In Schletz bei Asparn an der Zaya kam es vor 7.000 Jahren zu einem Massaker an den Einwohnern eines Dorfes

josef

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#1
Neolithische Konflikte
Doch erst mit der Sesshaftigkeit der Ackerbauern in der Jungsteinzeit erreichte die zwischenmenschliche Gewalt die Dimension des Krieges. Die Lebensweise der sesshaften Bauern brachte eine Neuerung mit sich: den Grundbesitz. Ein Anstieg der Bevölkerung und eine durch soziale Unterschiede bedingte hierarchische Gliederung bildeten die Zutaten für Konflikte – Änderungen im Klima führten so rasch zu Gewaltausbrüchen.

In Niederösterreich ist dieses Szenario dokumentiert:
In Schletz bei Asparn an der Zaya kam es vor 7.000 Jahren zu einem Massaker an den Einwohnern eines Dorfes. Mindestens 50 Personen – hauptsächlich Männer, aber auch Kinder und ältere Frauen – wurden hier erschlagen und im Graben des Dorfes unbestattet liegengelassen. Jüngere Frauen fanden sich nicht unter den Opfern. Zu dieser Zeit ist ein Anstieg der Temperaturen nachweisbar, was zu Nahrungsknappheit geführt haben könnte.

Während in Schletz noch bäuerliche Gruppen mit ihren Werkzeugen und Jagdwaffen gegeneinander kämpften, entwickelte sich spätestens in der Bronzezeit das Berufsbild des Kriegers – parallel dazu wurde auch mit dem Schwert die erste Waffe geschaffen, die im Gegensatz zu Bögen, Keulen oder Beilen ausschließlich zum Töten von Menschen dient.
(Textauszug aus einem DERSTANDARD Artikel von 2018. Krieg und ein bisschen Frieden im NHM )
 

josef

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#2
SCHLETZ
Suche nach den Ursachen des Massakers
NÖN-Mistelbach, 16. DEZEMBER 2022
Michael Pfabigan



Über 100 Skelette zeugen von einem der ersten Kriege der Menschheit. Jetzt soll nach den Ursachen geforscht werden.
2 Fotos: NÖ Landessammlung

Im Frühjahr wird auf den Feldern rund um Schletz nach jungsteinzeitlichen Überresten gesucht.

Das Gemetzel gilt als einer der ersten Kriege der Menschzeit: Vor mehr als 7.000 Jahren metzelten Angreifer die bei Schletz siedelnden Menschen nieder. Ausgrabungen brachten mehr als 100 Überreste von Menschen aus dem Frühneolithikum zum Vorschein. Welche Spuren diese Menschen heute noch auf den Feldern rund um Schletz hinterlassen haben, soll jetzt ein groß angelegtes Forschungsprojekt unter Einbeziehung interessierter Bürger klären.

Keine jungen Frauen unter den Toten
1983 bis 2005 wurde intensiv gegraben, die Funde des in der Fachwelt „Massaker von Schletz“ genannten Areals wurden nach forensischen Methoden untersucht. Die menschlichen Überreste wiesen eine Vielzahl an Verletzungen auf, die von Steinbeilen, Keulen und Pfeilen stammen könnten. Die Körper wurden nicht bestattet, sondern blieben unbeerdigt in der Siedlungsanlage liegen. Auch das weitgehende Fehlen von Frauen im gebärfähigen Alter ist auffallend.

Die Siedlung bei Schletz kann in die sogenannte „Linearbandkeramische Kultur“, die älteste bäuerliche Kultur der Jungsteinzeit Mitteleuropas, datiert werden. Sie war ein regionales Zentrum eines Siedlungsclusters. „Eine Forschungshypothese dazu lautet, dass eine länger anhaltende Krise dazu führte, dass aufgrund des Bedrohungsszenarios die Menschen an diesem Ort enger zusammen rückten“, sagt Jakob Maurer, Verantwortlicher des Forschungsprojektes „United by Crisis“.

