Es war einmal: Information mittels Telefon-Tonbanddienste

josef

Administrator
Mitarbeiter
#1


Die Märchenstunde ist Geschichte
Seit 2014 erscheint die Brockhaus-Enzyklopädie nicht mehr in gedruckter Form. Der „Fischer Weltalmanach“ kommt im Herbst zum letzten Mal als Buch auf den Markt. Und im Dezember druckt das Versandhaus Otto seinen letzten Katalog - von da an kann man dort nur noch online shoppen. Zumindest in Österreich trotzt eine traditionelle Institution der Onlinekonkurrenz: Seit 1881 gibt es hierzulande eine Auskunft, die bis heute Telefonnummern sucht und weitergibt. Nicht geblieben sind dagegen die Telefonbanddienste, die Wissbegierigen Zugang zu Nachrichten, Börsenkursen oder Märchenstunden ermöglichten - und das rund um die Uhr.

Suchen und Finden per Telefon
Die Telefonauskunft gibt es in Österreich seit mehr als 130 Jahren, und trotz Konkurrenz aus dem Internet nach wie vor. Die Telefonbanddienste, die über Wetter, Zugsfahrpläne oder Horoskope informierten, sind dagegen Geschichte. Sie lieferten jahrzehntelang aktuelle Antworten zu allen möglichen Fragen des Alltags - heute haben die Bänder musealen Charakter und jede Menge Retrocharme.
Auf Facebook teilenAuf Twitter teilenAuf Google+ teilen
Spurlos sind die Vorteile der Onlinesuche an der Telefonauskunft nicht vorübergezogen. Bis in die 80er Jahre hinein haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Auskunft selbst im Telefonbuch nachgeschlagen. Danach wurde auf Mikrofilm umgestellt und mit Beginn der Nullerjahre dann auf Onlinesuche - dem Leitsatz folgend: „Let me google that for you.“


Historisches Archiv/A1 Telekom Austria
In den 1970er Jahren suchten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Anrufenden im Telefonbuch

Die Nachfrage nach einer telefonischen Rufnummernauskunft sei in den vergangenen Jahren wegen der Konkurrenz durch Onlineangebote zwar stark zurückgegangen, sagt Jochen Schützenauer von der Telekom Austria. „Aber wir haben Stammkunden, die sich regelmäßig bei unserer Auskunft melden“, so Schützenauer im Gespräch mit ORF.at.

Eigene Tonstudios und Sprecher
Andere Telefonservices konnten dem technischen Fortschritt und der Digitalisierung nicht trotzen. Eines der ersten Angebote der monopolistischen Post- und Telegraphenverwaltung war die „Sporttotoansage“, die 1949 eingeführt wurde. Via Tonband wurden hier die aktuellen Fußballergebnisse verlautbart.

Die Tonbandkundendienste wurden in dieser Zeit von den Rundfunkübertragungsstellen der Fernmeldebetriebsämter betreut. „Das war eine große Abteilung, die professionelle Sprecherinnen und Sprecher beschäftigte und für die eigene Tonstudios eingerichtet wurden“, so Schützenauer.
Die vielen verschiedenen Tonbanddienste zu bespielen und zu aktualisieren war entsprechend aufwendig und konnte einige Zeit in Anspruch nehmen:

Märchenstunde vom Tonband
In den 50er Jahren wurde das Angebot der Telefonbanddienste ausgebaut: Unter einer Rufnummer wurde die „Schallplatte der Woche“ vorgestellt, unter einer anderen konnte man Märchen und Sagen hören - ein vor allem bei Kindern beliebtes Service. „Das war das, was man heute als Hörbuch kennt, aber eben über das Telefon erreichbar“, so Schützenauer.

Es gab aber nicht nur Literarisches vom Tonband. Wer Musik hören wollte und kein Radio zur Hand hatte, konnte „1588“ wählen, „Österreichs wirklich heiße, heiße Nummer“. Ein Telefonbanddienst informierte über den aktuellen Pegelstand österreichischer Flüsse. Ein anderer widmete sich medizinischen Fragen...

Die ersten Seiten des Telefonbuchs waren über Jahrzehnte mit unzähligen Nummern von Tonbanddiensten gefüllt. „Bis in die 2000er Jahre gab es Tonbanddienste für Horoskope, Rezepte, medizinische Tipps, Schneeberichte oder Börsenkurse“, sagt Gerhard Fürnweger, Leiter des Historischen Archivs der Telekom Austria. Diese Dienste waren in der Vor-Internet-Ära mit den Rufnummern 1500 bis 1599 erreichbar.

