China beutet die weltgrößten Kobaltvorkommen in der Republik Kongo aus

josef

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#1
BODENSCHÄTZE
Kobalt: Das schmutzige Metall hinter der grünen Mobilität
Kobalt sorgt dafür, dass Laptops, Smartphones und E-Autos nicht der Strom ausgeht. Doch der Großteil des Metalls stammt aus der Demokratischen Republik Kongo – und wird unter fragwürdigen Bedingungen abgebaut

Eine Mutter und ihr Sohn zerkleinern in einer Kupfer-Kobalt-Mine nahe Lubumbashi Erzbrocken.
Foto: AFP / Junior Kannah

Die größten geopolitischen Krisen werden oft im Kleinsten sichtbar. In Zeiten von Inflation, Klimawandel und Krieg in der Ukraine ist das für viele Menschen die Nachkommazahl an der Tankanzeige. Eine neue Mobilität scheint dringlicher denn je: Grün, sauber und verträglich für Planet, Mensch und Geldbeutel soll sie sein. Immerhin ist der Transportsektor für rund 14 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. Schon länger gelten E-Autos als naheliegendste Lösung für dieses Problem: 2019 wurden weltweit rund 2,1 Millionen rein elektrisch betriebene Wägen verkauft.

Doch auch die grüne Mobilität hat eine dunkle Seite. Es ist eine Geschichte, die von Gier, Selbstbestimmung und Ausbeutung erzählt. Es geht um intransparente Lieferketten, Menschenrechtsverletzungen und die Frage, wie die Mobilität der Zukunft aussehen soll. Und im Zentrum all dessen steht ein begehrtes Metall, verborgen in einem unscheinbaren Erz: Kobalt.

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Das Metall ist einer von mehreren Rohstoffen, die es braucht, um ein Elektroauto anzutreiben. Es erhöht die Energiedichte in der Kathode eines Auto-Akkus – und damit dessen Lebensdauer. Bis zu 15 Kilo des Metalls stecken im Akku eines durchschnittlichen Elektroautos. Doch die Technologie ist nicht so sauber, wie Autokonzerne sie gerne vermarkten. Die Produktion der Akkus ist rohstoffintensiv, die Recyclingquote ist gering. Das größte Problem stellen jedoch die Lieferketten dar – und die Gewinnung des Metalls in der Demokratischen Republik Kongo.

In der roten Erde des Landes schlummert gut die Hälfte des weltweiten Kobaltvorkommens. Zwei Drittel des jährlich geförderten Metalls stammen von dort. Durch den Südosten des Kongo und durch Sambia zieht sich über 800 Kilometer der "Kobalt-Kupfer-Gürtel", ein vor Bodenschätzen berstender Landstrich.

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Ein folgenreicher Deal
Dieser Rohstoffreichtum weckt seit Jahrhunderten Begehrlichkeiten – erst die des belgischen Königs und brutalen Kolonialisten Leopold II., dann die der von westlichen Mächten gestützten Diktatur Mobutu Sese Sekos. Es folgten die Kongokriege, die das Land wirtschaftlich und sozial vollends brachen. Erst 2001 bekam die Demokratische Republik mit Joseph Kabila wieder einen demokratisch gewählten Präsidenten. Der jungen Nation fehlte es an Infrastruktur – Straßen, Schulen, Krankenhäusern. Doch Kabila wusste um das Interesse an den Bodenschätzen seines Landes und schloss im Frühling 2008 einen folgenreichen Deal ab. Gemeinsam mit drei staatlichen chinesischen Unternehmen – der Wasserkraftfirma Sinohydro, der EXIM-Bank und der China Railway Group – gründete der Kongo das Joint Venture Sicomines. Der Kongo hält daran mit seinem staatlichen Minenunternehmen Gécamines 32, China 68 Prozent.

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Der Deal sah vor, dass China in die kongolesische Infrastruktur investierte – und dafür Abbaurechte in den Minen erhielt. Für den Bau von 6.600 Straßenkilometern, zwei Krankenhäusern und zwei Universitäten bekam China Zugriff auf zehn Millionen Tonnen Kupfer und 600.000 Tonnen Kobalt. Dazu kommen jeweils unzählige Tonnen mehr im Erdreich.

Die Erlöse aus dem Abbau von Kupfer und Kobalt sollten die Infrastrukturprojekte finanzieren und gleichzeitig zur Modernisierung der Minen beitragen. Bis der Bergbau Geld abwarf, streckte China die Mittel für die Bauprojekte vor. Im Prinzip nahm der Kongo bei seinem neuen Partner Schulden auf – und vereinbarte, sie mit Bodenschätzen zu tilgen. Bis dieser ursprüngliche Kredit bezahlt ist, sind die Gewinne von Sicomines steuerfrei. Der Kongo selbst macht daher noch keinen Gewinn, während das Rohmaterial Tonne um Tonne nach China verschifft wird.

