin ich davon überzeugt, dass gerade dies das Außergewöhnliche und neben der wissenschaftlichen Fragestellung das Spannendste an ihr ist. In einer Zeit, die in vielerlei Hinsicht nach dem Ursprünglichen, dem, was uns von Natur aus eigen ist, sucht, stellt sie den unverfälschten Ausdruck menschlicher Empfindungen aus einer Zeit dar, in der noch nichts durch Zivilisationseinflüsse verfremdet war. Sie stammt aus jenen Urzeiten, wo noch alles ursprünglich und echt war.

Ich habe Menschen erlebt, denen nach inständigen Bitten erlaubt wurde, mit der Fingerspitze auf sie zu tippen, und die danach verklärt waren, als hätten sie ein Wohlgefallen ganz anderer Art erfahren. Kindern wurde verboten, die Figur im Museum zu besichtigen, mit dem Hinweis: So was schauen wir uns nicht an. Ein Bub hat sich geweigert, den dunklen Raum mit der Venus zu betreten, weil er die Figur für eine Hexe hielt. Viele verehren sie auch heute wie ihren Schutzgeist. Für mich als Wissenschafterin bietet sie noch immer neue Ansätze der Untersuchung. Persönlich erlebe ich immer wieder, dass die Venus von Willendorf liebevoll verehrt wird. Die Ausstrahlung der Figur inspiriert die Menschen auf vielerlei Arten mit Ausnahme der Uninspirierten, die sie nur als erotisches Gadget betrachten.

Die Venus von Willendorf mit einem Tagebucheintrag von der Ausgrabung.
Foto: W. Antl-Weiser, Geschichte des Weinviertels (Ur- u. Frühgeschichte)

Göttin und Fruchtbarkeitssymbol?
Die überaus große Popularität der Venus von Willendorf, besonders in Amerika, erklärt sich aus der Symbolik, die von Feministinnengruppen und sogenannten "Pagan Religions" mit ihr in Verbindung gebracht wird. Hier finden wir die Venus von Willendorf als Abbild der großen Erdmutter, die in einer Linie mit den jungsteinzeitlichen Idolen und den frühen Fruchtbarkeitsgöttinnen – Demeter, Istar – bis zur Jungfrau Maria gesehen wird. Als Symbolfigur der "Pagan Religions" kommt daher die Venus von Willendorf auch auf der Homepage der Religionsgeschichte Amerikas vor.

Es wird in Briefen an diese Vereinigungen von Hausaltären berichtet, an denen eine Nachbildung der Venus von Willendorf verehrt wird. Frauengruppen bieten Ratsuchenden als Hilfe gegen Unfruchtbarkeit Amulette mit dem Reliefbild der Venus von Willendorf an: "Carry with you symbols of fertility and abundance, which could be as fancy as a brass pendant of the Venus of Willendorf" oder: "Fertility fetishes are pretty common. Venus of Willendorf is one of the oldest and most pagan stores carry pendants with that image embossed on it."

D
ie Venus wird von vielen Menschen verehrt.
Foto: W. Antl-Weiser, Geschichte des Weinviertels (Ur- u. Frühgeschichte)

Die Venus als Rolemodel und Fashionikone
Die Venus wird von vielen verschiedenen Gruppen als Symbol für unterschiedlichste Inhalte verwendet: Der "Willendorf – Award" wird seit 1980 für medizinische Studien zur Fettleibigkeit vergeben. Aufgrund ihrer großen Brüste war sie auch Symbolbild für die österreichische Brustkrebsforschung. Viele übergewichtige Frauen betrachten die Venus von Willendorf als Trost und Ermutigung. Sie können sich aufgrund der harmonischen Darstellung der Figur auch wieder als schön empfinden. Aus diesem Grund ist sie Symbolfigur des Big Beautiful Women and Fat Admirers-Ringes. Der Trend der Bodypositivity wurde auch in der neuesten Modelinie von Zalando mit einer Kollektion für Frauen mit mehr Rundungen aufgenommen.

Die "Willendorf-Pages" bezeichnen die Websites einer sozialen Organisation, die ebenfalls die Venus von Willendorf als Symbol verwendet. In der Begründung für die Benennung der Seiten steht: "The Venus of Willendorf is an affirmation of the resilience of women's spirits, the strength of women's bodies, and the glory of women's ability to birth and sustain life."

