Porzellanmanufaktur Wien - Augarten

josef

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#1


Erfolgsstory dank Werkspionage
Es ist viel jünger als sein chinesisches Vorbild, hat aber doch eine stolze Geschichte: Das Wiener Porzellan feiert heuer seinen 300. Geburtstag. Den Auftakt ins Jubiläumsjahr macht eine kleine, sehenswerte Ausstellung im Porzellanmuseum im Augarten. Von den ornamentreichen Objekten des 18. Jahrhunderts über Art-Deco-Klassiker bis zum zeitgenössischen Design zeigt sie eine Auswahl an Porzellanobjekten, die den Zeitgeist ihrer Epochen widerspiegeln. Dass die Manufaktur, die heute 70 Mitarbeiter beschäftigt, eine wilde, kriminalistische Vergangenheit hat, ist hier hingegen kaum ein Thema.

Drachen und Wölkchen im Porzellanhimmel
300 Jahre Wiener Porzellan: Noch bevor im Mai eine große Schau im MAK eröffnet wird, startet eine Sonderausstellung im Porzellanmuseum im Augarten schon jetzt ins Jubiläumsjahr. Unter dem Titel „Ewig schön“ geht man der Geschichte des Standorts Wien nach, die bis 1717 und in die Vorstadt Rossau zurückreicht.

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„Es ist tatsächlich eine Räubersgeschichte“, erzählt Harald Bauer, Mitarbeiter des Porzellanmuseums im Augarten, im Gespräch mit ORF.at. Die Rezeptur des europäischen „weißen Goldes“ war gerade erst wenige Jahre alt, eine Kostbarkeit und ein echter Staatsschatz, der in der deutschen Manufaktur in Meißen unter Androhung strengster Strafen gehütet wurde. Dennoch gelang es dem Hofkriegsratsagenten Claudius Innocentius du Paquier im Jahr 1717, das Geheimnis zu lüften und Mitarbeiter nach Wien abzuwerben.

Schon ein Jahr später war es so weit: Die Wiener Fabrik unter kaiserlichem Privileg wurde in der heutigen Liechtensteinstraße in der Vorstadt Rossau eröffnet. Die Versprechungen von Ruhm und Reichtum erfüllten sich nicht. Einer der abgeworbenen Spezialisten flüchtete zurück nach Meißen und richtete vorher einen erheblichen Schaden an, indem er die Brennöfen und die Porzellanmasse zerstörte – ein Versuch, den früheren Arbeitgeber zu kalmieren.

Von Barock bis zeitgenössischem Design
Von diesen wilden, kriminalistischen Anfängen ist im Porzellanmuseum wenig zu bemerken: Im Gegensatz zur Publikation, die die Geschichte ausführlich darstellt, setzt man hier vor allem auf die Schönheit der historischen Exponate und auf die dahinterstehenden Geschichten. Rund 250 ausgewählte Objekte illustrieren die speziellen Charakteristika ihrer Schaffensperioden.


ORF.at/Dominique Hammer
Ausschnitt der Installation „Baiser Wolken und Drachen", in der Mitte ein Tafelaufsatz von 1750-60

Von den feingliedrigen und farbenprächtigen Illustrationen des Barock, den heiteren Motiven des Rokoko, der klassizistischen Ornamentik, der Einfachheit des Biedermeier, den Klassikern des Art Deco und den farbenfrohen Objekten der 1950er Jahre bis hin zum zeitgenössischen Design aus dem 21. Jahrhundert: Man sieht hier, dass nicht nur solide Fachleute am Werk waren, sondern ausnahmslos handwerklich versierte Künstlerinnen und Künstler, die die Themen ihrer Zeit in Gebrauchs- und Dekorationsgegenständen verarbeiteten.

Überraschungen zum Dessert
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht eine Vitrine ganz in weiß. Hermes, Orpheus und Diana haben sich hier versammelt, daneben ein Drache und mehrere Wölkchen. Alles höchst kunstfertig, aber mit einem entscheidenden Unterschied: Drache und Wölkchen sind aus luftigem Baiser geformt, gestaltet von der Hofkonditorei Demel. „Eine moderne Interpretation eines Dessertaufsatzes“, so die Kuratorin der Ausstellung, Claudia Lehner-Jobst.