Eine Stimme für Nachrichten, Werbung und Wetter
Neben tagesaktuellen Nachrichten in verschiedenen Sprachen oder Wetterprognosen konnte man unter diesen Kurzwahlnummern auch Werbung hören. Die Firma Schuh Ski warb auf einem von der Telekom produzierten Tonband für ihre Weihnachtsangebote, der WWF suchte mit einem anderen nach freiwilligen Helfern, der legendäre Wiener Club Monte inserierte sein Wochenprogramm...

Zu den bekanntesten Stimmen der Telekom gehörte die ehemalige Postbeamtin Renate Fuczik. Sie beruhigte in der Warteschleife der Fernauskunft, präsentierte die Öffnungszeiten der Sommerbäder und mahnte Geduld ein, wenn ein Tonbanddienst gerade neu gestaltet wurde. Fuczik war auch bis in die 2000er Jahre die Stimme der telefonischen Zeitansage.

Verdrängt von Radio, Fernsehen und Internet
„Gegenüber Onlineangeboten haben Tonbanddienste natürlich den großen Nachteil, dass sie viel behäbiger sind“, so Fürnweger. Wenn sich Zugabfahrtszeiten oder Veranstaltungsprogramme änderten, konnte man oft nicht schnell genug reagieren, was mitunter für Unmut bei den Anrufenden sorgte. Um die Jahrtausendwende verabschiedeten sich die ersten Telefonbanddienste. Für die Wiener Börse war es bereits 1999 so weit - von da an gab es die aktuellen Kurse nur noch auf der Website.

Doch nicht nur das Internet verdrängte die Telefonbanddienste. „Mit der Zeit gab es immer mehr Angebote, mehr Radio- und Fernsehprogramme oder den Teletext, was viele Telefondienste obsolet machte“, erklärt Schützenauer. Als 2009 dann die Kurzwahlrufnummern wegen einer Gesetzesänderung abgeschafft werden mussten, wurden fast alle Telefonbanddienste eingestellt.

„Es wird mit dem Summerton ...“
Der erste telefonische Tonbanddienst, den es in anderer Form bis heute gibt, war die Zeitansage. Die wurde 1941 in Linz eingeführt und über verstärkte Kabelleitungen in alle Landeshauptstädte übertragen. Unter der Telefonnummer „A 03“ war ab 1948 auch in Wien eine selbsttätige Zeitansage erreichbar. Seit damals wurde das System mehrmals überarbeitet.

„1972 war die Zeitansage bereits auf zehn Sekunden genau“, sagt Schützenauer. In den 80er Jahren habe man sich dann vom Tonband verabschiedet und eine digitale Anlage eingeführt. 2009 wurde die Zeitansage abermals überarbeitet.

Die Uhrzeit, die die Telekom an einer Atomuhr ausrichtet, wird seit 2009 von Angelika Lang durchgegeben. Davor war mehr als 25 Jahre lang Renate Fuczik zu hören. „Auch hier hat die Nachfrage natürlich nachgelassen, aber es gibt immer noch viele Menschen, die ihre Uhren nach unserer Ansage stellen“, so Schützenauer.

Instrumente stimmen per Anruf
Ein anderer Telefondienst, den es in Österreich ebenfalls bereits seit Jahrzehnten gibt, ist musikalischer Natur. Das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV) stellt den „Kammerton a“ zum Ortstarif zur Verfügung. Das sei gewissermaßen ein Nebenprodukt des Labors, sagt Werner Mache vom Labor Frequenz und Zeit des BEV.

„Wir betreiben hier Atomuhren, die die gesetzlich verbindliche Zeitskala für Österreich erzeugen“, so Mache. Und die liefere auch den Stimmton in einer Frequenz von 440 Hertz. „Zumindest für den Hausgebrauch ist das eine passende Frequenz“, sagt Mache. Die Wiener Philharmoniker würden auf eine etwas abweichende Frequenz zurückgreifen.

Auskunft wird es weiter geben
Vor 20, 30 Jahren sei es noch viel schwieriger gewesen, an einen entsprechenden Stimmton zu kommen, meint Mache. Mittlerweile habe dieser Service starke Konkurrenz von Onlineangeboten bekommen. Zahlreiche YouTube-Videos bieten das eingestrichene a der C-Dur-Tonleiter in verschiedensten Frequenzbereichen an.