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Dort wird es zu reinem Kobaltmetall weiterverarbeitet und landet in den Akkus von Smartphones, Laptops und E-Autos namhafter Hersteller. Nirgends ist die Kobalt verarbeitende Industrie stärker als in China. Das liegt nicht zuletzt an "Made in China 2025", einem strategischen Wirtschaftsplan des Landes. Binnen zehn Jahren sollen zehn Schlüsselindustrien systematisch aufgewertet werden. Dazu gehören Elektro-Equipment und E-Mobilität. Kobalt ist für diese Industriezweige unerlässlich, und damit ist es Chinas Präsenz im Kongo auch. Komplizierte Konstrukte aus chinesischen Mutter- und Tochterfirmen halten Anteile an 15 von 19 großen industriellen Minen im Land.

Mit leeren Händen kommen, mit vollen Taschen gehen
Beispielhaft für die systematische Vorgehensweise Chinas im Kongo ist Tenke Fungurume, die zweitgrößte Kobaltmine weltweit. Binnen drei Jahren kaufte der Bergbaukonzern China Molybdenum – teils mit staatlichen Mitteln – 80 Prozent der Mine auf. Ihr früherer Eigentümer, ein US-amerikanischer Konzern, verließ das Land. Tenke Fungurume gilt nun als wichtiger Baustein der chinesischen Kontrolle über die Kobaltlieferkette.

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Doch Félix Tshisekedi, Nachfolger Kabilas als Präsident der Demokratischen Republik Kongo, kritisierte den Deal mehrfach scharf: "Sie kommen mit leeren Händen in unser Land und nennen sich Unternehmer. Dann gehen sie mit vollen Taschen, und wir bleiben arm." Im vergangenen August setzte er eine Kommission ein, um gegenwärtige und frühere Deals mit ausländischen Konzernen durchleuchten zu lassen. Werden auf dem Gelände einer Mine neue Reserven gefunden, werden Abgaben an den kongolesischen Staat fällig. China Molybdenum wird verdächtigt, solche neu entdeckten Vorkommen nicht gemeldet zu haben. Im Februar 2022 entzog ein Gericht dem Konzern vorübergehend die Kontrolle über Tenke Fungurume, während die Vorwürfe untersucht werden.

Auch Verträge mit anderen Bergbaufirmen werden derzeit streng überprüft. Im April kündigte die kongolesische Regierung eine mögliche Neuverhandlung mit dem multinationalen Konzern Glencore an. Ihm gehört Mutanda, die größte Kobaltmine der Welt.

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Die Schattenindustrie
Doch während die großen Minen im geopolitischen Bewerb um wirtschaftliche Dominanz die Spielsteine sind, ist in ihrem Schatten ein zweite Industrie gewachsen. Die Fotos, mit denen die Bergbaukonzerne ihre Minen bewerben, zeigen Männer in neonfarbenen Warnwesten und Schutzbrillen. Jeder von ihnen trägt einen gelben Schutzhelm, einige halten den Daumen hoch. Hier arbeiten kongolesische, chinesische und weitere internationale Arbeitskräfte zusammen, die Sicherheitsstandards sind hoch.

Doch auf diesen Bildern sind jene Menschen nicht zu sehen, die für einen Gutteil des jährlich exportierten Kobalts verantwortlich sind. Im internationalen Sprachgebrauch nennt man sie beschönigend "artisanale Kleinbergleute". Sie selbst nennen sich "creuseurs", Grabende. Es sind Männer, Frauen und auch Kinder, die im Inneren und am Rande der großen industriellen Minen arbeiten. Die Schätzungen schwanken, doch die kongolesische Regierung geht davon aus, dass sie ein Fünftel des jährlich exportierten Kobalts fördern.

