Rund um Merkenstein...

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#1
Hallo, liebe Forumsuser!

Ein feiertäglicher Ausflug führte mich heute Vormittag in die Nähe von Bad Vöslau - genauer gesagt zur Ruine Merkenstein.
Kaum jemand könnte es schöner formulieren als Johannes Sachslehner.
In seinem Buch "Magischer Wienerwald", welches er gemeinsam mit Robert Bouchal im Pichler Verlag herausgegeben hat, steht geschrieben:
"Kein anderer Teil des Wienerwaldes ist so intensiv von Geschichte und Geschichten durchwoben wie das Gebiet um die Burgruine Merkenstein. Die verfallene Feste auf einem felsigen südlichen Ausläufer des hohen Lindkogels bildet das magische Herz dieser verwunschenen Waldlandschaft.
Genau hier ereigneten sich vom Mittelalter bis in unsere Zeit die unglaublichsten Geschichten. Sowohl im Positiven, wie auch im Negativen..."

Wer sich hier vom Haidlhof,der im 14. Jahrhundert als Meierei errichtet wurde und die Burg Merkenstein mit Nahrungsmitteln versorgte, aufmacht zu dieser Tour, der geht ein Stück auf der asphaltierten Straße Richtung Heiligenkreuz und biegt dann rechts in eine Forststraße ein.
Mäßig steigt der Weg an, um uns nach einigen hundert Metern dem Wald zu übergeben, einem Wald, der so ganz anders scheint.
Wieder formuliert Sachslehner es sehr treffend: "Hat man die ersten Bäume erreicht, so fühlt man sehr schnell, dass der Wald den Besucher willkommen heißt - er saugt ihn förmlich an und erfüllt ihn mit seiner Präsenz." Und weiter..."Hier erblickt man die sonderbarsten Formen absterbender Bäume. Der im Boden fest verankerte Stamm bleibt manchmal noch aufrecht stehen, während die Baumrinde schon abgeworfen wird.
Es sieht so aus, als hätte sich der Baum wie eine Schlange gehäutet..."

Bild 1: Die Forststraße entlang - im Hintergrund die Ruine Merkenstein
Bild 2 und 3: Das Färberkreuz, ein geheimnisvoller Tabernakelbildstock aus dem 16. Jahrhundert steht stumm am Wegesrand Richtung Merkenstein.
Bild 4 und 5: Ab dem Färberkreuz säumen Felshöhlen und merkwürdige Steinformationen den Weg...
 

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#2
Weiter geht es des Weges...
"Nachdem man die ehemalige Toranlage passiert hat, erkennt man rechts des Forstweges eine große, von Brennnesseln und Unkraut völlig überwucherte, ziemlich ebene Fläche.
An der Stirnseite dieses Platzes ist aus Natursteinen eine Mauer errichtet worden, die ihn offenbar gegen den tiefer gelegenen Forstweg abstützen sollte. Manche Leute sprechen hier von einem *Turnierplatz*. Kenner der mittelalterlichen Welt halten allerdings nicht zu Unrecht dagegen, dass der Platz für ein Turnier mit Pferden viel zu klein gewesen sei.
Und dann gibt es da noch ein Mysterium: Es wird berichtet, dass sich unterhalb dieses Platzes ein sehr großer unterirdischer Raum befinde, ja, angeblich handle es sich dabei um eine Säulenhalle.
Nur 2 Personen, ein ehemaliger Förster namens Witt und ein Forstarbeiter hätten diesen Raum im letzten Jahrhundert gesehen. Die beiden seien über einen unterirdischen Gang, welcher im Brunnen auf dem Grundstück von Schloss Merkenstein seinen Ausgang nehme, bis zu dieser ominösen Halle gelangt. Sie hätten es jedoch nicht gewagt, den unterirdischen Saal zu betreten, zu groß sei die Angst gewesen, dass das völlig desolate Gewölbe hätte einstürzen können. Ein bis heute noch immer sichtbarer Gewölbebogen in dieser Mauer bestärkt die Annahme, dass an dieser Geschichte etwas dran sein könnte..." (Text von J. Sachslehner/ R. Bouchal aus dem Buch: Magischer Wienerwald)

Bild 6 und 7: Die Stützmauer des "Turnierplatzes"
Bild 8: Der noch immer sichtbare Gewölbebogen in dieser Mauer
 

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#3
Der Eiskeller zu Merkenstein...

