In 200 Millionen Jahren könnten sich die Kontinente entweder zum Äquator oder zu den Polen hin verschieben

josef

Administrator
Mitarbeiter
#1
ZUKUNFTSWELT
Amasia oder Aurica: Wie wird der nächste Superkontinent aussehen?
In 200 Millionen Jahren könnten sich die Erdmassen entweder am Äquator oder an den Polen zusammendrängen – was jeweils zu einem völlig anderen Weltklima führen würde


Gedrängel rund um den Nordpol: So könnte die Welt in 200 Millionen Jahren aussehen, wenn das Szenario "Amasia" eintrifft.
Illustration: Way et al. 2020
Vor etwa 200 bis 175 Millionen Jahren begann das alle Landmassen in sich vereinende Pangaea auseinanderzubrechen. Es war nicht der erste Superkontinent der Erdgeschichte und wird auch nicht der letzte bleiben: In einem sehr langwelligen Zyklus driften die Kontinentalplatten auseinander, um sich später wieder zusammenzuschließen. In der Erdneuzeit dürften wir eine Phase maximaler Aufsplitterung erreicht haben – was nicht zuletzt dazu beigetragen hat, die Artenvielfalt auf das vermutlich höchste Niveau in der Geschichte des Lebens zu hieven.

Auseinander und wieder zusammen
Aber wie wird es weitergehen? Das ist langfristig schwerer zu sagen, als man im ersten Moment vielleicht denken würde. Immerhin kennt man die gegenwärtigen Bewegungen der Landmassen sehr gut. Man weiß beispielsweise, dass die atlantische Kluft zwischen Nordamerika und Europa immer größer wird, dass sich Australien Richtung Nordosten bewegt oder dass Afrika entlang des Großen Afrikanischen Grabenbruchs entzweibrechen wird.

Doch kleine Ungewissheiten schaukeln sich im Lauf von Jahrmillionen auf. Daher kann man laut dem Geologen Ronald Blakey von der Northern Arizona University nur für die nächsten 15 Millionen Jahre ganz sichere Aussagen treffen, und für eine 85 bis 100 Millionen Jahre ferne Zukunft einigermaßen sichere. Immerhin lässt sich so ausschließen, dass es in diesem Zeitraum einen neuen allumfassenden Superkontinent geben wird. Bis zum nächsten Pangaea dürfte es noch einmal mindestens so lange dauern, wie seit dem letzten an Zeit vergangen ist.

Fast alles scheint möglich
Für den nächsten Superkontinent in 200 Millionen Jahren oder mehr gibt es verschiedene Szenarien. Zwei annähernd gegensätzliche haben Forscher der Columbia University untersucht und ihre Ergebnisse auf einem Treffen der American Geophysical Union (AGU) präsentiert. Bei einem davon, Aurica, würden sich alle großen Landmassen in etwa 250 Millionen Jahren am Äquator vereinigen. Möglich ist aber auch das Gegenteil: ein freier Äquator, während sich fast alle ehemaligen Kontinente um den Nordpol versammeln. Nur Antarktika würde wieder einmal die Stellung am Südpol halten, einsamer denn je. Dieses Szenario mit Namen Amasia könnte schon in 200 Millionen Jahren eintreten.


Auch eine solche Weltkarte ist denkbar: Das Szenario "Aurica" geht von einem äquatorialen Superkontinent aus.
Illustration: Way et al. 2020

Das Team um den Physiker Michael Way vom Goddard Space Institute der NASA beschränkte sich aber nicht auf ein bloßes Landmassenverschiebespiel – die Forscher wollten wissen, wie sich das Weltklima in den beiden so unterschiedlichen Szenarien gestalten würde. Zumindest soweit dies möglich ist: Winde und Niederschlagsmuster beispielsweise werden maßgeblich von Lage und Höhe von Gebirgszügen beeinflusst, und solche "feinen Details" lassen sich noch nicht prognostizieren. Aber ein paar Grundzüge lassen sich immerhin herausschälen.