Mithilfe von Bürgern ist willkommen
Doch wie groß war diese Siedlung? In systematischen Feldbegehungen werden die Relikte dieser Siedlung gesucht und anschließend interdisziplinär ausgewertet. „Durchgeführt werden auch chemische Analysen: Aus Wasser und Nahrung nehmen Lebewesen natürliche Strontiumisotope zu sich. Durch den Vergleich des Isotopenverhältnisses von menschlichen Zahnproben mit Bodenproben aus der Region kann auf eine lokale oder nicht-lokale Herkunft, d. h. Migration, geschlossen werden“, sagt Maurer.

Bei den Feldbegehungen sind die Forscher auf die Mithilfe von Bürgern angewiesen: Interessenten, die sechs Tage Zeit haben, können sich unter www.united-by-crisis.at melden. Eingebunden in das Forschungsprojekt der Donau-Uni Krems ist auch die Neue Mittelschule Asparn.

„Interessierte können, in einer der in der internationalen Forschung bekanntesten Fundstelle aus NÖ, Archäologie hautnah erleben und an der Feldforschung sowie der Interpretation von Ergebnissen mitwirken“, sagt Maurer: „Ohne die Unterstützung durch Freiwillige wäre dieses Projekt nicht möglich, zudem erhoffen wir uns von ihnen ergänzende, auch ungewöhnliche Ideen „out of the box“. Die Einbeziehung von Schülern in der Probenahme und -analyse soll früh Begeisterung für Forschung und Naturwissenschaften wecken.“

Die Feldbegehungen finden im Frühjahr statt, das Forschungsprojekt läuft bis 2025.
Suche nach den Ursachen des Massakers
 

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#3
Forschung mit Freiwilligen: 7.000 Jahre alter Kriminalfall im Weinviertel
Die jungsteinzeitliche Gemeinschaft von Asparn/Schletz im Weinviertel dürfte vor 7.000 Jahren einem Angriff zum Opfer gefallen sein. Für die weitere Erforschung werden interessierte Citizen-Scientists gesucht
Im Gastblog berichten die Archäologin Julia Längauer und der Archäologe Jakob Maurer vom Zentrum für Museale Sammlungswissenschaften der Universität für Weiterbildung Krems über ein neues transdisziplinäres Forschungsprojekt mit zahlreichen Partnerinnen und Partnern.
Zwischen den beiden Orten Asparn an der Zaya und Schletz im Weinviertel befindet sich – unter Feldern verborgen – eine der in der internationalen Urgeschichtsforschung bekanntesten Fundstellen Österreichs. Zwischen 1983 und 2005 wurde hier durch archäologische Ausgrabungen der Landessammlungen Niederösterreich eine Siedlung aus der zweiten Hälfte des sechsten Jahrtausends vor Christus dokumentiert. Berühmt ist sie vor allem aufgrund der Skelettreste von mindestens 130 Menschen, deren Zustand belegt, dass sie nicht in Erdgräbern bestattet wurden.

Die anthropologische Untersuchung der Knochen am Naturhistorischen Museum in Wien durch Maria Teschler-Nicola zeigte zahlreiche Spuren von perimortaler (das heißt um den Todeszeitpunkt stattgefundener) Gewalt, wobei es sich vor allem um Verletzungen von Steinbeilen, Keulen und Pfeilen handeln könnte. Offensichtlich kamen die Personen bei einem massiven Gewaltereignis ums Leben. Danach blieben die Körper offen liegen oder wurden in die Gräben geworfen. Interessant ist auch das weitgehende Fehlen von Frauen im gebärfähigen Alter. Möglicherweise wurden sie von Angreifern verschleppt.


Im Eingangsbereich der jungsteinzeitlichen Grabenanlage von Asparn/Schletz ausgegrabene Skelette und steinerner Keulenkopf aus Hagenberg.
Foto: Landessammlungen Niederösterreich (Grabenanlage) & Franz Pieler/LSNÖ (Keule)

Fragen zum jungsteinzeitlichen Weinviertel
Die Fundstelle kann in die Zeit der sogenannten "Linearbandkeramik", die älteste bäuerliche Kultur der Jungsteinzeit Mitteleuropas, datiert werden. Aufgrund des Umfangs und der Wichtigkeit der Funde liefert sie viele Daten, aber auch spannende neue Fragen.
Woher kamen die Menschen, die in dieser Siedlung auf so ungewöhnliche Weise zu Tode kamen? Was sind die Hintergründe und die Folgen des Gewaltereignisses? Welche gesellschaftliche Struktur gab es damals in der Region? Was sagt uns dies ganz allgemein über die Entwicklung von Gesellschaften und über ihren Umgang mit Krisen?


