Bombenterror kehrt nach Plauen zurück

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bunkersachse

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Bombenterror, Luftschutz und ungesühnte Opfer. Wie bei Grabungsarbeiten 2010 die Vergangenheit für Monate ins „Rampenlicht“ der sächsischen Gardinenstadt rückte.

Plauen 10. April 1945, es ist gegen 22,00 Uhr,
als die Sirenen wiedereinmal die todbringenden Bomberstaffeln der Alliierten Luftwaffe ankündigen. Die Bewohner der Marktstraße begeben sich in den provisorisch eingerichteten Luftschutzkeller unter dem Textilgeschäft Carl Schneider jr. Es sollte der schwerste Bombenangriff auf Plauen mit 890 Toten werden. In der damaligen Marktstraße befanden sich unter anderem das
Textilgeschäft Carl Schneider jr.,
das Hotel Stadt Dresden und
die Schneiderschlächterei.
22,30 Uhr
die ersten der insgesamt 307 amerikanischen Lancaster und acht britische Mosquitos erreichen die Stadt und werfen ihre todbringende Last, unter anderem 248 Minenbomben ab. Im Nu verwandelt sich das völlig wehrlose Plauen in ein brennendes Inferno. Die Stadt hatte es komplett unvorbereitet getroffen. Diesem schwersten aller Angriffe waren in den vorausgegangenen Tagen schon zwei „Testangriffe“ zur Vorbereitung der Navigation vorangegangen. Auch hierbei gab es bereits 49 Opfer zu beklagen.
Die Menschen die im Luftschutzkeller des Textilgeschäftes Schneider Zuflucht gefunden hatten, saßen angespannt auf ihren Plätzen, hoffend auch dieses mal den Raum lebend zu verlassen. Durch die Wände drang das unaufhörliche Grollen der Detonationen. Lautes Krachen und Getose zerriss die angespannte Stille. Eine Häuserzeile der Marktstraße war in sich zusammen gebrochen und begrub alles unter sich. Auch den Luftschutzkeller unter dem Textilgeschäft. Die verschütteten Opfer konnte auf Grund der Hitze nicht geborgen werden.
Der Schutt wurde später abgetragen und eingeebnet. Seither klaffte dort eine Lücke zwischen den übrigen Wohnhäusern und Geschäften

Bei totaler Luftüberlegenheit und keiner zu erwartenden Gegenwehr wurde der Kriegsverbrecherische Plan „Code Brisling“ ausgeführt. Die Kriegswichtigen Firmen, wie zum Beispiel die „VOMAG“ oder auch das Schienennetz lagen schon zerbombt am Boden.
Insgesamt fanden mindestens 2 358 Menschen bei 14 Bombenangriffen den Tod. Darunter vorwiegend Frauen, Kinder und Greise. Über 1 000 Leichen konnten nach diesen Feuersbrünsten nicht geborgen und identifiziert werden.

Frühjahr 2010
In der seit 1945 klaffenden Lücke der Plauener Marktstraße soll unter anderem ein Seniorenheim mit Tiefgarage entstehen. Die Bagger rollen an und beginnen mit ihrer Arbeit.
Da findet Mitte Mai ein Baggerfahrer beim freilegen eines Kellers der ehemaligen Marktstasse 3, Teile eines Skelettes. Ein Schädel, Wirbel- Becken- und Rippenknochen kommen zum Vorschein. Schon nach kurzer Zeit mehren sich die Hinweise auf eines der Bombenopfer vom 10. April 1945.
Und tatsächlich, nach einigen Tagen wird nach Recherchen bekannt, das sich auf den Totenlisten namentlich bekannter und unbekannter Opfer dieser Bombennacht, drei Menschen aus der Marktstraße befinden, die in diesem Feuerinferno ums Leben kamen. Das Skelett wird in die Gerichtsmedizin nach Chemnitz gebracht. Es soll das Alter, Geschlecht und wie lange die Gebeine in dem ehemaligen Luftschutzkeller lagen, untersucht werden. Man vermutet, dass es sich bei den menschlichen Überresten um die Plauenerin Lisel Z. handelt. Damals ist sie Mitte 40.
Lisel Z. soll nun nach langer Zeit einen würdevollen Abschied finden, und ihr eigenes Grab mit Grabstein erhalten.