Insgesamt gibt es mehrere tausend Websites unter dem Schlagwort "Willendorf", unter denen sich einige wenige wissenschaftliche Abhandlungen, viele populäre Darstellungen in kunsthistorischen Übersichten, nicht gerade wenige künstlerische Verarbeitungen, zahllose Nachbildung aller Arten, einige humoristische Beiträge aber auch etwas obskure Betrachtungen befinden.

Viele Facetten der Venus in der Kunst
Die Venus von Willendorf gehört weltweit zu den bekanntesten Kunstwerken und ist auch international in fast allen Werken zur prähistorischen Kunst sowie in zahllosen Schulbüchern zu finden. In Künstlerkreisen ist sie noch immer eine Quelle der Inspiration.
Wenn bei einer Artist-in-Residence-Aktion in Krems von der amerikanischen Künstlerin Kate Just unter Beteiligung der Bevölkerung die Figur der Venus von Willendorf aus Wolle gestrickt hat, so war das mehr als eine nette Gemeinschaftsaktion. Es steht symbolhaft dafür, dass wir uns heute unser jeweiliges Bild von ihr "stricken".

Die Vertreter der frühen Moderne haben sich von der altsteinzeitlichen Kunst – den Höhlenmalereien und den Frauenfiguren – anregen lassen. Für sie war es der Ausdruck der ursprünglichen und unverfälschten menschlichen Kunst. Al Hansen, ein Vertreter der Fluxus-Kunst, hat sich bei seinen zu Frauenfiguren komponierten Zigarettenstummelbildern von der Venus von Willendorf inspirieren lassen. Jeff Koons hat mit seiner Ballon-Venus ein weiteres modernes Zitat der Figur geliefert.

Die Venus als Seife und aus Marzipan.
Foto: Prähistorische Abteilung NHM Wien


Ausstellung von Al Hansen im Naturhistorischen Museum Wien.
Foto: K. Kracher/NHM Wien

Neben modernen künstlerischen Umsetzungen und Zitaten der Figur selbst, gibt es auch Gedichte, Theaterstücke, Filme und sogar Computerspiele, in denen sie symbolhaft verwendet wird. In Österreich war die Venus von Willendorf 1989 das Logo der Kulturvereinigung "Willendorf" im Rahmen einer Frauenkulturwoche. In Gestalt der Venus von Willendorf werden aber auch Seifen, Kerzenständer, Kerzen, Hinterglasbilder, Mandalas, Amulette, et cetera angeboten. Geworben wird außerdem mit handgenähten Venusfiguren, die mit Schaumstoff ausgestopft sind.

Aus dem wichtigsten Fundstück der Grabung Willendorf 1908 ist eine Ikone geworden, die im Original betrachtet noch immer ehrfürchtige Schauer hervorruft. Bei ihrer Vitrine im Naturhistorischen Museum in Wien werden immer wieder kleine Gaben – Amulette, Schafgarbe et cetera – niedergelegt, die von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der prähistorischen Abteilung wieder eingesammelt werden. Zu welchen weiteren Werken, Gedanken und Deutungen sie die Menschen in der Zukunft anregen wird, bleibt abzuwarten.
(Walpurga Antl-Weiser, Fiona Poppenwimmer, 17.6.2021)

Walpurga Antl-Weiser ist stellvertretende Leiterin der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums und Leiterin der Sammlungen Altsteinzeit und Jungsteinzeit. Als Kuratorin der Venus von Willendorf beobachtet sie seit langem deren Wirkung auf die Menschen und das Interesse der Öffentlichkeit an dieser Figur.
Fiona Poppenwimmer ist als Archäologin seit 2013 Mitarbeiterin der Hallstattforschung. Beteiligt an Bearbeitung, Dokumentation und Wiederaufbau der bronzezeitlichen Holzstiege, ist sie auch heute noch für die Redaktion des Stiegenblogs zuständig, war mitverantwortlich für Dokumentation und Durchführung der Grabungen im Hallstätter Bergwerk und des Projektes VirtualArch. Seit 2019 ist sie auch im Kuratorium Pfahlbauten für Öffentlichkeitsarbeit, PR, Projektkoordination und -entwicklung des Unesco-Welterbes "Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen" in Österreich beschäftigt.


Literaturhinweis
W. Antl, Die Frau von W. Die Venus von Willendorf und die Geschichte(n) um ihre Auffindung, Wien 2008.