Es könnte kräftig auffrischen ...
Bei einer Verteilung à la Amasia gäbe es keine Landmassen zwischen den Polen, die warme Meeresströmungen vom Äquator aus nach Norden oder Süden leiten würden. In der Folge wäre es in den Polregionen spürbar kälter als heute und es gäbe großflächige Eiskappen. Dieses Eis würde die Albedo der Erde, also das Maß des ins Weltall zurückgestrahlten Sonnenlichts, erhöhen und die Abkühlung dadurch noch einmal verstärken.

Da solche Eiskappen eine enorme Menge an Wasser binden, würde der Meeresspiegel deutlich niedriger liegen als heute. Dadurch wächst die zur Verfügung stehende Landmasse zwar, was aber durch die ungünstige Lage der Kontinente mehr als ausglichen wird. Eis und Schnee würden die Welt von Amasia prägen. Insgesamt stünde nicht viel Land zur Verfügung, um Nahrungsmittel anzubauen, fügt Way hinzu – wobei der Gedanke an Landwirtschaft in 200 Millionen Jahren ohnehin ein wenig kurios anmutet.

... oder es wird tropisch
Ganz anders die Verhältnisse im äquatorialen Aurica: Way malt sich "brasilianische Strände" aus – aber so paradiesisch wäre es wohl nur in den Küstenregionen. Im Inneren Auricas würden nicht nur kontinentale Verhältnisse wie in Asien herrschen, sondern superkontinentale: also noch mehr Hitze und Trockenheit. Dieses Szenario deckt sich weitgehend mit dem, das die TV-Doku-Reihe "Die Zukunft ist wild" für die Welt in 200 Millionen Jahren entwarf und das im Inneren des Superkontinents die größte Wüste der Erdgeschichte prognostizierte. So sicher ist Letzteres für Way nicht: Vorkommen und Verteilung von Seen würden bestimmen, wie die Niederschlagsmuster im Inneren von Aurica aussähen – und damit auch, ob es dort urbares Land geben könnte.

Insgesamt wäre die Welt von Aurica ein einziges Treibhaus, und nicht allein auf dem äquatorialen Kontinent selbst. Diese gewaltige Landmasse würde eine Menge Sonnenlicht absorbieren, zugleich gäbe es an den Polen wenig oder gar kein Eis, das Licht zurückwerfen könnte. Laut Ways Klimamodellen wären die Temperaturen auf der Erde von Aurica im Schnitt drei Grad höher als heute.

Die Erde als Exoplanet
Ways Szenarien dürften den meisten wie Science Fiction vorkommen, aber der Physiker legt sogar noch eins drauf und schlägt einen Bogen zur Weltraumforschung – nicht umsonst arbeitet er für die NASA. Er verweist darauf, dass sich bei der Suche nach lebensfreundlichen Planeten alles um die Frage dreht, ob dort Wasser in flüssiger Form vorkommen kann. Und illustriert anschließend anhand seiner Modelle, wie unterschiedlich die Verhältnisse auf ein- und demselben Planeten sein können, wenn nur die Landmassen anders verteilt sind. Auf 99,8 Prozent der Fläche von Aurica könnte Wasser fließen – aber nur auf etwa 60 Prozent der Fläche von Amasia. Leben hätte dort also deutlich weniger Entwicklungsraum.

Der Forscher plädiert daher dafür, den Faktor Landverteilung in die Schätzung der Lebensfreundlichkeit von Exoplaneten miteinzubeziehen. Für heutige Modelle würden entweder Wasserwelten oder Planeten mit einer Art Gleichverteilung der Landmassen herangezogen, die sich an der Erde in ihrer gegenwärtigen Form orientiert. Eine größere Bandbreite an Modellen könne nicht schaden – bis man dann eines Tages einen Exoplaneten detailreich genug beobachten kann, um die tatsächliche Verteilung von Land und Wasser auf ihm festzustellen. Das werde aber noch zehn Jahre oder mehr dauern.
(jdo, 30.1.2021)

Link
Columbia University Earth Institute: "What Will the Climate Be Like When Earth’s Next Supercontinent Forms?"

Amasia oder Aurica: Wie wird der nächste Superkontinent aussehen? - derStandard.at
 
Oben