Ist die "Chemie-Keule" zur Unkrautentfernung notwendig? Muss das sein?

josef

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#1
Nachfolgendes passt zwar nicht ganz in den Themenkatalog des Forums, aber ich muss mir "Luft verschaffen":

Bei der heutigen Vormittagswanderung durch die Weinrieden stellten wir fest, dass bei mehr als 50 Prozent der Weingartenkulturen chemische Mittel zur Unkrautbekämpfung zwischen den Rebstöcken angewandt wird! Einerseits wird gerade in letzter Zeit über massives "Artensterben" bei Fauna und Flora berichtet, aber statt Eindämmung der "Chemie-Anwendung" als Hauptverursacher ist deren massive Ausweitung nun auch im Weinbau zu beobachten!

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Düstere Wolken über "chemisch behandelten" Rebkulturen...

Wann kommt endlich ein Umdenken und ein generelles Verbot der chemischen Spritzmittel zur Unkrautbekämpfung bei allen Kulturen?

1. - 4. Anwendung chemischer Unkrautvernichter zwischen den Rebstöcken
5. - 7. Großflächige Ausbringung auf Böschungen...
 

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josef

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#2
Wie nachfolgende Bilder zeigen, geht es auch anders!
Die Unkrautentfernung und Bodenlockerung zwischen den Weinstöcken kann durchaus auch maschinell erfolgen! Sicher ist es mit mehreren "Durchgängen" während einer Vegetationsperiode verbunden, aber ohne Einbringung von Giftstoffen in den Boden:

Einige Fotos der Bearbeitung mittels an Traktoren angebrachten "Stockräumgeräten":

1. - 4. Bodenschonende Bearbeitung...
5. - 6. ...damit wäre auch die langfristige Überlebenschanche von "Meister Lampe" gesichert :)
 

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josef

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#3
Habe dazu bei "Die Zeit - Onlineausgabe" einen zwar schon aus 2017 stammenden, aber grundsätzlich auch heute noch zutreffenden, Artikel gefunden:

Ohne Insekten bricht alles zusammen
Es gibt weniger Insekten – wen kümmert's? Nun: Bienen, Wespen, Käfer und Motten sind das Fundament eines gesunden Ökosystems. Wie wir das Sterben stoppen können.
Von Gunther Willinger



Bienen sind weltweit bedroht – von Milben und vom Verlust ihres Lebensraumes. © Hamish Secrett/Unsplash

"Es gibt keinen Unterschied zwischen dem Schicksal des Landes und dem Schicksal der Menschen", schrieb der amerikanische Farmer und Dichter Wendell Berry. "Wird eines misshandelt, leidet auch das andere." Neue Studien zeigen nun, wie sehr wir unser Land misshandeln, vor allem seine sechsbeinigen Bewohner, die Insekten. Die Ergebnisse sind eindeutig – und eine Warnung an uns alle.

27 Jahre lang wurden in 63 deutschen Naturschutzgebieten fliegende Insekten in speziellen Fallen gefangen und gewogen (Plos One: Hallmann et al., 2017). Die Ergebnisse belegen, dass wir seit 1989 über drei Viertel der Insektenmasse verloren haben. Die Forscher um Hans de Kroon und Caspar Hallmann von der Universität Nijmegen sprechen von einem "Weckruf". Sie gehen davon aus, dass Ähnliches auch in anderen
kleinen Naturschutzgebieten in Europa und darüber hinaus geschehen ist, und zwar in solchen, die von landwirtschaftlichen Flächen eingeschlossen sind. Denn wie winzige Inseln in einem immer eintöniger werdenden Meer aus Ackerflächen sind viele unserer Naturschutzgebiete nicht nur völlig von anderen Naturgebieten isoliert, sondern auch so klein, dass ihre Bewohner unvermeidlich von der stetig steigenden Flut an Pestiziden in Mitleidenschaft gezogen werden.