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Die Arbeit der "creuseurs" ist meist illegal – und lebensgefährlich. Sie graben mit einfachem Werkzeug, ohne Schutzkleidung und in nicht sachgemäß befestigten Schächten. Gruppen von ihnen dringen immer wieder auf die Gelände der industriellen Minen vor, andere graben im angrenzenden Gelände oder verwerten die Reste der offiziellen Produktion. Die Erde des Kongo ist so reich, dass in den "tailings", den Abfallprodukten der Minen, noch immer mehr Kobalt enthalten ist als im gesamten Boden anderer Nationen.
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Die "creuseurs" suchen nach einem bunt gefleckten Erz, das Kupfer, Kobalt und kleine Mengen Nickel enthält. Die Kupferminerale leuchten grünblau, rosa Flecken verweisen auf Kobalt. Viele Kleinbergleute folgen dem Verlauf dieses Erzes im Boden, statt gleichmäßige Gruben auszuheben. Die sich so in die Erde windenden Gänge sind instabil und meist kaum gesichert. Regelmäßig brechen sie über den Arbeitern zusammen. Im Sommer 2019 starben bei einem solchen Unfall am Rande der industriellen KOV-Mine westlich von Kolwezi 41 Menschen.


Ein Arbeiter mit einem Brocken des begehrten Erzes.
Foto: Reuters / Kenny Katomba

Die Arbeit mit dem Mineral birgt auch andere Gefahren. Grundsätzlich, sagt Frank Melcher von der Montanuniversität Leoben, sei das Erz im Kongo "relativ sauber" – also mit wenig giftigen Stoffen belastet. Doch der Staub, der beim Abbau in den Minenschächten und beim Zerkleinern des kobalthaltigen Erzes entsteht, schädigt die Lunge. Er lagert sich in den Atemwegen ab, das umliegende Gewebe vernarbt. Silikose, die daraus entstehende Lungenkrankheit, ist nicht heilbar.

Kindheit im Tagebau
Trotz dieser Gefahren ist der illegale Abbau für viele kongolesische Familien eine wichtige Einnahmequelle. Knapp zwei Drittel der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Allein in den Provinzen Lualaba und Haut-Katanga, die die Minenregion bilden, gehen 1,3 Millionen Kinder zwischen fünf und 17 Jahren nicht zur Schule. Obwohl Kinderarbeit im Kongo offiziell verboten ist, arbeiten nach einer Schätzung von Unicef bis zu 40.000 Kinder im Tagebau.

Die meisten von ihnen sind laut Ramatou Toure, der zuständigen Unicef-Regionaldirektorin für Kinderschutz, zwischen 13 und 15 Jahre alt. Immer wieder seien aber auch deutlich Jüngere vor Ort. "Besonders wenn die Schächte schmal sind, nutzen die Bergleute sehr kleine Kinder, weil nur sie unter die Erde gelangen können", sagt Toure. Meist schleppen die Kinder aber Säcke voll Erz, sortieren die Mineralien oder kochen für die Arbeiter. Da viele "creuseurs" in Gruppen umherziehen und ihre Lager an immer neuen Minen aufschlagen, ist es für NGOs und Behörden kaum möglich, Kontrollen durchzuführen.


Zwei artisanale Kleinbergleute bei der Arbeit.
Foto: Reuters / Kenny Katomba

Toure spricht von einer Kultur der Straflosigkeit. Neben körperlicher und finanzieller Ausbeutung seien vor allem Mädchen am Rande der Minen auch sexueller Gewalt ausgesetzt. Ein klassischer Fall sei, dass ein Mädchen als Köchin angeworben werde – und vor Ort dann schutzlos Übergriffen ausgesetzt sei. Möglichkeiten, sich zu wehren, gibt es nicht. "Denn wenn ein Mädchen den Täter anklagt, hat es kein Einkommen mehr", sagt Toure. Viele der Kinder, die in den Minen arbeiten, erhalten mit dem Lohn ihre Familien.

"Die meisten dieser Kinder werden ihrer Kindheit beraubt. Viele gehen nicht zur Schule und erhalten keine Ausbildung", sagt Toure. "Wenn sie dann erwachsen sind, haben sie sehr eingeschränkte Möglichkeiten im Leben, und der Kreislauf wiederholt sich." Siegel auf Endprodukten, die eine Lieferkette frei von Kinderarbeit versprechen, sieht Toure deshalb kritisch. "Das sind tolle Initiativen", sagt sie. "Aber sie sind nur die Hälfte der Gleichung." Die betroffenen Kinder bräuchten Bildungschancen – und Perspektiven abseits des Tagebaus.


