Italien: Der "Schiefe Turm von Pisa" hat schon 4 schwere Erdbeben überstanden und steht noch immer

josef

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william perugini / istock
Beliebtes Touristenmotiv und faszinierendes Forschungsobjekt: Bauingenieure haben nun geklärt, warum der Turm so erdbebensicher ist
Warum der Schiefe Turm von Pisa noch immer steht

Das fast 650 Jahre alte Bauwerk hat vier schwere Erdbeben überstanden. Ein Team von Bauingenieuren hat nun die Lösung für dieses Rätsel gefunden
Bristol – Was lange währt, wird endlich gut. Dieses Sprichwort trifft auf den Schiefen Turm von Pisa nur bedingt zu. Denn vom Beginn der Bauarbeiten bis zur Fertigstellung im Jahr 1372 vergingen ziemlich genau 200 Jahre. Grund für die lange Errichtungsdauer war die Schieflage, die bereits während des Baus offensichtlich wurde und heute rund vier Grad beträgt. Bei einer Höhe von rund 55,8 Metern bedeutet das an der Spitze des Turms eine Auslenkung von 3,9 Metern.

Wie man heute weiß, hatte man den Turm dummerweise am Rande einer ehemaligen Insel direkt neben einem antiken, zur Bauzeit bereits versandeten Hafenbecken errichtet. Der weiche Untergrund aus lehmigem Morast und Sand hat sich unter dem Gewicht verformt und sorgt für die Schräglage, die im Jahr 2001 nach 13-jährigen Sanierungsarbeiten stabilisiert werden konnte.

Vier schwere Erdbeben ohne Einsturz
Dass der Turm angeblich Schauplatz der Fallversuche von Galileo Galilei gewesen sein soll, gilt als wissenschaftshistorische Legende, da es keinen verlässlichen Beleg dafür gibt. Für die heutige Wissenschaft – konkret: für das Bauingenieurwesen – gibt der Turm aber nach wie vor ein faszinierendes Untersuchungsobjekt ab. Denn es gilt als Mirakel, warum der Turm trotz zumindest vier heftiger Erdbeben in den letzten Jahrhunderten immer noch nicht ein- oder umgestürzt ist.

Ein 16-köpfiges Forscherteam rund um Camillo Nuti (Uni Rom III) hat das Rätsel, das viele Forscher jahrelang umtrieb, nun allem Anschein nach gelöst – und wird die Resultate im Detail bei der 16. Europäischen Konferenz für erdbebensicheres Bauen im Juni vorstellen. Das Hauptergebnis der seismologischen, geo- und gebäudetechnischen Analysen liegt aber bereits jetzt vor.

Weltrekordwert bei Boden-Struktur-Interaktion
Die Lösung des Rätsels mutet auf den ersten Blick paradox an, wie George Mylonakis (Uni Bristol) erklärt, der an den Untersuchungen beteiligt war: Genau jene Faktoren, die für die Schräglage des Turms sorgen, sind nämlich auch dafür verantwortlich, dass er so erdbebensicher ist.

Das entscheidende Phänomen nennt sich dynamische Boden-Struktur-Interaktion, und die erreicht beim Schiefen Turm von Pisa einen Weltrekordwert: Die Höhe und Steifheit des Turms gepaart mit dem weichen Untergrund sorgt nämlich dafür, dass die Schwingungen des Erdbebens keine Resonanz im Bauwerk finden. Und genau deshalb steht es immer noch – zwar sehr schief, aber auch sehr erdbebensicher. (tasch, 12.5.2018)
https://derstandard.at/2000079587547/Warum-der-Schiefe-Turm-von-Pisa-noch-immer-steht
 
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