"Pestizide spielen mit Sicherheit eine ganz große Rolle. Wir können davon ausgehen, dass es besonders bei kleinen Naturschutzgebieten durch Verfrachtung über die Luft zu einer Kontamination der Fläche kommt", sagte Jan Christian Habel vom Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie der TU München kürzlich dem ZDF-Magazin Frontal 21. Dass wir große Mengen Chemikalien einsetzen, um die Erträge der Felder zu optimieren, halten viele Experten für einen der Hauptgründe hinter dem Insektenrückgang (Science: Dicks et al., 2016). In der Verantwortung stehen deshalb nicht nur die Landwirte selbst, sondern auch und vor allem die Agrarpolitiker, die landwirtschaftlichen Interessenvertreter und wir Verbraucher durch unser Einkaufsverhalten.

Wozu brauchen wir Insekten?
Insekten sind die artenreichste Tiergruppe. Sie bilden das Fundament eines gesunden Ökosystems. Sie sind nicht nur die wichtigsten Pflanzenbestäuber, sondern regulieren auch Schädlinge und dienen zahlreichen anderen Arten als Futter. Weniger Insekten bedeutet deshalb weniger Fische, Frösche, Eidechsen, Vögel und Säugetiere. Wenn das Fundament wegbricht, wie es die neue Studie nahelegt, dann droht das ganze Gebäude – unser gesamtes Ökosystem – einzustürzen. Wie Alexander von Humboldt schon vor über 200 Jahren feststellte, ist alles in der Natur durch unsichtbare Bande verknüpft: Fehlen einzelne Arten, wirkt sich das auf andere Tier- und Pflanzenarten aus; und vom Gedeihen der Pflanzen hängen wiederum auch Wetter und Klima ab. Wenn wir unserem Ökosystem drei Viertel des Fundaments wegschlagen, ist das ein massiver Eingriff in die Naturordnung.


Die in der aktuellen Studie untersuchten Fluginsekten, also Bienen, Wespen, Käfer, Motten und Fliegen aller Couleur, sind besonders nützlich, denn sie stellen die Armee der Bestäuber. Von dieser wilden, summenden und brummenden Fliegertruppe wird ein Großteil der weltweiten Bestäubungsleistung erbracht. Das gilt vor allem für die mehr als 20.000 Arten von Wildbienen. Rund 570 Arten davon gab es mal in Deutschland, 39 sind in den vergangenen Jahrzehnten bereits ausgestorben. Der Wert der Bestäubung landwirtschaftlicher Nutzpflanzen durch Insekten wird weltweit jährlich auf dreistellige Milliardenbeträge beziffert (Ecological Economics: Gallai et al., 2009). Ob Kirschen, Äpfel, Mandeln, Tomaten, Kürbisse oder Erdbeeren: Ohne tierische Bestäuber nehmen die Erntemengen und die Qualität der Feldfrüchte drastisch ab.

Und nicht zu vergessen: Viele Pflanzenarten sind von spezialisierten Bestäuberinsekten abhängig, die sich im Laufe der Evolution parallel mit ihnen entwickelt haben. Und die genetische Vielfalt der Pflanzen sichert die Landwirtschaft und damit unsere Nahrungsgrundlage gegen kommende klimatische Veränderungen und andere Herausforderungen, wie Schädlinge, ab.

Wir brauchen konkrete Maßnahmen, um Bestäuber zu retten
Schon im November 2016 erschien im Fachmagazin Science ein Artikel, in dem Insektenforscher aus fünf Kontinenten eindringlich vor dem Verlust der Bestäuberinsekten warnen und zehn konkrete Maßnahmen zu ihrem Schutz vorschlagen (Dicks et al., 2016). Dazu zählen strengere Regeln für den Einsatz von Pestiziden und die Förderung landwirtschaftlicher Vielfalt wie Biolandbau, Mischkulturen, private und urbane Gärten, Agrarforstwirtschaft und Kreislaufwirtschaft. Daneben fordern die Forscher eine verstärkte wissenschaftliche Beobachtung der Bestäuber und die Förderung des integrierten Pflanzenschutzes, also eines lokal angepassten ganzheitlichen Konzeptes zur Minimierung des Pestizideinsatzes.