Ein Arbeiter in einer Fabrik für Lithium-Ionen-Akkus im Osten Chinas.
Foto: AFP / STR

Ein Schatten über der grünen Mobilität
Die NGO Amnesty International setzt sich mit ihren kongolesischen Partnern seit Jahren für transparente Lieferketten ein. Denn das Wissen, woher und aus wessen Händen das Kobalt stammt, geht derzeit in vielen Zwischenschritten verloren. Die "creuseurs" bringen das Erz zu Depots vor Ort, wo es – zumeist chinesische – Händler aufkaufen. Diese lassen es in Schmelzen transportieren und verkaufen die Zwischenprodukte dann weiter. Es fehlt an Kontrolle, die Dokumentation ist oft lückenhaft.
Doch einer Aufforderung, von Amnesty ausgearbeitete Maßnahmen einzuführen, kam bis 2017 keine einzige von 29 Firmen zur Gänze nach. In der E-Auto-Branche hat Amnesty dabei noch schwerere Versäumnisse festgestellt als bei Herstellern von Smartphones und Laptops. Keine der Firmen habe die Identität ihrer Partner in Schmelze und Raffinade bekanntgegeben – oder spezifische Risiken und Missstände in ihren Lieferketten. Daimler und Renault bilden laut dem Bericht die Schlusslichter in Sachen Transparenz, während BMW und Tesla zumindest moderate Maßnahmen ergriffen hätten.

Zögerliche Regulierung
Eine neue EU-Verordnung soll Hersteller deshalb dazu bald dazu zwingen, Menschenrechtsstandards entlang der Lieferkette einzuhalten. Außerdem soll durch Recycling etwas Druck aus den Kobaltminen genommen werden. Das Material lässt sich nämlich eigentlich gut recyclen, ab 2027 sollen in der EU 90 Prozent des Kobalts wieder in neuen Batterien landen. Doch bis eine Kreislaufwirtschaft für Kobalt etabliert ist, wird die Welt noch viel frisches Kobalt brauchen.
Vielleicht mehr, als es gibt. Sollte die Branche weiterwachsen wie bisher, könnten die bekannten Kobaltvorräte schon in rund zehn Jahren erschöpft sein, warnen Analysten. In der Vergangenheit haben viele Hersteller den Kobaltanteil in ihren Batterien bereits gesenkt, langfristig soll es auch ganz ohne Kobalt gehen.

Eigentlich sollte Kobalt ein Konfliktmineral sein, sagt Melcher. Dann gäbe es eigene Aufsichtsorgane und Gesetze, die einen sauberen Abbau sicherstellen sollen. Doch das ist bis heute nicht passiert. Und so besteht rund um die industriellen Minen nach wie vor ein System, in dem Ausbeutung, Kinderarbeit und Gewalt die Norm sind. Doch es ist ein System, das zwanzig Prozent des Kobalts liefert, das der Kongo jährlich in die Welt exportiert. Es ist profitabel – und wirft einen dunklen Schatten auf die grüne Mobilität.
(Ricarda Opis, 3.7.2022)
Kobalt: Das schmutzige Metall hinter der grünen Mobilität
 

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didi42

Active Member
#2
Letztens hab ich das einem stolzen, umweltbewußten Elektroautofahrer (Marke will ich jetzt nicht erwähnen) erzählt, ob er weiß wo das Kobalt für seinen Akku herkommt, und ob er für Kinderarbeit ist.
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Mehr hats nicht gebraucht.
Was ich dann zu hören bekam will ich hier nicht schreiben.
 
#3
Momentan dürfte für verschleiß- und hitzefeste Aufpanzerungen in der Ölindustrie, z.B. für Bohrwerkzeuge, und speziell in den Zyklonseparatoren bei der Ölsandverarbeitung, usw. noch mehr Kobalt verbraucht werden als für Akkus. Und die Bearbeitungswerkzeuge für Verbrennungsmotoren bestehen auch zu einem hohen Prozentsatz an Kobalt, wenngleich da ein hoher Prozentsatz recycliert wird.
Letztlich führt aber der Streit, ob "Elektro jetzt mehr öko" sei als ein Verbrenner zu garnix. Die Probleme seh ich bei Landesherren, die sich von China über den Tisch ziehen lassen, und ihre Bodenschätze praktisch verschenken, im Gegenzug dafür totale Abhängigkeit, versaute Umwelt, und zuletzt, wenn alles ausgebeutet ist, eine runtergewirtschaftete Infrastruktur bekommen. Und es ist egal, ob das korrupte Kleindiktatoren, oder lupenreine Demokraten sind.
Gruß
Albert
 

t3atnö

Well-Known Member
#4
Kein Land (Volk) das Rohstoffreich ist Profitiert in Vollen Umfang davon .
Das Geld wird nur unter einigen wenigen Oligarchen oder Scheichs/Clans aufgeteilt.
Eine Ausnahme gibt es das ist Australien der Grund dafür ist das Technische Knowhow beim Minenenequipment und bei der Weiterverarbeitung der Rohstoffe .
 
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