Jobwelt Bahn
Mobilitätsforscher: "Was London für Banken ist, ist Wien für Züge"
Österreich ist weltweit einer der größten Exporteure für Schienenfahrzeuge. Die Branche boomt – nur der Nachwuchs fehlt
Mobilitätsforscher: "Was London für Banken ist, ist Wien für Züge"
Mobilitätsforscher: "Was London für Banken ist, ist Wien für Züge"
Österreich ist weltweit einer der größten Exporteure für Schienenfahrzeuge. Die Branche boomt – nur der Nachwuchs fehlt
Im Wiener Gemeindebezirk Floridsdorf steht etwas Besonderes: ein Klimawindkanal für Züge. Auf Knopfdruck kann der Zug in dem Kanal extremer Sonneneinstrahlung, Schnee, Regen und Eis ausgesetzt werden. Zusätzlich gibt es dort Fahrtwind- und Lastsimulation. Jedes Wetter der Welt kann dort simuliert werden. So werden
Schienenfahrzeuge darauf getestet, wie gut sie jeglichen klimatischen Bedingungen standhalten.
Wissen über Reparatur, Umbau und Upgrade von Zügen wird immer wichtiger.
Nabodin - stock.adobe.com
Wichtiger Sektor
Das ist nicht der einzige Hinweis darauf, dass Österreich ein "Bahnland" ist – und zwar nicht nur aus Fahrgastsicht. Die dazugehörende Industrie ist hierzulande ebenfalls stark vertreten: "Mit einer Gesamtwertschöpfung von rund 2,7 Milliarden Euro jährlich und insgesamt rund 28.000 direkten und indirekten Beschäftigten ist die Bahnindustrie ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor. Darüber hinaus ist Österreich im Pro-Kopf-Vergleich weltweit führend im Export von Schienenfahrzeugen und zugehörigen Ausrüstungen", heißt es im Austrian Rail Report 2023.
Weitaus weniger trocken formuliert es Frank Michelberger: "Was London für Banken ist, ist Wien für Schienenfahrzeuge." Er ist Mobilitätsforscher und Leiter des Departments "Bahntechnologie und Mobilität" an der Fachhochschule Sankt Pölten. Die Bahnbranche hat eine lange Tradition hier in Österreich, erklärt Michelberger weiter. Mit der Zeit hätten sich immer mehr Firmen aus diesem Sektor hier angesiedelt. Nicht nur die ÖBB oder Siemens sind in diesem Bereich wichtige Unternehmen, sondern auch Firmen wie Plasser & Theurer, Alstom, Rohmberg Sersa, Stadler Rail, Škoda und viele mehr. Allein in Wien gibt es zwei große Werke, in denen Züge gefertigt werden.
Tiefgreifende Neuerungen bei Zügen
"Jedes Schienenfahrzeug ist ein Unikat", erklärt Michelberger. Für jeden Kunden wird alles neu designt. Zwischen acht und zehn Jahre dauert es, einen Zug vom Papier auf die Schiene zu bringen. Dafür braucht es einiges an Wissen: Wie soll der Zug aussehen, welchen Zweck soll er erfüllen, wie läuft die Ausschreibung, wer bekommt den Zuschlag? Nach dem Bau geht es um Tests, Zulassungen und die Übernahme. Im Idealfall halten Schienenfahrzeuge zwischen 30 und 40 Jahre. "Die Informationstechnologie muss allerdings alle paar Jahre erneuert oder überarbeitet werden", sagt Michelberger.
Alles, was den Umbau, die Reparatur und Upgrades betrifft, wird immer wichtiger, meint der Experte. Nachhaltigkeit nimmt auch in Bezug auf die Produktion und den Lebenszyklus eines Fahrzeugs einen bedeutenderen Stellenwert ein. "Eine große Neuerung ist die Einführung der Digitalen Automatischen Kopplung von Zügen, die EU-weit beschlossen wurde", sagt Michelberger. Bisher werden Züge noch von Hand gekoppelt. Das soll sich nun ändern, um die Effizienz zu steigern, heißt es von EU-Seite. Dafür müssen jedoch alle Schienenfahrzeuge in dieser Hinsicht umgebaut, getestet und neu zugelassen werden. "Das wird uns noch einige Jahre beschäftigen", so der Experte.
