"Kuhschellen" aus der Glockenschmiede im Stubaital

josef

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Ein Stück Tirol klingt auf den Almen
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Seit Jahrhunderten tragen Kühe, Schafe und Ziegen auf den Almen Schellen um den Hals. Die meisten dieser Schellen im Alpenraum stammen aus dem Stubaital. Die Glockenschmiede Stubai stellt jedes Jahr in Handarbeit viele tausend dieser Schellen her.

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Dass das Unternehmen Glockenschmiede Stubai heißt, obwohl hauptsächlich Schellen hergestellt werden, sei kein wirklicher Fehler, erklärt Johann Hofer. Zum einen stelle er in seinem Betrieb auch Glocken her und zum anderen sei der Ausdruck Kuhglocke gebräuchlich, obwohl es sich dabei um Schellen handle.

Über den Unterschied von Schellen und Glocken
Den Unterschied erklärt Hofer so: „Schellen werden meistens aus einem Metallblech hergestellt und können eine beliebige Form haben. Sie erhalten üblicherweise einen Überzug. Eine Schelle kann, muss aber nicht nachklingen. Eine Glocke wird aus einer Messing- oder Bronzelegierung hergestellt. Sie wird von oben nach unten immer weiter und klingt immer nach.“

Hohe Verkaufszahlen wundern auch den Chef
Die Kunden der Glockenschmiede Stubai sitzen hauptsächlich im Alpenraum, wo die Bauern die Schellen für ihre Weidetiere brauchen. Neben Österreich sind Deutschland, die Schweiz, Italien und Frankeich die Hauptgebiete, in denen Hofer seine Schellen verkauft.

In Fulpmes werden jedes Jahr viele tausend Schellen hergestellt. Das Gewicht der hergestellten Formen liege bei rund 50 Tonnen, sagt Hofer. Die größten Schellen, die in Fulpmes hergestellt werden, wiegen 10,5 Kilogramm. Die seien jedoch primär für den Almabtrieb, Ausstelllungen oder Prämierungen gedacht. „Auch bei Krampusumzügen sind so große Schellen sehr begehrt, da kann es nie groß und schwer genug sein“, wie Hofer lächelnd erklärt. Die leichtesten seiner Schellen seien hingegen nur wenige Gramm schwer.

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Johann Hofer ist seit vielen Jahren im Betrieb tätig, vor einigen Jahren hat er ihn übernommen

Behandle man eine Schelle gut und lasse sie nicht im Wasser liegen, so halte diese über viele Jahre, sagt Hofer: „Eine Generation hält sie ganz leicht aus.“ Warum er dann dennoch jedes Jahr so viel Schellen verkaufe, könne er sich nicht erklären, meint Hofer. „Möglicherweise werden viele Schellen gestohlen oder sie werden bei Kramusumzügen vergessen“, aber das könne ihm schließlich egal sein.

Kurzes Eintauchen in 1.300 Grad heißes Messingbad
Ausgangsmaterial für die Schelle ist ein Blech. Daraus entstehen mit Hilfe einer hydraulischen Presse zwei Halbteile. Diese Halbteile werden dann von Hand verschweißt.

In einem 1.300 Grad heißen Messingbad erhält die Schelle nicht nur ihre schöne Farbe, sie wird gleichzeitig verlötet und somit verfestigt. Die heiße Schelle wird nach wenigen Sekunden aus dem Messingbad geholt und in kaltes Wasser getaucht. Anschließend wird sie noch gebürstet und poliert. Im letzten Arbeitsschritt wird der Klachl, wie Johann Hofer den Klöppel bezeichnet, eingesetzt. Er sorgt für den Ton in der Schelle.

Form und Ton unterscheiden Flach- und Froschmaulschelle
Mit der Flachschelle und der Froschmaulschelle gibt es zwei Grundformen. Neben der Form unterscheidet die beiden auch der Ton. Die Flachschelle klingt eher lauter, die Froschmaulschelle klingt etwas länger nach. Es sei schlussendlich reine Geschmackssache, welche Schellenform der Bauer für seine Tiere wählt.

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Die Flachschelle hat einen lauten Ton, klingt aber nicht lange nach. Die Froschmaulschelle hat einen eher lieblichen Ton und klingt etwas länger nach.

Von Lockenwicklern über Skibindungen zu Kuhschellen
Das Unternehmen kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Gegründet wurde es im Jahr 1946 von Hans Schiestl. Damals diente ein aufgelassener Stall als Werkstatt. Hergestellt wurden zunächst beispielsweise Kämme aus Aluminium, Lockenwickler und Schneebesen. Mit dem wachsenden Tourismus versuchte das Unternehmen auch sein Glück mit der Herstellung von Skibindungen und war damit durchaus erfolgreich.

Ende der 1950er Jahre entdeckte Hans Schiestl schließlich die Marktlücke „Viehschellen“ und begann mit der Produktion der Schellen. Heute ist die „Glockenschmiede Stubai“ der einzige große Schellenhersteller in Österreich, erklärt Johann Hofer. Er selbst fing vor mehr als 30 Jahren im Betrieb an und konnte ihn vor einigen Jahren übernehmen.

Alter als Vorteil gegenüber Konkurrenten
Darin, dass das Unternehmen so alt ist, sieht Hofer einen großen Vorteil. So sei der große Bestand an Werkzeuge erst möglich gewesen. Damit könne man nun günstig produzieren und eine Vielzahl von verschiedenen Schellen herstellen.

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Hälfte des Geschäfts durch Pandemie weggebrochen
Die meisten seiner Kunden sind Bauern, doch das Geschäft mit den vor allem bei Touristen beliebten, kleineren Souvenirschellen wuchs in letzter Zeit stark. Knapp die Hälfte seines Geschäfts entfalle mittlerweile auf diesen Bereich, verrät Hofer. Aber wegen der Pandemie sei dieser Geschäftsbereich beinahe völlig weggebrochen. Gleiches sei mit den Krampusumzügen der Fall, die ebenfalls ausfielen. Unverändert gut laufe hingegen das Geschäft mit den Bauern. Daher spüre er mit seinem Unternehmen die Krise nicht so stark wie dies in anderen Branchen erlebbar sei, zeigt sich Hofer zuversichtlich.
03.05.2021, Christoph Praxmarer, tirol.ORF.at

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