Traisen

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dacrack

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#1
Da ich seit 1972 in der Gießerei in Traisen arbeite und auch Zugang zur Geschichte des Werkes habe,
möchte ich hier erstmal ein paar Berichtigungen anbringen.

Auf Geheimprojekte wird das Werk als "Temperguß-Traisen – Stahlwerk" bezeichnet.
Das ist nicht richtig, der Firmenname lautete zwischen 1939 und 1945 "Stahl- und Temperguß AG, vormals Fischer".

Das Werk war für die Nationalsozialisten von großer Bedeutung.
Es wurden hier nicht nur die angesprochenen Panzerkettenglieder, sondern auch Ventilkästen für U-Boote gegossen.
Ich hatte vor Jahren die Gelegenheit mich mit dem demaligen, inzwischen verstorbenen Werksleiter Dr. Schlüsselberger zu unterhalten.
Die besagten Ventilkästen durften aus Gewichtsgründen nur 6 mm Wanddicke haben, so dünn konnte man aber fehlerfrei nicht gießen.
Man hat daher die Gussteile nicht nur einmal sondern mehrmals geglüht, da durch das Glühen die Oberfläche abzundert,
und damit die Ventilkästen bei jedem Glühvorgang immer dünner wurden.

Bild 1 der o.a. Seite zeigt das heutige Modelllager, die Modelltischlerei und den Haupteingang (v.l.n.r.).
Weiters wird angeführt, dass am rechten Bildrand bei der Dachrinne die NS-Arbeitersiedlung beginne.
Das ist falsch, dort steht das sogenannte Alte-Neue Haus auf der Berthold-Fischer Lände.
1938 wurde die NS-Arbeitersiedlung "Hermann Göring" etwa 1,8 km Luftlinie NO des Werkes gebaut.
Blick-Steinwandleiten-nach-S.jpg
Heute wird diese Siedlung unter dem Namen WAG-Siedlung geführt.
Der rot umrahmte Bereich ist der Bestand von 1938 - 1940, die restlichen Gebäude sind alle viel später nach dem Kriegsende entstanden.
WAG-Siedlung-4.4.2009-Pano.jpg
Hier eine Aufnahme der Arbeitersiedlung von 1940.
Einige Häuser sind noch im Rohbau und wurde erst nach Kriegsende fertigsgestellt.
HermannGoeringSiedlung1940.jpg

Bild 2 auf auf Geheimprojekte zeigt das sogenannte Kruppwerk.
Dieser Werksteil wurde 1934 von der Fa. Krupp aus Berndorf angekauft und das stillliegende Walzwerk ab 1938 in eine dreischiffige Tempergießerei umgebaut.
Heute betreibt dort die Firma +GF+ Georg Fischer Piping Systems eine Produktion von Fittings aus Temperguss.


Zum Luftschutzstollen:
Erstaunlicher Weise ist es Felix gelungen den Luftschutzstollen zu lokalisieren
Da musste ich erstmal schmunzeln ;).
Jeder Traisner über 40 kennt den Luftschutzstollen, und er liegt auch nicht weitab, ist eigentlich sehr leicht zu finden.
In meiner Jugend war ich dort sehr oft.
Überdies wurde in den letzten Tagen der Baum und Strauchbestand beim Eingang entfernt, jetzt springt einem der Stollen direkt ins Auge :D.
Luftschutzstollen-Traisen-4.4.2009-4449.jpg
Ein zweites System gibt es definitiv nicht, es gab auch keine vier Mundlöcher, sondern nur zwei, wobei nur mehr eines befahrbar ist.
Ich besitze eine SW-Aufnahme aus der Zeit mit eindeutig nur 2 Mundlöcher.
Werde ich bei Gelegenheit mal einscannen und einstellen.
Nach dem Krieg wurde der Stollen auch kurzzeitig zur Champignonzucht verwendet, heute ist er in Privatbesitz.

LG Franz

PS: Werde in diesem Thread bei Gelegenheit weitere Infos einstellen.
 
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josef

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#3
Hallo Franz,
ein herzliches Willkommen im Forum!
PS: Werde in diesem Thread bei Gelegenheit weitere Infos einstellen
Das würde uns sehr freuen, aber auch alle anderen Themen warten auf vernünftige Beiträge...:)

Besten Dank für die Ausführungen und Korrekturen zum Beitrag bei geheimprojekte.at! Hoffe, dass @Markus wieder einmal Zeit hat, die Änderungen einzubauen.

Hätte zu Traisen gleich einmal eine Frage:
Kann mich bis ca. Ende der 60iger Jahre (?) an eine große Industrieruine nördlich der heutigen Anlagen erinnern. War dort das Stahlwerk? Glaube auch, dass dort eine große Schlackenhalde war...? Leider hatte ich damals (JG 50) noch andere Interessen...

