Geist

Worte im Dunkel
Mitarbeiter
#1
Weihnachten 1949, vor genau 70 Jahren, widmeten ehemalige Angehörige des österreichischen Widerstands im Kreuzgang der Alserkirche eine Tafel zum Gedenken an hingerichtete und in der Haft verstorbene Widerstandskämpfer.
Sie erinnerten damit an jene Männer, die ihr Leben für die Freiheit Österreichs gaben, nachdem sie von Spitzeln verraten, von der Gestapo verhaftet und von der nationalsozialistischen Justiz verurteilt worden waren.

Bereits 1938 formierte sich organisierter Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Aus verschiedensten Lagern rekrutierten sich die Kämpfer_innen gegen das Regime, so auch unter katholisch-konservativer Führung. Zwei Gruppierungen, die unabhängig voneinander den gleichen Namen „Österreichische Freiheitsbewegung“ trugen – die eine unter der Führung des Augustiner-Chorherrn Roman Karl Scholz, die andere unter dem Juristen Karl Lederer –, existierten nebeneinander, ohne in Kontakt zueinander zu stehen.

Sie kämpften für einen unabhängigen Staat Österreich, erkundeten potenzielle Anschlagsziele, schulten neue Mitglieder auf politischer Ebene, standen in Kontakt mit britischen, französischen, amerikanischen, sowjetischen und tschechischen Botschaften im Ausland und verteilten Flugblätter, etwa mit dem Titel „Was nicht im VB [Völkischer Beobachter] steht“. Beide Gruppen umfassten zusammen etwa 300 bis 700 Mitglieder. Auch Frauen waren beteiligt und bildeten in Scholz‘ Bewegung eine eigene Gruppe unter der Leitung der Pianistin Luise Kanitz.

Im Frühjahr 1940 beschlossen diese beiden Bewegungen, gemeinsame Sache mit einer dritten Widerstandsgruppe, der „Großösterreichischen Bewegung“ unter Jacob Kastelic, zu machen. Diese Gruppe versuchte – allerdings nur auf theoretischer Grundlage – einen ständisch-demokratischen Staat unter habsburgischer Beteiligung zu errichten. Gemeinsam umfassten alle drei Gruppen nun etwa 1000 Mitglieder.

Doch zu diesem Zeitpunkt waren sie bereits von Spitzeln der Gestapo unterwandert worden. Diese vermeintlichen Mitstreiter hatten ihre Dienste in unterschiedlichen Positionen angeboten und so den Informationsaustausch, den die Widerstandsgruppen mit ausländischen Vertretern pflegten, direkt an die Gestapo weitergeleitet. Der bekannteste unter ihnen war der Burgschauspieler Otto Hartmann. Am 22. und 23. Juli 1940 wurden die führenden Köpfe und die aktivsten Mitglieder der drei Widerstandsgruppen verhaftet, bis Anfang August insgesamt 143 Personen.


Gedenktafel des Anrather Kreises für hingerichtete und in der Haft verstorbene Widerstandskämpfer

Am 1. Dezember 1941 wurden Hanns-Georg Heintschel-Heinegg, Scholz, Kanitz und zwei weitere Widerstandskämpfer wegen Hochverrat und Feindbegünstigung angeklagt. Erst nach leidvollen Gefängnisaufenthalten in Krefeld und Anrath begann im Februar 1944 der Prozess.

Insgesamt gab es mehrere Verfahren gegen Mitglieder der drei Widerstandsgruppen vor dem Volksgerichtshof und dem Oberlandesgericht Wien, bis im März 1944 die Todesurteile gefällt wurden. Alfred Adalbert Miegl, Rudolf Wallner, Hans Ferdinand Zimmerl, Lederer und Scholz wurden am 2. Mai enthauptet, Gerhard Fischer-Ledenice, Günter Josef Loch, Heintschel-Heinegg und Kastelic am 10. August.
Neun der nicht zum Tode Verurteilten starben in der Haft, darunter der Abt des Zisterzienserstiftes Wilhering, Petrus Burgstaller, der 1941 im Gefängnis Anrath verstarb.
Luise Kanitz überlebte ihre Haftzeit und starb 1976.

Nach Kriegsende schlossen sich die Überlebenden der drei Widerstandsgruppen im „Anrather Kreis“ zusammen und stifteten am 17. Dezember 1949 diese Gedenktafel.

Mehr zu den Jahren 1939 bis Kriegsende:
1939 bis Kriegsende – Worte im Dunkel
Mehr zur Justiz im Nationalsozialismus:
1938 nach dem „Anschluss“ – Worte im Dunkel

Quellen:
Austria-Forum, Österreichische Freiheitsbewegung, online unter:
Österreichische Freiheitsbewegung | AustriaWiki im Austria-Forum (20. Dezember 2019)
Austria-Forum, Großösterreichische Freiheitsbewegung, online unter:
Großösterreichische Freiheitsbewegung | AustriaWiki im Austria-Forum (20. Dezember 2019)
Gisela Hormayr, „Die Zukunft wird unser Sterben einmal anders beleuchten“. Opfer des katholisch-konservaten Widerstands in Tirol 1938–1945 (Innsbruck 2015), online unter:
"Die Zukunft wird unser Sterben einmal anders beleuchten" (20. Dezember 2019)
Nachkriegsjustiz.at, Zwei Gedenktafeln im Kreuzgang des Minoritenkonvents, online unter:
Gedenken und Mahnen / Wien VIII (Alserstraße / Minoriten-Konvent) (20. Dezember 2019)

Originalbeitrag: 1949 – Erinnerung des Anrather Kreises – Worte im Dunkel
 
Oben