Aber auch Personalfragen treiben den Sektor um. "Der Fachkräftemangel ist bereits heute eine der größten Herausforderungen für die Branche", sagt Anil W. Rai, Geschäftsführer des Verbands der Bahnindustrie bei der Vorstellung des Austrian Rail Reports. Um die Größenordnung zu verstehen, hilft ein Beispiel der ÖBB. Dieses Unternehmen wird in den kommenden Jahren jährlich rund 4.100 neue Mitarbeitenden einstellen. Dieses Jahr hat die ÖBB rund 685 neue Lehrlinge gesucht und gefunden, heißt es in einer Presseaussendung des Unternehmens.
Neuer Studiengang
Um in dieser Branche zu arbeiten, gibt es mehrere Ausbildungsmöglichkeiten. Auf akademischem Niveau bieten die TU Wien, die TU Graz und die Universität Innsbruck Studiengänge in diesem Bereich an. Auch die Fachhochschule Joanneum in Graz und die FH Sankt Pölten haben für diesen Bereich spezifische Studiengänge. Von Maschinenbau, über Elektrotechnik bis hin zur Informatik wird in dieser Branche jegliches Wissen gebraucht.
Ab Herbst 2025 gibt es an der FH Sankt Pölten einen neuen Bachelorstudiengang mit dem Namen "Schienenfahrzeugtechnologie". Dieser wird neben dem schon bestehenden Studiengang "Bahntechnologie und Mobilität" geführt werden. Braucht es wirklich beide? "Die letzten Jahre kamen jährlich immer mehr Bewerberinnen und Bewerber. Letztes Jahr sogar so viele wie noch nie", berichtet Michelberger, der das zuständige Department an der FH Sankt Pölten leitet. Deswegen entschied sich die Hochschule, dieses neue Studium ins Leben zu rufen. Es ist im ganzen deutschsprachigen Raum in dieser Form einzigartig, da es sehr nur auf Schienenfahrzeuge spezialisiert ist.
Das Studium wird dual und berufsbegleitend angeboten. Es ziele vor allem auf junge Menschen ab, die noch nicht Fuß in der Branche gefasst haben. Bei der ersten Infoveranstaltung waren bereits 60 Interessierte dabei. Projektplanung, sowie technische Konzeption und Nachhaltigkeitsfragen nehmen einen großen Stellenwert im Lehrplan ein. Den Studierenden stehen vielfältige Arbeitsmöglichkeiten offen, meint Michelberger – zum Beispiel eine Karriere im Flotten- oder Instandhaltungsmanagement. Zwar ist das neue Studium bisher nur für 20 Studierende ausgelegt, dennoch ist es ein weiterer Versuch, der Personalnot zu begegnen. (Natascha Ickert, 31.1.2025)
Schienenfahrzeuge darauf getestet, wie gut sie jeglichen klimatischen Bedingungen standhalten.

Wissen über Reparatur, Umbau und Upgrade von Zügen wird immer wichtiger.
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Wichtiger Sektor
Das ist nicht der einzige Hinweis darauf, dass Österreich ein "Bahnland" ist – und zwar nicht nur aus Fahrgastsicht. Die dazugehörende Industrie ist hierzulande ebenfalls stark vertreten: "Mit einer Gesamtwertschöpfung von rund 2,7 Milliarden Euro jährlich und insgesamt rund 28.000 direkten und indirekten Beschäftigten ist die Bahnindustrie ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor. Darüber hinaus ist Österreich im Pro-Kopf-Vergleich weltweit führend im Export von Schienenfahrzeugen und zugehörigen Ausrüstungen", heißt es im Austrian Rail Report 2023.
Weitaus weniger trocken formuliert es Frank Michelberger: "Was London für Banken ist, ist Wien für Schienenfahrzeuge." Er ist Mobilitätsforscher und Leiter des Departments "Bahntechnologie und Mobilität" an der Fachhochschule Sankt Pölten. Die Bahnbranche hat eine lange Tradition hier in Österreich, erklärt Michelberger weiter. Mit der Zeit hätten sich immer mehr Firmen aus diesem Sektor hier angesiedelt. Nicht nur die ÖBB oder Siemens sind in diesem Bereich wichtige Unternehmen, sondern auch Firmen wie Plasser & Theurer, Alstom, Rohmberg Sersa, Stadler Rail, Škoda und viele mehr. Allein in Wien gibt es zwei große Werke, in denen Züge gefertigt werden.
