Fundstellen im Raum Lunz am See - Bezirk Scheibbs geben Einblicke in eine globale Klimakatastrophe in der Triaszeit

josef

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#1
Fossilien: Einblicke in Klimakatastrophe
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Eine Fossilien-Fundstelle im Bezirk Scheibbs gibt Einblick in eine globale Klimakatastrophe in der Triaszeit. Diese führte zu einem weltweiten Massensterben und dem Zusammenbruch ganzer Ökosysteme. Wissenschafter haben die Funde nun analysiert.
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An der Fundstelle in einem kleinen Graben zwischen Gaming und Lunz am See (beide Bezirk Scheibbs) werden seit über 140 Jahren gut und vollständig erhaltene Versteinerungen von Meereslebewesen gefunden. Wiener Wissenschafter haben nun im Fachjournal „Scientific Reports“ die erste wissenschaftliche Bearbeitung von mehr als 6.000 Fossilien veröffentlicht, die Zeugen eines weltweiten Massensterbens in den Meeren vor 233 Millionen Jahren sind.

Bei der Polzberg-Fundstelle handelt es sich um eine der wichtigsten Fossil-Fundstellen Österreichs, teilte das Naturhistorische Museum Wien (NHM) am Mittwoch mit. Sie zeichnet sich durch die besonders gute Erhaltung der eingeschlossenen Fossilien und deren Vollständigkeit aus. Der Paläontologe Alexander Lukeneder vom NHM und die Paläontologin Petra Lukeneder von der Universität Wien haben 6.397 fossile Funde von dort analysiert. Diese lagerten teilweise seit über 100 Jahren in den großen Sammlungen des NHM, der Uni Wien und der Geologischen Bundesanstalt. Zudem wurde in den vergangenen Jahren neues Material durch Citizen Scientists geborgen.

Überreste der „Karnischen Krise“
Bei den Fossilien handelt es sich um Überreste einer der größten Umweltkatastrophen der Erdgeschichte, der „Karnischen Krise“. Diese zwei Millionen Jahre andauernde Phase zeichnet sich durch einen Klimawandel aus, der zu einem gigantischen weltweiten Massensterben und dem Zusammenbruch ganzer Ökosysteme führte.
Nach derzeitigem Erkenntnisstand führte starke Vulkantätigkeit in Nordamerika nicht nur zur Ablagerung einer mehr als 1.000 Meter dicken Schicht aus Basalt, sondern auch zu einem enormen Anstieg von CO2 in der Atmosphäre. Das wiederum führte in der späten Triaszeit zu einer starken Klimaerwärmung mit wesentlich feuchterem Klima. Weltweit spülten monsunartigen Regenfälle Sediment in die Meere und die Riffe erstickten im Schlamm.

Dokumentiert ist das in einer großen Diversität der am Polzberg entdeckten fossilen Tierwelt. In Verbindung mit dem fantastischen Erhaltungszustand der Fossilien ermöglicht dies den Wissenschaftern, die Umwelt der späten Triaszeit zu erforschen und neue Erkenntnisse über Umweltbedingungen, Nahrungsketten und die Räuber-Beute-Verhältnisse dieser Zeit zu gewinnen. So wurden an der Fundstelle bisher zahlreiche Arten nachgewiesen, nahezu jährlich würden neue Spezies entdeckt.

NHM Wien, Alexander Lukeneder
Auch Überreste eines Lungenfisches wurden gefunden, laut Wissenschaftern ein „weltweit einzigartiges Fossil“

