Hallo zusammen,
ich bin der Albert aus Ottobrunn, ganz neu hier und durch Zufall reingestolpert.
Auslöser war eine Facharbeit Ottobrunner Gymnasiasten über das hiesige KZ-Aussenlager
"Im Zwang für das Reich", wo u.A. auf den Großwindkanal im Ötztal hingewiesen wird.
Nachdem hier im Forum über seine Funktionsweise spekuliert wurde, möchte ich mein Wissen beisteuern.
Wie vielleicht nur wenige (auch Ottobrunner) wissen, war in Ottobrunn ab 1940 der Aufbau des LFM, "Forschungsverein Luftfahrtforschungsanstalt München e.V" geplant,
und ab dieser Zeit floss nahezu der gesamte(!) Forschungsetat des Reichsluftfahrtministeriums nach Ottobrunn,
und der Aussenstelle Ötztal. Nach dem Krieg wurden auch sämtliche schon fertiggestellten Ottobrunner Anlagen deportiert. 1958 siedelte sich Ludwig Bölkow mit ca.220 Mitarbeitern auf dem Gelände an, daraus wurde später die Fa.
MBB.
Der Ötztaler Großwindkanal wurde nach seiner Demontage 1:1 in Frankreich wieder aufgebaut, unter Zwangsverpflichtung der gleichen Firmen, die ihn für das Dt. Reich gebaut hatten. 1951 oder '52 ging er in Betrieb, und gehört auch noch heute zu den größten transsonischen (also bis Mach 1) Windkanälen der Welt.
Dieses Foto verdeutlicht, was man darunter zu verstehen hat... Die zwei gegenläufigen Gebläseräder haben einen Aussendurchmesser von 15m, jedes von ihnen sitzt mit einer Peltonturbine auf der gleichen Achse. Mal davon abgesehen, dass es in den 40er jahren schwer möglich gewesen wäre, Elektromotoren mit einer Ausgangsleistung von je 44MW zu fertigen, geschweige denn dafür eine Leistungsregelung zu bauen, ist die Idee mit dem direkten Wasserturbinenantrieb äußerst elegant. Einziger Nachteil: Man braucht Gebirge und einen Stausee dafür. Peltonturbinen lassen sich sehr präzise und schnell regeln, was allerdings bei der Massenträgheit des Lüfterrades zweitrangig ist. Die beiden Laufzeuge wiegen zusammen über 50to, allein ein Lüfterblatt wiegt 1100kg.
Auf diversen .pdfs der staatlichen
französischen Luftfahrtforschung gibts interessantes darüber zu lesen, überraschenderweise sogar in Englisch. So z.B., dass nach 55 Jahren Betriebszeit der Wartungsaufwand für die ermüdenden und deshalb reissenden Propellerblätter zu hoch wurde, und man ab 2005 neue Blätter und Blattaufnahmen in den Naben berechnete und fertigen ließ. Dazu passte man sie und die Peltonturbinenräder gleich an die veränderten Anforderungen der heutigen Windkanalkunden an, die Höchstdrehzahl wurde von 212 auf 230/min gesteigert, weil heute mehr im oberen Geschwindigkeitsbereich gemessen wird und der Wirkungsgrad daraufhin optimiert wurde.
Diese Drehzahlen klingen jetzt nicht so imposant, aber die zugehörige Umfangsgeschwindigkeit beträgt über 180m/s !! Da wirds dann schon schaurig. Zum Vergleich: Die Trennscheiben einer Flex haben meist nur höchstzulässige 80-100m/s Umfangsgeschwindigkeit...
In dem oben verlinkten Video werden vom Sprecher die Abmessungen etwas falsch angegeben, so ist der Durchmesser der Messstrecke nicht 24m sondern 24Fuß=8m, und 14m Länge, aber das sind Feinheiten. ;-) Ein sehr schönes Video
So sieht die Anlage heut zu Tage von oben aus:
http://goo.gl/maps/Lwwbg
Glück auf,
Albert