Besteht weiterer Forschungsbedarf? Ja, natürlich sind noch Fragen offen und Zusammenhänge zu klären, aber es ist keinesfalls so, dass wir nicht wüssten, wo die Probleme liegen und wie wir sie anpacken können. Vor allem für Nordwesteuropa und Nordamerika ist der massive Schwund der Bestäuber durch zahlreiche Studien gut belegt.

Das Verschwinden ist eine nachdrückliche Warnung
Zusätzlich zu einem Wandel in der Landwirtschaft sollten wir Schutzgebiete ausweiten und bestehende Biotope besser vernetzen. Ein wichtiger Baustein dabei ist das europäische Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000. Dessen Umsetzung und Finanzierung muss nach Einschätzung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses aber dringend verbessert werden.


Wann haben Sie zuletzt einen Schwalbenschwanz über eine Wiese tanzen sehen, einen Pirol in einem Auwald singen hören oder eine in der Sonne dösende Kreuzotter beobachtet? Dieser Reichtum der Natur ist die Grundlage unseres Wohlergehens. Das Verschwinden der Insekten ist eine nachdrückliche Warnung. Wir dürfen sie nicht in den Wind schlagen.
Insektensterben: Wozu wir Insekten brauchen
 

josef

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#5
Eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht. Was geht uns das an?


foto: reuters/bruno kelly
Einer der wichtigste Gründe für das Artensterben: "Landnutzungsänderungen", zum Beispiel die Abholzung von Regenwald.
Als wäre der Klimawandel nicht genug, droht jetzt auch noch ein massives Artensterben. Warum uns das alle kümmern sollte und was Regierungen tun könnten
Es ist der Morgen des 6. Mai 2019, als Archie Harrison, das Kind von Prinz Harry und Herzogin Meghan, das Licht der Welt erblickt. Beinahe gleichzeitig veröffentlicht der UN-Biodiversitätsrat IPBES seinen neuen Bericht. Für die Wissenschafter, die das Wochenende davor in Paris tagten, hätte es wohl keinen schlechteren Zeitpunkt für den royalen Nachwuchs geben können.

Der Bericht ist die größte internationale Untersuchung zum Artenschutz, die es je gegeben hat. Drei Jahre lang arbeiteten Experten aus aller Welt an dem Bericht, mehr als 15.000 Quellen haben sie analysiert, mehrere Millionen Euro hat die Forschung verschlungen. Der Bericht füllt 1800 Seiten und dokumentiert, wie wir nach und nach die Tier- und Pflanzenwelt ausrotten. Eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht. Handeln wir nicht schnell genug, bringen wir uns in sehr ernste Probleme. Doch in den meisten Medien ging die Warnung des Rates unter den Jubelmeldungen zum royalen Arterhalt unter.

ted-ed

"Mindestens so bedrohlich" wie der Klimawandel
Dabei ist das Problem so dringlich, dass die Uno die laufende Dekade zu jener der Biodiversität erklärt hat. Aber ganz ehrlich: Haben Sie das mitbekommen? Während Klimaschutz in der Gesellschaft angekommen ist, Schüler auf die Straßen treibt und Wahlen beeinflusst, ist Biodiversität wenig mehr als ein Fachwort. Dabei ist das massenhafte Artensterben "mindestens so bedrohlich" wie der Klimawandel. Das sagt zumindest Robert Watson, Vorsitzender des Weltbiodiversitätsrats.

Aber wen kümmert es schon, wenn es weniger Käfer, Würmer, Plankton gibt? Weniger Gelsen, die die immer lauer werdende Sommernächte stören?