Von Tintenfischen bis hin zu Lungenfischen
Zu Tausenden kommt etwa der Leitammonit Austrotrachyceras minor vor, aber auch andere Ammoniten, Tintenfische, Muscheln, Schnecken, Krebse, Meeresasseln und Borstenwürmern sowie Fische wurden häufig entdeckt. Zu den besonderen Funden zählen Knorpelfische wie der haiähnliche Acrodus oder der sehr seltene Quastenflosser Coelocanthus. Aus den Küstensümpfen wurde selbst ein Lungenfisch eingeschwemmt – ein laut NHM „weltweit einzigartiges Fossil“.
Die Nähe zum Süßwasser bestätigen auch die zahlreichen Blattfußkrebse Eustheria und selbst Überreste von Pflanzen wie die Konifere Voltzia sind vertreten. Die Nahrungskette reicht von winzigen Krebsen über kleinere Fische bis hin zu räuberischen Tintenfischen und Ammoniten, die wiederum von größeren Raubfischen gejagt wurden. Gesucht wird noch nach Überresten von Ichthyosauriern, die vermutlich die größten Räuber dieses Ökosystems waren.
26.08.2021, red, noe.ORF.at/Agenturen

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#2
Ehepaar erforscht Urzeit-Katastrophe
Vor 230 Millionen Jahren hat es in den Urmeeren ein Massensterben gegeben. Erforscht wird das Ereignis von Petra und Alexander Lukeneder. Das Ehepaar richteten sich dafür in ihrem Privathaus sogar eine Art Außenstelle des Naturhistorischen Museums ein.
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In einem Bachbett zwischen Gaming und Lunz am See (Bezirk Scheibbs) sammelt der Paläontologe Alexander Lukeneder vom Naturhistorischen Museum Wien viele Millionen Jahre alte Gesteinsproben. Der Fundort hat schon seit 140 Jahren weltweite Bekanntheit.

Für ein Forschungsprojekt über die so genannte „Karnische Krise“ vor 233 Millionen Jahren, dass ihm und seiner Frau Petra – ebenfalls eine Paläontologin – für zwei Jahre vom Land Niederösterreich und der Akademie der Wissenschaften finanziert wird, verwandelten die beiden ihr Privathaus in Gablitz (Bezirk St. Pölten) in ein Forschungslabor. Auf der Terrasse und im Garten lagern Kübel mit hunderten Kilo Gesteinsproben. Alexander Lukeneder untersucht jeden einzelnen Splitter auf versteinerte Tierchen aus der Triaszeit.

ORF
Das Ehepaar untersucht in Gablitz Millionen Jahre alte Gesteinsproben

Wegen des Coronavirus sei es nicht anders möglich gewesen, als die Forschung mit nach Hause zu nehmen, erzählt er: „Ich mache die Grobarbeit, das heißt, ich trenne die leeren Gesteinsproben von denen mit Fossilien. Die interessanten bringe ich dann meiner Frau, die sie genau untersucht und fein präpariert. Alles passiert in unserem Privatlabor, das wir uns selber zugelegt und finanziert haben. Die Funde werden inventarisiert und später kommt alles in Sammlungen des Naturhistorischen Museums oder des Landesmuseums in St. Pölten.“

Urzeit mit modernen Methoden sichtbar machen
Petra Lukeneder macht die Urzeit mit modernsten Methoden für alle anschaulich, etwa einen winzigen fossilen Tintenfisch im Lunzer Gestein: „Man muss ihn zuerst mittels Mikro-Computertomografie scannen, dann wird ein Modell erstellt, das im Format 20:1 im 3-D-Drucker ausgedruckt wird, damit man eine leise Ahnung davon bekommt, wie so etwas aussieht.“

Das Privatleben der Familie richtet sich nach der Forschungsarbeit. Die Arbeitszeiten werden auf die Kinder abgestimmt, Alexander geht früh aus dem Haus, um Gesteinsproben zu suchen und heimzuholen, Petra analysiert oft erst, nachdem die beiden Kinder (sechs und eineinhalb Jahre alt) ins Bett gegangen sind.