Ein solcher Tischschmuck war unter Maria Theresia besonders populär geworden. Die österreichische Kaiserin, die das Porzellan sehr ins Herz geschlossen hatte und die Fabrik 1744 vor dem Konkurs rettete, ließ ihre Leidenschaft für exzessive Faschingsfeste gerne in Porzellanfiguren verewigen. Diese habe sie dann mit dem Dessert auftischen lassen, sagt Lehner-Jobst: „Mit dem Dessert wollte man immer die Gäste überraschen – und das wollte man auch mit dem Porzellan.“

Brennofen als Ausstellungsraum
Vom Verhältnis der Krone zum Porzellan berichtet auch ein anderes Objekt, eine ganz in Gold gehaltene Terrine aus dem 19. Jahrhundert. Bis auf die Nachspeise verlangte es nämlich das Protokoll des Hofes, von goldenem Geschirr zu speisen. In Kriegszeiten, als das Edelmetall knapp war, ummantelte man deswegen das Porzellan mit einer dünnen Goldschicht.


ORF.at/Dominique Hammer
Rassismus macht auch vor Porzellan nicht halt: Vally Wieselthiers „Eitelkeit“ (1925), die einen schwarzen und einen chinesischen Pagen zeigt, spiegelt die verklärende Faszination des Fremden in den 1920ern wider

Ausgestellt ist diese kostbare Terrine in einer „Black Box“ der besonderen Art – im ehemaligen Brennofen der Porzellanmanufaktur. Nach einer Schließzeit von rund 60 Jahren war die Fabrik 1923 im Augarten wiedereröffnet worden. Der Beginn einer neuen Blütezeit, im Lichte der Idee des Gesamtkunstwerks rund um die Entourage des Josef Hoffmann.

Die Klassiker der 1920er Jahre
Dem Art Deco ist auch ein großes Kapitel der Ausstellung gewidmet: Neben Hoffmanns berühmtem Porzellanservice im „Melonendesign“ sieht man hier etwa die figuralen Arbeiten von Ena Rottenberg, Mathilde Jaksch und Vally Wieselthier, die die Dynamik und den Zeitgeist der 1920er und 1930er widerspiegeln: die lässige Dekadenz, ein im Umbruch befindliches Frauenbild, aber auch die exotischen Begehrlichkeiten.


ORF.at/Dominique Hammer
Der Parfumflakon „Vulpini“ des Designerduos Wendy & Jim hat über ein Jahr Entwicklungszeit benötigt

In dieser produktivsten Phase der Manufakturgeschichte seien innerhalb von sieben Jahren gleich 80 Figuren entstanden, erzählt Bauer. „Das klingt vielleicht nicht so, ist aber tatsächlich enorm. Heute haben wir teils Monate Entwicklungszeit für eine Figur.“ Zu den aufwendigeren Arbeiten zählt etwa ein Auftrag des Designerpaars Wendy & Jim: ein Parfumflakon ausschließlich aus Porzellan, der einen Fuchsschädel nachbildet.

Gleich neben dem Museum produziert man in der Porzellanmanufaktur Augarten heute noch in aufwendiger Handarbeit, ganz ohne Digitalisierung und Automatisierung. Verändert hat sich nur, dass man ab den 1950er Jahren nicht mehr im Holzofen brennt, sondern mit Gas. Der Brennprozess hat sich dadurch von sieben Tagen auf 24 Stunden verkürzt.