Tiefgreifende Neuerungen bei Zügen
"Jedes Schienenfahrzeug ist ein Unikat", erklärt Michelberger. Für jeden Kunden wird alles neu designt. Zwischen acht und zehn Jahre dauert es, einen Zug vom Papier auf die Schiene zu bringen. Dafür braucht es einiges an Wissen: Wie soll der Zug aussehen, welchen Zweck soll er erfüllen, wie läuft die Ausschreibung, wer bekommt den Zuschlag? Nach dem Bau geht es um Tests, Zulassungen und die Übernahme. Im Idealfall halten Schienenfahrzeuge zwischen 30 und 40 Jahre. "Die Informationstechnologie muss allerdings alle paar Jahre erneuert oder überarbeitet werden", sagt Michelberger.
Alles, was den Umbau, die Reparatur und Upgrades betrifft, wird immer wichtiger, meint der Experte. Nachhaltigkeit nimmt auch in Bezug auf die Produktion und den Lebenszyklus eines Fahrzeugs einen bedeutenderen Stellenwert ein. "Eine große Neuerung ist die Einführung der Digitalen Automatischen Kopplung von Zügen, die EU-weit beschlossen wurde", sagt Michelberger. Bisher werden Züge noch von Hand gekoppelt. Das soll sich nun ändern, um die Effizienz zu steigern, heißt es von EU-Seite. Dafür müssen jedoch alle Schienenfahrzeuge in dieser Hinsicht umgebaut, getestet und neu zugelassen werden. "Das wird uns noch einige Jahre beschäftigen", so der Experte.
Aber auch Personalfragen treiben den Sektor um. "Der Fachkräftemangel ist bereits heute eine der größten Herausforderungen für die Branche", sagt Anil W. Rai, Geschäftsführer des Verbands der Bahnindustrie bei der Vorstellung des Austrian Rail Reports. Um die Größenordnung zu verstehen, hilft ein Beispiel der ÖBB. Dieses Unternehmen wird in den kommenden Jahren jährlich rund 4.100 neue Mitarbeitenden einstellen. Dieses Jahr hat die ÖBB rund 685 neue Lehrlinge gesucht und gefunden, heißt es in einer Presseaussendung des Unternehmens.
Neuer Studiengang
Um in dieser Branche zu arbeiten, gibt es mehrere Ausbildungsmöglichkeiten. Auf akademischem Niveau bieten die TU Wien, die TU Graz und die Universität Innsbruck Studiengänge in diesem Bereich an. Auch die Fachhochschule Joanneum in Graz und die FH Sankt Pölten haben für diesen Bereich spezifische Studiengänge. Von Maschinenbau, über Elektrotechnik bis hin zur Informatik wird in dieser Branche jegliches Wissen gebraucht.
Ab Herbst 2025 gibt es an der FH Sankt Pölten einen neuen Bachelorstudiengang mit dem Namen "Schienenfahrzeugtechnologie". Dieser wird neben dem schon bestehenden Studiengang "Bahntechnologie und Mobilität" geführt werden. Braucht es wirklich beide? "Die letzten Jahre kamen jährlich immer mehr Bewerberinnen und Bewerber. Letztes Jahr sogar so viele wie noch nie", berichtet Michelberger, der das zuständige Department an der FH Sankt Pölten leitet. Deswegen entschied sich die Hochschule, dieses neue Studium ins Leben zu rufen. Es ist im ganzen deutschsprachigen Raum in dieser Form einzigartig, da es sehr nur auf Schienenfahrzeuge spezialisiert ist.
Das Studium wird dual und berufsbegleitend angeboten. Es ziele vor allem auf junge Menschen ab, die noch nicht Fuß in der Branche gefasst haben. Bei der ersten Infoveranstaltung waren bereits 60 Interessierte dabei. Projektplanung, sowie technische Konzeption und Nachhaltigkeitsfragen nehmen einen großen Stellenwert im Lehrplan ein. Den Studierenden stehen vielfältige Arbeitsmöglichkeiten offen, meint Michelberger – zum Beispiel eine Karriere im Flotten- oder Instandhaltungsmanagement. Zwar ist das neue Studium bisher nur für 20 Studierende ausgelegt, dennoch ist es ein weiterer Versuch, der Personalnot zu begegnen. (Natascha Ickert, 31.1.2025)