Wrack einer Lightning P-38 am Lunzer See

josef

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#1
In einem alten Ausstellungskatalog des HGM

Fliegen 90/71 - Militärluftfahrt und Luftabwehr in Österreich von 1890 bis 1971
HGM/Militärwissenschaftliches Institut; Wien 1971


fand ich ein Foto vom Wrack einer am Rücken liegenden "Lightning P-38" im Uferbereich des Lunzer Sees (Nordufer).

Dazu Text Katalog Nr. 268:
Das Flugzeug wurde - höchstwahrscheinlich im Februar - nach Angaben von Augenzeugen im März 1944 von deutscher Flak getroffen und zur Notlandung gezwungen. Die Maschine war auf den zugefrorenen Lunzer See gestürzt und kurz nachdem sich die Besatzung retten konnte, untergegangen. 1946 erfolgte die Bergung; die Seile sind deutlich am Doppelrumpf zu erkennen. Für die Datierung Februar spricht vor allem die Tatsache, daß vom 20. - 25. dieses Monats die "Große Woche" lief, in deren Rahmen die Kugellagerwerke in Steyr bombardiert wurden, während der März 45 fast ohne angriffe der 15. US-Luftflotte vorüberging.
Zum Bild hätte ich eine Frage:
Am gegenüberliegenden Südufer ist ein Teil eines größeres Gebäude erkennbar. Dieses Objekt existiert heute noch, war bis vor einigen Jahren ein "Gästehaus des Landes Niederösterreich" und dient jetzt, nach Umbau als universitäre Einrichtung -> Wasser-Cluster Lunz (Gemeinschaftsprojekt der Uni- Wien, BOKU-Wien und Donau-Uni Krems).

Meine Frage zu diesem Gebäude: Kennt jemand den Verwendungszweck des Objektes während der Kriegszeit ?
 

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#3
Landesjugendheim war es auch.


Das hier klingt auch interessant...:D

Unter dem Meteorologen Wilhelm Schmidt (1883–1936) wurde auf einer Alm des Hetzkogels in einer großen Doline anfangs der 1930er Jahre der „mitteleuropäische Kältepol“ festgestellt. In dieser Doline kann es durch eine besondere Luftschichtung im Spätwinter manchmal unter -50 °C haben, was Lunz schlagartig zu weiterer, aber vielfach missverstandener Bedeutung verhalf. So richtete die deutsche Wehrmacht hier zehn Jahre später unsinnigerweise eine Teststation für „sibirientaugliche“ Panzer-Motoren ein.
 

josef

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#4
Zumindesd war das wohl vorher Jugendgästehaus, also sowas wie ne Jugendherberge. Vielleicht mal da ansetzen...
:danke Michael, das ist bekannt - fällt alles in die Ära "Gästehaus des Landes Niederösterreich...". => Nachkriegsnutzung.
...wurde auf einer Alm des Hetzkogels in einer großen Doline anfangs der 1930er Jahre der „mitteleuropäische Kältepol“ festgestellt
Haben wir auch hier schon "behandelt" ...und ist auch der eigentliche Grund meiner Frage :) Siehe auch
Offiziell ist nur ein "Tüpl Lunz" des Wehrkreises XVII bekannt. (Z.B. in Heft 30 MHS; O.Tuider; "Die Wehrkreise XVII und XVIII 1938-45; HGM-Militärwissenschaftliches Institut: Wien 1975).

Wäre interessant, ob es Zusammenhänge mit der "KVA" (Kraftfahrtechnische Versuchsanstalt) der SS in St.Aegyd am Neuwalde, Außenstelle der "KTL" (Kraftfahrtechnische Lehranstalt) der SS in Wien-Schönbrunn, gab?
lg
josef
 
#5
:danke Michael, das ist bekannt - fällt alles in die Ära "Gästehaus des Landes Niederösterreich...". => Nachkriegsnutzung.
Das denke ich mir das ihr das kennt. Was ich meinte, daß es vielleicht schon vor dem Krieg Jugendwohneim war. Sowas gabs ja nicht erst nach dem 2.Weltkrieg. Wenn die dann während des Krieges ausquartiert worden, ist das bestimmt bei denen verzeichnet worden.
 

josef

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#7
Lunzer See

Beim Aufarbeiten der Restbestände zum Thema "Lunz am See inkl. Umgebung" habe ich noch einige Fotos gefunden:

Lunzer See

1. SW-Ende des Sees mit Seerestaurant. Das Flugzeugwrack lag außerhalb der rechten Bildseite. Das Gebäude am "Bergungsfoto" links außerhalb des Randes am Südufer.

