PREKÄRE ZUSTÄNDE
Zwang und Zerstörung: Die Schattenseiten der Elektronikindustrie
Umweltzerstörung und Ausbeutung prägen die Fertigung elektronischer Geräte und den Abbau der nötigen Rohstoffe, wie Studien zeigen. Forschende arbeiten an Lösungsansätzen
Ein Minenarbeiter in der Kiara-Kupfermine in Chile. Das südamerikanische Land ist ein weltweit wichtiger Exporteuer von Bodenschätzen, die auch für die Elektronikindustrie unverzichtbar sind.
Foto: APA/AFP/GLENN ARCOS
Die Elektronikindustrie ist einer der größten Wirtschaftszweige weltweit. Allein im Bereich Elektrogeräte beläuft sich der Umsatz auf über eine Billion Euro jährlich. Gleichzeitig gehört sie zu jenen Sparten, die besonders häufig mit Verstößen gegen Menschenrechte und der Belastung von Umwelt und Klima auffallen. Von kollektivvertraglichen Lohnverhandlungen, wie sie in Österreich gerade laufen, oder Gewerkschaften können Beschäftigte der Branche in anderen Ländern meist nur träumen. Während die metallischen Rohstoffe für elektronische Geräte zu großen Teilen aus Lateinamerika, Asien und Afrika stammen, findet die Fertigung der Elektrogeräte hauptsächlich in Asien statt.
Eine kürzlich erschienene Studie der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien betrachtet die Negativfolgen des Rohstoffabbaus auf Ökosysteme und Menschen und gibt dabei Ausblicke auf mögliche Verbesserungen in diesem System. Praktisch zeitgleich veröffentlichten die Organisationen Electronics Watch und Südwind eine Untersuchung der Arbeitsbedingungen in der Elektronikbranche in einigen der weltweit wichtigsten Produktionsländer. Im Fokus standen die Bereiche Endmontage, die Produktion von Kunststoff, Metall und Glas sowie die Halbleiterfertigung in Unternehmen im asiatischen Raum. Basis der Untersuchung sind qualitative Interviews mit Beschäftigten und Vertreterinnen wie Vertretern von Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Auch diese Erhebung liefert neben neuen Einblicken Vorschläge für eine Verbesserung der Situation.
Etliche Arbeitsschritte in der Elektronikindustrie wurden ab den 1990er-Jahren im großen Stil nach Asien ausgelagert. Im Bild ist etwa die Herstellung von Leiterplatten in einer in China ansässigen Fabrik zu sehen.
Foto: Getty Images/iStockphoto
Verworrene Strukturen, satte Umsätze
Viele der dokumentierten Missstände in der Elektronikindustrie hängen mit deren spezifischer Organisation und den Produktionsprozessen zusammen, heißt es in dem Bericht, der auch die Ursprünge der komplexen Produktions- und Lieferketten aufzeigt. Da die Branche von Fragmentierung, Standortverlagerung und Konzentration geprägt ist, entstehen hierarchische Netzwerke mit einem hohen Maß an Komplexität.
Markenunternehmen ziehen sich zunehmend aus der Fertigung, dem Produktdesign und der Entwicklung zurück, wodurch Auftragsfertiger an Gewicht gewinnen. Die Wurzeln dieser Kontraktfertigung lassen sich bis ins Silicon Valley der 1980er-Jahre zurückverfolgen, wobei ihr Wachstum mit Outsourcingprogrammen ab Mitte der 1990er-Jahre noch anzog.
Konzentrierten sich Auftragsfertiger anfangs noch auf wenige Produktionsschritte, etwa die Fertigung von Leiterplatten, sind sie inzwischen selbst zu mächtigen Netzwerkorganisationen avanciert. Im Jahr 2022 lag das Marktvolumen der Sparte bei gut 504 Milliarden US-Dollar (470 Milliarden Euro) und wird Schätzungen zufolge bis 2029 auf knapp 798 Milliarden US-Dollar (744 Milliarden Euro) wachsen. Zu den weltweit größten Auftragsfertigern gehören Foxconn, Flex, Quanta und Wistron.
Zu viele Arbeitsstunden, zu wenig Lohn
Die häufigsten offengelegten Probleme, die Angestellte vorbringen, betreffen die vielen Arbeitsstunden bei zugleich niedrigem Lohn. Von den Philippinen über Indonesien und Vietnam bis hin zu China berichten Beschäftigte von Wochenarbeitszeiten, bei denen 70 Stunden mehr die Regel als die Ausnahme sind.
Philippinische Arbeitskräfte verdienen unter solchen Bedingungen etwa sechs Euro pro Tag, was selbst bei niedrigeren Lebenshaltungskosten zu wenig Geld zum Überleben ist. Dieser Umstand ist insbesondere aus dem relativ gut erforschten Bereich der Endmontage bekannt, wo sich die Verbindung zwischen Marke und Fabrik am einfachsten herstellen lässt.