Historisches Archiv/A1 Telekom Austria
In den 80er Jahren stellte die Auskunft auf ein Mikrofilmverzeichnis um, heute wird online nachgeschlagen

„Viele Telefondienste braucht man heute einfach nicht mehr, weil die Internetsuche schlicht einfacher und effizienter ist“, sagt Schützenauer. Aber zumindest die Telefonauskunft werde es noch einige Jahre geben, weil sich eben nicht alle Menschen online auf die Suche machen wollen oder können.

Anrufe werden immer weniger
In Österreich ist der Markt für telefonische Auskunftsdienste seit dem Jahr 2000 liberalisiert. Aktuell bieten neben der Telekom auch einige andere Unternehmen eine Rufnummernauskunft an, darunter Mobilfunkbetreiber und private Callcenter - allesamt kostenpflichtige Telefonnummern, die pro Minute abrechnen und auch bei einer Weiterleitung zur gesuchten Rufnummer weiterlaufen.

Genaue Zahlen zur Nutzung der Auskunft gibt es in Österreich nicht. Klar ist aber, dass die Nachfrage stark nachgelassen hat. Ganz ähnlich ist die Situation in Deutschland. Dort meldete die Deutsche Telekom für das Jahr 2017 zwar immer noch zehn Millionen Anrufe bei der Auskunft des Unternehmens. Vor zehn Jahren hat es laut Unternehmensangaben aber noch einhundert Millionen Anrufe gegeben.

Link:
Marlene Nowotny, ORF.at/Agenturen
Publiziert am 02.09.2018
Der vergessene Charme der Telefonbanddienste
 

HF130C

Well-Known Member
#2
Danke für diesen Beitrag, an die Nutzung der Zeitansage kann ich mich noch gut erinnern. In der pre-Computerzeit und auch noch in der Modemzeit war es gar nicht so einfach, die genaue Uhrzeit zu erhalten: Öffentliche Uhren gingen gerne falsch, so blieb noch der Radiogong zur vollen Stunde oder eben die telefonische Zeitansage, die natürlich den damals recht teuren Ortstarif kostete.

Die übrigen Tonbanddienste wurden zwar einmal ausprobiert, waren aber zumindest für unsere Familienstruktur ohne Nutzen (Kochrezept? Börsekurse?) und eher eine Spielerei. Irgendwie hatte man zur damaligen Zeit den Eindruck, dass das eine Geldeinnahmequelle für die Post sein sollte, die auf die Neugier oder Langeweile der Leute baut. Naturgemäß hatte man als Vierteltelefonbesitzer keine Freude mit diesen Tonbanddiensten, wenn sie andere Viertelteilnehmer verwendeten - ebenso wie mit den Dauertelefonierern. Da half dann nur ein beherzter Schlag an die richtige Kante des Beikastens zum Telefon, und mit einem Klack waren die Relais abgefallen und nun musste man schnell sein, sich die Leitung durch Drücken der Taste am Telefonapparat zu holen. Glücklich war, wer Viertelteilnehmer hatte, die diesen Trick nicht kannten ...
Der Nachteil war natürlich, dass man von Zeit zu Zeit den Beikasten wieder neu an der Wand eingipsen musste, was nicht so einfach war, denn der Kasten war verplombt und man kam nicht an die Schraubenköpfe heran.

Die Auskunft war natürlich schon notwendig, normalerweise hatte man nur das Ortstelefonbuch und so gab es nur den Weg aufs Postamt oder die Telefonauskunft, um eine Nummer aus einer anderen Gegend zu erhalten.
Auch bei Selbstwahl war die Auskunft unersätzlich, wenn man ausländische Nummern wissen wollte. Von der Kompetenz waren die Damen sehr gut, was zu finden war wurde auch gefunden. Nur die Wartezeiten nervten, bis man endlich einmal dran gekommen ist.

Nicht angesprochen wird in dem Artikel das Fernamt, gab es doch noch bis Mitte der 60er Telefonämter, die Selbstwahl nur für den Ortsverkehr anboten, nicht jedoch für "auswärts", was auch schon 30 km sein konnten. Das Fernamt war auch bis in die 90er unersätzlich für Länder, die noch keinen Selbstwählverkehr hatten. Da konnte es schon stundenlang dauern, bis der ersehnte Rückruf des Fernamtes eintraf und die Verbindung zum gewünschten Teilnehmer geschaffen war. Zum Glück sind diese Zeiten vorbei!
 
Oben