Pfahlreihen aus dem Mittelalter im Bodensee vor der Insel Reichenau gefunden

josef

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Aus dem Mittelalter: Pfahlreihen im Bodensee
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Es war ein Sensationsfund für den Bodensee: Nur ein paar Meter vom Nordufer der Insel Reichenau entfernt ragen 1.300 Eichenstämme unter Wasser aus dem Boden. Vermutlich dienten sie im Mittelalter dazu, Schiffen den Weg in den Hafen zu weisen. Forscher gewannen bereits erste Erkenntnisse dazu – etwa, in welchem Jahr die Stämme gefällt wurden und wer das Bauwerk in Auftrag gab.
Online seit heute, 11.12 Uhr
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Insgesamt drei Pfahlreihen aus dem Mittelalter haben Tauch-Archäologen im Jahr 2019 vor der Insel Reichenau im Bodensee entdeckt – die längste erstreckt sich über 600 Meter vor Oberzell. Sie befinden sich in der Flachwasserzone rund um die Insel. Für die Archäologen des baden-württembergischen Landesamts für Denkmalpflege ist der Fund ein neues Kapitel in der Erforschung der Welt-Erbestätte Insel Reichenau. Erste Erkenntnisse dazu wurden nun vorgestellt.

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Wohl „Verkehrsleiteinrichtung“ für die Schiffe
„Diese 1.300 Pfähle, das ist ja praktisch ein kleiner Eichenwald, der da verbaut worden ist", erzählt Bertram Jenisch, Mittelalter-Archäologe beim Landesamt für Denkmalpflege. Diese 1.300 Pfähle konnten untersucht werden, weitere Pfähle seien im Boden und daher nicht sichtbar. Der Gesamtbestand könne auf rund 2.500 Stück beziffert werden, sagte Jenisch.

"Ursprünglich dachten wir, das sind Schutzeinrichtungen für die Häfen auf der Reichenau. Mittlerweile gehen wir eher davon aus, dass es ein Schutz ist, damit man nicht auf Grund gelaufen ist, zur Lenkung der Schiffe in die Häfen.“ Für diese „Verkehrsleiteinrichtung“ wurden rund 300 Eichenstämme in der Länge von dreieinhalb bis vier Meter mit Metalläxten angespitzt und gespalten. Ob es sich wie angenommen tatsächlich um Sicherheitsbauten für den Schiffsverkehr handelte, soll das Projekt „Reichenau unter Wasser“ klären.

„Elon Musk“ des Mittelalters
Erste Untersuchungen der Hölzer ergaben jdenfalls: Die Bäume wurden im Jahr 909 nach Christus gefällt. Zunächst waren die Forscher davon ausgegangen, dass die Pfahlreihen aus dem Jahr 724 nach Christus, als das Inselkloster gegründet wurde, stammen könnten. Die Errichtung der Pfahlreihen fällt demnach in die Blütezeit des ehemaligen Benediktinerklosters und heutigen Münsters St. Maria und Markus in Reichenau-Mittelzell.

Mittelalter-Archäologe Jenisch weiß auch, wer die Pfahlreihen in Auftrag gegeben hat – nämlich Abt Hatto III. "Abt Hatto III ist eine ganz schillernde Person gewesen. Er war nicht nur Abt von der Reichenau, sondern auch von anderen Reichsklöstern. Erzbischof von Mainz, war Kanzler mehrerer deutscher Könige und einer der mächtigsten Politiker seiner Zeit. Ein wirklich bedeutender Mann – wirtschaftlich auch gut vernetzt. Man könnte sagen, der „Elon Musk" des Mittelalters.“

Insel war bedeutendes kulturelles Zentrum
Die neuesten Funde im Wasser machen deutlich, wie umfangreich sich die Raumplanung rund um das Kloster schon im Mittelalter gestaltete. Die 440 Hektar große Bodenseeinsel Reichenau war im Mittelalter ein bedeutendes europäisches Zentrum der Religion, Kunst, Literatur, Wissenschaft und Buchmalerei. Vom früheren Glanz zeugen heute vor allem drei romanische Kirchen sowie Reste des Benediktinerklosters.

Die Bedeutung der Klosteranlage führte im Jahr 2000 zur Aufnahme der Insel Reichenau in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes. Bisher umfasst der geschützte Bereich die Fläche der Insel bis zur Uferzone. Nun wird darüber wohl nachgedacht werden, die „Schutzzone“ um die Insel auszuweiten.
09.03.2023, SWR/red, vorarlberg.ORF.at

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