Grafik: Oana Rotariu
Dass sich die Arbeitsbedingungen trotz aufgedeckter Mängel und heftiger Kritik kaum verbessert haben, kann René Schuster, Lieferkettenexperte bei Südwind, schwer nachvollziehen: "Große Markenunternehmen können die Unterlagen ihrer Vertragspartner sehr wohl einsehen, sie wissen, wie viel die Leute verdienen und wie lange sie arbeiten." Dass schwache Arbeitsstandards ausländische Investoren anziehen, zeigte sich in den vergangenen zehn Jahren an der starken Verlagerung von Produktionsschritten in den asiatischen Raum.
Einsatz bedenklicher Chemikalien
Doch das Buhlen um die Gunst und die Aufträge von Hightech-Unternehmen geht ungebrochen weiter. Im südindischen Bundesstaat Karnataka, wo der Bau einer 120 Hektar großen Fabrik des Apple-Zulieferers Foxconn debattiert wird, lockerte die Legislativversammlung kürzlich arbeitsrechtliche Standards. In Zukunft können Beschäftigte bis zu zwölf Stunden pro Tag arbeiten, die Obergrenze für Überstunden wurde angehoben, und Nachtschichten wurden auch für Frauen geöffnet.
Bedenken ergeben sich auch, da bei der Herstellung von Werkstoffen, Bauteilen und beim Zusammensetzen der Produkte eine Vielzahl von Chemikalien eingesetzt wird. Manche davon sind explosiv, giftig oder ätzend und können Studien zufolge die Haut, die Atemwege und auch das zentrale Nervensystem angreifen.
Einen Spezialfall stellt in dieser Hinsicht die Frontend-Halbleiterfertigung – also die Waferherstellung – dar, in der rund 400 teils hochgiftige Substanzen verwendet werden. Da in diesem Abschnitt mehrheitlich sehr gut ausgebildetes Fachpersonal tätig ist und die Fabriken meist in hochentwickelten Ländern angesiedelt sind, ist das Risiko schwerer Arbeitsrechtsvergehen vergleichsweise gering.
Grafik: Oana Rotariu
Keine Aufklärung über gefährliche Substanzen
Anders stellt sich die Situation in der Backend-Halbleiterfertigung dar. In diesem Abschnitt der Produktion sind Beschäftigte ebenfalls Chemikalien ausgesetzt, über deren Risiken sie in vielen Fällen nicht aufgeklärt werden.
Erschwerend kommt hinzu, dass ein Teil dieser Stoffe dem Geschäftsgeheimnis unterliegt. Anstrengend und gefährlich ist nicht zuletzt auch die Arbeit in der Herstellung von Kunststoff, Metall und Glas, wo häufig große Hitze herrscht und gesundheitsschädliche Dämpfe entstehen. Um diese Probleme in den Griff zu bekommen, sind auch die Staaten des Globalen Nordens gefordert.
Ein bedeutender, da wirksamer Hebel ist hier die öffentliche Beschaffung, denn ein Gutteil aller Elektronikprodukte wird von der öffentlichen Hand eingekauft. "Öffentliche Ausschreibungen müssen konkrete Beschaffungskriterien für die Einhaltung von Arbeits- und Menschenrechten entlang der Lieferkette enthalten", fordert Schuster.
Stärke der öffentlichen Hand nutzen
Auch die Beschaffungspolitik der Europäischen Kommission empfiehlt die stärkere Nutzung grüner und sozialer Kriterien. In einem Zusammenschluss von mehr als 900 Akteuren arbeitet Electronics Watch daran, die Einhaltung arbeitsrechtlicher Normen zu verbessern. Die Organisation kooperiert dabei mit Städten wie Barcelona, Amsterdam und Kopenhagen ebenso wie mit Ministerien, Museen oder universitären Stellen, die die Beschaffung von Elektronikgeräten koordinieren. In akkordierten Aktionen erwirkte die Vereinigung bei Foxconn, Dell, Cal-Comp und Dynabook Verbesserungen in Transparenz und Arbeitsrecht.
Auf lange Sicht sei der wichtigste Weg jedoch ein starkes Lieferkettengesetz. Freiwillige Selbstverpflichtung von Unternehmen und Gütesiegel haben die Situation jahrelang nicht verbessert. "Unternehmen gestalten die Arbeitsbedingungen der Menschen und sollten dafür auch zur Verantwortung gezogen werden können", sagt Schuster. Gefragt nach den Unternehmen, die am Ende der Lieferkette von der Ausbeutung von Natur und Mensch Profite einfahren, schmunzelt Schuster: "Derzeit kann niemand darlegen, dass seine Produkte sauber produziert und arbeitsrechtskonform hergestellt sind."
Der Abbau von Rohstoffen, die in der Elektronikindustrie Anwendung finden, liegen sowohl im Globalen Süden wie auch im Globalen Norden. Diese Karte zeigt Hotspots des Ressourcenabbaus im Globalen Süden, wo Arbeits- und Umweltrechte tendenziell schwächer ausgeprägt sind.
Grafik: Oana Rotariu
Schwierige herzustellende Transparenz
Selbst Unternehmen, die sich der Nachvollziehbarkeit aller Rohstoffe und Komponenten verschrieben haben, schaffen aufgrund der verworrenen Wege von Ressourcen und Einzelbauteilen keine hundertprozentige Transparenz.