Links
Die vielen Gesichter der Venus von Willendorf
 

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#9
VENUS VON WILLENDORF
Aus italienischem Gestein geschnitzt
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Das Gestein der Venus von Willendorf stammt aus Italien. Das zeigt eine neue Analyse der Universität Wien. Steinzeitjäger und -sammler hatten laut den Angaben schon eine weite Fußreise mit der Venus zurückgelegt, bevor diese in der Wachau verloren ging und rund 30.000 Jahre später – im Jahr 1908 – ausgegraben wurde.
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Die knapp elf Zentimeter große Frauenfigur war wohl ein Fruchtbarkeitssymbol und Glücksbringer für ihre damaligen Besitzer. Sie ist die einzige ihrer Art, die aus einem porösen Gestein namens Oolith (Eierstein) hergestellt ist. Ein Team um Gerhard Weber vom Department für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien durchleuchtete die Venus von Willendorf nun mit einem hochauflösenden Mikrocomputertomographiegerät (microCT). Die Studie wurde im Fachmagazin „Scientific Reports“ veröffentlicht.

„Wir entdeckten, dass ihr Inneres sehr ungleichmäßig ist“, so Weber gegenüber der APA. Das gab den Forschern die Möglichkeit, ihre bisher rätselhafte Herkunft zu bestimmen. Zunächst konnten sie durch einen glücklichen Zufall eine Herkunft aus dem Wiener Becken ausschließen, wo Oolithe vorkommen, berichtete der Forscher: Im Inneren der Venus entdeckten die Wissenschafter ein eingelagertes Stück Muschelschale. Dieses war laut Paläontologen charakteristisch für Muscheln aus der Jurazeit (die bis vor 145 Millionen Jahre datiert ist), während die Wiener Oolithe aus dem „Miozän“ stammen und somit höchstens 23 Millionen Jahre alt sind.

Vergleichsproben von 33 Steinbrüchen
Die beiden Geologen Alexander Lukeneder und Mathias Harzhauser von der Geologisch-Paläontologischen Abteilung des Naturhistorischen Museum (NHM) Wien, wo die berühmte Figurine ausgestellt ist, besorgten Vergleichsproben von 33 Steinbrüchen nicht nur in Österreich und Tschechien, wo man die Herkunft bisher vermutete, sondern aus 1.800 Kilometern Umkreis: Von Frankreich im Westen bis zur Ukraine im Osten, von Deutschland im Norden bis Sizilien im äußersten Süden. So wie Kriminologinnen und Kriminologen die Fingerabdrücke von Verdächtigen jenen am Tatort gegenüberstellen, verglichen die Wissenschaftler die inneren Gesteinsstrukturen der Venus und der anderen Proben miteinander.
„Dabei wurde die Größe der Körner vermessen, mehrere Tausend davon mit Bildverarbeitungsprogrammen automatisch oder manuell markiert und die Strukturen verglichen“, so das Forschungsteam in einer Aussendung der Uni Wien: „Keine der Proben im Umkreis von 200 Kilometern passte auch nur annähernd.“ Darunter war auch jene des 136 Kilometer von Willendorf entfernten Steinbruchs Stránská skála bei Brünn in Tschechien. 2008, hundert Jahre nach dem Venusfund, hatten Geoarchäologen eine Studie veröffentlicht, in der sie anhand von äußerlichen Vergleichen mit dem Mikroskop dort den Ursprung des Venusgesteins annahmen.

Wanderung dauerte viele Jahre
Laut Webers tiefergehenden Untersuchungen ist es aber definitiv nicht von dort. Stattdessen stammt es mit wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus der Nähe des Ortes Ala unweit des Gardasees in Norditalien, so Weber. Die Proben von dort waren statistisch nicht von jenen der Venus zu unterscheiden. Demnach hat die Figurine, oder zumindest ihr Material, eine hunderte Kilometer weite Reise von südlich der Alpen bis zur Donauregion nördlich der Alpen mitgemacht. Vermutlich hat diese Wanderung viele Jahre oder sogar Generationen gedauert, sagt Weber: Die damaligen Menschen waren Jäger und Sammler, die abhängig vom jeweiligen Klima und der Beutetiersituation von einem günstigen Standort zum nächsten gezogen sind. „Vorzugsweise folgten sie damals den Flüssen.“

