Bis Ende des 19. Jahrhunderts sollen noch Angehörige kleiner ethnischer Volksgruppen in Südosteuropa als Sklaven zum Verkauf angeboten worden sein

josef

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Sprache eines ehemaligen europäischen Sklavenvolks untersucht
Deutscher Forscher veröffentlicht ein Buch über die Bajeschi in Ungarn

Angehörige einer in Südungarn lebenden Bajeschi-Familie.
Foto: Kahl/Nechiti

Obwohl die Sklaverei in den 1850er Jahren offiziell abgeschafft wurde, sollen Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen noch am Ausgang des 19. Jahrhunderts in den Donaufürstentümern offen zum Verkauf angeboten worden sein, berichtet die Universität Jena. Der Jenaer Slawist Thede Kahl hat sich in seinem Buch "The Boyash in Hungary" mit der Sprache der Bajeschi und der Rudari befasst, bei denen es sich vermutlich um einen Zweig der Roma handelt.

Gestern und Heute
"Die Bajeschi waren Sklaven, die besonders im Bergbau gearbeitet haben", sagt Kahl. Die Bezeichnung Bajeschi lasse sich mit Minenarbeiter übersetzen: Offenbar wurden die Berufe dieser Menschen zu einem Oberbegriff zusammengefasst. Andere Zuschreibungen seien Löffelschnitzer, Trogschnitzer oder Tanzbärenhalter. Als Herkunftsregion lasse sich Siebenbürgen in Rumänien ausmachen, während die Rudari – auch dies bedeutet Minenarbeiter – aus der Walachei kamen.

Die heutigen Bajeschi siedeln meist an der Peripherie von Städten und Dörfern, ganz in der Nähe der Roma. Angehörige dieser Volksgruppe leben heute in der Slowakei, der Ukraine, der Republik Moldau, in Griechenland, Serbien, Bosnien, Rumänien, Kroatien, Bulgarien, Nord-Makedonien und Ungarn. Im ungarischen Pécs gibt es ein Gymnasium, das speziell Bajeschi offensteht und ihnen die Möglichkeit bietet, ihre Matura in ihrer eigenen Sprache abzulegen.

Sprachtod
Laut Kahl handle es sich zwar um Roma-Nachfahren, doch würden sie diese ethnische Zuschreibung ablehnen. "Die Bajeschi haben Romani – die Sprache der Roma – vollständig abgelegt", sagt der Slawist. Er nennt das Sprachtod, weil sich kein Substrat mehr in der Sprache nachweisen lässt. Im Rumänisch, das die Bajeschi sprechen, finde sich nur noch in ganz wenigen Floskeln ein Rest Romani. So nennen die Bajeschi-Frauen ihre Männer "mein Mensch", während die Ehefrauen "meine Zigeunerin" genannt werden. Ist eine Frau hingegen schon etwas älter, wird sie "meine Tante" genannt.

Ihre Forschungsergebnisse, basierend auf mehreren Aufenthalten in Ungarn, haben Kahl und seine Kollegin Ioana Nechiti in ihrem gut 200-seitigen Buch auf Englisch veröffentlicht. Kahls Bilanz seiner Studien: Die fruchtbarsten Besuche bei den Bajeschi seien jene, bei denen getanzt und getrunken werde. "Wenn die Menschen in Feierlaune sind, vergessen sie Kamera und Mikrofon!"
(red, 10. 1. 2020)

Literaturhinweis:
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Thede Kahl & Ioana Nechiti:
"The Boyash in Hungary. A Comparative Study among the Arĝeleni and Munĉeni Communities",
Österreichische Akademie der Wissenschaften 2019, 235 Seiten, € 49.
Sprache eines ehemaligen europäischen Sklavenvolks untersucht - derStandard.at
 
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