Beim auf Nachhaltigkeit bedachten Handyproduzenten Fairphone liegt die Transparenz der Lieferkette bei rund 60 Prozent. Probleme bereitet hierbei häufig die Ebene des Rohstoffabbaus, der in den vergangenen zwei Jahrzehnten noch nie dagewesene Dimensionen erreichte, heißt es in wissenschaftlichen Quellen.
Illegaler Bergbau hat in Bajo Cauca, Kolumbien, deutliche Spuren in Form zerstörter Wälder hinterlassen.
Foto: APA/AFP/Antioquia Government
In den vergangenen 50 Jahren hat sich die globale Ressourcennutzung verdreifacht. Treiber dieser Entwicklung sind der wirtschaftliche Aufschwung in vielen Weltregionen, aber auch das vorherrschende Wirtschaftssystem, die fortschreitende Digitalisierung und die Nutzung erneuerbarer Technologien.
Steigende Nachfrage, schwindende Wälder
Der wachsende Bedarf an Rohstoffen und die Expansion des Bergbaus geht dabei vielfach auf Kosten sensibler Ökosysteme. 80 Prozent der globalen Erzförderung fanden in fünf der sechs artenreichsten Biome der Welt statt. Das Abbauvolumen in Regenwaldökosystemen habe sich seit 2000 verdoppelt.
Auch Brasilien kämpft gegen die illegale Förderung von Bodenschätzen. Die Aufnahme zeigt eine widerrechtlich angelegte Abbaustätte auf dem Gebiet der indigenen Gruppe der Yanomami.
Foto: REUTERS/Amanda Perobelli
In einer aktuell präsentierten Studie nahmen Forschende der WU den Zusammenhang zwischen fortschreitender Entwaldung und der Expansion von Minen unter die Lupe. Laut Berechnungen gingen in den vergangenen 20 Jahren fast 3300 Quadratkilometer Wald direkt durch industriellen Bergbau verloren. 80 Prozent dieser Verluste konzentrieren sich auf Indonesien, Brasilien, Ghana und Suriname.
"Darüber hinaus verursacht der Bergbau in zwei Dritteln der untersuchten Länder indirekte Waldverluste", schreiben die Wissenschafter. Um dem Verlust von Tropenwäldern entgegenzuwirken, sieht die Gruppe die Entwicklung und Umsetzung von Monitoringprogrammen als wichtige Voraussetzung. Hierfür könnten etwa Satellitendaten herangezogen werden.
Rohstoffe werden teils unter widrigen Umständen geschürft – das ist etwa auch im Senegal der Fall, wo Menschen unter großer Anstrengung und Gefahr Gold abbauen.
Foto: APA/AFP/JOHN WESSELS
Neue Umweltstandards
Wie vorangegangene Analysen zeigten, stammt die Hälfte der 2019 abgebauten Erze aus Regionen, die maximal zwei Kilometer von Schutzgebieten entfernt liegen. Acht Prozent wurden in offiziellen Schutzzonen abgebaut. Um die verbundenen Risiken für Mensch und Umwelt zu reduzieren, müssen höhere Umweltstandards umgesetzt werden, schreiben die Forschenden der WU. Denn bisher führen aktive wie auch stillgelegte Abbaustätten zur Fragmentierung von Landschaften, der Verschmutzung von Böden und Gewässern mit Folgewirkungen auf lokale Gemeinschaften, landwirtschaftliche Flächen und Ökosysteme.
Eine Kupfermine in Donoso, das 120 Kilometer westlich von Panama City liegt.
Foto: APA/AFP/LUIS ACOSTA
In Angriff müsse auch ein anderes Merkmal des Rohstoffsektors genommen werden: die Fernverbindung zwischen der Produktion in einem Teil der Welt und dem Verbrauch in einem anderen Teil. Der über große Distanzen ausgelagerte Landverbrauch reicher Nationen – und die einhergehende Umweltzerstörung – setzt existierende Ungleichheiten im Ressourcenkonsum fort, schreibt auch die Umweltorganisation der Uno (Unep). Doch neue Erkenntnisse lassen keine Entspannung erkennen, die globalen Abbauflächen dehnen sich aus. Rund um den Globus nehmen sie aktuellen Zahlen zufolge mehr als 101.000 Quadratkilometer ein. Zum Vergleich: Österreich hat eine Fläche von knapp 84.000 Quadratkilometern.
In der Demokratischen Republik Kongo wird in etlichen kleineren Minen Kobalt abgebaut, so auch in der Shabara-Mine. 20.000 Menschen arbeiten hier in Schichten, wobei pro Schicht bis zu 5.000 Leute im Einsatz sind. Im Jahr 2021 stammten gut 70 Prozent des weltweiten Bedarfs an Kobalt aus dem afrikanischen Land.