Nachstehend ein Lubi, Quelle: NÖGIS, NÖ.-Karte

ROT => Standort ehemalige Industrieruine,
Kreis GELB => Werkssiedlung und
Umrandung GELB (unterer Bildbereich) => heutiger Standort va-Giesserei Traisen GmbH und +GF Georg Fischer Piping Systems
 

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dacrack

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#4
Kann mich bis ca. Ende der 60iger Jahre (?) an eine große Industrieruine nördlich der heutigen Anlagen erinnern. War dort das Stahlwerk? Glaube auch, dass dort eine große Schlackenhalde war...?
Hallo Josef,

Deine Erinnerung trügt dich nicht, ich kann mich auch noch an die Anlage erinnern.
Nördlich des Werkes, beim damaligen Schützenhof, heute Hallen im Besitz der Fa. Trost,
stand bis Ende der 60er Jahre eine große Industrieruine.
Es war aber kein Stahlwerk sondern die Dampfzentrale, welche bis 1945 in Betrieb war.

1916 und 1917 wurde im Werk je ein 4 t Elektrolichtbogenofen installiert.
Zur Deckung des Strombedarfes wurde ein eigenes Dampfkraftwerk mit einem 1.350 kW Turbodynamo errichtet
und an das öffentliche Stromnetz der NEWAG angeschlossen.

Angaben aus Heimatkunde des Bezirkes Lilienfeld, 1. Band.

Das Bild zeigt die Dampfzentrale um 1945.
Dampfzentrale 1945.jpg

Man sieht schön einen Artillerietreffer am Schornstein.
Entweder 1968 oder 1969 wurde dann der Schornstein gesprengt und die Anlage abgetragen.

2008 wurde die Hauptstromversorgung des Werkes neu errichtet.
Dabei sind wir im Bereich zwischen Bahngleis und Traisen, heutiger Radweg nördlich des Werkes,
auf die alten Dampfleitungen gestossen welche von der Dampfzentrale ins Werk führten.

Hinsichtlich Schlackenhalde, die gibt es noch immer, nur ist sie etwas kleiner als seinerzeit.
Neben der Traisen ersteckt sich ein langgestreckter Hügel bis etwa Parkplatz der Werkssportanlagen.
Es ist aber keine Schlacke sondern Formsand aus der Giesserei der dort deponiert wurde.

LG
Franz
 

josef

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#5
--@dacrack: Danke für die Infos! Genau diese Ruine meinte ich... Traisen bzw. die Umgebung (Gölsental usw.) hat es ja schwer getroffen! Bilder gibt es bei F.Brettner, Die letzten Kämpfe des II. Weltkrieges, Band Steinfeld-Wienerwald-Tullnerfeld-Traisental, ISBN 3-9500669-4-2, auch von den zerstörten Werksanlagen in Traisen.

Mir werden in der nächsten Zeit sicher noch einige Fragen zum Traisental einfallen...

lg
josef
 

josef

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#7
Hallo Franz,

da die Bände im Eigenverlag erstellt wurden, versuche es einmal direkt unter der Anschrift:

Prof. Friedrich Brettner
Weißenbachstraße 21
A 2640 Gloggnitz

oder über das "Dr.Karl Renner Museum" in Gloggnitz, dessen Kustos Herr Brettner ist: http://www.rennermuseum.at/renner.htm

lg
josef
 
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dacrack

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#8
Hallo Josef,

Danke für den Tipp.
Ich werde mal Prof. Brettner anschreiben.

LG
Franz
 
#9
Hallo,

Hier noch ein paar Anmerkungen von mir:


Auf Geheimprojekte wird das Werk als "Temperguß-Traisen – Stahlwerk" bezeichnet.
Das ist nicht richtig, der Firmenname lautete zwischen 1939 und 1945 "Stahl- und Temperguß AG, vormals Fischer".

Das sollte übrigens nur die Überschrift sein und nicht der Firmenwortlaut.


Das Werk war für die Nationalsozialisten von großer Bedeutung.
Es wurden hier nicht nur die angesprochenen Panzerkettenglieder, sondern auch Ventilkästen für U-Boote gegossen.

Meinst Du damit die Ventilkästen in der U-Boot-Zentrale?

1938 wurde die NS-Arbeitersiedlung "Hermann Göring" etwa 1,8 km Luftlinie NO des Werkes gebaut.

Wird im Bericht geändert...

Ein zweites System gibt es definitiv nicht, es gab auch keine vier Mundlöcher, sondern nur zwei, wobei nur mehr eines befahrbar ist.
Ich besitze eine SW-Aufnahme aus der Zeit mit eindeutig nur 2 Mundlöcher.
Werde ich bei Gelegenheit mal einscannen und einstellen.

