Gustloff-Werke in Hirtenberg (Stammwerk , Werk Lindenberg und Kottingbrunn) sowie Enzesfelder Metallwerke

josef

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#61
Ungarn kauft Munitionsproduktion von Hirtenberger
Der niederösterreichische Konzern richtet seinen Fokus nun auf Pyrotechnik im zivilen Bereich. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart

Der ungarische Staat kauft die Munitionsproduktion von Hirtenberger.
Foto: AP Photo/Darko Vojinovic

Budapest/Hirtenberg – Die Industriegruppe Hirtenberger hat ihren seit längerem geplanten Verkauf der Rüstungssparte nun abgeschlossen. Die Defence-Sparte werde von einem ungarischen Unternehmen im Staatseigentum namens HDT Defence Industrial übernommen, teilte das niederösterreichische Unternehmen mit Sitz in Hirtenberg am Montag mit. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart.

85 Beschäftigte
Die seit 1860, dem Gründungsjahr des Unternehmens bestehende Rüstungssparte von Hirtenberger macht aktuell etwa 30 Millionen Euro oder zehn Prozent des Gesamtumsatzes der Unternehmensgruppe aus und zählt circa 85 Beschäftigte. Standorte gibt es neben Niederösterreich auch in Großbritannien und in Neuseeland. "Hirtenberger übergibt ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen mit einem sehr guten Auftragsstand", heißt es in einer Unternehmensaussendung. Der Eigentümerwechsel habe keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Standort, die Firmennamen der Defence-Sparte, das Management oder die Belegschaft.

Keine personellen Veränderungen geplant
Die Verträge seien kürzlich unterzeichnet worden. Laut Angaben des Unternehmens ist für diesen Verkauf der Munitionsproduktion keine Genehmigung des österreichischen Staats erforderlich.
Laut Gaspar Maroth, Regierungsbeauftragter für Entwicklung der nationalen Verteidigungsindustrie, wurde die Transaktion mithilfe eines Bankkredits gedeckt. Das Eigentümerrecht werde die ungarische GmbH HDT Verteidigungs-Industrie (HDT Vedelmi Ipari Kft.) ausüben, betonte Maroth. Personelle Veränderungen in der Zusammensetzung der Firma seien nicht geplant, ungarische Ingenieure sollen jedoch in Forschung und Entwicklung einbezogen werden.

Kein Wachstumspotenzial
Das 1860 gegründete Traditionsunternehmen hatte bereits im Juli angekündigt, sich von seiner Rüstungssparte zu trennen. "Wir sehen im Defence-Bereich kein Wachstumspotenzial", sagte Holding-Geschäftsführer Markus Haidenbauer damals zum STANDARD. "Die Sparte passt nicht mehr zu uns. Wir wollen profitabler werden und den Fokus auf Pyrotechnik im zivilen Bereich legen", so Haidenbauer damals.

Die Kleinkaliberproduktion war 2004 verkauft worden, ab Mitte der 1990er-Jahre setzte man auf den Einsatz von Pyrotechnik im zivilen Bereich, vor allem für Sicherheitseinrichtungen in Fahrzeugen (Sparte Automotive) und in Bergbau und Metallbearbeitung. (APA, red, 4.11.2019)
Ungarn kauft Munitionsproduktion von Hirtenberger - derStandard.at
 

josef

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#63
Fotos der "Enzesfelder Metallwerke" in der Topothek Leobersdorf

Die Betriebsteile der ehemaligen Munitionsfertigung der Enzesfelder Metallwerke lagen großteils auf Leobersdorfer Gemeindegebiet.
In der "Leobersdorfer Topothek" fand ich 12 Fotos, hauptsächlich von zerstörten Objekten nach einer gewaltigen Explosion vom 23. März 1944 sowie auch einige Lubi...

Topothek Leobersdorf: Unsere Geschichte, unser Online-Archiv

(Oben am Kopf der Seite "Bild" oder im weißen Feld die "Lupe" anklicken)
 

Andreas

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#67
Werk Kottingbrunn

Bereits 1938 hatte das Reichs-Luftfahrtministerium gefordert, ein eigenes Werk für Luftwaffenmunition zu errichten, was im nahen Kottingbrunn auch geschah. Die Planungen sahen eine verbaute Fläche von 22.100 m2 vor und mit den Bauarbeiten wurde unter der Leitung eines Stabes des künftigen Rüstungsministers Albert Speer noch 1939 begonnen. Als Areal wurde ein still gelegtes Metallwerk verwendet, das heute das Betriebsgelände der Fa. Wittmann-Battenfeld (Wiener-Neustädter-Straße 81) bildet. Im August 1940 verfügte das Reichsluftfahrtministerium plötzlich die Einstellung des Baus, da man durch die explosions- und feuergefährlichen Arbeiten
(Laden der Munition) eine Gefährdung des benachbarten Fliegerhorstes befürchtete. Tatsächlich war eher der Ortskern von Kottingbrunn gefährdet, der Flugplatz lag relativ weit entfernt. Anfang 1941 wurde die Erlaubnis zum Weiterbau unter der Auflage gegeben, dass die Laborierung der in Kottingbrunn erzeugten Komponenten (Hülsen, Geschosse) in Hirtenberg zu erfolgen habe. Mitte 1941 ging Kottingbrunn in Betrieb und erreichte eine Kapazität von 1 Million Hülsen und Geschossen monatlich. Anfang 1943 wurde zur werksinternen Stromversorgung eine eigene Überland-Stromleitung aus der HP in das Werk Kottingbrunn gelegt, wobei die relative Nähe dieses Standortes zum Ausgang des Triestingtals günstig war (Festschrift Hirtenberger).