02. Juli 2010 (Freie Presse)
Der schreckliche Bombenterror der Nacht vom 10. April 1945 holt die Grabungsstätte und gleichzeitige Baustelle an der Marktsraße / Nobelstraße in Plauen wieder ein. Laut einer Pressemitteilung hat eine Obduktion ergeben, das die menschlichen Überreste, die im April dieses Jahres (2010) bei Ausgrabungen im Luftschutzkeller des ehemaligen Textilgeschäftes Carl Schneider jr. an der Marktstraße, von einem Mann stammen. Bisher wurde das Skelett der seit der Bombennacht auf die Stadt, als vermisst geltenden Lisel Z. zugeordnet.
Leider bleibt diese Leiche nun wahrscheinlich namenlos. Wie so viele Plauener, die im II. Weltkrieg den alliierten Bomberstaffeln zum Opfer fielen, und nicht identifiziert werden konnte.
Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob in diesem „Fall“ weitere Ermittlungen eingeleitet werden, oder zu den Akten gelegt wird.

Weitere Funde
Neben einem verschütteten Brunnen im weiteren Verlauf der Grabungen wurde auch ein Tressor gefunden. Es wird vermutet, das der steinalte Safe aus der damaligen „Fleischerei Schneider“, der sogenannten „Schneiderschlächterei“ stammt. Allerdings könnte er auch aus dem damaligen „Hotel Stadt Dresden“ sein. Der Tressor, Safe wurde inzwischen nach Dresden ins Archäologiezentrum gebracht. Nach der Öffnung wird man seine Herkunft sicherlich genau bestimmen können.

Neues über den Anfang Juni 2010 auf der Baustelle ausgegrabenen Tressor.
Nachdem ihn nun vor wenigen Tagen Wissenschaftler des sächsischen Landesamtes für Archäologie in Dresden geöffnet hatten, kamen neben vielen verkohlten Unterlagen auch ein Soldbuch, Ausgangsscheine vom Militär, ein Notizbüchlein, ein Brillenetui sowie Hartgeld in der damaligen Währung (Reichsgeld) ans Tageslicht. Durch das bei dem verheerenden und heimtückischen Bombenangriff am 10. April 1945 entstandene Feuer und die damit verbunden Gluthitze, hatte selbst das Innere des Tressors weitestgehend vernichtet. Der Panzerschrank muß völlig geglüht haben. Um ihn zu öffnen musste die Rückwand mit einem Trennschleifer abgetrennt werden. Dabei wurde festgestellt, das noch eine weitere Wand eingearbeitet war. Der Zwischenraum der beiden Wände an der Rückseite war mit Sand ausgefüllt. Diese sollten Ironischerweise vor Brandschäden schützen.

Die restlichen Dokumente liegen zur Zeit tiefgekühlt in Dresden. Bisher entschlüsselt werden konnte die Abkürzung RTM auf einem stark versengten Dokument. Es könnte sich hierbei um einen Rittmeister gehandelt haben. Der Rang des Rittmeisters wurde 1945 in Deutschland abgeschafft. Er war ein Offiziersgrad der Kavallerie.

Das Gebiet unter dem Bau- und Grabungsgelände
Viel spannendes wird noch unter dem Gelände vermutet. So zum Beispiel mehrere unterirdische Gänge, die als Fluchttunnel bei Bränden oder Belagerung genutzt wurden. Vermutlich wurden diese zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert gegraben.

2010 Die Bauarbeiten laufen derweil auf Hochtouren. Die anhaltenden Regenfälle der letzten Tage haben allerdings die Baustelle fast in ein Schwimmbad verwandelt. (Herbst 2010)
2011 Februar – nichts deutet mehr auf die spannenden und zugleich traurigen Ausgrabungen im Vorjahr hin. Moderne Beton- und Glasfassaden prägen nunmehr das Bild.