Möglicherweise kam die Venus um die Alpen herum über die Pannonische Tiefebene in die Wachau, so Weber. Es könnte aber auch über die Alpen entlang der Flussläufe der Etsch, des Inns und der Donau geschehen sein. Dieser Weg wäre zwar gut 730 Kilometer lang, würde aber größtenteils (außer einem kurzen Stück beim Reschensee) unterhalb von 1.000 Metern Seehöhe liegen. Sollte der Ursprung der Venus doch nicht in Italien liegen, wäre die nächstpassende Alternative bei Isjum in der Ostukraine. Dieser Ort liegt aber 1.600 Kilometer Luftlinie von Willendorf entfernt, außerdem stimmen die dortigen Proben nicht so gut wie jene aus Italien mit dem Venusgestein überein.
28.02.2022, red, science.ORF.at/Agenturen

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Aus italienischem Gestein geschnitzt
 

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#10
VENUS VON WILLENDORF
Großmutter statt Sexsymbol
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Seit ihrem Fund vor mehr als hundert Jahren ist die Venus von Willendorf Projektionsfläche für unterschiedlichste Theorien. Galt die elf Zentimeter große Frauenstatuette lange als Fruchtbarkeits- oder Sexsymbol, interpretiert sie die Wissenschaft heute anders – als Darstellung einer weisen alten Großmutter.
Online seit heute, 6.26 Uhr
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Mit ihren fast 30.000 Jahren ist die Venus von Willendorf ein gefeierter Star – vor allem, seit sie 2018 wegen ihrer Nacktheit von Facebook verbannt wurde. Aufbewahrt und intensiv beforscht im Naturhistorischen Museum (NHM) in Wien, gehört sie zu den ältesten bekannten Kunstwerken der Menschheit und überrascht die Wissenschaft immer wieder aufs Neue. Vor allem ihre Nacktheit und detailliert dargestellte Vulva inspirierten zu abenteuerlichen Deutungen – und Missdeutungen: vom Sexsymbol bis zur Fruchtbarkeitsgöttin, vom Pin-up-Girl bis zur Ikone des Matriarchats.

Neues Wissen, neue Deutung
„Die ersten Interpretationen waren in Verbindung mit Fruchtbarkeit. Man hat eine nackte Frauengestalt gesehen, die große Brüste hatte und bei der die Geschlechtsmerkmale deutlich dargestellt sind, und hat sie eben mit Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht“, erklärt Walpurga Antl-Weiser, die „Hüterin“ der Venus im NHM. Diese Deutung wird bis heute in den österreichischen Schulen gelehrt. Doch sie ist überholt.

Fakt ist: Die Venus von Willendorf ist aus Stein geschnitzt. Und dieser Stein hat eine weite Reise hinter sich. Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Universität Wien und des Naturhistorischen Museums kam zu dem Schluss, dass der Oolith, ein Kalksedimentgestein, aus dem die Figurine gefertigt wurde, wahrscheinlich entweder aus Italien oder der heutigen Ukraine stammt.



Nomadisches Leben versus Fruchtbarkeit
Das zeigt einmal mehr: Die steinzeitlichen Gesellschaften waren mobil. Sie zogen in kleinen, nomadischen Gruppen in einem weiteren Radius umher, den Tierherden folgend. Wer viel in Bewegung ist, muss mit leichtem Gepäck reisen – zu viele Kinder schränken die Mobilität ein. „Wir wissen heute, dass die Fruchtbarkeit der Frau nur bis zu einem gewissen Grad wünschenswert gewesen ist“, sagt Antl-Weiser.
Viele Kinder zu haben kann also kein Ziel gewesen sein, „sondern eher wenige Kinder, aber die dann durchzubringen“, führt Brigitte Röder, Prähistorikerin an der Uni Basel, aus. Dazu kommt, dass steinzeitliche Gesellschaften keine Ackerwirtschaft betrieben. Das Konzept der Fruchtbarkeit, wie es heute verstanden wird, könnte damals generell keine Rolle gespielt haben.

Auch die Deutung als Sexsymbol ist für die Wissenschaftlerinnen nicht schlüssig. „Diese erste Interpretation von vor 100 Jahren von Kollegen, die meinten, das ist ein Sexsymbol, kann man völlig ad acta legen. Die Darstellung ist etwas sehr in sich Gekehrtes, etwas Ruhendes und hat mit Sex wirklich wenig zu tun“, sagt die Prähistorikerin Sibylle Wolf von der Uni Tübingen.