Links:
Paula Pfoser (Text), für ORF.at, Dominique Hammer (Bild), ORF.at

Publiziert am 21.03.2018
Ausstellungshinweis
„Ewig Schön. 300 Jahre Wiener Porzellan 1718–2018“, bis 13. Oktober, Porzellanmuseum Augarten, montags bis samstags 10.00 bis 18.00 Uhr. Zur Ausstellung ist ein Katalog im Residenz Verlag (192 Seiten, 35 Euro) erschienen.

http://orf.at/stories/2430471/2430469/
 

josef

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#2


Objekte aus 300 Jahren Schaffenszeit
Unter dem Titel „Ewig schön“ zeigt das Porzellanmuseum Wien eine Sonderschau zu 300 Jahren Wiener Produktionsstätte. Anhand von über 250 Objekten erzählt man von den Höhepunkten der Produktion und aus der mit dem Werkstoff verknüpften Kulturgeschichte.


Große Schüssel aus einem Dessertservice, um 1730. Die Chinoiserie, das an den chinesischen Vorbildern orientierte Porzellandesign, war schon in der Meißner Fabrik populär und wurde in Wien weitergeführt.


Tischschmuck aus der Zeit Maria Theresias: „Anselmo“ aus der Commedia dell’Arte (1744/49), „Gruppe Flanierendes Paar“ (1760) und „Zwirnverkäuferin“ (um 1760)


Amphorenvase mit „Hetruskischem Dekor“, um 1791. Die Antikenverehrung ist kennzeichnend für die Kunst der Aufklärung, die getreue Nachahmung war damals hochgeschätzt.


Dejeuner mit Kinderspielen aus der kaiserlichen Porzellanmanufaktur - ein exklusives Frühstücksgeschirr vom Ende des 18. Jahrhunderts


Suppenterrine aus dem Habsburger-Service, 19. Jahrhundert, außen vergoldet. Für den Adel geziemte es sich, nur aus Gold zu speisen, weswegen das Geschirr in Kriegszeiten mit einer dünnen Goldschicht überzogen wurde.


Trompe-l’oeil Wiener Frühstück mit Melange und Kipferl, 1853. Kurz vor der Schließung der Manufaktur erfreuten sich solche porzellanenen „Scherzartikel“ großer Beliebtheit.


Im Vordergrund die Figur „Am Tee-Tisch“ von Hildegarde Goldbach (um 1930), die das berühmte Mokkaservice „Melone“ von Josef Hoffmann (1929) zitiert, das hier im Hintergrund zu sehen ist.


Die Künstlerinnen und Künstler der 1920er Jahre ließen sich oftmals von Bühnenereignissen inspirieren. In der Mitte: Die Figur „Schlagobers“ aus dem gleichnamigen Ballett von Richard Strauss, entworfen von Mathilde Jaksch (vor 1938).


Auch aus den 1920er Jahren: Das farbenfrohe Design von Michael Powolnys Service Nr. 16.


Teeservice von Johannes Peter Perz (1926 – 1989) - schlichtes Design aus den 1950er Jahren.

Paula Pfoser (Text), für ORF.at, Dominique Hammer (Bilder), ORF.at
21.03.2018
http://orf.at/stories/2430471/2430470/

 
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josef

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#3


Porzellanmanufaktur feiert Jubiläum

Die Ausstellung „300 Jahre Wiener Porzellanmanufaktur“ beleuchtet die Geschichte der zweitältesten europäischen Porzellanmanufaktur. Das Museum für angewandte Kunst (MAK) zeigt dabei „bis dato unveröffentlichte Dokumente“.

Gegründet im Mai 1718 von Claudius Innocentius Du Paquier, versuchte die Wiener Porzellanmanufaktur in den folgenden Jahrzehnten ästhetische Maßstäbe zu setzen. Rund 1.000 Objekte aus den Beständen des MAK sowie aus nationalen wie internationalen Sammlungen sollen einen Überblick über die Entwicklung von Porzellan in Wien bieten.


MAK/Georg Mayer

Porzellan als kostspieliger Luxusartikel
Seit seinen Gründungsjahren bewahrt das MAK den Nachlass der 1864 geschlossenen Wiener Porzellanmanufaktur und widmet sich der Erforschung des Porzellans. Mit Beispielen aus allen Epochen der Produktion gibt der Nachlass einen Überblick über rund 150 Jahre Porzellanherstellung in Wien. Die Wiener Porzellanproduktion deckte ein breites keramisches Spektrum ab, unter anderem: Tafelservice, Vasen, Uhren und Skulpturen.