Die meisten der Gebäude sind 2021 noch vorhanden, alle noch bestehenden Gebäude sind unterkellert und
wurden teilweise als Luftschutzkeller ausgebaut.
Von den nicht mehr vorhandenen Objekten, existiert zumindest noch ein Keller, welcher beim Bau eines Einfamilienhaus genutzt wurde:
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(google)

Bestand Nachkriegszeit:
Gustloff Werk - Luftaufnahme (4).JPG
(Quelle: Wittmann Battenfeld)

Auf Grundstücken des Unternehmens wurden Arbeiterwohnhäuser errichtet, im Werk Sozialräume eingerichtet, in denen die „Gefolgschaftsangehörigen“ („Gefolgschaft“ war im Dritten Reich die politisch korrekte Bezeichnung für Belegschaft) ihre Pausenmahlzeiten einnehmen konnten (früher mussten sie das am Arbeitsplatz tun), das Werk bekam eine Kanalisation sowie Bade-, Dusch- und großzügige Umkleideräume, eine moderne Lehrlingswerkstätte, die Arbeitszeiten innerhalb der Schichten wurden mit Vorteilen für die Arbeiterschaft umgestellt, dabei aber auch für die Produktivität optimiert usw. Aus der heutigen objektiven Sicht ist klar, dass all diese Maßnahmen lediglich dazu dienten,
die „Gefolgschaft“ zu motivieren, im künftigen Krieg Höchstleistungen zu erzielen, die deutsche Rüstungsmaschinerie auf Hochtouren zu bringen und am Laufen zu halten. Wie in jedem totalitären Staat wurde die politische Indoktrinierung Teil des Arbeitsalltags, was allein schon durch die zahlreichen Parolen und Plakate ins Auge fiel, die in den Arbeitsräumen, Werkstätten und auch im freien Werksgelände angebracht waren.
Der Leiter des „Gefolgschaftsamtes“ (Personalbüro) hielt Appelle mit den Mitarbeitern ab, um sie politisch zu „erziehen“, wie es in einem internen Bericht von Ende 1938 hieß (Festschrift Hirtenberger).
Plan Gustloff Werk - Wasserversorgung Kanal (1).JPG
(Quelle: Wittmann Battenfeld)

Sanitäranlagen setzten 1938 soziale Standards:
Gustloff Werk - LSK (87).JPG

Gustloff Werk - LSK (13).JPG

Gustloff Werk - LSK (16).JPG

Gustloff Werk - LSK (59).JPG

Gustloff Werk - LSK (72).JPG

Trotz der ab dem mittleren Zweiten Weltkrieg einsetzenden alliierten Luftangriffe auch auf Österreich hatten die Gustloffwerke in Hirtenberg, Kottingbrunn und Lichtenwörth kaum Schäden durch Luftbombardements zu verzeichnen. Dies ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, so z.B. die lufttaktisch ungünstige Ziellage der Werke in Hirtenberg. Diese war bei den gegebenen Anflugrichtungen aus Westen bis Süden durch die Lage des Talwerks und des Werks Lindenberg, genau am Übergang vom dicht bewaldeten südlichen Wienerwald mit seinem Vor- und Mittelgebirgscharakter zur unbewaldeten Ebene des Wiener Beckens, bedingt, was die Zielauffassung sehr erschwerte. Noch dazu war das Werk Lindenberg hervorragend gegen Luftsicht getarnt. Außerdem hält sich damals wie heute in Hirtenberg hartnäckig das Gerücht, dass Fritz Mandl aus Argentinien seine Beziehungen in die westalliierten Hauptquartiere spielen ließ, um Zerstörungen „seiner“ Fabriken zu verhindern, die er ja nach dem Krieg wieder in Besitz nehmen wollte…… Bei den wenigen Luftangriffen auf Anlagen der Gustloffwerke im Raum Hirtenberg hielt sich noch dazu der Schaden in Grenzen (Festschrift Hirtenberger).

Wärmezentrale für das gesamte Areal:
Gustloff Werk - Gebäude (Wärmezentrale) (2).JPG

Kohlebunker:
Gustloff Werk - LSK (33).JPG
 
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Andreas

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#68
Für den enormen Wasserbedarf wurde 1941 der alte 108m tiefe und 1942 der neue 81m tiefe Rohrbrunnen neben der Wärmezentrale gebaut,
eine Kläranlage für das Bauvorhaben "Wespe" (Ableitungskanal) war auch vorhanden:
Plan Gustloff Werk - Wasserversorgung Kanal (2).JPG
(Quelle: Wittmann Battenfeld)
Plan Gustloff Werk - Wasserversorgung Kanal (8).JPG
(Quelle: Wittmann Battenfeld)
Plan Gustloff Werk - Wasserversorgung Kanal (9).JPG
(Quelle: Wittmann Battenfeld)

Die Gebäudekeller sind durch Kollektorgänge in welchen die Wärme und Versorgungsleitungen liefen, untereinander verbunden:
Gustloff Werk - Battenfeld Lehrwerkstatt LSK (11).JPG

Die Wandmarkierungen sind teilweise wirklich gut erhalten:
Gustloff Werk - LSK (7).JPG

Gustloff Werk - LSK (30).JPG

Die Betriebe der Otto-Eberhardt-Patronenfabrik der Gustloffwerke wurden im Zweiten Weltkrieg sowohl von großen Unglücksfällen im laufenden Betrieb als auch von größeren Schäden durch Luftangriffe verschont. Es war dies u.a. auf die sehr guten Explosions-, Luftschutz- und Brand-
schutzmaßnahmen zurückzuführen, die im Zuge des Ausbaus des Stammwerks getroffen worden waren (z.B. Verdunkelung). Lediglich am 19. Februar 1941 kam es in Hirtenberg zu einer Entzündung von Leuchtspursatz bei der Erzeugung von Leuchtspurgeschossen und in Folge entstand
ein Dachstuhlbrand, dem vier Arbeiterinnen zum Opfer fielen. 1942 und 1943 z.B. wurden 10 kleinere Brände, meist durch Kurzschlüsse oder Selbstentzündungen von Brand- oder Leuchtspursätzen verursacht, verzeichnet, die allesamt durch Einsatz der Feuerlöscher vor Ort erfolgreich
bekämpft werden konnten. Am 23. März 1944 kam es zu einem größeren Explosionsunglück. Bei einem Luftangriff am 2. Juni 1944 auf das Zweigwerk Kottingbrunn hielten sich die Schäden in Grenzen. Am 23. August 1944 erfolgte ein Fliegerangriff, wobei das Talwerk in Hirtenberg
nur vier 250kg-Bomben trafen. Tote waren allerdings im Ausländerlager „Am Weinberg“ zu beklagen (Zwangs- und Fremdarbeiter), das
ebenfalls mehrfach bombardiert wurde (Festschrift Hirtenberger).
Gustloff Werk - LSK (14).JPG