Das setzt sich bis zum gemeinsamen Urlaub fort. Strandurlaub eher nicht, es muss schon Steine mit Inhalt geben, sagt Alexander Lukeneder: „Jetzt mit dem Kleinen noch nicht, aber später wird es wohl so sein. Es gibt bekannte, gute Fundstellen in Europa, da kannst du Fossilien finden mit der ganzen Familie.“ Und statt Urlaubsfotos werden dann eben Fossilen angeschaut in dem Privathaus in Gablitz, in dem Rätsel aus der Triaszeit entschlüsselt werden.
05.09.2021, Robert Salzer, noe.orf.at

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#3
Erstmals fossile Tintenfisch-Knorpel entdeckt
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Zwischen Gaming und Lunz am See (beide Bezirk Scheibbs) haben Wissenschafter des Naturhistorischen Museums und der Uni Wien weltweit erstmals fossile Tintenfisch-Knorpel entdeckt. Sie stammen von Tieren, die vor 233 Millionen Jahren lebten.
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Ein kleiner Graben beim Polzberg zwischen Gaming und Lunz am See verbirgt eine der wichtigsten Fossil-Fundstellen Österreichs. Seit mehr als 150 Jahren werden dort spektakuläre Fossilien des Erdmittelalters geborgen, die in der Wissenschaft weltweit für Aufsehen sorgen.

Dort wurden auch die ersten fossile Tintenfisch-Knorpel entdeckt. Zunächst war nicht klar, worum was sich bei den bis zu drei Zentimeter großen, schwarzen Gebilde handelt, die bei den Grabungen im Vorjahr gefunden wurden.

Fossilien mittels Computertomographie untersucht
Paläontologin Petra Lukeneder und Paläontologe Alexander Lukeneder untersuchten nun über 80 unterschiedliche Exemplare dieser Fossilien mittels Computertomographie. So konnten sie in das Innere der Gebilde blicken. Bild um Bild entstanden auf diese Weise digitale 3D-Modelle, die von unzähligen, sich verzweigenden Gängen durchzogen waren.
Die Wissenschafter fanden heraus, dass die Teile aus reinem Kohlenstoff bestehen. Rund um die Funde sind hunderte Fanghäkchen von Tintenfisch-Armen eingebettet und auch Schulpe, die kalkigen Schalen der Weichtiere, fanden sich in der Nähe der Strukturen.

Fotostrecke mit 4 Bildern
NHM Wien/Alexander Lukeneder
Mikro CT-Bild: Knorpel und Armhäkchen
NHM Wien/Alexander Lukeneder
Mikro CT-Bild: Knorpel und Armhäkchen eines Tintenfisches

NHM Wien/Alexander Lukeneder
Knorpel Rekonstruktion nach Mikro CT

NHM Wien/Alexander Lukeneder
Der Tintenfisch Loligo vulgaris mit Kopfknorpel

Die Modelle wurden dann mit modernen Tiergruppen verglichen, wodurch die rätselhaften Objekte erstmals eindeutig als fossile Tintenfisch-Knorpel identifiziert wurden, teilten die Forscher mit. „Durch geochemische Prozesse reicherte sich im ursprünglich knorpeligen Material allmählich Kohlenstoff an und führte zur Erhaltung der nun schwarzen und harten Gebilde“, wird in einer Aussendung erklärt.

Knorpel stammen von ausgestorbenem Tintenfisch
Die Knorpel stammen laut aktueller Forschungsergebnisse von der Tintenfisch-Art Phragmoteuthis bisinuata, die vor 233 Millionen Jahren lebte. Phragmoteuthis ist ein ausgestorbener Verwandter der modernen Tintenfische. „Heute lebende Tintenfische wie Loligo vulgaris, der Gemeine Kalmar, bilden sehr ähnliche Strukturen aus Tintenfisch-Knorpeln im Kopfbereich aus. Diese knorpelige Struktur stärkt und schützt dabei das Gehirn und den Augenbereich der Tiere. Bei diesen Meeresbewohnern führt die Speiseröhre direkt durch den Kopfknorpel und das Gehirn in den Magen des Tieres“, heißt es in der Aussendung.

