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EHEMALIGE PULVERFABRIK
Das verlassene Werk
NÖN-Neunkirchen, 18. DEZEMBER 2022
Thomas Wohlmuth

Das ruinöse Herrenhaus ist der letzte Überrest der Pulverfabrik, das Bild zeigt den Zustand 2018.
FOTO: Wikipedia/VikoAravan

Um die ehemalige Pulverfabrik im Föhrenwald ranken sich viele Geschichten. Hier soll der wahren Geschichte auf den Grund gegangen werden.
Wenn man vom Bahnhof St. Egyden der Eisenbahn in Richtung Wiener Neustadt folgt und nach einiger Zeit links abbiegt, gelangt man mitten im Föhrenwald zur Ruine eines einst stattlichen Hauses. Dieses „Herrenhaus“, im Gemeindegebiet von St. Egyden gelegen, ist der letzte Überrest der Pulverfabrik der Firma Dynamit Nobel.

Die Anfänge der Fabrik liegen im Jahr 1890, als mit dem Bau der Werksanlagen im damaligen Gemeindegebiet von Saubersdorf begonnen wurde. Der Standort mitten im Wald und fernab jeder Siedlung hatte den Grund, dass im Falle einer Explosion der Schaden für die Umgebung geringer ausfallen würde. Aus diesem Grund waren die einzelnen Betriebsgebäude wie Kessel- und Maschinenhaus, Trommelhaus, Mischhaus, Vortrocknung sowie Werkstätten auch in großem Abstand zueinander errichtet worden.

Beim Bau der Fabrik waren bis zu 400 Arbeiter beschäftigt, wobei es sich relativ schwierig gestaltete, das gesamte Baumaterial zur abgelegenen Baustelle zu transportieren – ein Umstand, der vielen Bauern aus der Umgebung ein willkommenes Einkommen brachte.

Nach der Fertigstellung wurde mit der Produktion von Granaten begonnen, wobei sich 1911 eine Explosion ereignete, bei der zwei Arbeiter starben. Der Erste Weltkrieg brachte natürlich einen großen Aufschwung für diesen Rüstungsbetrieb und so beschäftigte die Firma Dynamit Nobel zwischen 80 und 100 Mitarbeiter. Auch 1915 ereignete sich eine Explosion, bei der fünf Arbeiter den Tod fanden. Nach Kriegsende wurde der Betrieb stillgelegt und fiel in einen Dornröschenschlaf, der 1938 mit der nationalsozialistischen Machtübernahme jäh endete.

Das Gelände wurde von der deutschen Wehrmacht übernommen, welche ein großes Waldstück rodete, einen Bahnanschluss zum Bahnhof St. Egyden herstellte und etwa 50 weitere Baracken errichtete, diese dienten als Munitionslager, als Sammelstelle für Beutemunition und der Herstellung von neuer Munition aus dieser. Weiters befand sich abgetrennt von dieser Anlage unter dem Decknamen „Maria“ ein sogenanntes „Heimatlager“ für V2-Raketen.

Nach dem Ende des Kriegs kam es zur endgültigen Stilllegung der Anlagen, doch die Munitionsreste im Boden führen bis in die Gegenwart durch Selbstentzündung immer wieder zu Waldbränden in dem Gebiet der ehemaligen Pulverfabrik. Die Ruinen der Betriebsgebäude wurden im Laufe der Zeit abgetragen, nur das „Herrenhaus“ genannte Verwaltungsgebäude blieb stehen und wurde zu einem beliebten Treffpunkt für Jugendliche. Der ständige Vandalismus und die zunehmende Baufälligkeit der Ruine führten 2011 dazu, dass das Gebäude eingezäunt wurde, weiters wurde eine Videoüberwachung installiert. Trotz des schlechten Zustands gibt das „Herrenhaus“ noch eine Idee von einstiger Größe.
"100 Jahre Niederösterreich": Das verlassene Werk

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