Wiener Neustadt: Flugzeug stürzt auf Cobra-Zentrale
Von CHRISTOPH SCHWARZ, MICHAEL LOHMEYER und Manfred SEEH (Die Presse)
Eine einmotorige ungarische Maschine ist auf die Einsatzzentrale der Antiterroreinheit Cobra in Wiener Neustadt gestürzt. Ein Terroranschlag wurde zuletzt ausgeschlossen.
WIENER NEUSTADT. Dienstag 17.40 Uhr, in Wiener Neustadt, Straße der Gendarmerie Nr. 5: Das Hauptquartier der Polizei-Spezialeinheit Cobra liegt etwas nach hinten versetzt im Wald. Etwa 20 bis 30 Cobra-Polizisten befinden sich noch im Gebäude. Aus dem Nebel der Abenddämmerung ist ein Krachen zu hören, die Beamten laufen ins Freie. Wenig später kommt es auf dem Flachdach zu einer Explosion: Das Dach der Cobra-Zentrale steht in Flammen.
Walter Weninger, Oberst und stellvertretender Leiter der Cobra, spricht wenig später aus, was in diesem Augenblick vielen durch den Kopf schießt: „Ein Anschlag!“ Sogar Erinnerungen an die beiden Passagierflugzeuge, die am 11. September 2001 von Terroristen ins World Trade Center pilotiert wurden, flackern auf.
Kein 9/11 im Kleinformat
Doch anders als in New York ist das Flugzeug hier in Wiener Neustadt weitaus kleiner, und es ist auch nicht gegen eine Seitenfront des Gebäudes geprallt. Sondern direkt aufs Dach. Kein 9/11 im Kleinformat. Eine einmotorige Maschine aus Ungarn, gemeldet auf einen deutschen Flugzeughalter, hat teilweise sich in das Gebäude gebohrt.
Die zweite Möglichkeit, an die in den ersten Sekunden viele denken: Ein Unfall bei einer Cobra-Übung – etwa der Absturz eines Helikopters.
Nach dem vorerst letzten Stand der Erhebungen hat aus ungeklärter Ursache der Pilot der Maschine die Kontrolle über das Flugzeug verloren. Sie ist – offenbar im dichten Nebel, die Sichtweite betrug zeitweise nur um die 50 Meter – ins Trudeln geraten, der Pilot dürfte noch versucht haben, die Maschine um 180 Grad herumzureißen. Vergebens.
Das Flugzeug durchschlug das Dach nicht völlig. Ein großer Teil ragte Dienstagnacht noch immer aus dem Gebäudedach. Kurz vor dem Aufprall hatte der Pilot noch versucht, der Katastrophe zu entkommen. Er (oder sie?) dürfte versucht haben, den Schleudersitz zu betätigen – offenbar ohne Erfolg. Ein makabrer Anblick: Der zugehörige Fallschirm hing zuletzt noch vom völlig verkohlten Leitwerk.
Einsatzkräfte versuchten zunächst Schlauchleitungen zu legen, um mit dem Löschen zu beginnen. Einige durchkämmten indessen das umliegende Gelände, um nach Opfern zu suchen. Gefunden wurde – vorerst – niemand.
Stundenlang war es für die Einsatzkräfte praktisch unmöglich zum brennenden und stark rauchenden Flugzeug vorzudringen. Deshalb war zuletzt auch noch unklar, ob sich eine zweite Person im Cockpit befand.
Die Feuerwehren von Wiener Neustadt und sieben angrenzender Orten standen stundenlang im Einsatz. Insgesamt bekämpften 180 Männer die Flammen.
Schild: „Corvus-Airways“
Von dem verkohlten Wrack konnte ein Schild mit der Aufschrift „Corvus-Airways“ geborgen werden. Diese hat ihren Sitz in Ungarn. Vermutungen wurden laut, dass es sich bei dem Piloten um einen ungarischer oder deutschen Geschäftsmann gehandelt haben könnte.
In den Abendstunden gelang es einigen Cobra-Leuten in das beschädigte Gebäude vorzudringen, um die Waffenkammer zu leeren. Auch ein Raum, in dem sich Personalakten stapelten, wurde so gut es ging, geräumt.
Immer wieder loderten an verschiedenen Stellen des Dachs Brandherde auf, die jedesmal gezielt mit Wasserfontänen „bearbeitet“ wurden. Die Florianijünger rückten sowohl dem Dach des Gebäudes als auch dem Flugzeug mit Motorsägen zu Leibe.
Quelle:
http://diepresse.com/home/panorama/oesterreich/424309/index.do?_vl_backlink=/home/index.do
Was ist eigentlich die Cobra?
Über die Antiterroreinheit ist wenig bekannt, das Hauptquartier abgeschottet.
Wien (mpm). Es ist ein spektakulärer Ort, auf den ein Kleinflugzeug am frühen Dienstag abend stürzte – ausgerechnet auf das Hauptquartier von Österreichs Antiterroreinheit, der „Cobra“.
Das Gebäude kennen nur wenige von innen: Es liegt bei Wiener Neustad, abgeschottet inmitten eines Föhrenwaldes. Der abgelegene Standort ist kein Zufall, über die Sondereinheit der Exekutive ist nicht gerade viel bekannt. Absichtlich.
Denn es sind heikle Aufgaben, für die die Elite- und Sondereinheit laut Sondereinheitenverordnung zuständig ist: Bei Terroranschlägen, Geiselnahmen und bewaffneten Konflikten unterstützt die Cobra die heimische Polizei. Die – oft mit Gesichtsmaske agierenden – Cobra-Mitarbeiter sind außerdem für den Sicherungsdienst an Bord österreichischer Flugzeuge zuständig, wie auch für die Bewachung hoher Würdenträger, bei Staatsbesuchen etwa.
Benannt nach Fernsehserie
Heuer im Mai feierte die Cobra ihren 30. Geburtstag. Sie ging aus dem 1973 gegründeten „Gendarmeriekommando Bad Vöslau“ hervor. Den Spitznamen „Cobra“, angelehnt an die US-Serie „Cobra, übernehmen Sie“, trug die Spezialeinheit schon länger. Seit der Sondereinheitenreform 2002 heißt die Gruppe offiziell „Einsatzkommando Cobra“ (EKO Cobra). Damals nahmen vier Standorte (neben Wiener Neustadt sind das Graz, Linz und Innsbruck) ihren Betrieb auf. Seit 2003 gibt es Außenstellen in Kärnten, Salzburg und Vorarlberg, seit 2005 auch in Wien. Die Standorte sind laut Innenministerium so gewählt, dass die Cobra jeden Punkt in Österreich innerhalb von 70 Minuten erreichen kann.
Im Hauptquartier, das durch den Flugzeugabsturz in Brand geriet, findet auch die Ausbildung der Cobra-Beamten statt: Im Vorjahr wurde hier das Air Marshal-Ausbildungszentrum eröffnet, in dem die Sicherung von Flügen (etwa bei Geiselnahmen) simuliert wird.
Derzeit gibt es rund 420 Cobra-Beamte. Bewerben können sich Polizisten, nur etwa jeder zweite Bewerber besteht die Spezialausbildung. Seit 2004 führt Brigadier Bernhard Treibenreif das Kommando an.
Quelle:
http://diepresse.com/home/panorama/...09&_vl_backlink=/home/index.do&selChannel=119
Soundy