Englischer Sperrballon über Wien am 9. Dezember 1940

Geist

Worte im Dunkel
Mitarbeiter
#1
Zusätzlich zur kleinen Ranshofen-Anekdote von gestern, heute noch ein englisches Gastspiel in Wien:
Am 5. Dezember 1940 hat sich ein englischer Sperrballon wieder über mehr als 1000 Kilometer bis Wien verirrt, wo er von der Fliegerabwehr abgeschossen wurde. Wäre interessant zu wissen, was die Bevölkerung empfand, als vermutlich erstmals die Flak in bzw. nahe der Stadt zum Einsatz kam. Wahrscheinlich hat man ihn erst abgeschossen, nachdem er städtisches Gebiet überflogen hatte.

Mikrofilmbestand T-77, Rolle 747/1980428
Kriegstagebuch Nr. 5 der Rüstungsinspektion XVII von 1. Oktober bis 31. Dezember 1940

"9.12.40
Besondere Ereignisse:

In der Gegend der Reichsbrücke in Wien wurde am 5. Dezember 1940 ein losgerissener englischer Sperrballon von Westen kommend um 15:44 als solcher erkannt und in 2 Minuten durch Flak aus ungefähr 1000 m Höhe brennend abgeschossen."
 
#3
Zusätzlich zur kleinen Ranshofen-Anekdote von gestern, heute noch ein englisches Gastspiel in Wien:
Am 9. Dezember 1940 hat sich ein englischer Sperrballon wieder über mehr als 1000 Kilometer bis Wien verirrt, wo er von der Fliegerabwehr abgeschossen wurde. Wäre interessant zu wissen, was die Bevölkerung empfand, als vermutlich erstmals die Flak in bzw. nahe der Stadt zum Einsatz kam. Wahrscheinlich hat man ihn erst abgeschossen, nachdem er städtisches Gebiet überflogen hatte.

Mikrofilmbestand T-77, Rolle 747/1980428
Kriegstagebuch Nr. 5 der Rüstungsinspektion XVII von 1. Oktober bis 31. Dezember 1940
Ein diesbezüglicher Ausschnitt aus meiner in Arbeit befindlichen Studie "Der Einsatz der Flakartillerie in den Alpen- und Donaureichsgauen 1938 bis 1945"

Grüße 12axinger

In den langen Nächten im November und Dezember 1940 kam es mehrmals zu nächtlichen Störflügen der Briten. Des Öfteren musste „Luftgefahr“ gegeben werden, einige Male wurde auch für Wien die totale Verdunkelung angeordnet, aber es kam in der Ostmark und im Protektorat kaum zu Fliegeralarmen. Große Aufregung verursachte am 5. Dezember 1940 ein englischer Störballon, der vom Norden kommende Ballon wurde vom im Donautal ständig herrschenden Wind auf das Stadtzentrum zugetrieben. Auf Anordnung des Wiener Gauleiters Baldur von Schirach wurde der Ballon um 15:44 Uhr oberhalb der Reichsbrücke beschossen und ging zwei Minuten danach brennend zu Boden.[1] Diese unüberlegte Feuereröffnung forderte im dicht bebauten Stadtgebiet die ersten blutigen Opfer des Luftkrieges. Durch die sich selbst zerlegenden 2 cm Sprenggranaten wurden im 3. Wiener Gemeindegebiet 10 Zivilisten, einige davon erheblich, verletzt.[2]








[1] Es feuerte die leichte Flakbatterie 5./611.



[2] KTB Lfl. Kdo. 4., 1.—5.12.1940. Der Beschuss des Ballons erfolgte mit ungeeigneter Munition, da der Aufschlagzünder der Sprenggranate bei der weichen Ballonhülle nicht ansprach. Die weit von der Abschussstelle entfernten Passanten wurden ein Opfer der 2 cm Munition, als sich diese durch das Ansprechen des Zeitzünders zerlegten.


 
#6
Vermutlich im Bereich der Reichsbrücke.
Grüße Renato
Die verletzten Passanten, einige mussten auch in Spitalsbehandlung, gab es im 3. Bezirk auf der Landstraße, auch kein schönes Weihnachtsgeschenk!
Es waren dies wohl die ersten Luftkriegsopfer in Wien, weit über 10.000 Luftkriegstote sollten bis 1945 im Bereich der Stadt Wien folgen.