Gustloff Werk - LSK (2).JPG

Gustloff Werk - LSK (31).JPG

Gustloff Werk - LSK (43).JPG
 
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Andreas

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#70
Am 28. September 1944 wurde eigens für die Gustloffwerke ein Nebenlager des KZ Mauthausen in Hirtenberg eingerichtet. Es war am Areal des schon bestehenden Fremdarbeiterlagers „Am Weinberg“ gelegen, von diesem durch einen elektrisch geladenen Zaun getrennt und beherbergte ca. 400 weibliche KZ-Häftlinge, die von 24 SS-Leuten unter dem Kommando eines Hauptsturmführers bewacht wurden. Die Frauen stammten vorwiegend aus Ost- und Südeuropa und waren meist so genannte „Schutzhäftlinge“. Sie waren ausschließlich in der Infanteriemunitionsfertigung der Patronenfabrik beschäftigt. Am 15. April 1945 wurde dieses Nebenlager geschlossen und die Frauen wurden in das Stammlager Mauthausen überstellt, wo sie etwa eine Woche später eintrafen und am 5. Mai ihre Befreiung erlebten. 48 von ihnen war bereits auf
dem beschwerlichen Evakuierungsmarsch die Flucht gelungen (Festschrift Hirtenberger).

Rechts neben dem Lager in Hirtenberg/Leobersdorf sieht man die Baustelle eines LSS (Bunkerstüberl) und südlich der Hauptstraße Laufgräben:
Leobersdorf Luftaufnahme 1944.jpg
(US Air Force 29.03.1944)
LEOBERSDORF Lindenberg LSS Plan.jpg
(Robert Bouchal)

Im vorderen Bereich sieht es so aus:
LEOBERSDORF Lindenberg LSS (99).JPG

Und hinter der Abmauerung:
LEOBERSDORF Lindenberg LSS (135).JPG

In Hirtenberg produzierten die verbliebenen Teile fast bis zur letzten Minute, als am 3. April 1945 die Rote Armee den Ort und die Werksanlagen der Gustloffwerke besetzte. Jene leitenden Angestellten, die nicht schon mit dem Evakuierungszug Hirtenberg verlassen hatten, flüchteten
aus dem Werk beim Rückzug der deutschen Truppen mit PKW oder Fahrrädern und schlossen sich deren Absetzbewegungen an. Die Patronenfabrik fiel den Sowjets fast unversehrt und mit Ausnahme jener Produktionsmittel, die mit dem Evakuierungszug abtransportiert worden waren,
in die Hände (Festschrift Hirtenberger).
Die Halleiner Motorenwerke (HMW) bauten von 1958-1962, unter anderem auch Mopeds, danach übernahm Battenfeld.
Gustloff Werk - LSK (71).JPG

Gustloff Werk - LSK (78).JPG

Gustloff Werk - LSK (80).JPG

Gustloff Werk - LSK (83).JPG

Gustloff Werk - LSK (64).JPG

Gustloff Werk - LSK (48).JPG
 
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Andreas

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#71
Gustloff Werk - Battenfeld Lehrwerkstatt LSK (8).JPG

Gustloff Werk - Battenfeld Lehrwerkstatt LSK (14).JPG

Gustloff Werk - LSK (1).JPG

Die Gasdrucktüren in verschiedenen Ausführungen sind von Mauser:
Gustloff Werk - LSK (5).JPG

Gustloff Werk - LSK (24).JPG

Gustloff Werk - LSK (46).JPG

Gustloff Werk - LSK (61).JPG

Gustloff Werk - LSK (85).JPG

Entlang des abzweigenden Betriebsgleises waren Einmannbunker.
Südlich der Gleise auf dem Gelände der heutigen Siedlung gab es zwei betonierte Splitterschutzgräben und einen Schusskanal:
Plan Gustloff Werk - LSDG  Schußkanal (2).JPG
(Quelle: Wittmann Battenfeld)
Plan Gustloff Werk - LSDG  Schußkanal (3).JPG
(Quelle: Wittmann Battenfeld)
 
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josef

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#73
Danke Andreas für die Berichte!
Bitte bringe noch die fehlenden Quellenangaben zu einigen Fotos, Plänen und Textpassagen nach...
wie z.B. zum Stollenplan vom Lindenberg, "Bouchal, Sachslehner; STRENG GEHEIM, Lost Places rund um Wien, S. 77"...
 
#74
Wilhelm-Gustloff-Werke, Betriebsstätte Zuchthaus Stein
(Ich häng den Beitrag mal hier rein, weil ich einen Zusammenhang der Betriebe sehe)
Bis Kriegsende 1945 unterhielten die Gustloff-Werke eine Betriebsstätte direkt am Areal der Strafanstalt Stein (damals Zuchthaus Stein); diese wurde von einem Justizwachebeamten geleitet, der gleichzeitig als Werkmeister fungierte. Innerhalb der Anstalt gab es damals große Haufen an leeren Patronenhülsen, vermutlich in erster Linie Gewehrpatronen, die offenbar in der Betriebsstätte verarbeitet/weiterbearbeitet wurden. Nachdem ich kein Munitionsexperte bin, würde mich interessieren, was mit den Hülsen geschehen ist. Wurden sie wiederbefüllt? Wurden sie gereinigt? In welcher Form könnte die Betriebsstätte in die Produktionslogistik des Stammwerks in Hirtenberg bzw. Kottingbrunn eingebunden gewesen sein? Wäre Euch für jeden weiterführenden Hinweis, v.a. aus zitierbaren Quellen dankbar.
 