2. u. 3. Blick zum Ostende des Sees. Im Tal hinten rechts geht es weiter zum Mitter- und Obersee -> ehemalige Seilbahn zum Testgelände "Grünloch"
 

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#8
Gebäude am Südufer des Lunzer Sees

Vermute, dass das Gebäude erst ab/nach 1938 errichtet wurde? Sieht mir irgendwie nach den damals üblichen "alpenländischen Typus" des NS-Stils aus :)

lg
josef

Hallo
Meines Wissens war im den Gebäude das Wehrertüchtigungslager beheimatet - lt Zeitzeugen - Kurz vor Ankunft der Russen, haben die Offiziere das Lager Fluchtartig verlassen und die Bevölkerung deckte sich aus den Reich gefüllten Lagern (1945!) mit Lebensmittel und allen brauchbaren ein....
lg Mario
 

josef

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#10
Entstehung des markanten Gebäudes am Lunzer See endgültig geklärt:

Lunz: Mahnmal gegen das Vergessen

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Am Freitag wird in Lunz am See (Bezirk Scheibbs) ein Mahnmal zum Gedenken an die NS-Vergangenheit des Ortes präsentiert. Florian Pumhösl möchte mit einer minimalistischen Sgrafittowand auf die Gefahren der politischen Indoktrinierung hinweisen.

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Das fünf Meter breite und drei Meter hohe Mahnmal entstand vor dem Hintergrund der Geschichte des Gebäudes des heutigen WasserCluster Lunz, dem Universitätszentrum für die Erforschung aquatischer Ökosysteme, das ab Sommer 1940 als neu gebautes Gaujugendheim unter anderem als Organisationszentrale für die Lunzer Wehrertüchtigungslager der Hitlerjugend verwendet wurde. Das Projekt ging aus einer Initiative des WasserCluster in Kooperation mit der Abteilung Kunst und Kultur/Kunst im öffentlichen Raum des Landes Niederösterreich hervor.

WasserCluster Lunz
Dieses Gebäude wurde Ende der 1930er Jahre als „Gaujugendheim“ errichtet und ab den 1970er Jahren zum WasserCluster Lunz erweitert (Postkarte, nach 1945)

Der WasserCluster Lunz wollte die Vergangenheit rund um das Gebäude sichtbar machen und eine Auseinandersetzung mit der Geschichte ermöglichen. „1940 wurde ein Gaujugendheim errichtet, das unter anderem als Organisationszentrale für die Wehrertüchtigungslager der Hitlerjugend diente. 14- bis 18-jährige Burschen wurden hier militärisch ausgebildet und mit Vorträgen nationalsozialistisch ‚geformt‘. Sowohl der Leiter des Lunzer HJ-Lagers als auch der HJ-Gebietsführer vom Gau Niederdonau waren später an massiven Kriegsverbrechen beteiligt“, heißt es seitens Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich, Kooperationspartner des WasserCluster Lunz bei diesem Projekt.

Pumhösl ermöglicht eine Neubetrachtung der Ereignisse
Der international renommierte Künstler Florian Pumhösl verwendet für seine Werke häufig historische Themen als Grundlage und bezieht originales Quellenmaterial mit ein, das er reduziert, neu ordnet oder in ungewohnte Zusammenhänge stellt, um so eine Neubetrachtung zu ermöglichen.
So auch in Lunz: Auf den ersten Blick fügt sich eine weithin sichtbare, auf einer Wiese stehende Wand durch die regional gebräuchliche Sgraffito-Technik durchaus in die Umgebung ein. Dem weißen Verputz ist hier aber kein ornamentales Muster eingeschrieben, sondern ein Ausschnitt des Stimmzettels für die „Volksabstimmung zur Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ am 10. April 1938.

NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, N2429-307-4
Teilnehmer an einem Lager der erweiterten Kinderlandverschickung vor der Pfarrkirche Lunz am See (Fotoalbum Gerd Matthiae, 1943)

Die Volksabstimmung war weder frei noch geheim. Sie schloss viele Menschen aufgrund der rassischen Bestimmungen aus, und die wenigen Wahlberechtigten, die den Mut besaßen, dieser Wahl und damit dem NS-Regime mit einem Nein entgegenzutreten, wie der Lunzer Wilhelm Mathes, waren unmittelbaren Konsequenzen ausgesetzt. Zur gleichen Zeit fand bereits eine organisierte Indoktrinierung der Bevölkerung und vor allem der Jugend statt.

Die schlichte, doch weit sichtbare Markierung von Florian Pumhösl inmitten der Narzissenwiese ordnet die Geschehnisse in und um Lunz während des Dritten Reiches in einen größeren Zusammenhang ein. Pumhösl weist damit auf eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung hin, die jede Generation von Neuem tragen muss.
KÖR NÖ
Florian Pumhösls fünf mal drei Meter große Mahnung in Lunz am See: „Demokratische Rechte müssen immer geschützt werden, weil sie kein natürlicher Umstand, sondern ein von Menschen erkämpftes Gut sind.“

„Verantwortung hört nirgends auf“
„Das Wandbild ist bewusst auf die beiden für die Abstimmung verwendeten Wahlmöglichkeiten reduziert: ein großer Kreis dem Ja und ein kleiner Kreis dem Nein. Einzig die verwendete Frakturschrift verweist auf die historische wie politische Dimension des Bildes und macht sie gleichzeitig unübersehbar. Umgeben von der malerischen Umgebung fügt sich die Wand in die Landschaft und bricht gleichzeitig aus ihr heraus – macht Bewohner*innen wie Besucher*innen bewusst, dass Verantwortung füreinander nirgends aufhört und demokratische Rechte immer geschützt werden müssen, weil sie kein natürlicher Umstand, sondern ein von Menschen erkämpftes Gut sind.“ (Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich)
Florian Pumhösl, Jahrgang 1971, lebt und arbeitet in Wien und München. Seine Arbeiten basieren häufig auf historischen Themen unter Verwendung zeitgenössischer Originalmaterialien. Er erhielt zahlreiche internationale Preise, seine Arbeiten werden seit vielen Jahren in den wichtigsten Galerien und Museen gezeigt. Seit 2018 ist Florian Pumhösl Professor für Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste München.
31.07.2020, red, noe.ORF.at/Agenturen

Links:
Lunz: Mahnmal gegen das Vergessen
 
#11
fand ich ein Foto vom Wrack einer am Rücken liegenden "Lightning P-38" im Uferbereich des Lunzer Sees (Nordufer).
Augenzeugenschilderung von Edelbacher Franz:

Wie sie das Flugzeug aus dem Lunzer See herausgeholt haben, da haben wir zugeschaut. Der Pilot hat damals (1945) eine weiße Fläche gesehen
und hätte geglaubt, das ist eine Wiese, derweil war´s Eis. Durch die Wärme des Motors ist das Eis geschmolzen und der Flieger ist versunken.
1955 haben die ein Holzgestell gebaut und haben´s rausgezogen. Wir sind am Ufer gestanden. Dann ist einer reingeklettert und hat am MG
herumgespielt. Dann ging eine Salve los. Zum Glück ist das auf den See hinaus. Rundherum sind ein Haufen Leute gestanden. Gaffer, so wie ich auch, aber es ist zum Glück nichts passiert.


Augenzeuge Enöckl Johann:

Das war nach dem Staatsvertrag. Da sind Taucher runter. Da war so ein Kuddelmuddel. Die Gendarmerie hat alle vertrieben von dort, damit ja nichts passiert, hat man geglaubt. Mit einem Traktor und mit einer Seilwinde wurde er herausgezogen. Das war da, wo jetzt das Bad ist. Ich war auf der
"Steinbauerhöhe". Es war ein Doppelrumpf, ein Jagdflugzeug. Die Pilotenkanzel war so klein, wie ein Beiwagen von einer Beiwagenmaschine, aber
so eng, also das muß ein kleiner Pilot gewesen sein, oder lässt sich der die Eier reinzwengen. Die Füße vorne, drinnen gesessen wie in einem Bei-
wagen mit den Fußpedalen hat er geschossen und gelenkt. Also wie wie das genau gegangen ist und so ein halbförmiges Lenkrad. Aber so klein
wie ein größeres Kipferl.
Der zweite Rumpf war noch kleiner. Da waren der Motor und der Propeller drauf. Die haben sich nach hinten verjüngt. Das ist mir so wie drei Meter vorgekommen und hinten hätte man das umgreifen können. Dann waren die beiden Rümpfe verbunden und mit einer Platte, wie einer Tischplatte könnte man sagen, und da sind dann die Leitwerke drauf gesessen. Aber auch so kleine Leitwerke. Wie es dann nicht mehr so abgesperrt war, ist so ein Bub mit 15 Jahren, herumgekraxelt. Dann ist das Maschinengewehr losgegangen, der hat damit geschossen. Das ist 10 oder 12 Jahre - richtig
10 Jahre - unter Wasser gelegen und war noch funktionsfähig.
Natürlich ist dann die Gendarmerie sofort dagewesen und alles wurde weiter abgesperrt. Das war alles bei der Bergung. Da haben die Taucher
heute noch Respekt, wenn sie da irgendwas im Lunzer See unten finden, am Seegrund, weil die Handgranaten und das Zeug ist alles noch scharf.
Die sehen wohl manchmal angeblich noch allerhand, weil die haben im Jugendheim, da war so ein kleines Lager, allerhand Gewehre, Handgranten und Waffen gehabt. Das habens dann im See halt versenkt. Aber es traut sich halt niemand richtig hin, weils sagen bevor ich da unten hin bin,
lass ich das Klumpert unten liegen.


Zeitzeuge Fallmann Johann, die P 38 ist noch in der LUFT!!!!

Ich bin mit meinem Bruder zufällig auf der Wiese dort gewesen, mit den Schiern. Da hat es so stark geschneit und die Wolken sind so tief gehangen. Wir haben die Flieger (amerikanischen) dauernd surren gehört. Weil es so düster war und geschneit hat, sind wir zurück und heimgegangen. Wie wir dort, wo jetzt das Seebad ist, heimmarschiert sind, sehen wir, wie ein Flieger am Eis landet. Er ist ausgesprungen und ist Richtung Jugendheim, wo das Ausbildungslager für das Militär war, gegangen. Er ist mit erhobenen Händen dort hingegangen. Die sind ihm entgegengelaufen und haben ihn festgenommen und ihn ins Heim gebracht. Dann haben wir nichts mehr gesehen.
Wir sind nicht hineingeklettert. Wir waren ängstlich, und wir haben uns nicht hin getraut. Von Norden sind viele Zuschauer gekommen und sind herumgeklettert. Wie es finster geworden ist, dürfte er verschwunden sein.
Da hat der warme Motor das Eis so aufgetaut, dass er untergegangen ist. In der Früh war er weg. Das war genau dort, wo jetzt vom Seebad das Trampolin zum Reinspringen ist. Da ist es schön tief.


nochmals Fallmann Johann, 10 Jahre später

Das war im 55er Jahr als das Flugzeug geborgen wurde. Mit dem Traktor und mit der Seilwinde haben sie das Flugzeug über einen aufgestellten Holzblock und mit einer Seilrolle rausgezogen. Taucher waren auch da.
Dann, wie das Flugzeug rausgekommen ist, ist der Bock umgefallen und auf der Kette ist das Flugzeug hängengeblieben, damits nicht wieder runter ist. Den Bock haben sie nicht mehr aufstellen müssen, denn sie habens dann eh hergezogen. Das war scheinbar eine St. Pöltner Firma.
Wie der Flieger jetzt an Land war, ist der so gelegen, dass er mit der Kanzel Richtung See raus schaute. Da war ein mords Auflauf. Da ist scheinbar der Rauchfangkehrerbub aus Scheibbs, hineingeklettert und hat herumgeschaltet. Dadurch ist die Bordwaffe in Betrieb gegangen, und er hat über den See geschossen, dass es schön gespritzt hat.
Ein Glück, dass nichts passiert ist, weil es waren ja Boote am See und rundherum ums Flugzeug sind eine Menge Leute gewesen. Das war ein Zufall, dass nichts passiert ist. Das Flugzeug ist dann zerlegt und abtransportiert worden.
Quelle: Verdrängt nicht vergessen, Band 1 von Franz Wiesenhofer
 

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