Epo film / ORF
Szenenfoto aus „Universum History“: Die „Frau von Willendorf“ symbolisierte eher die Großmutter als die Fruchtbarkeit

Die Auslegung der Venus als Fruchtbarkeits- und Sexgöttin ist also Resultat des gesellschaftlichen Rollenbildes des 19. Jahrhunderts – genauso wie der Begriff „Venus“ -, „als Nacktheit noch als sehr skandalös empfunden wurde“, sagt Röder. „Dieses Problem wurde entschärft, indem man die Figuren in die Nähe von antiken Göttinnen gerückt hat, die ja auch teilweise nackt dargestellt waren“, so die Prähistorikerin. Heute wird in der Wissenschaft die neutrale Bezeichnung „Frau von Willendorf“ verwendet.

Interpretation und Deutung im Wandel der Zeit
Wenn die berühmte Frau von Willendorf weder Sexsymbol noch Fruchtbarkeitsgöttin ist, was ist sie dann? Auch heute kann die Wissenschaft nur auf Basis von wenigen belegten Fakten Interpretationen anstellen – und genauso wie vor hundert Jahren spiegeln sich in diesen die Geschlechtervorstellungen der Gegenwart wider. „Viele Interpretationen bleiben Hypothesen, ohne verifiziert werden zu können. Und so sammeln wir manchmal mehrere Hypothesen, schaffen Szenarien und erzählen Geschichten, die die archäologischen Funde bestmöglich erklären“, erläutert Claudine Cohen, Wissenschaftshistorikerin an der EHESS in Paris.

Großmütter: Hüterinnen des Wissens
Cohen sieht in der Figurine eine Repräsentation der weisen, alten Frau – der Großmutter. An Skelettfunden aus dem Paläolithikum ist erkennbar, dass viele Frauen über das Klimakterium hinaus lebten. Ältere Frauen dürften hohes gesellschaftliches Ansehen genossen haben. Darauf deuten die „Schwestern“ der Venus hin – rund 130 weitere Darstellungen von Frauen aus Stein, die von Russland bis Frankreich gefunden wurden, in unterschiedlichen Größen und Ausformungen.

Die Großmütter gaben die Werte der Gruppe, ihr Wissen über Heilkräuter, Geburt und Nahrung an die nächste Generation weiter. „Sie haben somit eine entscheidende Rolle in der Geschichte der Menschheit gespielt – nicht nur auf biologischer, sondern auch auf kultureller Ebene“, so Cohen. „Warum sollen ihnen zu Ehren nicht auch Figuren nach ihrem Ebenbild geformt worden sein?“

Fotostrecke
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Mehr als 130 „Schwestern“ wurden im Laufe der Zeit gefunden – von Russland bis Frankreich
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Muskelmarker beweisen: Auch Frauen und Mädchen nutzten Speere zur Jagd

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Die steinzeitlichen Gesellschaften lebten nomadisch. Das windgeschützte Donautal in der Wachau bot Schutz und reichlich Nahrung.

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Jagende Frauen: Ende der Steinzeitklischees
Während die Großmütter die Kinder auf das steinzeitliche Leben vorbereiteten, gingen die jungen Frauen mit den Männern auf Jagd. Auch das zeigen Skelettfunde. Muskelmarker an den Oberarmknochen lassen erkennen, dass Frauen mit Speeren hantiert, also genauso wie Männer Großwild gejagt haben. „Dieses wirklich hartnäckige Gerücht, das sich über Jahrzehnte hält, dass Frauen in der Höhle saßen und Männer Großwild jagten, ist so sicherlich nicht mehr haltbar“, sagt Wolf.

Allerdings standen Rentier und Co. eher selten auf der steinzeitlichen Speisekarte – im Alltag bestand die Nahrung vor allem aus Kleintieren wie Hasen und Geflügel, die mit Fallen gefangen wurden. Das Bild des heldenhaften Steinzeitmannes, der im Alleingang ein Mammut erlegt und der sorgenden Frau am Feuer bringt, gehört also auch endgültig in die Mottenkiste der Steinzeitklischees.
19.04.2022, Caroline Haidacher, "Universum History"

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