josef

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#75
Hirtenberger heißt nun Orasis Industries
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Die Hirtenberger-Gruppe mit Sitz in Hirtenberg (Bezirk Baden) hat sich mit einem umfassenden Re-Branding von der Traditionsmarke getrennt und in Orasis Industries Holding unbenannt. Die Division Pyrotechnik tritt ab sofort unter dem Namen Astotec auf.
Online seit heute, 16.08 Uhr
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Es werde ein „neues Kapitel“ aufgeschlagen, sagte CEO Manfred Pock am Montag in einem Pressegespräch. Ein „Neustart für die alte Hirtenberger“ stehe an. Das Unternehmen wolle sich darauf konzentrieren, „Menschenleben zu retten, nicht zu gefährden“. Automotive sei der größte Geschäftsbereich bei Astotec, führte der CEO aus. An Neuerungen nannte er Sicherheitskomponenten für E-Autos, zu denen die Batterietrennung vom Rest des Fahrzeuges bei Unfällen und pyrotechnische Kurzschließer zählten.

Umsätze sollen heuer das Vorkrisenniveau erreichen
Die Coronavirus-Pandemie habe auch die frühere Hirtenberger nicht verschont, betonte Pock. Dennoch seien die Mitarbeiter gehalten worden. Das schwierige Pandemie-Jahr 2020 sei mittlerweile überwunden. Die Umsätze 2021 sollen auf Vorkrisenniveau bei jedenfalls über 160 Mio. Euro liegen. Die Nachfrage sei wieder stark gestiegen, sagte der Firmenchef. An Kunden nannte er Porsche, VW, BMW, Daimler und Tesla.

Astotec
Astotec hat zwei Produktionsstandorte in Österreich, in Hirtenberg (Bild) und in Winzendorf, an beiden Standorten sind 550 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt

Die gesamte Orasis-Gruppe erzielte den Angaben vom Montag zufolge im Krisenjahr 2020 mit circa 2.200 Beschäftigten 261 Mio. Euro Umsatz. Etwa die Hälfte entfalle auf Astotec mit Produktionsstandorten in Österreich (Hirtenberg und Winzendorf), Ungarn (Papa) und Tschechien (Brankovice) sowie einem Vertriebsstandort in den USA (Auburn Hills). Von den 1.700 Mitarbeitern seien 420 in Hirtenberg und 130 in Winzendorf beschäftigt. Alle Standorte würden kontinuierlich ausgebaut.

Pock erinnerte auch daran, dass Hirtenberger für Munitions- und Waffenproduktion bekannt und in der Kommunikation sehr zurückhaltend gewesen sei. Auch Letzteres soll sich nun ändern. „Wir haben viel zu sagen“, kündigte der CEO an. Mit der Umstrukturierung der Hirtenberger-Gruppe war vor etwa vier Jahren begonnen worden. Im Herbst 2019 wurde die Defence-Sparte verkauft und von einem ungarischen Unternehmen im Staatseigentum übernommen.
04.10.2021, red, noe.ORF.at/Agenturen

Link:
Hirtenberger heißt nun Orasis Industries
 
#76
Gestern auf Seite 1 in der Offlineausgabe:

Geschichte: Zwei Hirtenberger werden Mauthausen-Guides

Wegen der Patronen-Fabrik hatte Hirtenberg im Krieg besondere Bedeutung. Arbeiterinnen holte man vom KZ.
HIRTENBERG. Die Geschehnisse rund um die Hirtenberger Patronenfabrik während des zweiten Weltkriegs sollten im Sinne einer Mahnung für künftige Generationen nicht unter den Teppich gekehrt werden.

Mauthausen-Guides
Dieser Meinung sind besonders Erich Strobl und Gerhard Kaineder. Die beiden Pensionisten absolvieren derzeit eine Ausbildung zum Mauthausen-Guide, um künftig professionelle Info-Veranstaltungen zum ehemaligen KZ Mauthausen-Außenlager Hirtenberg anbieten zu können.

Zwangsarbeiter-Lager
Die Patronenfabrik, seit 1938 Teil der Gustloff-Stiftung, war im zweiten Weltkrieg ein wichtiger Munitionslieferant für die deutsche Wehrmacht. Durch den Fronteinsatz der Männer herrschte Arbeitermangel, den man zunächst mit Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen kompensieren wollte. Später mit Frauen aus dem Konzentrationslager Mauthausen.
"Ein Teil der in der Patronenfabrik eingesetzten Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen war im Lager am Weinberg, einem 1942 östlich des Ortsfriedhofs von Hirtenberg errichteten Arbeitslager untergebracht. 1944 wurde ein Teil des Lagers durch einen elektrischen Zaun vom übrigen Areal abgetrennt und rund 400 weibliche Häftlinge aus dem KZ Mauthausen angefordert", weiß Erich Strobl. 194 Russinnen, 101 Italienerinnen, 95 Polinnen sowie einige Frauen aus anderen Ländern verrichteten tagtäglich in zwei 12-Stunden-Schichten die gefährliche Arbeit mit den explosiven Stoffen.

Todesmarsch zurück ins KZ

Mit dem Herannahen russischer Truppen wurde das Lager am Weinberg Anfang April 1945 aufgegeben. Die rund 400 Frauen sollten auf einem der so genannten Todesmärsche in das KZ Mauthausen zurück gebracht werden (siehe Info-Kasten rechts). Von den Gebäuden selbst, die sich großteils auf Leobersdorfer Gemeindegebiet befanden, ist nicht mehr viel erhalten.

Gedenktafel
Bürgermeister Karl Brandtner dazu: "Noch heuer plant die Gemeinde Hirtenberg, im Zuge der Renovierung der Friedhofsmauer an deren Innenseite eine Gedenktafel für die Zwangsarbeiterinnen anzubringen. Die Gestaltung erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Mauthausen-Komitee."