Über viele Jahrhunderte galt Porzellan in Europa als kostspieliger, aus China und Japan importierter, Luxusartikel. Erst nach der Entdeckung des Geheimnisses der Porzellanerzeugung durch den Chemiker und späteren Gründer der Manufaktur Meißen, Johann Friedrich Böttger, wurde das Porzellan in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zur bevorzugten europäischen Luxusware.

Unveröffentlichte Dokumente bei Ausstellung
Die Ausstellung rollt die Geschichte der Wiener Produktion im Kontext deutscher und asiatischer Manufakturen auf. Bis heute gelten die Erzeugnisse von Claudius Innocentius Du Paquier als wertvolle Sammlerobjekte. Stil und Geschmack der Produkte der Wiener Porzellanmanufaktur setzten laut MAK in der Frühzeit und im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts immer wieder Standards.
Ausstellungshinweis:
„300 Jahre Wiener Porzellanmanufaktur“, 16. Mai bis 23. September, Museum für Angewandte Kunst, Stubenring 5. Öffnungszeiten: Dienstag 10.00 bis 22.00 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr
Eröffnung: 15. Mai, 19.00 Uhr
Neben Hauptwerken der Wiener Porzellanmanufaktur, wie dem Porzellanzimmer aus dem Brünner Palais Dubsky (um 1740) oder dem Tafelaufsatz aus dem Stift Zwettl (Wien, 1767/68), kündigt die Ausstellung „bis dato unveröffentlichte Dokumente“ an. Sowohl das „Dubsky-Zimmer“, eine der ersten Zimmerausstattungen mit europäischem Porzellan, als auch der „Tafelaufsatz aus dem Stift Zwettl“ sind permanent in der MAK-Schausammlung ausgestellt.

Schon zweimal umfassende Ausstellung
Schon in den Jahren 1904 und 1970 zeigte das MAK umfassende Ausstellungen zu Wiener Porzellan. Die wurden mehrere Kataloge publiziert. Anlässlich der Ausstellung „300 Jahre Wiener Porzellanmanufaktur“ soll eine neue Publikation mit Beiträgen internationaler ExpertInnen und bisher noch nicht publizierten Dokumenten erscheinen.

Publiziert am 15.05.2018









Alle Fotos MAK/Georg Mayer

http://wien.orf.at/news/stories/2912718/
 
J

Joa

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#4
Einen Besuch der Porzellanmanufaktur Augarten kann ich nur empfehlen! Anbei ein paar Bilder von einigen Exponaten, welche aber schon im Oktober 2013 von mir gemacht wurden.

Augarten 007.jpg
Ovale Deckelterrine aus dem Rohan Service

Augarten 014.jpg
Bourdalou

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Schüssel aus dem Liechtensteinischen Tafel- und Dessertservice

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Schatulle mit Farb- und Glasurmusterplättchen

Augarten 053.jpg
Büsten - Kaiser Franz Josef I und Kaiserin Elisabeth (Sisi)

Augarten 064.jpg
Kaisersemmel

Augarten 074.jpg
Wolfgang Hutter - Platte

Augarten 094.jpg
Vally Wieselthier - Figurengruppe Eitelkeit
 

josef

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#5
JUBILÄUM
Weißes Gold auf Reisen
Vor 100 Jahren wurde die Wiener Porzellanmanufaktur Augarten gegründet, das Erbe reicht gar bis 1718 zurück. Begehrte, zerbrechliche Schätze: Wie wurden sie befördert?

Detailaufnahme aus einem Hand-Transportbehältnis für Porzellan aus der Zwischenkriegszeit – mit Abbildung "Thames Coach 1913" am Boden und Querverweis auf das National Motor Museum in Beaulieu nahe Southampton.
Foto: Andreas Stockinger

Porzellan und Mobilität – das sind zwei Begriffe, die scheinbar im ewigen Gegensatz stehen. Der Mobilitätstest für Porzellan kommt aber in jeder Familie vor: Geschirr auf dem Tisch, eine unvorsichtige Bewegung, schon liegt das gute Stück in Bruchteilen von Sekunden in Scherbenform am Boden.