Ich habe meine Angaben übrigens aus den Akten des Bundesministeriums für Wiederaufbau => darin werden 4 Mundlöcher angeführt!!!

LG,
Markus
 
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dacrack

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#10
Hallo,
Hier noch ein paar Anmerkungen von mir:


Auf Geheimprojekte wird das Werk als "Temperguß-Traisen – Stahlwerk" bezeichnet.
Das ist nicht richtig, der Firmenname lautete zwischen 1939 und 1945 "Stahl- und Temperguß AG, vormals Fischer".

Das sollte übrigens nur die Überschrift sein und nicht der Firmenwortlaut.
Alles klar.

Das Werk war für die Nationalsozialisten von großer Bedeutung.
Es wurden hier nicht nur die angesprochenen Panzerkettenglieder, sondern auch Ventilkästen für U-Boote gegossen.

Meinst Du damit die Ventilkästen in der U-Boot-Zentrale?
Ja, es existieren leider keine Zeichnungen mehr aus der Zeit.

1938 wurde die NS-Arbeitersiedlung "Hermann Göring" etwa 1,8 km Luftlinie NO des Werkes gebaut.

Wird im Bericht geändert...
Danke.

Ein zweites System gibt es definitiv nicht, es gab auch keine vier Mundlöcher, sondern nur zwei, wobei nur mehr eines befahrbar ist.
Ich besitze eine SW-Aufnahme aus der Zeit mit eindeutig nur 2 Mundlöcher.
Werde ich bei Gelegenheit mal einscannen und einstellen.

Ich habe meine Angaben übrigens aus den Akten des Bundesministeriums für Wiederaufbau => darin werden 4 Mundlöcher angeführt!!!
Das ist sehr interessant.
Kann man in diese Akten Einsicht nehmen oder hast du Kopien?
Wäre sehr an der Aufklärung interessiert, da ich bis dato weder Zeitzeugen noch Bilder für die "4 Mundloch-Theorie" gerfunden habe.
War heute nochmals kurz vor Ort, gibt jedoch keine Hinweise.
Ich habe lediglich noch das Betonfundament einer kleinen Holzhütte gefunden, welche dort im Zeitraum WKII gestanden ist.
Der Zweck dieser Hütte ist mir aber auch nicht klar.
Ich bleibe in dieser Angelegenheit am Ball


LG Franz
 
D

dacrack

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#15
Das Buch Brettner, Friedrich Die letzten Kämpfe des II. Weltkrieges Steinfeld - Wienerwald - Tullnerfeld - Traisental; 6. Panzerarmee ist in der Bibliothek des Buneskanzleramtes vorhanden.
Vielen Dank für den Hinweis.

LG Franz


Hier noch eine Aufnahme der Kraftzentrale von 1968.
Habe heute Schriftstücke aufgefunden, nach denen die Dampfzentrale bis 1965 in Betrieb gewesen ist.
Auf folgender Aufnahme vom 2.12.1968 ist der Schornstein nicht mehr vorhanden.

Kraftzentrale1968.jpg
 
H

Harald 41

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#17
#18
Da ich seit 1972 in der Gießerei in Traisen arbeite und auch Zugang zur Geschichte des Werkes habe,
möchte ich hier erstmal ein paar Berichtigungen anbringen.
LG Franz

PS: Werde in diesem Thread bei Gelegenheit weitere Infos einstellen.
Ich hätte Fragen zur Werksbahn:
1. Das Werk hatte früher einmal je eine normalspurige und eine schmalspurige Dampflokomotive. Gibt es davon Daten (Baujahr, Fabrikat etc.) oder sogar Bilder?
2. Was ist aus den Diesellokomotiven geworden?
Im Einsatz waren eine Köe, ein Breuer, eine GEBUS und eine JW.
3. Wie wird die Anschlussbahn heute noch bedient?
Mit der Bitte um allfällige Informationen
amoser
 
H

Herby46

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#19
Luftschutzstollen Traisen

In einem Kalenderblatt (undatiert welches Jahr) der SPÖ-Traisen fand ich eine kleine, ebenfalls undatierte Aufnahme des Stolleneinganges. Anscheinend schon zubetoniert.

lg,
Herby
 

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Herby46

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#20
"Walzwerk" neben Dampfzentrale

Es gab nördlich der Dampfzentrale eine Fabrikationsanlage!
Meiner Erinnerung nach wurde es das "alte Walzwerk" genannt. Bezüglich der Benamsung kann meine Erinnerung trügen ;-) Dass es aber dort gestanden hat, beweist die Fotografie --> beide Anlagen innerhalb des Ovals. Wann das alte Werk geschliffen wurde, weiss ich nicht.
 

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