Profifußballer wäre für den jungen Anton einst noch eine Alternative gewesen, doch schon an zweiter Stelle kam Schuhmacher als Wunschberuf: „Meine Tante lebte in Wien und ich machte bei ihr immer Urlaub. Wir gingen die Thaliastraße entlang – sie ging in ein Hutgeschäft und ich schaute in die Auslage eines Schuhmachers gleich daneben.“ Beim Betreten des Geschäfts habe ihn der Geruch des Leders und der Kleber beinahe „hypnotisiert“, sodass für ihn sein künftiger Berufswunsch sofort klar gewesen sei. Irgendwann schaffte er es, seine Familie zu überzeugen, das Schusterhandwerk erlernen zu dürfen.
16 Quadratmeter voller Schuhmachertradition
Wer an seinem eigenen Geschäft in Klagenfurt in unmittelbarer Nähe zum Stadttheater vorbeikommt, muss wissen, dass dort ein Schuster arbeitet. Denn die kleine Auslagenscheibe und eine Tür lassen zunächst nicht darauf schließen. 16 Quadratmeter groß ist die Werkstatt. „Das reicht vollauf“, sagte Sobe. Als Ausweiche dient eine kleine Werkstatt bei ihm zu Hause, wo er Oberteile für neue Schuhe fertigt: „Dazu muss man Ruhe haben.“
In einer Ecke steht eine Maschine, die auch nach 85 Jahren noch funktioniert. Sobe nutzt sie ausschließlich für Reparaturen. Auch an die 200 Leisten lagern bei dem Schustermeister auf Regalen, die nach wie vor in Verwendung sind: „Für jeden, für den ich einmal Schuhe hergerichtet habe, gibt es auch noch den Leisten.“
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Eine alte Singer-Nähmaschine
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Der Meister fädelt einen Faden in die Singer Nähmaschine ein
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Ein Bogen Leder
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Alte Leisten
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Schuhe hängen von der Decke
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Alte Schuhe und ein Skelettmodell eines Fußes
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Der Meister in seiner Werkstatt
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Alte Schuhleisten
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Ein sehr altes Paar leisten
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Werkzeug eines Schuhmachers
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Zettel mit der Aufschrift: „Die Ruhe ist dem Menschen heilig, nur die Dummen habens eilig.“
Maßanfertigungen immer seltener
Den größte Teil seines Umsatzes machen Reparaturen aus. Es gilt das Motto: Aus Alt mach wieder halbwegs neu und tragbar. In Zeiten, in denen asiatische Schuhe aus Kunststoff und Pappendeckel manchmal nur ein paar Euro kosten, wurden Maßanfertigungen sehr selten. „Du musst jährlich mindestens zwei Paar machen, sonst kommst du aus dem Schuss. Die werden aber auch gemacht“, sagte Sobe.
Die Pandemie habe dazu geführt, dass viele Kunden alte Schuhe wieder aus den Tiefen ihrer Schränke hervorgeholt hätten: „Einige haben Schuhe ausgegraben, die 20 Jahre im Keller lagen und die sie gerne wieder tragen möchten. Sie sagen, sie kaufen keine Schuhe aus China, sondern wollen nur diese Schuhe wieder haben.“ Darunter sind auch Anfertigungen von Sobe selbst.
Handarbeit braucht Zeit
Die Arbeit erfolgt zwischen alten Nähmaschinen, einer Lederspalt- und Schärfmaschine und anderen Gerätschaften, die sich in den vergangen hundert Jahren kaum veränderten. Manche Arbeitsschritte werden mittlerweile elektrisch gemacht. Doch ein echter Schuh ist für Meister Sobe Handarbeit. An die 40 Stunden braucht man für eine Maßanfertigung, dazu komme noch das Maßnehmen, das Zuschneiden und das Herrichten der Oberteile. „In drei bis vier Monaten kannst du die Schuhe haben“, sagt der Experte.
Einer der Letzten seiner Zunft
Kärntenweit gibt es laut Wirtschaftskammer noch sieben Schuhmacher, die dieses Handwerk erlernten. Viele Branchenkollegen gaben mittlerweile auf. Anton Sobe hingegen blieb im wahrsten Sinn des Wortes bei seinen Leisten – mit Relikten und Erinnerungen an bessere Zeiten für das Schuhmacherhandwerk. In den ersten 20 Jahren habe er so viel Arbeit gehabt, dass er alleine fast nicht zurecht gekommen wäre.
Viele Kunden „vergessen“ ihre Schuhe zu holen
Genagelte Schuhe hängen vom Kreuzbogengwewölbe, gut ein Dutzend Paare sind so etwas wie herrenlos. Sie wurden vorbeigebracht, repariert und nicht abgeholt, sagt Anton Sobe: „Sie liegen alle schon länger da.“
Dann stört ihn noch ein Reisekoffer unter dem beengten Arbeitsplatz, der längst nicht mehr hier sein sollte. Er habe die Besitzerin schon unzählige Male kontaktiert, aber bislang Fehlanzeige. Die Hälfte der Kunden sei jedoch zuverlässig und sehr nett, fügte er hinzu.
Bergschuhe als besondere Härtefälle
Meist sind es Sohlen, die erneuert werden müssen. Das geht aber nicht bei jedem Schuh. Bergschuhe seien meistens irreparabel. „Außer der Kunde zahlt, was alles zu machen ist. Man muss sie vom Boden her neu aufbauen, also alle Zwischensohlen neu aufnähen. Es muss auch die Sprengung wieder passen, damit der Schuh seine ursprüngliche Fasson nicht verliert. Wenn das Oberleder passt, ist der Schuh vielleicht nicht mehr zehn, aber neuneinhalb Jahre haltbar.“
Enkel möchte gerne Nachfolger werden
Sobe ist 65 Jahre alt und sagte, sich gegen Billigimporte aus Asien und anderen Teilen der Welt zu behaupten werde immer schwerer. Sein fünf Jahre alter Enkel habe zwar versichert, einmal den Betrieb übernehmen zu wollen. Seiner Meinung nach habe das Handwerk aber keinen goldenen Boden mehr: „Wenn es so weitergeht wie jetzt haben wir schlechte Aussichten. Dann hat China gewonnen.“
29.03.2022, red, kaernten.ORF.at