Foto: APA/AFP/JUNIOR KANNAH
Importierte Rohstoffe, exportierte Probleme
Die Unep kritisiert insbesondere einen Umstand: Reiche Länder importieren Ressourcen und Produkte und lagern Auswirkungen auf die Umwelt in Länder mit mittlerem oder niedrigem Einkommen aus. Zinn wird als Lötmittel, Katalysator und für die Halbleiterherstellung genutzt und unter anderem in Bolivien geschürft. Gewinnung und Verarbeitung gehen mit Gesundheits- und Sicherheitsrisiken einher, der Verdienst ist gering. Menschen arbeiten hier oft in kleinen Kooperativen, die stark von den Preisen abhängen, die Abnehmer festlegen.
Eine Schmelzerei des Unternehmens Virtue Dragon Nickel Industry in Morosi im Südosten Sulawesis. Indonesien gilt als einer der größten Nickel-Produzenten weltweit. Die Wirtschaft profitiert von dieser Industrie, die Regenwaldbestände verlieren dadurch jedoch massiv an Boden.
Foto: APA/AFP/ADEK BERRY
Auf den Philippinen analysiert Electronics Watch seit 2009 in der Provinz Palawan Wasserproben, die in der Nähe von Abbau- und Verarbeitungsstätten für Nickel genommen werden. Der Chromgehalt übersteige kritische WHO-Grenzwerte, schrieb die Organisation in ihrem Jahresbericht 2021. Vorwürfe erhebt in Medien auch die indigene Gruppe der Pala’wan, die ihre von Fischerei, Wald- und Landwirtschaft geprägte Lebensweise vom Bergbau massiv bedroht sieht.
Mehr Wissen über Probleme nötig
In Chile, dem größten Abbau- und Exportland von Kupfer, erfolgt ein Großteil des Abbaus in sehr trockenen Regionen wie der Atacamawüste. Die Anreicherung von Kupfer erfordert große Wassermengen, die oft aus den Anden umgeleitet werden, was Konflikte mit der lokalen Bevölkerung schürt.
Das Ziel vieler Forschungsbemühungen ist darauf gerichtet, mehr Wissen über diesen kritischen und undurchsichtigen Sektor zu schaffen. Auch geht es darum, den Fokus auf soziale und ökologische Auswirkungen des steigenden Rohstoffverbrauchs zu legen. Dieser Bereich werde in der wissenschaftlichen Literatur bislang weitgehend links liegen gelassen, kritisierte eine japanisch-australische Forschungsgruppe.
Die Ausdehnung von Lithium-Minen und Aufbereitungsanlagen lässt sich erst auf Luftaufnahmen richtig erfassen. Zu sehen ist hier eine Anlage des Unternehmens Sociedad Quimica Minera in der chilenischen Atacamawüste.
Foto: APA/AFP/MARTIN BERNETTI
Ihre Studie nahm kritische Metalle wie Lithium, Zinn und Kobalt in den Blick, die für den Bau von Solaranlagen oder Elektroautos eine Rolle spielen. Die künftig steigende Nachfrage, deren Deckung und die einhergehenden Schäden seien unzureichend erforscht, moniert die Gruppe. Unterschätzt werde auch die zunehmende Nachfrage aus Sektoren wie der Medizin oder der Robotik. "All das führt zur Vernachlässigung verschiedener Risikofaktoren, die sich bei steigender Nachfrage nach Metallen verschärfen werden", schreibt das Team. Angesichts bereits heute bekannter sozialer und ökologischer Negativfolgen sei das ein großes Versäumnis.
Auswege aus dem Dilemma
Die wichtigste und bisher nicht adressierte Frage sei: Welche Länder werden die sozialen und umweltbezogenen Kosten tragen, die der globale Materialbedarf mit sich bringt? Da der Abbau häufig in ärmeren Nationen mit schwachen Umweltstandards stattfindet, ist wissenschaftliche Unterstützung für die Formulierung eines geeigneten Rahmens eindeutig erforderlich. Auch müsse eine gleichberechtigte Beziehung zwischen Verbraucher- und Produktionsländern angestrebt werden – hier könne die Wissenschaft ebenfalls helfen.
Bergbau rückt häufig in die Gebiete indigener Gruppen und gefährdet deren Lebensweise und Lebensgrundlage. Weltweit kommt es daher immer wieder zu Protesten, so auch in Brasilien, wo die Tawrepang für ihre Rechte und gegen die Zerstörung der Umwelt auftreten.
Foto: AP Photo/Edmar Barros
Auch an einer anderen Front werden zunehmend Anstrengungen unternommen, um negative Auswirkungen des Rohstoffabbaus zu mildern. Im Bergbausektor formieren sich immer mehr Zusammenschlüsse von Unternehmen wie das International Council on Metals and Mining. Sie feilen an freiwilligen Maßnahmenkatalogen, um etwa Wasserressourcen zu schonen oder die Artenvielfalt zu sichern.