"Ich lebe auch gerne ohne Moskitos im Sommer", sagt Günter Mitlacher, der beim WWF die internationale Biodiversitätspolitik koordiniert. Aber gerade über Insekten, die besonders gefährdet sind, ist vergleichsweise wenig bekannt. Von vielen Tieren wisse man gar nicht, welche Funktion sie in einem Ökosystem haben, erklärt Mitlacher, und nur ein Bruchteil der Räuber-Beute-Beziehungen ist bisher erforscht.


foto: reuters/wolfgang rattay
Ein Imker protestiert gegen die Übernahme von Monsanto durch Bayer bei der Aktionärsversammlung in Bonn im April. Die Bienen in seinen Händen seien im Bienenstock gestorben – ein Zeichen von Krankheit oder Vergiftung.

Milliardenbusiness Bestäubung
Was hingegen jedes Kind weiß: Dass viele Pflanzen auf Bienen und andere Insekten angewiesen sind, um sich zu vermehren und Früchte zu tragen. Ohne Bienen gäbe es keine Erdbeeren, Äpfel, Birnen. "Was Bienen oder Hummeln gratis für uns Menschen leisten, das könnten wir gar nicht bezahlen", sagt Mitlacher. Auf bis zu 577 Milliarden US-Dollar beziffert der IPBES den Wert der Lebensmittel, die in Gefahr sind, wenn die wir keine Bestäuber hätten.

Ironischerweise sind es gerade Obstbäume, die am intensivsten mit Spritzmitteln behandelt werden. Ein Apfel aus konventionellem Anbau wird ungefähr 30-mal mit Pestiziden behandelt, sagt der Zoologe Johann Zaller von der Wiener Universität für Bodenkultur. Vergangenes Jahr erschien sein Buch Unser täglich Gift, in dem er den sorglosen Umgang mit Pestiziden anprangert. Von Landwirten und deren Interessenverbänden bekommt er immer noch wütende Anrufe und E-Mails.

Pestizide schlecht untersucht
Die meisten Substanzen, die auf Feldern versprüht werden, seien nur schlecht untersucht, kritisiert Zaller. Zwar würden einzelne Wirkstoffe auf ihre Giftigkeit getestet. "Aber wie sich die vielen Spritzmittel im Freiland gegenseitig beeinflussen, das weiß kein Mensch." In den toxikologischen Studien wird Versuchstieren so viel von einer Substanz gegeben, bis sie sterben. Ob sie langfristig geschädigt werden und zum Beispiel weniger Nachkommen zeugen, bleibe unklar.


foto: dpa-zentralbild/patrick pleul
Wie die vielen Pestizide in der freien Natur zusammenspielen ist wenig erforscht, sagt Zoologe Johann Zaller.

Eine der größten Gefahren für die Artenvielfalt ist die Art und Weise, wie wir heute Land nutzen, kurz: Wir brauchen zu viel Platz. Drei Viertel der gesamten Landoberfläche wurden bereits von Menschen verändert. Dort, wo Jahrmillionen lang nur die Natur Landschaft formte, stehen heute Einfamilienhäuser, Kulturwälder, Rinderweiden oder Fluglandebahnen. Platz, der der Natur fehlt.

Klimawandel heizt zusätzlich ein

Daneben ächzen die Weltmeere unter der Überfischung, Plastikmüll und giftigen Abwässern. Als wäre das nicht genug, heizt der Klimawandel vielen Spezies zusätzlich ein.

Auch wenn man kleine Taten setzen kann, um das Artensterben zumindest ein wenig einzudämmen – um das große Sterben zu verhindern, müssten Regierungen handeln.

Günther Mitlacher vom WWF fordert etwa, die EU-Agrarsubventionen in die richtigen – biologischen – Bahnen zu leiten. Laut IPBES sollen jährlich 100 Milliarden US-Dollar an Fördergeldern alleine in den OECD-Ländern in Landwirtschaften fließen, die der Natur potenziell schaden. Zaller fordert ein komplettes Verbot von Pestiziden. Neben Warnungen liefert der Bericht auch Hoffnung: "Die Natur kann bewahrt, wiederhergestellt und nachhaltig genutzt werden", schreiben die Autoren. Die Frage ist nur: Wie lange noch?
(Philip Pramer, 3.6.2019)
Eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht. Was geht uns das an? - derStandard.at
 
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