Die Tintenfische bewohnten marine Bereiche des damaligen Reiflinger Meeres, einem Seitenast des Tethys-Ozeans. In dieser Phase der Erdgeschichte kam es zu einer weltweiten Krise mit Massenaussterben auf der Erde, die über zwei Millionen Jahre andauerte. Diese Krise hatte auch Auswirkungen auf die Sedimente und Ablagerungen der Meeresböden. Am Meeresboden kam es so zur Ausbildung von sauerstoffarmen Bereichen. Im lebensfeindlichen Schlamm blieben dadurch selbst feinste Details der Fossilien erhalten und machen den Polzberg in Niederösterreich heute noch zu einer einzigartigen Fundstelle.
21.04.2022, red, noe.ORF.at/Agenturen

Erstmals fossile Tintenfisch-Knorpel entdeckt
 

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#4
Bohrungen zu Massensterben der Triaszeit
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Bereits seit mehreren Jahren werden Fossilien aus dem Gebiet Lunz am See und Gaming erforscht. Sie sind Zeugen eines weltweiten Massensterbens in den Meeren vor 233 Millionen Jahren. Mit einem dreijährigen Projekt will man nun mehr über diese Zeit herausfinden.
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Eine weltweite Klimakrise, die vor etwa 233 Millionen Jahren stattfand – die Karnische Krise – führte zu einem Massensterben in den Meeren. Das zeigten Untersuchungen von Fossilien, die man im Raum von Lunz am See und Gaming (beides im Bezirk Scheibbs) entdeckt hatte. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Naturhistorischen Museums Wien will nun diese Klimakrise der Triaszeit mit einem neuen Projekt näher erforschen.

Zwei Millionen Jahre dauerte die globale Karnische Krise an. Durch monsunartige Niederschläge gelangte damals vermehrt Schlamm ins Meer. Die Riffe erstickten, und am Meeresboden wurde der Sauerstoff knapp. Die Auswirkungen der Krise wurden in Gesteinsablagerungen überliefert.

Trias
  • älteste Periode des Mesozoikums (Erdmittelalter)
  • erstreckte sich über den Zeitraum von 251,9 bis 201,3 Millionen Jahren vor heute
Millimeter für Millimeter untersuchen
Lediglich eine schmale geologische Zone enthält Sedimente der Karnischen Krise. Sie quert die Kalkalpen Niederösterreichs und der Steiermark. Diese Zone und ihre Fossilien soll nun von einem internationalen Team näher untersucht werden. Neben den üblichen Grabungen wird unter anderem eine Kernbohrung in der Region Lunz am See und Gaming durchgeführt. Dadurch können chemisch unveränderte Gesteine geborgen und die Schichten Millimeter für Millimeter untersucht werden.

Für die Bohrung müssen die oft durch Gebirgsbildung stark verformten Schichten möglichst senkrecht getroffen werden, um die Bohrkerne unversehrt zu bergen. Je weniger das Millionen Jahre alte Gestein verändert oder gestört wurde, desto besser ist es für die Analysen geeignet.

NHM Wien, A. Lukeneder
Ein 233 Millionen Jahre alter Borstenwurm

Knorpelreste von Tintenfischen konserviert
Die schwarzen, kalkig bis tonigen Meeresablagerungen beinhalten Fundstellen, in denen die fossilen Organismen wie Muscheln, Schnecken, Krebse und Borstenwürmer besonders gut und vollständig erhalten sind. Solche Fundstellen werden als Konservatlagerstätten bezeichnet.
In den Fossilien sind sogar Weichteile wie Muskel- und Knorpelreste erhalten. Auch der weltweit erste Nachweis von Tintenfischknorpeln stammt aus diesen Gesteinen – mehr dazu in Erstmals fossile Tintenfischknorpel entdeckt (noe.ORF.at; 21.4.2022). Die Fossilien geben Einblick in die Lebensgemeinschaften des damaligen Ozeans und sollen neue Erkenntnisse zum Klima dieser Zeit liefern.
04.05.2023, red, noe.ORF.at