Blick auf die Fundstelle von Asparn/Schletz (auf dem Hügelrücken beim Schweinestall). Hier befand sich vor mehr als 7.000 Jahren eine große, von Grabenanlagen umgebene Siedlung.
Foto: Franz Pieler/Landessammlungen Niederösterreich

Forschungshypothese zu Asparn/Schletz
Auffällig an Asparn/Schletz sind neben den menschlichen Überresten die Größe der Siedlung, die vielen Fernbeziehungen im Fundmaterial und die Befestigungsanlage mit circa 400 Meter Durchmesser. "Wir denken daher, dass es sich um ein lokales Zentrum handelte, das eine wichtige Rolle in den Netzwerken der damaligen Zeit hatte, etwa als Knotenpunkt für Handel und für Heiratsbeziehungen", so Franz Pieler von den Landessammlungen Niederösterreich. Umgeben war Asparn/Schletz mutmaßlich von einem Cluster aus kleineren Siedlungen im oberen Zayatal.

Am Ende der Bandkeramik, noch vor dem Gewaltereignis, könnte es in Asparn/Schletz zu einer länger andauernden Krise gekommen sein. So gibt es etwa auch regulär bestattete Personen mit Spuren von Gewalt, Hinweise auf Mangelernährung an den Skeletten und Indizien für eine schlechtere Versorgung mit Steinrohmaterial.

Die aus mehreren Gräben bestehende Befestigungsanlage wurde in dieser Zeit wahrscheinlich mehrmals renoviert und ausgebaut, was zum Wachstum der Siedlung beigetragen haben könnte. Hier könnten auch Bewohnerinnen und Bewohner der umliegenden Siedlungen mitgeholfen haben, um im Notfall an einen – zumindest vermeintlich – besser geschützten Ort flüchten zu können.


Kartierung der linearbandkeramischen Fundstellen des Siedlungsclusters von Asparn/Schletz, Stand 2016, mittlerweile wurden noch weitere entdeckt.
Foto: Julia Längauer/Univ. f. Weiterbildung Krems; Datenquelle: J. Coolen 2016, basemap.at

Neues Forschungsprojekt "United by Crisis?"
Nach dieser Überlegung wären die Menschen in der Region aufgrund einer Bedrohungssituation enger zusammengerückt: Für die kritische Überprüfung dieser Hypothese haben wir uns mit dem Projekttitel "Durch die Krise vereint?" bei der Gesellschaft für Forschungsförderung Niederösterreich (GFF NÖ) um Finanzmittel für transdisziplinäre Untersuchungen beworben, glücklicherweise mit Erfolg. In den kommenden drei Jahren werden wir daher gemeinsam mit mehreren Partnerinstitutionen das Umfeld von Asparn/Schletz erforschen. Davon erwarten wir uns auch ein besseres Verständnis des Hintergrunds der Ereignisse am Fundort selbst.

Wichtig ist dies nicht zuletzt auch für die von der internationalen Forschung geführte Diskussion über eine mögliche gesellschaftliche Krise in der Zeit der späten Bandkeramik: So sind beispielsweise auch aus Killianstätten und Thalheim in Deutschland und aus Vráble in der Slowakei Massengräber ähnlicher Zeitstellung bekannt, die für häufige Gewalt oder eine gesellschaftliche Umbruchsituation sprechen könnten.