Chinesisches Porzellan mit Pfeffer – geborgen aus der 1976 wiederentdeckten und gehobenen Witte Leeuw, einem im 17. Jahrhundert gesunkenen Handelsschiff der Niederländischen Ostindien-Kompanie. Das Porzellan-Tässchen ist knapp fünf Zentimeter hoch.
Foto: Rijksmuseum Amsterdam

Diese familiären Unglücksfälle sind aber heute nicht unser Thema. Über 300 Jahre Geschichte der Porzellanmanufaktur Augarten in Wien zeigen ein Spiegelbild österreichischer Vergangenheit mit ihren vielen Höhen und Tiefen. Begonnen hat alles 1718, auf 25 Jahre wurde die Manufaktur vom Kaiser persönlich privilegiert, aber die ersten Jahre sollten eher unter dem Kapitel Kriminalfall in die Historie eingehen. Denn um das Wissen der rund acht Jahre älteren Manufaktur Meißen bei Dresden an die Donau zu locken, wurden dort ansässige Experten, vor allem Könner für Porzellanmalerei, mit Bestechungsgeldern und tollen Versprechungen geheim abgeworben, so wie es in unseren Tagen in der Welt des Profifußballs üblich zu sein scheint.


Farbmusterkästchen der Kaiserlichen Porzellanmanufaktur Wien.
Foto: Porzellanmuseum im Augarten / Bettina Fischer

Ein Vierteljahrhundert lang hatte das Privileg Gültigkeit, dann übernahm Regentin Maria Theresia, kunstsinnig, musisch begabt, die Manufaktur in ihren Privatbesitz, sprich in das Eigentum des Hauses Habsburg. In all diesen Jahren war mit der Manufaktur kein Geld zu verdienen. Hoch talentierte Künstler schufen zwar prachtvolle Meisterwerke der Porzellankunst für die Welt der Reichen und Schönen, doch unterm Strich stand ein Minus.

1867 entschied Kaiser Franz Joseph, schon immer mehr der Uniform als schön gedeckten Tafeln zugetan, den defizitären Betrieb zu schließen. Erst 1923, knapp nach dem Ersten Weltkrieg, besann sich das kleine Österreich, diesen über Jahrzehnte eingemotteten Schatz wieder zu heben, eingedenk der hohen kulturellen Tradition des Landes und als eines der wenigen verfügbaren Assets. Bis heute zählt die Wiener Porzellanmanufaktur Augarten, inzwischen durch die Hände mehrerer Eigentümer gegangen, zu den Stars am Wiener Kultur- und Kunsthandwerksfirmament, jetzt ist sie in einem sicheren finanziellen Hafen angedockt.


Die Figur mit Holztrage – im Volksmund: Buckelkraxn – zeigt anschaulich, wie man sich den Transport der Büste Maria Theresias von Wien nach Paris zu ihrer Tochter Marie-Antoinette vorstellen kann. Die beiden Boten bewältigten die Strecke zu Fuß!
Foto: MAK (Museum für Angewandte Kunst, Wien)

Wir wollen hier aber eine Brücke vom Thema Porzellan zu der Mobilität dieses zerbrechlichen Produktes bauen: Wie wurde es befördert? Im achtzehnten Jahrhundert gehörten Porzellanmanufakturen für die europäischen Herrscherhäuser zum Prestige. Meißen in Sachsen, Wien, Berlin, Paris, London, St. Petersburg wetteiferten darin, den Königshäusern, aber vor allem den Adel mit repräsentativen Geschirren zu bedienen.
Die Tradition schrieb vor, dass man nach finsteren Wintertagen im Stadtpalais den Sommer auf dem Landsitz oder im Jagdschloss verbrachte. Kolonnen von Pferdekutschen setzten sich dann in Bewegung, und in maßgeschneiderten Kisten, stoßsicher eingebettet in Stroh und Watte, damit jedes Stück bruchsicher sein Ziel erreichte, wurden Unmengen von Geschirr mitgeschleppt.