Quellen: Freie Presse
Vogtlandanzeiger
Eigene Recherchen und Gespräche mit der englischen Grabungsleiterin
 
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#2
tja, Plauen war nun mal eine der mit am stärksten zerstörten Städte. Alte Hofer haben mir erzählt wie man das Leuchten am Himmel gesehen hat als Plauen bombardiert wurde.
 
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bunkersachse

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#3
Mitschrift vom 25. 12. 2007
Frau Siglinde F. aus Zeulenroda

Wie Frau F. als 11 jährige den verheerenden Angriff amerikanischer B – 17 Bomber in der Nacht vom 10. zum 11. April 1945 auf Plauen erlebte.
O – Ton:

„Oh, daran kann ich mich noch sehr genau erinnern. Wir wohnten damals in Zeulenroda – Märien, an der Hauptstraße, wo später nach dem Krieg der Konsum drinnen war.
Es war nachts, man hörte wieder einmal das Brummen der Bomber.
Tagsüber sah man ja die Streifen der Bomberpulks am Himmel. Aber diese Nacht war ganz schlimm.
Ich war gerade einmal 11 Jahre alt, und lag eigentlich schon im Bett, es war schon späte Nacht, aber als die dann anfingen Plauen zu bombardieren, das Gewummer, ein dumpfes, grollendes Wummern, ich höre die schrecklichen Geräusche heute noch wenn ich daran denke, stand ich auf. Oder weckten mich meine Eltern, das weiß ich gar nicht mehr so genau. Na, jedenfalls zogen wir uns an, ich hatte noch zwei Schwestern, und wir gingen hinauf zur „Pöllwitzer Höhe“, von wo aus man zum Petersgrund kommt.
Man sah schon unterwegs das rötliche Schimmern der brennenden Stadt, wie eine lodernde Flamme, nur eben Riesen groß. Das war nicht die erste Bombardierung von Plauen, aber was da los war kann man eigentlich gar nicht richtig mit Worten beschreiben. Wir waren so weit weg und sahen trotzdem den rötliche Schimmer der Flammen, die Feuersbrunst über Plauen, wir dachten die brennen die ganze Stadt mit ihren Bomben nieder.
Und an die Menschen mussten wir denken, natürlich an die Kinder, wir waren ja selbst noch welche, was da jetzt für Leid und Elend sein musste.
Mein Vater hatte auch einen Bruder, in der Seminarstraße, in Plauen. Natürlich hatten wir auch große Angst um ihn mit seiner Familie. So einfach mal telefonieren wie heute und fragen ob alles gut ist ging ja nicht.
Wenige Tage später fuhren wie dann mit dem Bus hin nach Plauen, die Busse fuhren noch,
und es war natürlich eine Erleichterung die Straße noch heil zu sehen. Ich denke zumindest dass sie unzerstört war, jedenfalls das Wohnhaus in dem der Bruder meines Vaters wohnte und die Nachbarhäuser waren unbeschädigt.
Von dem was wir sahen hatte es die Bahnhofstraße am schlimmsten erwischt, da stand wahrscheinlich gar nichts mehr. Es war furchtbar, zerstörte Häuser und Geschäfte. Ein ziemliches Elend und Chaos. Alles roch nach verbranntem und verkohltem.
Wer so etwas befohlen hat, hätte auch bestraft werden müssen.“

„In Zeulenroda sind ja auch zwei Bomben runter gekommen. Das war in der Schopperstraße. Aber mein Vater meinte damals dass die wohl von einem Angriff übrig waren, und nun abgeworfen werden mussten. Er sagte Notwurf dazu. Warum das der Pilot nun auf bewohntes Gebiet tat ist mir nicht klar. Auch wenn es tatsächlich ein Befehl gewesen sein soll. Eine Minute später und die wären im Wald runter gegangen. Ich glaube aber es ist damals niemand zu Schaden gekommen, außer an dem Haus in der Schopperstraße. Da konnte man die Spuren sehen.“

Ich möchte darauf hinweisen, dass ich das gesagte weitestgehend im original gesprochen wiedergebe, und kaum grammatikalische Korrekturen vorgenommen habe.
M.f.G. Frau Siglinde F
a.f.
 
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