Bei Grabungen im bayrischen Deiningen (Landkreis Donau-Ries) wurden kostbare Artefakte aus dem 6. Jahrhundert entdeckt

josef

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FRÜHMITTELALTERLICHE LUXUSGÜTER
Bayern: Kostbarer Elfenbeinkamm aus dem 6. Jahrhundert entdeckt
Der erste derartige Fund nördlich der Alpen wurde in einem Alemannengrab freigelegt. In einem Frauengrab fand man eine afrikanische Schale
Archäologen haben bei Ausgrabungen im bayrischen Deiningen (Landkreis Donau-Ries) in zwei reich ausgestatteten Gräbern aus dem 6. Jahrhundert kostbare Artefakte entdeckt, darunter einen beidseitig mit Tierszenen verzierten Elfenbeinkamm in einer Art frühmittelalterlichem Kulturbeutel und eine kostbare Keramikschale aus Afrika. Nördlich der Alpen seien diese beiden Funde bisher einmalig, berichtete das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege. "Die beiden Funde müssen damals echte Luxusgüter gewesen sein", sagte Bayerns Generalkonservator Mathias Pfeil zu den am Freitag vorgestellten Gegenständen.


Die Vorderseite des restaurierten Kamms.
Foto: BLfD

Herrschergeschenke
Wie die beiden Funde ins Nördlinger Ries gelangten, das damals von Alemannen besiedelt war und unter fränkischer Herrschaft stand, lässt sich nur vermuten. Es könnte sich um Geschenke eines Herrschers an einen wichtigen Gefolgsmann, um Tribute oder um Beutestücke aus einem Kriegszug handeln. In die Auseinandersetzungen zwischen den Ostgoten und dem Oströmischen Reich um das Gebiet des heutigen Italiens etwa waren auch Alemannen involviert.


Der Kamm wurde im Grab eines 40 bis 50 Jahre alten Mannes entdeckt.
Foto: Archäologiebüro Dr. Woidich

Reich ausgestattetes Grab eines Reiters
Der Kamm stammt aus dem Grab eines etwa 40 bis 50 Jahre alten Mannes, der unter seinen Zeitgenossen als herausgehobene Persönlichkeit gegolten haben dürfte. Darauf lassen die übrigen Beigaben schließen, zu denen ein Langschwert, eine Lanze, ein Schild, eine Streitaxt sowie ein Bronzebecken zählen. Sporen und Zaumzeugreste weisen ihn als den mutmaßlichen Reiter des neben ihm in einer Grube niedergelegten Pferdes aus.

Am rechten Fußende des Grabes befanden sich die Überreste einer Tasche, die neben einer Schere auch den besagten Elfenbeinkamm enthielt. Beides dürfte der Pflege von Haupt- und Barthaaren gedient haben. Kämme als Grabbeigaben kommen im Frühmittelalter durchaus häufiger vor, sind aber üblicherweise ganz anders konstruiert, nicht aus Elfenbein und schon gar nicht in dieser hochwertigen Qualität.


Die Rückseite des Kamms.
Foto: BLfD

Tierszenen aus Afrika?
Elfenbeinschnitzereien des 6. Jahrhunderts sind extrem selten überliefert. Das Besondere am Deininger Kamm ist unter anderem, dass in diesen äußerst bewegte, weltliche Jagdszenen geschnitzt sind: Deutlich zu erkennen sind gazellenartige Tiere, die vor Raubtieren davon zu springen scheinen, die so in Europa nicht vorkommen. Ob der Schnitzer tatsächlich afrikanische Tiere darstellen wollte, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Die genaue Identifikation der dargestellten Spezies ist nicht zweifelsfrei möglich.


Der Kamm, wie er sich den Archäologen in dem Grab präsentierte.
Foto: Archäologiebüro Dr. Woidich

Zersplitterte Kostbarkeit
"Vergleichbare Darstellungen auf einem Kamm aus diesem Zeitraum sind uns bislang nicht überliefert. Das macht diesen Fund nicht nur zu einer herausragenden archäologischen, sondern auch zu einer wichtigen kunsthistorischen Quelle", betont Johann Friedrich Tolksdorf, der zuständige Archäologe am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Der Kamm war vollständig zersplittert, sodass die erhaltenen Motive erst nach der umfangreichen Restaurierung in den Werkstätten des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege erkennbar wurden.

Bisher sind nur äußerst wenige ähnlich gearbeitete Kämme aus dem gleichen Zeitraum bekannt. Anders als der nun gefundene zeigen sie aber allesamt christliche Motive. Sie befinden sich etwa im Pariser Louvre, im Museum in Kairo und im Vatikan.


In dem Frauengrab aus dem 6. Jahrhundert wurde die kostbare Schale aus Afrika gefunden.
Foto: Archäologiebüro Dr. Woidich

Schmuck, Nahrungsmittel und eine Schale
Die Schale wurde im Grab einer etwa 30 bis 40 Jahre alten Frau gefunden, die mit Schmuck und Speisebeigaben wie Eiern sowie einem sogenannten Webschwert, das wahrscheinlich zum Anschlagen der Fäden im Webstuhl diente, beigesetzt worden war.

Anders als die übrigen beigegebenen Gefäße, stammt die Schale nicht aus heimischer Produktion, sondern als sogenannte "African red slip ware" aus einer Werkstatt im heutigen Tunesien, die diese hochwertige rote Keramiksorte herstellte. Während diese im Mittelmeerraum weit gehandelt wurde, ist der Deininger Fund der erste Nachweis einer solchen Ware in einem derart vollständigen Zustand in unseren Breitengraden.


Die hochwertige rote Keramikschale war bei ihrem Fund in hervorragendem Zustand.
Foto: BLfD

Rätselhafte schriftähnliche Zeichen
Auffällig ist nicht nur das bereits bei der Herstellung in den Boden gestempelte Kreuz, sondern vor allem die schriftähnlichen Zeichen, die nachträglich in den Rand des Gefäßes geritzt wurden: Handelt es sich dabei um bloße Kritzeleien, um Namenszeichen oder um ornamentale oder magische Symbole? Während im Fränkischen Reich im Westen und südlich der Alpen die Schriftlichkeit der Antike mit lateinischen Buchstaben auch nach dem Zusammenbruch Roms fortbestand, gibt es im alemannischen Raum auch Runen.


Auf dem Gebiet des heutigen Tunesien hergestellte Schale mit Umzeichnung.
Foto: BLfD

Diese finden sich häufig als kurze Zeichenfolgen auf Objekten und sind in ihrer Lesung nicht immer eindeutig. Überwiegend fallen sie aber in den Bereich des Formelhaften und stellen häufig wohl auch Namens- bzw. Besitzerinschriften dar. Ob sich die Schriftimitationen auf der Schale daher vielleicht an Runen anlehnen, bleibt ebenso ein Rätsel wie deren Bedeutung.
(red, 1.10.2021)
Bayern: Kostbarer Elfenbeinkamm aus dem 6. Jahrhundert entdeckt
 
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