"Politische Initiativen, die darauf abzielen, die Transparenz und die Sorgfaltspflicht entlang globaler Lieferketten zu erhöhen, sind daneben entscheidende Faktoren, um Umweltauswirkungen zu mildern", schreibt das WU-Forschungsteam. Hier treffen sich die Forderungen von Forschung, Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen. Ein starkes Lieferkettengesetz könnte folglich bestehende Mängel reduzieren und zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise beitragen. (Marlene Erhart, 26.3.2023)
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Ein Minenarbeiter in der Kiara-Kupfermine in Chile. Das südamerikanische Land ist ein weltweit wichtiger Exporteuer von Bodenschätzen, die auch für die Elektronikindustrie unverzichtbar sind.
Foto: APA/AFP/GLENN ARCOS
Die Elektronikindustrie ist einer der größten Wirtschaftszweige weltweit. Allein im Bereich Elektrogeräte beläuft sich der Umsatz auf über eine Billion Euro jährlich. Gleichzeitig gehört sie zu jenen Sparten, die besonders häufig mit Verstößen gegen Menschenrechte und der Belastung von Umwelt und Klima auffallen. Von kollektivvertraglichen Lohnverhandlungen, wie sie in Österreich gerade laufen, oder Gewerkschaften können Beschäftigte der Branche in anderen Ländern meist nur träumen. Während die metallischen Rohstoffe für elektronische Geräte zu großen Teilen aus Lateinamerika, Asien und Afrika stammen, findet die Fertigung der Elektrogeräte hauptsächlich in Asien statt.
Eine kürzlich erschienene Studie der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien betrachtet die Negativfolgen des Rohstoffabbaus auf Ökosysteme und Menschen und gibt dabei Ausblicke auf mögliche Verbesserungen in diesem System. Praktisch zeitgleich veröffentlichten die Organisationen Electronics Watch und Südwind eine Untersuchung der Arbeitsbedingungen in der Elektronikbranche in einigen der weltweit wichtigsten Produktionsländer. Im Fokus standen die Bereiche Endmontage, die Produktion von Kunststoff, Metall und Glas sowie die Halbleiterfertigung in Unternehmen im asiatischen Raum. Basis der Untersuchung sind qualitative Interviews mit Beschäftigten und Vertreterinnen wie Vertretern von Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Auch diese Erhebung liefert neben neuen Einblicken Vorschläge für eine Verbesserung der Situation.
Etliche Arbeitsschritte in der Elektronikindustrie wurden ab den 1990er-Jahren im großen Stil nach Asien ausgelagert. Im Bild ist etwa die Herstellung von Leiterplatten in einer in China ansässigen Fabrik zu sehen.
Foto: Getty Images/iStockphoto
Verworrene Strukturen, satte Umsätze
Viele der dokumentierten Missstände in der Elektronikindustrie hängen mit deren spezifischer Organisation und den Produktionsprozessen zusammen, heißt es in dem Bericht, der auch die Ursprünge der komplexen Produktions- und Lieferketten aufzeigt. Da die Branche von Fragmentierung, Standortverlagerung und Konzentration geprägt ist, entstehen hierarchische Netzwerke mit einem hohen Maß an Komplexität.
Markenunternehmen ziehen sich zunehmend aus der Fertigung, dem Produktdesign und der Entwicklung zurück, wodurch Auftragsfertiger an Gewicht gewinnen. Die Wurzeln dieser Kontraktfertigung lassen sich bis ins Silicon Valley der 1980er-Jahre zurückverfolgen, wobei ihr Wachstum mit Outsourcingprogrammen ab Mitte der 1990er-Jahre noch anzog.
Konzentrierten sich Auftragsfertiger anfangs noch auf wenige Produktionsschritte, etwa die Fertigung von Leiterplatten, sind sie inzwischen selbst zu mächtigen Netzwerkorganisationen avanciert. Im Jahr 2022 lag das Marktvolumen der Sparte bei gut 504 Milliarden US-Dollar (470 Milliarden Euro) und wird Schätzungen zufolge bis 2029 auf knapp 798 Milliarden US-Dollar (744 Milliarden Euro) wachsen. Zu den weltweit größten Auftragsfertigern gehören Foxconn, Flex, Quanta und Wistron.
Zu viele Arbeitsstunden, zu wenig Lohn
Die häufigsten offengelegten Probleme, die Angestellte vorbringen, betreffen die vielen Arbeitsstunden bei zugleich niedrigem Lohn. Von den Philippinen über Indonesien und Vietnam bis hin zu China berichten Beschäftigte von Wochenarbeitszeiten, bei denen 70 Stunden mehr die Regel als die Ausnahme sind.
Philippinische Arbeitskräfte verdienen unter solchen Bedingungen etwa sechs Euro pro Tag, was selbst bei niedrigeren Lebenshaltungskosten zu wenig Geld zum Überleben ist. Dieser Umstand ist insbesondere aus dem relativ gut erforschten Bereich der Endmontage bekannt, wo sich die Verbindung zwischen Marke und Fabrik am einfachsten herstellen lässt.
Grafik: Oana Rotariu
Dass sich die Arbeitsbedingungen trotz aufgedeckter Mängel und heftiger Kritik kaum verbessert haben, kann René Schuster, Lieferkettenexperte bei Südwind, schwer nachvollziehen: "Große Markenunternehmen können die Unterlagen ihrer Vertragspartner sehr wohl einsehen, sie wissen, wie viel die Leute verdienen und wie lange sie arbeiten." Dass schwache Arbeitsstandards ausländische Investoren anziehen, zeigte sich in den vergangenen zehn Jahren an der starken Verlagerung von Produktionsschritten in den asiatischen Raum.