Bohrungen zu Massensterben der Triaszeit
 

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#5
Bohrung führt 233 Mio. Jahre in Vergangenheit
Die Region um Lunz am See (Bezirk Scheibbs) ist für ihre Ablagerungen aus der Triaszeit bekannt. Jetzt wurde dort mit einem riesigen Bohrer 233 Millionen Jahre in die Vergangenheit gebohrt, um eine der größten Umweltkatastrophen der Erdgeschichte zu erforschen.
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Online seit gestern, 17.59 Uhr
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Die Karnische Krise vor 233 bis 235 Millionen Jahren war auf eine Serie an Vulkanausbrüchen zurückzuführen, der enorme CO2-Ausstoß und die Asche vernichteten das Leben auf fast dem gesamten Erdball und konservierten gleichzeitig die Tier- und Pflanzenwelt. Eine der weltweit bekanntesten Fundstellen aus dieser Zeit ist das Gebiet Polzberg zwischen Lunz am See und Gaming (beide Bezirk Scheibbs).

Dort werden schon seit 140 Jahren hervorragend erhaltene Fossilien gefunden. Diese Zeugen aus dem Erdmittelalter sind sogar in Bachbetten an der Erdoberfläche ersichtlich. Alexander Lukeneder ist der Leiter eines Forschungsprojektes des Naturhistorischen Museums zusammen mit der Akademie der Wissenschaften und dem Land Niederösterreich. Er hatte die Idee, mit einer Kernbohrung in die untersten Schichten vorzustoßen – mehr dazu in Bohrungen zu Massensterben in der Triaszeit (noe.ORF.at; 4.5.2023).

ORF
Ein Blick 233 Millionen Jahre in die Vergangenheit: Das Gestein wurde mit einem Tiefenbohrer ans Tageslicht befördert

30 Meter tief in Steinbruch gebohrt
Von Montag bis Donnerstag stieß man nun mit einem Tiefenbohrer Meter für Meter in die Urzeit vor, 30 Meter tief. Und zwar in einem alten Steinbruch zwischen Lunz und Göstling (Bezirk Scheibbs). Alexander Lukeneder hätte ursprünglich lieber direkt im Gebiet Polzberg gebohrt, allerdings gab es technische Probleme, und er musste neu zu suchen beginnen.

„Ich habe die ganze Zone zwischen Großreifling in der Nordsteiermark und dem Wiener Becken nach diesen ‚Reingrabner Schichten‘ abgesucht, in denen sich die Karnische Krise manifestiert“, erklärt Lukeneder. In dem kleinen Steinbruch habe er dann die Schichten wiederentdeckt, der Besitzer sei mit der Forschungsbohrung einverstanden gewesen.

Ergebnisse werden weltweit analysiert
Die Ergebnisse waren ursprünglich dürftig, weil die Bohrkerne in kleine Steinchen zerfielen. Je tiefer aber vorgedrungen wurde, umso kompakter wurden die Bohrkerne und umso besser ablesbar die Schichten des Urzeitgesteins. Die Ergebnisse werden nun weltweit analysiert.
„Das ist so etwas wie das Archiv der Erdgeschichte. Es gibt schon ein weltweites Netzwerk an Forschern zu dieser Karnischen Krise“, so Lukeneder. Er verschickt die Proben rund um die Welt: China, USA, Frankreich, Deutschland – alle haben ihr Spezialgebiet. Die einen befassen sich mit Pollenanalysen, die anderen mit dem Quecksilbergehalt.

ORF
Das Gestein wird nun in den verschiedensten Ländern analysiert

Großes Ziel: Fund eines Ichthyosauriers
Nur eines ist noch niemandem gelungen: den „Predator X“ zu finden. Dieser gigantische Meeressaurier wurde schon in zahlreichen Funden nachgewiesen, vor allem in Exkrementen. Aber von dem Ichthyosaurier selbst wurden bis dato noch keine Überreste gefunden.