Transdisziplinäre Untersuchungen mit unterschiedlichen Methoden
Handelt es sich bei den Toten um die Bewohnerinnen und Bewohner der Siedlung oder stammten sie aus der Umgebung? Sind gar Angreifer und Angreiferinnen darunter? Um ihre Herkunft zu erforschen, werden chemische Analysen durchgeführt: Aus Wasser und Nahrung nehmen Lebewesen das Element Strontium in natürlicher Zusammensetzung zu sich. Da die Isotopenzusammensetzung von Strontium auf Grund von Unterschieden im geologischen Untergrund variiert, kann durch den Vergleich des Strontium-Isotopenverhältnisses von menschlichen Zahnproben mit Bodenproben aus der Region auf eine lokale oder nicht-lokale Herkunft einer Person geschlossen werden.

Für die Entnahme der Erdproben wird im Projekt mit dem Schulzentrum Asparn/Zaya zusammengearbeitet. Die Schülerinnen und Schüler entnehmen sie in ihren Heimatgemeinden und bereiten sie am Institut für Bodenforschung am Campus Tulln der Boku Wien für die Analyse auf. Diese wird von einem Team um Johanna Irrgeher am Lehrstuhl für Allgemeine und Analytische Chemie der Montanuniversität Leoben durchgeführt. Am Naturhistorischen Museum in Wien finden neben der Entnahme der Zahnproben weitere anthropologische Untersuchungen statt.


Menschlicher Zahn aus Asparn/Schletz und für die Analyse verwendetes Massenspektrometer Sapphire an der Montanuniversität Leoben.
Foto: M. Schober (Zahn) & J. Irrgeher (Massenspektrometer)/Montanuniversität Leoben

"Walk the Line": Systematische archäologische Feldbegehungen
Über die bandkeramischen Fundstellen im Siedlungscluster von Asparn/Schletz, die im Zentrum unseres Interesses stehen, ist bisher nur wenig bekannt. Wie verteilten sie sich? Wann begann ihre Nutzung und wann wurden sie verlassen? Früher als Asparn/Schletz? Waren auch sie von Gewaltereignissen betroffen? Oder wurden sie im Gegensatz zur Zentralsiedlung länger genutzt? Zur Untersuchung dieser Fragen werden wir von archäologischer Seite neben Recherchen in Archiven, Museumsdepots und Sammlungen vor allem systematische Feldbegehungen durchführen.

Julia Längauer, die im Projekt ihre Dissertation verfasst, erzählt dazu: "Beim sogenannten Line Walking geht ein Team von Personen in Form einer Linie in vorgegebenen Abständen über die geackerten Felder. Alle Funde, hauptsächlich Keramikscherben und Steingeräte, werden eingemessen und kartiert. Dies erlaubt Aussagen zur Größe und Datierung von Siedlungen, mit Glück auch zur ihrer Funktion".


Systematischer Survey für die Suche nach steinzeitlichen Funden auf einer bandkeramischen Fundstelle.
Foto: Jakob Maurer/Univ. f. Weiterbildung Krems

Citizen-Scientists gesucht!
Da die archäologischen Begehungen und die Nachbearbeitung der Funde sehr zeitaufwendig sind, suchen wir nach Freiwilligen, die Lust haben, ab März 2023 aktiv in unserem Projekt mitzuarbeiten. Wir freuen uns sowohl über archäologische Anfängerinnen und Anfänger als auch über Profis mit Vorerfahrung!

Die Feldbegehungen im Bezirk Mistelbach werden – da dafür gute Sichtbedingungen nötig sind – in der bewuchsarmen Zeit im Frühling und Herbst durchgeführt. Die Reinigung und statistische Dokumentation der Funde im Mamauz Schloss Asparn/Zaya findet im Sommer statt. Voraussetzung für die Teilnahme ist neben Konzentrationsfähigkeit vor allem die Bereitschaft, mindestens sechs Tage mitarbeiten zu wollen.


Zum Trocknen aufgelegte bandkeramische Gefäßbruchstücke. Unscheinbar, aber wichtig für die Datierung der Fundstellen.
Foto: Jakob Maurer/Univ. f. Weiterbildung Krems

Nutzen für Forschung und Citizen-Scientists
Die Arbeit mit Citizen-Scientists schafft im Projekt für beide Seiten eine Win-win-Situation, so Jakob Maurer: "Interessierte können hier Archäologie hautnah erleben und an der Feldforschung sowie der Interpretation von Ergebnissen mitwirken."


