Dänemark: Hitlers „Atlantikwall“ bekommt Risse

Soundy

† (17. Juli 2020)
#1
Hitlers „Atlantikwall“ bekommt Risse

An Jütlands Westküste werden aus Sicherheitsgründen rund 120 Bunkeranlagen aus der Zeit der deutschen Besetzung abgetragen – freilich nicht zu jedermanns Freude.

Wer den Badeurlaub in Sanddünen durch den Baulärm riesiger Maschinen ergänzen will, der kann diesen Sommer an der Westküste der dänischen Halbinsel Jütland auf seine Kosten kommen: Dort hat man mitten in der Hauptsaison mit dem Abriss von 120 mächtigen Stahlbetonbunkern begonnen, die seit rund 70 Jahren am Strand vor sich hin gewittert haben: Es sind unübersehbare Reminiszenzen an Adolf Hitlers „Atlantikwall“-Projekt, mit dem das „Tausendjährige Reich“ vom norwegischen Nordkap bis Südwestfrankreich gegen eine Invasion geschützt werden sollte.

Die zwischen 1942 und 1944 errichteten Bunkeranlagen in Dänemark und anderswo an den Küsten, vor allem in Frankreich (insgesamt waren es mehr als 8100), überdauerten großteils Hitler und sein Reich: Sie zu sprengen war meist zu aufwendig gewesen, es gab auch wichtigere Aufgaben in den von den Nazis befreiten Ländern, und die Dinger störten ja auch meist nicht wirklich. Zumindest darin eingebaute Waffen, etwa Geschütze, wurden entfernt.

Der Zahn der Zeit zernagt Beton

Doch nun hat der Zahn der Zeit so stark an den Betonungetümen genagt, dass viele zur Gefährdung von Fischern und Badegästen werden: Die Dünen wandern, das Meer verschiebt seine Küstenlinie, und die einst am Strand gebauten Gebäude wurden vielfach von Wasser um- und überspült. Die Wellen nagen am Beton, legen die Armierungseisen bloß, die spitz und rostig aus den Wänden ragen und ahnungslose Schwimmer und Spaziergänger aufspießen könnten.

So begann anfangs dieser Woche in Dänemark die große Abbauaktion, die bis Ende des Jahres ein Fünftel der dort insgesamt rund 600 Bunker verschwinden lassen soll. Mit Maschinen und riesigen Bohrern wird der Beton aufgebrochen und abtransportiert, mitunter kommt Sprengstoff zum Einsatz. Große Mengen Schaulustiger verfolgten, wie bei Harboøre die ersten Festungsanlagen abgetragen wurden. Von Blåvand im Süden bis zum nördlichen Vigsø erstrecken sich die Objekte, die meisten sind auf einer 50 Kilometer langen Küstenstrecke von Vedersø Klit bis Thyborøn.

„Sie machen die Natur kantiger“

In mehrsprachigen Broschüren machen die betroffenen Orte ihre Feriengäste auf Sinn und Ablauf der Arbeiten aufmerksam. Iver Einvoldsen, der Bürgermeister von Ringkøbing, ist zufrieden: „Die Bunker haben unsere Strände ja nicht gerade verschönert.“

Doch nicht alle freuen sich: „Das ist Teil unserer Geschichte. Man entfernt etwas, das für die Nachwelt große Bedeutung haben kann“, sagt die Landschaftsarchitektin Louise Kjær.

Die Bunker machten die Natur „kantiger“, das sei angebracht in einer Zeit, in der nicht mehr viel an die Kriegsgräuel und die Besetzung Dänemarks (1940–45) erinnere.

Kim Clausen, der Direktor des Lokalmuseums, spricht indes von „negativem Kulturerbe“ als Teil der Besatzungsgeschichte, auf die man nicht stolz sei und über die man nicht so viel reden wolle: „Denn der Atlantikwall war zwar Hitlers Hirngespinst, gebaut wurde sein dänischer Abschnitt aber von dänischen Geschäftemachern, die damit viel Geld verdienten.“

„Die Bunker sind Zeugen eines dunklen Kapitels in Dänemarks Geschichte, das wir nicht vergessen dürfen“, sagte Umweltministerin Pia Ohlsen Dyhr. „Aber wir müssen einsehen, dass manche ein Risiko für Touristen und Badegäste sind. Jetzt entfernen wir die gefährlichsten davon zur Freude aller, die unsere schmucke Natur an der Westküste genießen.“

Dafür schießt der Staat 1,5 Millionen Euro bei, die Kommunen beteiligen sich mit umgerechnet 2670 Euro pro Abriss.

Aus Festungen werden Straßen

Die fast 500 Betonkästen, die keine akute Gefahr bedeuten, bleiben vorerst stehen. Die gewonnenen Materialien sollen im Straßenbau verwertet werden, sodass Beton und Eisen mit 70 Jahren Verspätung doch noch einem sinnvollen Zweck zugeführt werden.

11.08.2013 | 17:56 | Von unserem Korrespondenten HANNES GAMILLSCHEG (KOPENHAGEN) (Die Presse)

Quelle: http://diepresse.com/home/politik/a...all-bekommt-Risse?_vl_backlink=/home/index.do

Soundy
 
#2
Dann dürften dass ja dann bald die letzten Bilder sein...KLICK

Vor zwei Jahren gaben die Herbststürme ein bis dato noch nicht entdeckten Bunker dort oben frei. So fand man noch verrostete Waffen, Stiefel und einiges anderes an Ausrüstung dort drin.
Leider werden die Anlagen heute von den Touris gern als Toilette mißbraucht. Man muss bei der Besichtigung höllisch aufpassen, dass man nicht in eine Tretmine tappt.
 
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