"Mit ziemlicher Sicherheit gehörte dieser Eiskeller nicht zur Burg, sondern zum Schloss Merkenstein, das ja ebenfalls in unmittelbarer Nähe liegt."
und... "...so baute man nicht nur in Wien, sondern auch im Wienerwald große, aus Natursteinen oder Ziegeln errichtete Eiskeller.
Viele dieser Bauwerke sind bereits zerstört und abgetragen worden. Im Schlosspark von Laxenburg, am Cobenzl und hier, im düsteren Wald von Merkenstein, hat man die seltene Gelegenheit, diese alten Zweckbauten noch zu sehen..." (Text von J. Sachslehner/ R. Bouchal aus dem Buch: Magischer Wienerwald)

Bild 9: Eingang Eiskeller
Bild 10: Durch diese Öffnung im Waldboden - wurden die Eisblöcke - von oben - in den Eiskeller eingebracht
Bild 11: Blick durch den Vorraum - in den Raum des Eiskellers
Bild 12: Im Eiskeller
Bild 13: Blick nach oben - durch diese Luke kam das Eis nach unten.
Bild 14: Bild aus dem Eiskeller ins Freie
Bild 15: Selfie im Eiskeller
 

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#4
Schloss Merkenstein und sein ehemaliger Tiergarten

"Schloss Merkenstein ist heute in privatem Besitz und originalgetreu renoviert. Das Gelände ist abgesperrt und umzäunt.
Rund um das kleine Schloss erstreckt sich der große, ehemalige Tierpark. Hier sollen Rehe und anderes Wild gehalten worden sein.
In diesem abgesperrten Gelände befindet sich auch der erwähnte Brunnen, über den man angeblich den unterirdischen Gang, der unterhalb des Turnierplatzes in die Säulenhalle führen sollte, erreichen konnte. Leider ist der Zugang über den Brunnen heute nicht mehr möglich, da zu einem späteren Zeitpunkt neue Brunnenringe gesetzt wurden, die einen Einstieg zum alten, wesentlich größeren Brunnen, unmöglich machen.
Auf dem Grundstück des Schlosses befindet sich eine heute restaurierte Kapelle, die wesentlich älter als das Schloss ist - sie dürfte aus dem 16. Jahrhundert stammen.
In der Zeit vor der Renovierung von Schloss und Kapelle, als die Räume leer standen, sich hier selbternannte Druiden und Geisterbeschwörer trafen und die Wände mit seltsamen Zeichen bemalten, als auch die Kapelle völlig devastiert war und das Dach fehlte, da ist es in diesem kleinen Gotteshaus zu verschiedenen mysteriösen Vorfällen gekommen..." (Text gekürzt aus J. Sachslehner / R. Bouchal / Magischer Wienerwald)

Bild 16: Das Schloss Merkenstein
Bild 17: Altes, verfallenes Gebäude am Gelände des Schlosses
Bild 18: Merkenstein - hinter "Schloss und Riegel"
Bild 19: Die renovierte Kapelle am Schlossgelände

 

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#5
Der Türkenbrunnen von Merkenstein:

Sachslehner und Bouchal erzählen weiter in ihrem Buch "Magischer Wienerwald":
"Wer auf dem Weg hinauf zur Aussichtswarte von Merkenstein die 3 *suchenden Bäume* auf der linken Seite passiert hat und sich etwas weiter bergaufwärts links wieder in den Wald wagt, wird plötzlich überrascht auf einen Bau stoßen, den man in dieser Wildnis nicht erwartet hätte: Den sogenannten *Türkenbrunnen*.
Gleich vorweg: Der *Türkenbrunnen* ist kein Brunnen und auch kein Brunnenhaus. Der kreisrunde, von grünen Flechten überwucherte Bau mit den 3 elliptischen Öffnungen in der Dachkuppel erinnert vielmehr an ein Nymphäum, es ist eine Art Empfangs - und Verweilraum für jenen, der sich durch den langen unterirdischen Gang, der von hier wegführt, der eigentlichen Quellkammer nähern möchte.
Der Zugang zu diesem Gang, der gut erhalten ist und in seiner Charakteristik an die schmalen Gänge in den ägyptischen Pyramiden erinnert, ist jedoch versperrt. Bitte öffnen Sie die Absperrung nicht mit Gewalt, es gibt hier keine Schätze zu finden.
Während der Belagerung von Burg Merkenstein durch die Türken soll hier, in unmittelbarer Nähe der kostbaren Quelle, das Zelt des Kommandeurs gestanden sein - daher stammt der Name *Türkenbrunnen* für den zu Bebinn des 19. Jahrhunderts von den Dietrichsteins errichteten Bau.
Auch er ist ein Resultat, des damals ungemein populären Bestrebens, die Waldlandschaft durch romantische Bauwerke weiter zu überhöhen. Die Namensgebung hing wohl mit diesem starken Wunsch nach Romantik zusammen..."

Bild 20 - 25: Der Türkenbrunnen zu Merkenstein.
 

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#6
Der sprechende Baum...

Einige 100 Meter vom *Türkenbrunnen* entfernt befindet sich auf einer großen Lichtung die Aussichtswarte von Merkenstein.
Der Turm ist außen aus Stein und innen komplett aus Holz. Eine hölzerne Treppe führt nach oben in die Aussichtskammer.
Von hier genießt man bei gutem Wetter einen wunderbaren Ausblick.
Auf dieser Lichtung befindet sich auch der *Sprechende Baum*.
Eine mächtige, alte Eiche, die, der Legende nach, alles wissen soll und eine beruhigende Wirkung auf die Menschen haben soll, die sie berühren oder sich unter ihre mächtige Krone setzen....