Vom Zustand der damaligen "Straßen und Wege" kann man sich kaum eine Vorstellung machen, "offroad" vor rund 250 Jahren war kein Honiglecken. Auch Reisende führten eigene Geschirrkisten mit, wie Kaiser Joseph II., als Graf Falkenstein inkognito unterwegs, mit kleiner Entourage. Reisende Künstler wie Wolfgang Amadeus Mozart und Schwester, Franz Liszt oder Joseph Haydn vertrauten nur eigener Essausrüstung, nicht zu vergessen die kleine Klaviertastatur für die Fingerübungen.

Ein wahres Schatzkästchen: Vergoldetes Reiseservice für eine Person im originalen Koffer aus der Zeit um 1819, im originalen Koffer, gepolstert mit Baumwollbällchen und Seide.
Foto: Porzellanmuseum im Augarten / Bettina Fischer

In der Manufaktur Augarten wird als Schatz ein kleiner Reisekoffer mit vergoldetem Geschirrset für eine Person gehütet. Der Tragekoffer, außen Leder, innen mit Seide ausgelegt, Wattestroh in den Zwischenräumen, alles nach Maß geschneidert: ein unverkäuflicher Schatz, Schätzwert rund 15.000 Euro.

Wenn Mitglieder des Kaiserhauses das Land für immer verließen, dann reiste, wohl verpackt in Kisten, ein komplettes Set Wiener Porzellan mit. Per Schiff etwa mit Erzherzogin Leopoldine nach Brasilien, um den dortigen Kaiser zu heiraten, auf dem Landweg 1809 für Erzherzogin Marie Louise als Braut von Kaiser Napoleon.

Bestellt und nicht bezahlt
Apropos großer Korse: Als Besatzer im Schloss Schönbrunn 1805, nach dem Sieg in Austerlitz, bestellte er 300 Teller bei der österreichischen Manufaktur, die Bezahlung scheiterte wohl am Kleingeldmangel oder der fehlenden Kreditkarte.

Der Schiffstransport auf der Donau galt lange Zeit als bruchsicherer Verkehrsweg für Porzellan aus Wien. Daraus erklärt sich, dass der Firmensitz der Manufaktur sich viele Jahre lang am Alsergrund befand, unmittelbar am Ufer des an der Oberfläche fließenden Alserbachs. Warum wohl? Nun, der große Bach mündete in die Donau, die fest verpackte Ware konnte vor dem Haus auf Schiffe verladen werden. Aus Passau kam auch auf dem Wasserweg die wichtige Tonerde Kaolin, der Grundstoff für die Porzellanfertigung, seltene Erden waren also schon damals ein Thema.

Die Donau flussab in Sicherheit gebracht
Als sich die Franzosen 1809 Wien näherten, nach den Schlachten bei Aspern und Wagram, um neuerlich als Besatzer aufzutreten, ging ihnen der schlechte Ruf als Plünderer und Zerstörer voraus. Die wertvollsten Porzellanschätze fuhren rechtzeitig mit zwei Schiffen nach Ofen in Ungarn, die Grande Nation leerte dann in Wien Palais und Sammlungen, noch heute befinden sich in französischen Provinzmuseen Kunstwerke aus Wien.


Verpackungsbeispiel aus der frühen Augarten-Ära, aus den 1920er-Jahren: Dicker Karton soll die kostbare Fracht schützen.
Foto: Porzellanmuseum im Augarten

Schiffe und Kutschen waren die klassischen Transportmittel der damaligen Zeit. Doch in den Bergregionen hatte sich die Zunft der Buttenträger etabliert, starke Alpenbewohner trugen in großen Körben am Rücken, Butten genannt, zerbrechliche Ware über die Alpen. Die "Erfinder" dieses Transportgewerbes hatten ihr Zuhause in Venedig, es galt, Gläser aus Murano ohne Bruch nach Norden Richtung Österreich zu tragen. Was mit Glas funktionierte, wurde auch auf Porzellan übertragen, auf dem Rückweg nach Italien wanderte Wiener Porzellan, in Schmalz eingebettet, Richtung Süden.