Einsatz bedenklicher Chemikalien
Doch das Buhlen um die Gunst und die Aufträge von Hightech-Unternehmen geht ungebrochen weiter. Im südindischen Bundesstaat Karnataka, wo der Bau einer 120 Hektar großen Fabrik des Apple-Zulieferers Foxconn debattiert wird, lockerte die Legislativversammlung kürzlich arbeitsrechtliche Standards. In Zukunft können Beschäftigte bis zu zwölf Stunden pro Tag arbeiten, die Obergrenze für Überstunden wurde angehoben, und Nachtschichten wurden auch für Frauen geöffnet.
Bedenken ergeben sich auch, da bei der Herstellung von Werkstoffen, Bauteilen und beim Zusammensetzen der Produkte eine Vielzahl von Chemikalien eingesetzt wird. Manche davon sind explosiv, giftig oder ätzend und können Studien zufolge die Haut, die Atemwege und auch das zentrale Nervensystem angreifen.
Einen Spezialfall stellt in dieser Hinsicht die Frontend-Halbleiterfertigung – also die Waferherstellung – dar, in der rund 400 teils hochgiftige Substanzen verwendet werden. Da in diesem Abschnitt mehrheitlich sehr gut ausgebildetes Fachpersonal tätig ist und die Fabriken meist in hochentwickelten Ländern angesiedelt sind, ist das Risiko schwerer Arbeitsrechtsvergehen vergleichsweise gering.
Grafik: Oana Rotariu
Keine Aufklärung über gefährliche Substanzen
Anders stellt sich die Situation in der Backend-Halbleiterfertigung dar. In diesem Abschnitt der Produktion sind Beschäftigte ebenfalls Chemikalien ausgesetzt, über deren Risiken sie in vielen Fällen nicht aufgeklärt werden.
Erschwerend kommt hinzu, dass ein Teil dieser Stoffe dem Geschäftsgeheimnis unterliegt. Anstrengend und gefährlich ist nicht zuletzt auch die Arbeit in der Herstellung von Kunststoff, Metall und Glas, wo häufig große Hitze herrscht und gesundheitsschädliche Dämpfe entstehen. Um diese Probleme in den Griff zu bekommen, sind auch die Staaten des Globalen Nordens gefordert.
Ein bedeutender, da wirksamer Hebel ist hier die öffentliche Beschaffung, denn ein Gutteil aller Elektronikprodukte wird von der öffentlichen Hand eingekauft. "Öffentliche Ausschreibungen müssen konkrete Beschaffungskriterien für die Einhaltung von Arbeits- und Menschenrechten entlang der Lieferkette enthalten", fordert Schuster.
Stärke der öffentlichen Hand nutzen
Auch die Beschaffungspolitik der Europäischen Kommission empfiehlt die stärkere Nutzung grüner und sozialer Kriterien. In einem Zusammenschluss von mehr als 900 Akteuren arbeitet Electronics Watch daran, die Einhaltung arbeitsrechtlicher Normen zu verbessern. Die Organisation kooperiert dabei mit Städten wie Barcelona, Amsterdam und Kopenhagen ebenso wie mit Ministerien, Museen oder universitären Stellen, die die Beschaffung von Elektronikgeräten koordinieren. In akkordierten Aktionen erwirkte die Vereinigung bei Foxconn, Dell, Cal-Comp und Dynabook Verbesserungen in Transparenz und Arbeitsrecht.
Auf lange Sicht sei der wichtigste Weg jedoch ein starkes Lieferkettengesetz. Freiwillige Selbstverpflichtung von Unternehmen und Gütesiegel haben die Situation jahrelang nicht verbessert. "Unternehmen gestalten die Arbeitsbedingungen der Menschen und sollten dafür auch zur Verantwortung gezogen werden können", sagt Schuster. Gefragt nach den Unternehmen, die am Ende der Lieferkette von der Ausbeutung von Natur und Mensch Profite einfahren, schmunzelt Schuster: "Derzeit kann niemand darlegen, dass seine Produkte sauber produziert und arbeitsrechtskonform hergestellt sind."
Der Abbau von Rohstoffen, die in der Elektronikindustrie Anwendung finden, liegen sowohl im Globalen Süden wie auch im Globalen Norden. Diese Karte zeigt Hotspots des Ressourcenabbaus im Globalen Süden, wo Arbeits- und Umweltrechte tendenziell schwächer ausgeprägt sind.
Grafik: Oana Rotariu
Schwierige herzustellende Transparenz
Selbst Unternehmen, die sich der Nachvollziehbarkeit aller Rohstoffe und Komponenten verschrieben haben, schaffen aufgrund der verworrenen Wege von Ressourcen und Einzelbauteilen keine hundertprozentige Transparenz.