Das wäre für Alexander Lukeneder der Gipfel seiner Forschung. „Der muss hier in der Gegend herumgeschwommen sein. Wir haben Raubfische und fliegende Fische gefunden, aber den Haupträuber würden wir noch gern finden, damit wir wissen, wer der Chef im Ring im Reiflinger Becken war“, sagt Lukeneder.
14.10.2023, Robert Salzer, noe.ORF.at
Bohrung führt 233 Mio. Jahre in Vergangenheit
 

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#6
NATURGEWALTEN
Gestein bei Lunz am See birgt Hinweise auf Klimakatastrophe
Mithilfe einer Kernbohrung können Forscher ablesen, wie sich die Erde und ihre Ökosysteme vor mehr als 230 Millionen Jahren dramatisch veränderten

Wo sich heute eine Naturidylle rund um den Lunzer See erstreckt, spielte sich vor rund 233 Millionen Jahren mit der Karnischen Krise eine Klimakatastrophe mit enormen Ausmaßen ab.
NHM Wien/Alexander Lukeneder

Die Geschichte des Klimas auf der Erde ist eine Geschichte dramatischer Umwälzungen. Mehrere Male schon stand das Leben auf der Kippe: Verursacht durch Vulkanismus oder Impakte aus dem All und in Verbindung mit anderen Faktoren entwickelte sich der Planet immer wieder zu einer lebensfeindlichen Welt. Dokumentiert ist all dies in den irdischen Gesteinen, die in gewisser Weise ein Buch des Lebens bilden. Die fossilen Überreste von Tieren und Pflanzen in den wechselnden Gesteinsschichten zeugen vom Auftreten und Verschwinden zahlloser Arten. Zumindest fünf große Aussterbeereignisse – meist markieren sie die Grenzen zwischen zwei Erdzeitaltern – werden in den vergangenen 450 Millionen Jahren unterschieden. Und es wird davon ausgegangen, dass die Erde gerade am Beginn eines sechsten Massenaussterbens steht.

Doch auch zwischen diesen großen Ereignissen kam es immer wieder zu globalen Krisen in der Biodiversität. Der Paläontologe Alexander Lukeneder versucht, eines dieser Kapitel im Buch des Lebens zu lesen. Der Forscher beschäftigt sich im Rahmen eines auf drei Jahre angelegten Projekts am Naturhistorischen Museum Wien mit den Folgen der Karnischen Krise vor etwa 233 bis 235 Millionen Jahren. Bei dieser Episode des Erdmittelalters handelt es sich um einen Abschnitt des Karniums, einer Stufe der späten Trias. Lukeneder hat nun, gefördert vom Land Niederösterreich und der Freunde des NHM, mithilfe einer Tiefenbohrung eine komplette Folge der Schichten aus dem betreffenden Zeitraum ans Tageslicht geholt.

Von Alaska bis nach Lunz
Während sich an einem anderen Ende des Superkontinents Pangaea gerade die ersten Dinosaurier entwickelten, lag das Gebiet des heutigen Österreich in einer Randzone des Ozeans Tethys. Hier wirkte sich der Klimawandel dramatisch aus, doch der Verursacher für das karnische Massensterben wird weit entfernt vermutet. An der nordamerikanischen Pazifikküste liegt in Form von mächtigen Basaltschichten einer sogenannten magmatischen Großprovinz der Beweis für ein gewaltiges vulkanisches Ereignis.


Mit diesem Bohrturm wurden dreißig Meter Gestein aus der Trias ans Tageslicht befördert.
Foto: NHM Wien / Lukeneder

Innerhalb von rund fünf Millionen Jahren lagerten sich in einem mehr als 2500 Kilometer langen Gebiet des heutigen Alaska und British Columbia die Wrangellia-Flutbasalte ab. Der enorme Ausstoß von Treibhausgasen sorgte für eine globale Erwärmung. Dies führte zu stärkeren Niederschlägen, weshalb auch von der "Carnian Pluvial Episode" die Rede ist. Sintflutartige Regenfälle verstärkten die Erosion an Land, was zu einem erhöhten Eintrag von Schlamm und Nährstoffen in die Meere führte. Die Folge: Die Riffe wurden zugedeckt und erstickten, am Meeresboden breiteten sich sauerstofflose Wüsten aus. Das Reiflinger Becken ist einer der Orte, an dem sich die triassische Klimakatastrophe manifestierte.