 
#77
Dem Erhalten von Geschichte (und den Feldhamstern dort) entgegen stehen wie immer wirtschaftliche Interessen...

Die "Zone Nord" entspricht dem Lagerareal...

"verkauft" rechts davon ist bereits verbaut mit der Zentrale/Logistikzentrum und Markt der Blumen B&B
Bericht: Blumen B&B baut Zentrale in Leobersdorf

"verkauft" südlich ist auch bereits bebaut von der Firma Frisch
Bericht: Betriebsgebiet: Hamsterpopulation stoppt vorübergehend Firmenneubau in Leobersdorf


Quelle:
Welcome
Betriebsbauland nahe der A2 - nur 20 Minuten südlich von Wien
 
#78
1236429_opener_440755_hirtenberger_patronenfabrik_1933_sammlung_strobl.jpg „100 Jahre NÖ“
1933: Hirtenberg und die illegale Waffenaffäre


Die Hirtenberger Patronenfabrik ist eines der bedeutendsten Munitionsunternehmen Österreichs. Doch 1933 fliegt ein groß angelegter Waffenschmuggel von Italien über Österreich nach Ungarn auf. Die Krise führt indirekt in den Untergang der Ersten Republik.

Online seit 12.02.2022, 6.57 Uhr

Am 8. Jänner 1933 deckte die „Arbeiter-Zeitung“ auf, dass ein Waffentransport von Italien nach Hirtenberg (Bezirk Baden) unterwegs sei. Der Inhalt: 50.000 Gewehre und 200 Maschinengewehre, die für Ungarn bestimmt sein sollen. Die ersten Waggons – zehn bis 20 – trafen laut einem Bericht der Gendarmerie Hirtenberg bereits rund um den Jahreswechsel am Bahnhof Enzesfeld, dem Nachbarort Hirtenbergs, ein.

„Die Firmenleitung hat den Betriebsrat zwar informiert, was hier im Laufen ist, er wurde aber um Stillschweigen gebeten“, erzählt Gemeindehistoriker Erich Strobl im Gespräch mit noe.ORF.at. Das Unternehmen habe mit Arbeitsplätzen argumentiert. „Immerhin war die Auftragslage durch die Friedensverträge damals schlecht.“ Und die Waffen sollten laut Zeitungsbericht in der Hirtenberger Patronenfabrik vor der Weiterleitung nach Ungarn repariert und gewartet werden.

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Bruch der Friedensverträge
Sowohl Italien – durch Benito Mussolini – als auch Ungarn – durch Miklos Horthy – waren damals bereits faschistisch regiert. Mit den Waffen, die ursprünglich der K.-u.-k.-Armee gehörten und im Ersten Weltkrieg von Italien erbeutet wurden, wollte Mussolini Ungarn bzw. Horthy helfen, aufzurüsten, erzählt Josef Mötz, Kurator des Hirtenberger Patronenmuseums, „was durch die Friedensverträge nach dem Ersten Weltkrieg natürlich strengstens verboten war“.


Bild: Sammlung Strobl
Fritz Mandl (1900-1977), Generaldirektor der Hirtenberger Patronenfabrik


Als Mittelsmann soll deshalb Fritz Mandl fungiert haben, ab 1924 Generaldirektor der Hirtenberger Patronenfabrik und ein enger Vertrauter des Heimwehrführers Ernst Rüdiger Starhemberg, schildert Strobl: „Über Mandl ist Geld in die Heimwehren geflossen, Starhemberg hat den Kontakt zu Mussolini hergestellt, und Italien wurde zu einem Großabnehmer von Munition aus Hirtenberg.“ Mussolini wollte im Gegenzug die Heimwehren unterstützen.

Aufrüstung der Heimwehren
Starhembergs Ziel war es, aus der Heimwehr, der christlichsozialen Parteienarmee, eine schlagkräftige Organisation zu formen. Dafür fehlten ihm – wie auch Horthy – die Waffen. Starhemberg und Mussolini sollen deshalb die Lösung gefunden haben, die alten Waffen, als Altmetall deklariert, nach Hirtenberg zu liefern. Von dort aus sollten ungarische Stellen den Weitertransport übernehmen. „Im Einvernehmen“ mit Bundeskanzler Dollfuß sollte ein Teil zurückgehalten werden.

Doch der Plan schlug fehl. Die Staaten der „Kleinen Entente“, vor allem Frankreich und die CSR, zeigten sich empört und verlangten Aufklärung von der heimischen Regierung. Die beiden Siegermächte des Ersten Weltkriegs sahen in dem Waffenschmuggel einen schweren Verstoß gegen den Vertrag von Saint-Germain bzw. den Vertrag von Trianon. Die Bundesregierung wies diese Vorwürfe zurück.

Die Folge war eine noch stärkere Entfremdung zwischen Österreich und den demokratischen Westmächten sowie eine zunehmend stärkere Bindung Österreichs an Italien. Innenpolitisch verhärtete die Hirtenberger Waffenaffäre die Fronten zwischen dem linken und rechten politischen Lager.

Putsch des „schwarzen“ Wehrverbandes
In der Presse war von der Aufrüstung der Heimwehr, sogar von einem Putsch des „schwarzen“ Wehrverbandes mithilfe der Waffen aus Italien die Rede. Die Waffen wurden beschlagnahmt und von der Gendarmerie, später vom Bundesheer, in der Patronenfabrik bewacht. Es stellte sich heraus, dass es bedeutend mehr Waffen waren, als ursprünglich kolportiert: etwa 100.000 Gewehre und mehr als 1.000 Maschinengewehre.

Die Eisenbahner – überwiegend Anhänger der Sozialdemokratie – traten daraufhin in Streik, „und wollten damit eine Weiterverteilung verhindern“. Als sich der Nationalrat Anfang März 1933 damit befasste, kam es zu einer Geschäftsordnungspanne, die Dollfuß nutzte, um die Demokratie auszuschalten und den autoritären Ständestaat zu etablieren. Im März 1934 wurde der Waffenbestand übrigens aufgrund eines Abkommens zwischen Österreich und Ungarn aufgeteilt.