Einmalig in der Geschichte rund um Mobilität von Porzellan steht der Bericht über den Transport der lebensgroßen Büste Maria Theresias von Wien nach Paris da, immerhin über zwei Kilo schwer, als Geschenk an ihre Tochter Marie Antoinette.

1770 machte sich zwei kräftige Männer, die Büste am Rücken in einer Holzkiste, von Wien aus auf den Fußweg Richtung Paris. Nach heutiger Messung rund 1200 km, damals eine Wanderung durch eine Mischung aus Urwald, von Räubern und Wegelagerern beherrschten Straßen, ohne Schutz bei jedem Wetter, teilweise durch feindliches Ausland.

Das Wunder: Der österreichische Gesandte am Hof zu Versailles konnte laut historischen Berichten die Büste unbeschädigt der Königin übergeben, wie lange die Männer unterwegs waren und ob/wie sie nach Wien zurückkamen, ist nicht überliefert.

Aber auch sonst ist das Geschichtsbuch der Manufaktur Augarten reich an Episoden. Etwa die: Der russische Zarewitsch Paul, der spätere Zar Paul I., bestellte 1786 ein großes Tafelservice, mit Militäreskorte ging die Lieferung nach St. Petersburg.


Aus der selben Zeit stammt die eben wiederentdeckte Fotografie. Das Augarten-Porzellan wird behutsam mit Holzwolle, Holzkisten und Seidenpapier bruchsicher verpackt und reisefertig gemacht.
Foto: Wiener Porzellanmanufaktur Augarten, Archiv

Diplomatisches Geschenk an Russland
"Das 659 Teile umfassende große Speise- und Dessertservice wurde nach Pauls Besuch 1782 in Wien als diplomatisches Geschenk für den Gast im Jahr 1785 bestellt und dem österreichischen Botschafter Graf Kobenzl im Juli 1786 nach Sankt Petersburg geschickt. Die Kosten beliefen sich auf 9887 Gulden, davon 72 Gulden ,Einpack- und Emballierungs-Spesen‘ für zwölf Kisten", berichtet Claudia Lehner-Jobst, wissenschaftliche Direktorin und Sammlungskuratorin vom Porzellanmuseum im Augarten. Man wisse leider nicht, "wie diese Kisten genau ausgesehen haben, aber sicherlich repräsentative Holzkisten mit Lederbezug und mit Seide ausgefüttert, zusätzlich wohl noch in grobe Holzkisten eingepackt und dadurch geschützt".

Andere Episode: Die brutalen Türkenkriege hatten furchtbare Spuren hinterlassen, doch nach dem Frieden von Belgrad 1739 durften die Osmanen viel Beutegut behalten. Die Hohe Pforte in Konstantinopel bestellte trotzdem eintausend Mokkatassen, sie schipperten auf dem Wasserweg die Donau hinunter. Mozart komponierte später die Sonate alla turca und Die Entführung aus dem Serail, "türkisch" war plötzlich in.

Nach dem Sieg Wellingtons bei Waterloo ehrten alle europäischen Porzellanmanufakturen, auch Wien, den englischen Feldherren mit einem 500-teiligen Service, es ist heute noch im Apsley-House in London zu besichtigen.

Edle Botschafter auf See
Augarten-Porzellan gibt es heute auch zur See. Nachdem praktisch alle wichtigen historischen Dekors nachgebrannt werden können – etwa 2500 Varianten befinden sich im Bestand –, schwimmen sie als nobles Geschirr auf Jachten wohlhabender Kunden aus USA, Großbritannien, Taiwan oder Japan, Russland sei unerwähnt, rund um die Welt. Als edle Botschafter auf den wichtigsten Exportmärkten.
(Peter Urbanek, 8.4.2023)
Weißes Gold auf Reisen
 
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