Beim auf Nachhaltigkeit bedachten Handyproduzenten Fairphone liegt die Transparenz der Lieferkette bei rund 60 Prozent. Probleme bereitet hierbei häufig die Ebene des Rohstoffabbaus, der in den vergangenen zwei Jahrzehnten noch nie dagewesene Dimensionen erreichte, heißt es in wissenschaftlichen Quellen.
Illegaler Bergbau hat in Bajo Cauca, Kolumbien, deutliche Spuren in Form zerstörter Wälder hinterlassen.
Foto: APA/AFP/Antioquia Government
In den vergangenen 50 Jahren hat sich die globale Ressourcennutzung verdreifacht. Treiber dieser Entwicklung sind der wirtschaftliche Aufschwung in vielen Weltregionen, aber auch das vorherrschende Wirtschaftssystem, die fortschreitende Digitalisierung und die Nutzung erneuerbarer Technologien.
Steigende Nachfrage, schwindende Wälder
Der wachsende Bedarf an Rohstoffen und die Expansion des Bergbaus geht dabei vielfach auf Kosten sensibler Ökosysteme. 80 Prozent der globalen Erzförderung fanden in fünf der sechs artenreichsten Biome der Welt statt. Das Abbauvolumen in Regenwaldökosystemen habe sich seit 2000 verdoppelt.
Auch Brasilien kämpft gegen die illegale Förderung von Bodenschätzen. Die Aufnahme zeigt eine widerrechtlich angelegte Abbaustätte auf dem Gebiet der indigenen Gruppe der Yanomami.
Foto: REUTERS/Amanda Perobelli
In einer aktuell präsentierten Studie nahmen Forschende der WU den Zusammenhang zwischen fortschreitender Entwaldung und der Expansion von Minen unter die Lupe. Laut Berechnungen gingen in den vergangenen 20 Jahren fast 3300 Quadratkilometer Wald direkt durch industriellen Bergbau verloren. 80 Prozent dieser Verluste konzentrieren sich auf Indonesien, Brasilien, Ghana und Suriname.
"Darüber hinaus verursacht der Bergbau in zwei Dritteln der untersuchten Länder indirekte Waldverluste", schreiben die Wissenschafter. Um dem Verlust von Tropenwäldern entgegenzuwirken, sieht die Gruppe die Entwicklung und Umsetzung von Monitoringprogrammen als wichtige Voraussetzung. Hierfür könnten etwa Satellitendaten herangezogen werden.
Rohstoffe werden teils unter widrigen Umständen geschürft – das ist etwa auch im Senegal der Fall, wo Menschen unter großer Anstrengung und Gefahr Gold abbauen.
Foto: APA/AFP/JOHN WESSELS
Neue Umweltstandards
Wie vorangegangene Analysen zeigten, stammt die Hälfte der 2019 abgebauten Erze aus Regionen, die maximal zwei Kilometer von Schutzgebieten entfernt liegen. Acht Prozent wurden in offiziellen Schutzzonen abgebaut. Um die verbundenen Risiken für Mensch und Umwelt zu reduzieren, müssen höhere Umweltstandards umgesetzt werden, schreiben die Forschenden der WU. Denn bisher führen aktive wie auch stillgelegte Abbaustätten zur Fragmentierung von Landschaften, der Verschmutzung von Böden und Gewässern mit Folgewirkungen auf lokale Gemeinschaften, landwirtschaftliche Flächen und Ökosysteme.
Eine Kupfermine in Donoso, das 120 Kilometer westlich von Panama City liegt.
Foto: APA/AFP/LUIS ACOSTA
In Angriff müsse auch ein anderes Merkmal des Rohstoffsektors genommen werden: die Fernverbindung zwischen der Produktion in einem Teil der Welt und dem Verbrauch in einem anderen Teil. Der über große Distanzen ausgelagerte Landverbrauch reicher Nationen – und die einhergehende Umweltzerstörung – setzt existierende Ungleichheiten im Ressourcenkonsum fort, schreibt auch die Umweltorganisation der Uno (Unep). Doch neue Erkenntnisse lassen keine Entspannung erkennen, die globalen Abbauflächen dehnen sich aus. Rund um den Globus nehmen sie aktuellen Zahlen zufolge mehr als 101.000 Quadratkilometer ein. Zum Vergleich: Österreich hat eine Fläche von knapp 84.000 Quadratkilometern.
In der Demokratischen Republik Kongo wird in etlichen kleineren Minen Kobalt abgebaut, so auch in der Shabara-Mine. 20.000 Menschen arbeiten hier in Schichten, wobei pro Schicht bis zu 5.000 Leute im Einsatz sind. Im Jahr 2021 stammten gut 70 Prozent des weltweiten Bedarfs an Kobalt aus dem afrikanischen Land.