Besuch von Bundeskanzler Schuschnigg (3.v.l.) um 1936 in der Schule in Hirtenberg, Fritz Mandl (2.v.r.)


Im Munitionsmuseum Hirtenberg wird die Geschichte der Fabrik mit allen Höhen und Tiefen erzählt








Der Großteil der ehemaligen Hirtenberger Patronenfabrik steht bis heute






Auch das ehemalige Direktionsgebäude behielt seine Funktion


„Undurchsichtige Rolle“
Laut Mötz ist die „Rolle Mandls undurchsichtig“. Doch dass die Waffen in Hirtenberg repariert werden sollten, „stimmt sicher nicht, weil Hirtenberg eine reine Munitionsfabrik war und allenfalls eine kleine Waffenwerkstätte für die Versuchswaffen, die aber für die Kapazitäten nie ausgereicht hätte, 10.000 Waffen zu servicieren“. Vielmehr hätten die Arbeiten eher in Budapest stattfinden sollen, ist der Museumskurator überzeugt.

In Hirtenberg sorgte die Waffenaffäre hingegen für wenig Aufsehen, auch innerhalb der Arbeiterschaft bzw. der Bevölkerung. „Man war wohl eher froh, dass man eine Arbeit hatte“, glaubt Strobl. Denn rundherum herrschte zu dieser Zeit Massenarbeitslosigkeit. „Und der Großteil der Arbeiter war gegenüber der Fabrik, in der oft mehrere Generationen gearbeitet haben, immer sehr loyal“, ergänzt Mötz.

Immerhin konnte die Fabrik auch damals bereits auf eine lange Geschichte zurückblicken. 1860 gründete der eingewanderte Schwabe Serafin Keller in Hirtenberg eine kleine metallverarbeitende Werkstätte. Ab 1863 wurde die Heeresverwaltung mit kleinen Waffenteilen beliefert. Zugleich wurde 1863 eine zweite Manufaktur (Kromag-Alcar) errichtet. Ab den 1870er Jahren wurden auch Patronenhülsen für Handfeuerwaffen hergestellt.


Sammlung Strobl


Blütephase und Niedergang
Die Blütephase erlebte das Unternehmen im Ersten Weltkrieg. Ab dem Winter 1914/15 wurde die Produktion an Kriegsmunition für die Streitkräfte der Monarchie stark ausgeweitet. Zugleich konnten Exportaufträge an Kriegsmunition für neutrale oder verbündete Staaten realisiert werden, etwa für das Königreich Bulgarien. Durch die kriegsbedingte Hochkonjunktur war 1916 mit 4.200 Personen der höchste Personalstand in Hirtenberg erreicht.

Ab 1916 machten sich im täglichen Leben und in der Rüstungsindustrie die Mangelerscheinungen des Krieges immer stärker bemerkbar. Die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung sowie die teilweise katastrophale Rohstofflage für die Industrie wurden zu einem immer schwieriger zu meisternden Problem. Ab 1917 kam es auch zu Unruhen in der Arbeiterschaft. Gleichzeitig wurden immer mehr Facharbeiter zum Militärdienst eingezogen, dadurch stieg der Frauenanteil im Werk.

Kommunisten zünden Fabrik an
Nach dem Krieg schrumpfte die Personalzahl auf ein Viertel. Mit Polen konnte aber ein neuer Abnehmer gewonnen werden, der sich militärisch aufrüsten wollte. Doch einer Gruppe kommunistischer Arbeiter war das „ein Dorn im Auge“, weil Polen und die Sowjetunion damals im Osten um die Grenze stritten. „Weil sie nicht für den Feind produzieren wollten“, legte die Gruppe im April 1920 ein Feuer. Zwar wurde niemand verletzt, doch „90 Prozent der Infrastruktur wurden zerstört“, sagt Mötz.



Durch den Brand im Jahr 1920 wurde die Fabrik fast zur Gänze zerstört
Sammlung Strobl


Während die Fabrik am Boden lag, holte Alexander Mandl – damals Leiter der Munitionsfabrik – seinen Sohn Fritz in das Unternehmen und betraute ihn gleich mit einer Führungsaufgabe. Innerhalb kurzer Zeit baute er die Fabrik wieder auf. Durch seine Geschäfte im In- und Ausland gelang es sogar, dass in einer Zeit der Weltwirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit in Hirtenberg Hochkonjunktur herrschte. „Der Betrieb war damals munitionstechnisch weltweit führend“, so Mötz.

„Umtriebig und skrupellos“
Als einziges Munitionsunternehmen konnte Hirtenberger damals eine ganze Serie eines Kalibers anbieten, begründet Mötz den Erfolg – von der Exerzierpatrone bis zur Beobachtungspatrone mit Explosiongeschoß. Die Märkte blieben bestehen, geliefert wurde bis in den Fernen Osten, Japan und China. „Er war sehr umtriebig, aber auch skrupellos und ist über Leichen gegangen“, erzählt Strobl, „und hatte viele Verbindungen in Richtung Lateinamerika“.

Auch deshalb konnte die Hirtenberger Patronenfabrik die Waffenaffäre 1933 gut überstehen. In den Jahren 1935 bis 1937 wurden etwa 550 Millionen Schuss nach Argentinien, Bolivien, Bulgarien, Chile, China, Ecuador, Griechenland, Irak, Italien, Mexiko, Polen, Spanien und Ungarn geliefert. Mandl war ein Machtmensch und Weltbürger, der auf der ganzen Welt politische Kontakte und wirtschaftliche Netzwerke hatte.

Sammlung Strobl

Hirtenberg Talwerk, Werk Lindenberg, Lager am Weinberg und Wäldchen (1944)


Deshalb war er auch in Österreich nicht unumstritten. Probleme mit gewissen Vertretern der Regierung veranlassten ihn, bereits 1937 Österreich zu verlassen und die Führung der Hirtenberger AG aus Argentinien, der Schweiz und Frankreich wahrzunehmen. Unmittelbar nach dem „Anschluss“ im März 1938 wurde der Betrieb in die deutsche Wilhelm-Gustloff-Stiftung einverleibt, am 27. März 1938 trat Mandl als Generaldirektor der Hirtenberger AG freiwillig zurück.