Konservat-Lagerstätte
Durch die abgeschlossene Beckenlage konnten sich die Sedimente dank kaum vorhandener Strömungen ungestört in feinsten Gesteinsschichten ablagern. Bei solchen Bedingungen ist auch eine Erhaltung der Weichteile eingebetteter Organismen möglich – es handelt sich um eine sogenannte Konservat-Lagerstätte.


Die Bohrkerne sind je nach Lage in unterschiedlichen Zuständen.
Foto: NHM Wien / Lukeneder

Im Gebiet der Kalkalpen Niederösterreichs und der Steiermark treten Sedimente der Karnischen Krise in einem schmalen Band zwischen Mödling und Großreifling zutage. Dass hier Fossilien in außergewöhnlicher Erhaltung gefunden werden können, ist schon lange bekannt. In der Region um Lunz am See wurde infolge des Kohlebergbaus bereits im 19. Jahrhundert massenweise mesozoische Relikte geborgen. Dem Stand der Forschung der Zeit geschuldet kann die Aufarbeitung der Altfunde jedoch niemals modernen wissenschaftlichen Standards genügen. Deshalb arbeitet Lukeneder schon seit mehreren Jahren daran, mithilfe neuer Funde die Veränderungen der Ökosysteme an Land und im Meer während der zwei Millionen Jahre andauernden Krise nachzuvollziehen.


Die Bohrkerne wurden in zahlreiche Kisten verpackt.
Foto: NHM Wien / Lukeneder

Diese Forschungsarbeiten können natürlich nicht von einer Person alleine getragen werden. Die Bohrkerne werden von verschiedenen Instituten analysiert. Das Netzwerk erstreckt sich von Frankreich, Italien und Deutschland über die USA bis nach China. Bei den Analysen werden die Proben auf den Kalk- und Schwefelgehalt, Spurenelemente, Isotope, Gammastrahlung, Tonmineralien und magnetisierbare Mineralien sowie organische Materialien untersucht.

Im Rahmen des Projekts werden Fossilien von Muscheln, Schnecken, Ammoniten, Tintenfischen und Fischen ebenso untersucht wie die unscheinbaren Überreste von Foraminiferen, Radiolarien, Conodonten und auch Pollen und Sporen von Pflanzen.


Verschiedene Fossilien aus den Schichten der karnischen Krise vor dem Tiefenbohrer
Foto: NHM Wien / Lukeneder

Auch ein Lungenfisch konnte in der Vergangenheit an den Fundstellen bereits gefunden werden. Im vergangenen Jahr gelang Petra Lukeneder, der ebenfalls als Paläontologin an der Universität für Bodenkultur tätigen Partnerin des NHM-Forschers, der weltweit erstmalige Nachweis von fossil erhaltenen Knorpeln von Tintenfischen.

Dreißig Meter Trias
Doch da insbesondere die tonigen Reingrabener Schichten in Oberflächennähe von rascher Verwitterung betroffen sind, entschied Lukeneder, die üblichen Grabungen mit einer Kernbohrung zu ergänzen.


Alexander Lukeneder bei der Bohrung
Foto: NHM Wien / Lukeneder

Aus verschiedenen Gründen war eine Bohrung an der klassischen Fundstelle auf dem Polzberg nicht möglich. Lukeneder suchte also intensiv nach einer passenden Lokalität für sein Projekt – ein für den Projekterfolg maßgebliche Entscheidung, schließlich sind die Schichten an vielen Stellen verformt, für einen brauchbaren Bohrkern müssen diese jedoch senkrecht getroffen werden.

Fündig wurde Lukeneder schließlich in einem alten Steinbruch zwischen Lunz am See und Göstling. Hier konnte er sich die benötigten Schichten erbohren – zwar durch tektonische Ereignisse in gestürzter Reihenfolge, aber vollständig erhalten. Mit den auf diese Weise gewonnenen insgesamt dreißig Meter langen Bohrkernen können nun die Gesteine frisch und seit ihrer Ablagerung ungestört und chemisch unverändert Schicht für Schicht untersucht werden.
(Michael Vosatka, 18.11.2023)
Gestein bei Lunz am See birgt Hinweise auf Klimakatastrophe
 
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