Frisch entdeckte Scherben!
Foto: Jakob Maurer/Univ. f. Weiterbildung Krems

"Ohne die Unterstützung durch Freiwillige wäre dieses Projekt nicht möglich, zudem erhoffen wir uns von ihnen ergänzende, auch ungewöhnliche Ideen 'out of the box'. Die Einbeziehung von Schülerinnen und Schülern in der Probennahme und -analyse soll früh Begeisterung für Forschung und Naturwissenschaften wecken."
(Julia Längauer, Jakob Maurer, 26.1.2023)

Julia Längauer ist Mitarbeiterin am Zentrum für Museale Sammlungswissenschaften der Universität für Weiterbildung Krems. Die enge Zusammenarbeit mit Citizen-Scientists im Rahmen des Projekts "United by Crisis?" ermöglicht ihr die Umsetzung der von ihr geplanten Dissertation zur bandkeramischen Siedlungskammer um Asparn/Schletz. Im Projekt ist sie hauptverantwortlich für die Begehungen und die Arbeit mit den Citizen-Scientists sowie die Auswertung der Fundstellen und Funde.

Jakob Maurer ist Mitarbeiter am Zentrum für Museale Sammlungswissenschaften der Universität für Weiterbildung Krems und Leiter des Forschungsprojekts "United by Crisis?" (Gefördert von der Gesellschaft für Forschungsförderung Niederösterreich im Rahmen der FTI-Strategie Niederösterreich 2027). Seine Lieblingsthemen sind das Neolithikum und die Kupferzeit in Mitteleuropa.


Wollten Sie schon immer mal wissen, was Archäologinnen und Archäologen so machen? Und die Vorstellung, mehrere Stunden hochkonzentriert in der Kälte über Felder zu gehen, ruft bei ihnen Begeisterung hervor? Oder Sie möchten sich lieber an der Reinigung und statistischen Dokumentation steinzeitlicher Funde versuchen? Weitere Informationen und das Anmeldeformular finden Sie auf unserer Website www.united-by-crisis.at!

Links
Forschung mit Freiwilligen: 7.000 Jahre alter Kriminalfall im Weinviertel
 

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#5
Dem „Massaker von Schletz“ auf der Spur
In Asparn/Schletz (Bezirk Mistelbach) spüren Forschende und Citizen Scientists einem uralten Verbrechen nach: In der Jungsteinzeit wurden mehr als 100 Menschen beim sogenannten Massaker von Schletz getötet. Neue Ausgrabungen sollen klären, warum sie sterben mussten.
Online seit heute, 19.21 Uhr
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Im MAMUZ-Museum im Schloss Asparn an der Zaya (Bezirk Mistelbach) liegen die Schädel von vier der beim Massaker von Schletz vor 7.000 Jahren getöteten Menschen: zwei Frauen, ein Kind und ein Mann. Gemeinsam mit dutzenden weiteren Skeletten wurden die vier Personen zwischen 1983 und 2005 auf dem Gebiet des heutigen Schletz geborgen. Seither rätselt die Wissenschaft, was damals genau geschah.

„Die Verletzungsmuster sprechen eindeutig für stumpfe Gewalteinwirkung. Das heißt, es wurde mit Keulen oder mit derartigen Pfeilen sehr wild auf die Opfer eingeschlagen“, erklärt der wissenschaftliche Leiter des MAMUZ, Franz Pieler. Und noch etwas fällt auf: Die DNA der Skelette ist unterschiedlich. „Die Menschen, die hier erschlagen wurden, sind nur zu einem sehr geringen Teil miteinander verwandt“, erklärt Pieler. Es handle sich also nicht, wie bisher angenommen, um einen für die Zeit typischen großen Familien-Clan, meint Pieler.