„Auslandsdeutscher“ wirbt für Volksabstimmung
Zwei Wochen nach dem „Anschluss“ ließ Mandl ein ganzes Bündel an Briefen aus Frankreich verschicken. In einem dieser Schreiben bezeichnete er sich als „Auslandsdeutscher, der in Argentinien ruhig leben und meinen Urlaub in seiner Heimat unangefeindet verleben können will“, in einem zweiten forderte er seine Belegschaft in Hirtenberg sogar auf, bei der kommenden Volksabstimmung „für das großdeutsche Vaterland zu stimmen“.

HP-Museum

In diesem Brief empfiehlt Fritz Mandl, „für das großdeutsche Vaterland zu stimmen“


Währenddessen wurde in Hirtenberg zur Bewältigung des deutschen Kriegsrüstungsbedarfs das neue Werk Lindenberg errichtet. Sämtliche explosions- und feuergefährlichen Arbeiten sollten nun am Lindenberg konzentriert werden, während im Talwerk die weitgehend ungefährliche Komponentenerzeugung stattfand. Tausende Männer und Frauen aus fast ganz Europa, hauptsächlich aus den besetzten Gebieten (Frankreich, Ukraine, Jugoslawien), lebten hier und arbeiteten in der Munitionsproduktion der Gustloffwerke.

Sammlung Strobl


Am 28. September 1944 wurde eigens für die Gustloffwerke ein Nebenlager des KZ Mauthausen in Hirtenberg eingerichtet. Es war am Areal des schon bestehenden Fremdarbeiterlagers „Am Weinberg“ gelegen, von diesem durch einen elektrisch geladenen Zaun getrennt und beherbergte etwa 400 weibliche KZ-Häftlinge.

Wiederaufbau 2.0
Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen die Sowjets das Kommando. „Die haben hier alles devastiert“, erzählt Mötz. Das Werk am Lindenberg wurde gesprengt, „weil es ihnen zu modern war“. 1955 war Mandl endgültig zurück in der Heimat – pünktlich zur Wiedereröffnung der Staatsoper. Innerhalb von zwei Jahren sprach ihm die Rückstellungskommission beim Landesgericht Wien die Hirtenberger AG wieder zu.

Sammlung Strobl

Glüherei nach der Demontage (1951)


Erneut wurde das Unternehmen aufgebaut. Der Vorteil: Dieses Mal brauchte auch das junge österreichische Bundesheer Munition. Doch an das Vorkriegsniveau „kam man nicht mehr heran“, weiß Mötz, der seit 2010 sein privates Firmenmuseum am Gelände der ehemaligen Hirtenberger Patronenfabrik betreibt. Ab den 1970er Jahren schrieb die Sparte rote Zahlen. 1977 starb Mandl.

Die nächste Waffenaffäre

Die Erben verkauften 1981 die Aktienmehrheit an die verstaatlichten Großkonzerne Voestalpine AG und Austria Metall AG. In Kooperation mit einem weiteren Staatsbetrieb, der Firma Noricum, wurde teuer in die Munition der Kanonenhaubitze Gun Howitzer Noricum investiert. „Die Firma wurde gezielt aufgekauft, um dafür die Munition zu erzeugen“, erzählt Mötz. Und damit folgte der nächste Waffenskandal, in den man involviert war: Noricum.

Vor Gericht wurde aufgezeigt, dass auch Hirtenberger-Manager in illegale Waffen- und Munitionsexporte – u. a. in den Irak und den Iran während des Krieges zwischen diesen beiden Staaten – verwickelt waren. Die Angelegenheit war auch Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, die Stimmung in der Öffentlichkeit in Österreich führte schließlich zur Trennung der verstaatlichten Industrie von der Hirtenberger AG. Die Suche nach einem privaten Käufer begann.

Neues Gesicht ohne Waffen
1986 erfolgte die Umbenennung des ausgeschlankten Betriebs in Hirtenberger AG. Mittlerweile firmiert der Konzern mit seiner mehr als eineinhalb Jahrhunderte alten Geschichte unter dem Namen Astotec Holding GmbH. Das Geschäft mit Waffen wurde 2021 endgültig abgestoßen, stattdessen ist man Weltmarktführer in bestimmten Sparten des Automobilsektors. Doch nach wie vor wird in alle Welt exportiert.

Und auch das Know-how der Munitionsfertigung beschäftigt den Konzern weiterhin. Denn Airbags funktionieren ähnlich wie eine Patrone, erklärt Mötz: „Indem über einen Zünder Treibmittel zur Verbrennung gebracht wird, wird der Airbag aufgeblasen.“ Die Zahl der Mitarbeiter ist über die Jahre auf wenige hundert geschrumpft.

Für die Bewohner der Thermenregion und insbesondere Hirtenbergs bedeutete die Fabrik aber über viele Jahre Beschäftigung – vor allem in Zeiten von wirtschaftlichen Krisen und Arbeitslosigkeit. Und nicht zuletzt verdankt Hirtenberg seine selbstständige Existenz als Gemeinde dem Vorgängerunternehmen. Denn Hirtenberg wurde erst im Dezember 1870 eigenständig. „Wir waren also schon gut im Geschäft, bevor es Hirtenberg überhaupt gegeben hat“, merkt Strobl stolz an.