Grüße Renato
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#7
Frage zum Einsatz von Sperrballons auf österr. Gebiet:

Kennt jemand weitere Standorte von Ballonsperren außer der bei
Leopold Banny; "Dröhnender Himmel - brennendes Land..." S. 247
genannten Ballonsperre im Raum Peggau - Deutsch Feistritz im Murtal?

Textauszug:
Als Besonderheit sei erwähnt, daß sich in Peggau vom März bis Mai 1945 eine aus acht Sperrballons bestehende Ballonsperre befand, die im Viereck "Schiller Villa" Deutsch Feistriz bis zur "Peggauer Wand", die Peggauer Wand entlang bis "Mautbühel", von dort über das "E-Werk Deutschfeistritz" zum "Kugelstein" und entlang desselben bis zur Schillervilla zurück angelegt war.
Sie hatte den Zweck, die in den dortigen Ortsbereich verlagerten Puchwerke, das E-Werk, die zwei Brücken und die Badl-Galerie der Eisenbahn sowie die Straße Bruck an der Mur - Graz zu schützen.
 
#8
Frage zum Einsatz von Sperrballons auf österr. Gebiet:

Kennt jemand weitere Standorte von Ballonsperren außer der bei
Leopold Banny; "Dröhnender Himmel - brennendes Land..." S. 247
genannten Ballonsperre im Raum Peggau - Deutsch Feistritz im Murtal?
Den ersten Luftsperreinsatz gab es zum Schutz der Donauchemie in Moosbierbaum. Die Luftsperre errichtete man nach dem ersten Luftangriff der von US-Bomberverbänden, von Nordafrika aus, auf das Ölfördergebiet von Ploesti geflogen wurde. Dabei griffen die B-24 Liberator die Raffinerien im Tiefangriff an. Daraufhin verlegte man eine Luftsperrbatterie nach Moosbierbaum, welche gemeinsam mit der dortigen Heimatflak die Anlagen schützen sollte. Nachdem es zu keinen weiteren Tiefangriffen dieser Art kam, wurde die Luftsperrbatterie im 2.Quartal 1944 aufgelöst. Nach meinen wissen dürfte es nur zu einem Einsatz (hochlassen der Sperrballone) im Februar 1944 gekommen sein.

Die nächsten LSp-Einsätze gab es erst kurz vor Kriegsende, mit Sperrstellen, an der Strecke Bruck an der Mur - Marburg an der Drau (Maribor), bei Leibnitz, Peggau und Spielfeld.
Weitere Sperrstellen gab es in den letzten Wochen des Krieges an diversen Eisenbahnbrücken in Tirol. Näheres ist hier nicht überliefert, diese Einsätze sind nur durch alliierte Luftbilder dokumentiert.

Gibt es weitere Hinweise in lokalen Chroniken? Mir ist nur jene von Leibnitz bekannt.

Auf Antworten freut sich
12axinger
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#9
Renato, besten Dank für die Ausführungen!
Habe die Sperranlagen in Moosbierbaum total übersehen, da ich mich nur auf die Literatur von L.Banny und G.Holzmann konzentrierte. Die beiden Autoren berichten aber nur über die schweren Flakbatterien. Durch den Zusammenhang mit den dort nicht behandelten leichten und mittleren "Heimatflakbatterien" dürften die Sperrballone nicht erwähnt worden sein...

Den Bericht von
Richard Richter in "Das Werden der Donau Chemie" auf Seite 306/307
über die Ballonsperre habe ich übersehen... :(

Siehe auch hier...
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#10
Weitere Frage: Gab es in Österreich auch Luftsperranlagen wie Luftsperrdrähte- bzw. Seile?

Hole den alten Thread wieder hervor, da im "Nachbarforum" geschichtsspuren.de aktuell Fragen zu solchen "Luftsperrdrähten" auftauchten:
Luftsperrdrähte - geschichtsspuren.de - Forum

Dem nach gab es auch Sperranlagen, bei denen Drähte (Seile...?) zwischen Türmen (Masten...?) gespannt waren. Angeblich gab es in Stuttgart eine solche Sperranlage und auch in Oberndorf am Neckar soll es eine Seilsperranlage zum Schutz der damaligen "Mauser Werke" gegeben haben.

Gab es solche Sperranlagen auch in Österreich?

lg
josef
 
Oben