Bild 26: Die Aussichtswarte zu Merkenstein
Bild 27: Der *Sprechende Baum*
 

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#7
Die Burgruine Merkenstein

Merkenstein wurde - angeblich - im Jahre 1141 zum ersten Male urkundlich erwähnt, wechselte öfters die Herrschaft, bis sie 1683 von den Türken erobert und zur Ruine wurde.
Das Betreten der Ruine ist heute verboten und durchaus nicht ungefährlich.

Bild 28 - 33: Burgruine Merkenstein
 

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#8
Zum Abschluss:

3 Stunden reichen nicht. Sie reichen nicht, um all die Dinge zu besuchen, die diese Gegend ausmachen, und schon gar nicht, um ihnen und ihrer Geschichte Respekt zu zollen.
Dem nächsten Besuch, den ich mit Userin @Wamsi im Herbst plane, werden weitere Recherchen vorangehen.
Liebe User des Forums, wer entschleunigen möchte, mal raus aus dem Alltag und es sich gönnt, gedankenfein und empathisch zu sein, der kommt hier her.
Der atmet den Wald, die Geschichte, der lässt sich fallen und kommt gestärkt zurück aus dieser Reise durch Kulturen und Zeit.
Zulassen muss man es.
Ich freue mich darauf, euch vom nächsten Besuch in Merkenstein zu erzählen, von der leider schon verstorbenen Frau Ernestine Klinger, der alten Dame, die die Burgruine vor Jahren pachtete und mit all ihrer Kraft und Leidenschaft versuchte, die Ruine mit noch vorhandenem, originalem Steinmaterial vor dem völligen Verfall zu retten, vom *Opferplatz*, dem *feuchten Stein*, der Merkensteinhöhle, den *suchenden Bäumen*, dem *Rücken der Echse* und dem vom Blitz getroffenen Baum.

Bis bald.

Euer Teno1.
 
#9
Vielen Dank für den ausgesprochen umfangreichen, bilderreichen und wunderbar beschriebenen Beitrag zu Merkenstein. Ich wollte heute(8.11.2017) den "Sprechenden Baum" besuchen, habe mir die Laufschuhe angezogen und bin hinaufgelaufen bis zum Schloss Merkenstein, dort links davor den Weg abgebogen, durch das geöffnete Gittertor und dann circa 20 Minuten bergauf, bis ich etwas ratlos mitten im Wald gestanden bin. Ich dachte, die Aussichtswarte und die alte Eiche( sprechender Baum) wären hier inder Gegend?? Aber da lag ich wohl falsch.....Könnten Sie mir sagen, wie ich-wenn ich vor dem Schloss Merkenstein stehe-zu dem Aussichtsturm komme? Würde mich freuen, liebe Grüße, Stefan
 
#11
Schöner und ausführlicher Beitrag, ich hatte in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts das Glück, eine Privatführung durch die Burgruine von Frau und Herrn Klinger zu bekommen, ein unvergessliches Erlebnis. Die Weitläufigkeit des Anlage ist faszinierend, ebenso wie die Kasematten. Die Kapelle des benachbarten Schlosses vor der Renovierung, mit der Brenner-Felsach Gruft darunter inklusive Särgen, die durch eine beseite geschobene Bodenplatte zu sehen waren, stellte das Nonplusultra an romantischem unheimlichem Abenteuer dar.
 
#12
Hallo zusammen,

War vor ein paar Tagen selbst bei der Ruine Merkenstein - ein wirklich beeindruckender "Kasten" / schöne Ruine.
Vor allem die Merkenstein-Höhle (Eingang leider versperrt) am Fuße des Felsens ist doch sehr beeindruckend, da ein Zugang in die ehemalige Küche der Burgruine (wohl ebenfalls versperrt?) führt.

Rechts vom Eingang der Merkenstein-Höhle befindet sich ein Loch, allerdings geht es da ein paar Meter in die Tiefe.
Gibt es da eine Möglichkeit sicher hinabzusteigen, außer mit einer Seil/Kletterausrüstung?

Habe darüberhinaus noch ein paar weitere Fragen an euch:

Konnte im Netz nichts über Sicherungs-, und Erhaltungsmaßnahmen in den letzten Jahren herausfinden.
Finde es doch sehr schade, dass die Ruine seit über 20 Jahren nicht öffentlich zugänglich (laut einem Freund) ist.

An der Rückseite der Burg, wenn man auf den Felsen klettert - ein schmaler Weg führt hinauf zu einem verfallenen Gebäude (ein ehmals angeschlossener Wohntrakt) - konnte ich die entkernte Ruine durch einen Fensterrahmen einsehen.

Es existieren in keinem Stockwerkt mehr Böden. Den anderen Teil der Ruine - Vorburg rechter Weg - ehemals ein weiterer Eingang (gotisches Spitzbogentor), mit einer nicht mehr vorhandenen Zugbrucke, war leider ebenfalls nicht einzusehen.

Frage mich (wohl naiverweise) warum die Ruine von der Familie Klinger gepachtet wird, obwohl die Ruine langsam aber stetig verfällt.

Liebe Grüße, Sascha


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