Stefan Schwarzwald-Sailer, noe.ORF.at

Aus der Serie "100 JAHRE NIEDERÖSTERREICH"
Quelle: 1933: Hirtenberg und die illegale Waffenaffäre
 
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ENZESFELD-LINDABRUNN
Dokumentation des Grauens: Die Kartei der Zwangsarbeiter
NÖN Baden, 25. JULI 2022, Dietmar Holzinger

Das Hauptgebäude der Enzesfelder-Metallwerke in der NS-Zeit, hier wurden die meisten Zwangsarbeiter benötigt.
FOTO: Chronik Enzesfeld

Im Gemeindeamt erhalten gebliebene Liste mit 20.000 Namen von Geschundenen aus den Lagern der örtlichen Rüstungswerke

Noch immer wird in den Stollen geforscht, wie NÖN Reporter Didi Holzinger mit Höhlenführer Ernst Fischer; Die Villa des „Big Nazi“ Karl Gschiel; Baracke eines der Lager im Gemeindegebiet, 23 Nationen hielten sich im Ort auf und mussten überwacht werden; in der Umgebung des Frauentalkreuzes wurden 1943 russische Zwangsarbeiter gehängt.
FOTO: Fotocollage: Dietmar Holzinger

Anfang April 1945 wird Ostern gefeiert - aber mit viel Trauer und Leid, es sind wohl die blutigsten Feiertage, die das Tal je erlebte. Die „Rote Armee“ rollt unaufhaltsam heran. Im munitionserzeugenden Enzesfeld herrscht Katastrophenstimmung, die Zivilbevölkerung zittert einerseits vor der abrückenden Wehrmacht, die im Machtrausch vor nichts zurückschreckte und der anrückenden Sowjetarmee.

In Enzesfeld wurde der „Volkssturm“ aus alten Männern und kindlichen Buben zur Verteidigung herangezogen. Kommandant war der Bürgermeister – NSDAP-Ortsgruppenleiter und Direktor der Metallwerke Karl Gschiel. Der Nazi war an mindestens sechs Ermordungen an Zwangsarbeitern beteiligt. Noch bevor die Russen Enzesfeld „befreiten“, flüchtete er Richtung Kärnten.

Die verbliebenen Nazischergen hatten alle Hände voll zu tun – tonnenweise vernichteten sie Akten, vollzogen noch Hinrichtungen und beseitigten Leichen in Massengräbern. Ein großes Problem waren nun die „Arbeitslager“ im Gemeindegebiet, hunderte geschundene Leiber, warteten auf ihre Befreiung. Um den 1. April konnte sich eine Gruppe griechischer Arbeiter durch den Stacheldraht in Freiheit flüchten. In ihren Lager-Karteikarten wurde noch vermerkt „ohne polizeiliche Abmeldung entfernt“.

Über 20.000 Namen aufgezeichnet
In der „Zwangsarbeiter-Kartei“ waren die „Lager-Menschen“ aufs Penibelste erfasst. Die Aufzeichnungen beinhalten nur die Lager im Ortsgebiet Enzesfeld-Lindabrunn. Alles war eingetragen bis zur Hinrichtung. Die brisanten Akten wurden ins Freie geschleppt und in ein Erdloch geworfen – sie sollten angezündet, vergraben oder gesprengt werden, aber dazu kam es nicht mehr.

Am 3. April 1945 besetzte die „Rote Armee“ Enzesfeld und Unbekannte retteten die Kartei, die Kunde über die Menschen aus den Lagern I bis III, sowie über Zivilarbeiter in Subwohnstätten geben. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sind auch die verbliebenen Zwangsarbeiter von russischen Truppen befreit worden.


Die Zwangsarbeiter Kartei von Enzesfeld – tausende Namen und jeder wäre eine Geschichte wert - Amtsleiter Gregor Gerdenits forscht seit langem in den Unterlagen der „NS-Arbeitssklaven“
FOTO: Fotocollage: Dietmar Holzinger

Juli 2022 im neuen Rathaus zu Enzesfeld: Amtsleiter Gregor Gerdenits, der sich seit Jahrzehnten mit dem Archiv beschäftigt, zeigt auf einen versperrten Stahlschrank, der die „Sklavenarbeiter-Kartei“ enthält. „Sein Inhalt besteht aus über 20.000 Namen von Zwangs- bzw. Zivilarbeitern und Kriegsgefangenen aus 23 Nationen, die in der Munitionserzeugung, im Tunnel- und Bunkerbau, sowie im geheimnisumwobenen Luftwaffenlager im Thalleitenwald schufteten.“


Zusammengebrochener Raum im Enzesfelder-Hauptbunker.
FOTO: Dietmar Holzinger

Viele der Karteikarten sind noch unerforscht, haben ihre eigenen Geheimnisse, wie der Akt des evangelischen Priesters Johannes Albrecht, der von dem 550 km entfernten Bautzen (Sachsen) am 27. Februar `45 in Enzesfeld eintraf und schon am 5. März 1945 nach Winzendorf weiter transportiert wurde.

Im April 1944 dürften die Kruppwerke Mangel an „Arbeitssklaven“ gehabt haben, so wurden russische Zwangsarbeiter ins Lager-Berndorf geliefert. Laut Zeitzeugen sollen 1943 beim Frauentalkreuz (Übergang von Lindabrunn nach Enzesfeld) russische Arbeiter wegen Sabotageverdacht gehängt worden sein. Eine mit Schreibmaschine erstellte Liste vom Jänner 1947 bekundet über erschossene Zwangsarbeiter. Auf dem Papier steht unten links – handgeschrieben: „26 Kinder von Ostarbeitern“. Dabei dürfte es sich um 26 kleine Seelen handeln, die außerhalb der Friedhofsmauern beerdigt sein dürften.

Manche Nationen holten ihre ermordeten Landsleute nach Hause, so wie die französische Militärmission, die am 2. Dezember 1947 sechs Staatsangehörige zum Abtransport in die Heimat exhumierten. Viele Rätsel und Schicksale beherbergt noch diese Kartei und Gerdenits ist bemüht, so manche Geschichte des „Archivs der Zwangsarbeit“ dem Vergessen zu entreißen…
Dokumentation des Grauens: Die Kartei der Zwangsarbeiter
 
#80
Kann mir vielleicht jemand sagen,ob es zum heutigen Zeitpunkt noch größere Überbleibsel von den Gustloffwerken gibt? Viel mehr,als auf den Bildern haben wir leider nicht gefunden.
 

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