Foto: APA/AFP/JUNIOR KANNAH
Importierte Rohstoffe, exportierte Probleme
Die Unep kritisiert insbesondere einen Umstand: Reiche Länder importieren Ressourcen und Produkte und lagern Auswirkungen auf die Umwelt in Länder mit mittlerem oder niedrigem Einkommen aus. Zinn wird als Lötmittel, Katalysator und für die Halbleiterherstellung genutzt und unter anderem in Bolivien geschürft. Gewinnung und Verarbeitung gehen mit Gesundheits- und Sicherheitsrisiken einher, der Verdienst ist gering. Menschen arbeiten hier oft in kleinen Kooperativen, die stark von den Preisen abhängen, die Abnehmer festlegen.
Eine Schmelzerei des Unternehmens Virtue Dragon Nickel Industry in Morosi im Südosten Sulawesis. Indonesien gilt als einer der größten Nickel-Produzenten weltweit. Die Wirtschaft profitiert von dieser Industrie, die Regenwaldbestände verlieren dadurch jedoch massiv an Boden.
Foto: APA/AFP/ADEK BERRY
Auf den Philippinen analysiert Electronics Watch seit 2009 in der Provinz Palawan Wasserproben, die in der Nähe von Abbau- und Verarbeitungsstätten für Nickel genommen werden. Der Chromgehalt übersteige kritische WHO-Grenzwerte, schrieb die Organisation in ihrem Jahresbericht 2021. Vorwürfe erhebt in Medien auch die indigene Gruppe der Pala’wan, die ihre von Fischerei, Wald- und Landwirtschaft geprägte Lebensweise vom Bergbau massiv bedroht sieht.
Mehr Wissen über Probleme nötig
In Chile, dem größten Abbau- und Exportland von Kupfer, erfolgt ein Großteil des Abbaus in sehr trockenen Regionen wie der Atacamawüste. Die Anreicherung von Kupfer erfordert große Wassermengen, die oft aus den Anden umgeleitet werden, was Konflikte mit der lokalen Bevölkerung schürt.
Das Ziel vieler Forschungsbemühungen ist darauf gerichtet, mehr Wissen über diesen kritischen und undurchsichtigen Sektor zu schaffen. Auch geht es darum, den Fokus auf soziale und ökologische Auswirkungen des steigenden Rohstoffverbrauchs zu legen. Dieser Bereich werde in der wissenschaftlichen Literatur bislang weitgehend links liegen gelassen, kritisierte eine japanisch-australische Forschungsgruppe.
Die Ausdehnung von Lithium-Minen und Aufbereitungsanlagen lässt sich erst auf Luftaufnahmen richtig erfassen. Zu sehen ist hier eine Anlage des Unternehmens Sociedad Quimica Minera in der chilenischen Atacamawüste.
Foto: APA/AFP/MARTIN BERNETTI
Ihre Studie nahm kritische Metalle wie Lithium, Zinn und Kobalt in den Blick, die für den Bau von Solaranlagen oder Elektroautos eine Rolle spielen. Die künftig steigende Nachfrage, deren Deckung und die einhergehenden Schäden seien unzureichend erforscht, moniert die Gruppe. Unterschätzt werde auch die zunehmende Nachfrage aus Sektoren wie der Medizin oder der Robotik. "All das führt zur Vernachlässigung verschiedener Risikofaktoren, die sich bei steigender Nachfrage nach Metallen verschärfen werden", schreibt das Team. Angesichts bereits heute bekannter sozialer und ökologischer Negativfolgen sei das ein großes Versäumnis.
Auswege aus dem Dilemma
Die wichtigste und bisher nicht adressierte Frage sei: Welche Länder werden die sozialen und umweltbezogenen Kosten tragen, die der globale Materialbedarf mit sich bringt? Da der Abbau häufig in ärmeren Nationen mit schwachen Umweltstandards stattfindet, ist wissenschaftliche Unterstützung für die Formulierung eines geeigneten Rahmens eindeutig erforderlich. Auch müsse eine gleichberechtigte Beziehung zwischen Verbraucher- und Produktionsländern angestrebt werden – hier könne die Wissenschaft ebenfalls helfen.
Bergbau rückt häufig in die Gebiete indigener Gruppen und gefährdet deren Lebensweise und Lebensgrundlage. Weltweit kommt es daher immer wieder zu Protesten, so auch in Brasilien, wo die Tawrepang für ihre Rechte und gegen die Zerstörung der Umwelt auftreten.
Foto: AP Photo/Edmar Barros
Auch an einer anderen Front werden zunehmend Anstrengungen unternommen, um negative Auswirkungen des Rohstoffabbaus zu mildern. Im Bergbausektor formieren sich immer mehr Zusammenschlüsse von Unternehmen wie das International Council on Metals and Mining. Sie feilen an freiwilligen Maßnahmenkatalogen, um etwa Wasserressourcen zu schonen oder die Artenvielfalt zu sichern.
"Politische Initiativen, die darauf abzielen, die Transparenz und die Sorgfaltspflicht entlang globaler Lieferketten zu erhöhen, sind daneben entscheidende Faktoren, um Umweltauswirkungen zu mildern", schreibt das WU-Forschungsteam. Hier treffen sich die Forderungen von Forschung, Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen. Ein starkes Lieferkettengesetz könnte folglich bestehende Mängel reduzieren und zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise beitragen. (Marlene Erhart, 26.3.2023)
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