Flucht nach Schletz
Wissenschafterinnen und Wissenschafter des MAMUZ, der Universität für Weiterbildung Krems, der Montanuniversität Leoben, der Universität für Bodenkultur (Boku), des Naturhistorischen Museums und der Landessammlungen Niederösterreich wollen nun herausfinden, wer die Menschen waren, die in Schletz getötet wurden. „Wir wissen: Schletz war ein zentraler Ort, allerdings wissen wir nicht, wofür genau der Ort zentral war“, sagt Projektleiter Jakob Maurer. Schletz sei damals eine große Befestigungsanlage gewesen. Platz für 1.000 Personen soll sie geboten haben.

Fotostrecke
Landessammlung Niederösterreich
In den 1990er-Jahren werden diese Schädel geborgen…
ORF/Tobias Mayr
…heute ist ein Teil im MAMUZ-Museum auf Schloss Asparn an der Zaya ausgestellt.

ORF/Tobias Mayr
Auch nach 7.000 Jahren werden Scherben und Steinbeile aus der Zeit der Linearbandkeramik an die Oberfläche getragen

ORF/Tobias Mayr
Archäologen registrieren die Fundstücke gemeinsam mit Citizen Scientists

ORF/Tobias Mayr

Die Archäologinnen und Archäologen glauben, dass Schletz eine Art „Fluchtburg“ für die Einwohnerinnen und Einwohner der umliegenden Siedlungen gewesen ist. Notwendig könnte das geworden sein, weil die Zeit der Linearbandkeramik nicht unbedingt friedlich verlaufen ist. Die Epoche der Linearbandkeramik – benannt nach den linienartigen Verzierungen auf den Keramikprodukten – beginnt mit einer geringen Bevölkerungsdichte im Weinviertel.

Mit der Zeit nahm sie jedoch zu und das könnte Konflikte geschürt haben, meint Maurer: „An den Skeletten gibt es Hinweise auf Mangelerscheinungen, was zumindest wahrscheinlich Hinweise auf zumindest phasenweise Nahrungsmittelknappheit gibt.“ Möglicherweise führte das zu Allianzen unter den Siedlungen und zum Bau der Wehranlage in Schletz.

Bodenproben sollen Herkunft der Opfer bestätigen
Noch fehlt den Forscherinnen und Forschern ein exakter Überblick darüber, wo genau die Siedlungen rund um Schletz lagen. Hinweise gibt es jedoch viele: Bis heute werden Keramikscherben und Steinbeile an die Oberfläche getragen. Das Forscherteam geht daher regelmäßig Äcker ab, unter denen sie Spuren von jungsteinzeitlichen Siedlungen vermuten. Rund 30 Citizen Scientists unterstützen dabei. In Reihen gehen sie die Flächen ab und alles, was ihnen ins Auge sticht, wird aufgehoben, markiert und auf Karten dokumentiert.

Sobald die Siedlungsgrenzen feststehen, sollen Bodenproben genommen werden und mit Spuren auf den Knochen vergleichen werden. So wollen die Wissenschafterinnen und Wissenschafter herausfinden, ob die Menschen aus den jeweiligen Ortschaften stammten und ob Schletz tatsächlich als Fluchtburg genutzt wurde.

Kriegstrupps möglicherweise aus Weinsteig und Poysdorf
Selbst wenn: Genutzt hat ihnen die Fluchtburg wohl nicht, wie man heute annehmen kann. „Das wirklich Einzigartige bisher am Fundort Aspern ist, dass die Truppen danach mehr oder minder sich selbst oder der Natur überlassen wurden und liegen geblieben sind“, erklärt Pieler. Die Leichen dürften nicht begraben worden sein, davon zeugen Bissspuren von Tieren an den Knochen. Pieler geht davon aus, dass ein Kriegstrupp aus den damals großen Nachbarorten Weinsteig (Bezirk Korneuburg) oder Poysdorf (Bezirk Mistelbach) Schletz überfallen hat.

„Wir können annehmen, dass es eine relativ große Gruppe gewesen ist, die sich getraut hat, so ein großes Ziel überhaupt anzugreifen“, erklärt Pieler. Die Kriegsführung selbst war brachial: Mit Steinbeilen wurde den meisten Opfern der Schädel eingeschlagen.
18.12.2023, Tobias Mayr, noe.ORF.at
Dem „Massaker von Schletz“ auf der Spur
 
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