Junkers-Zweigwerk in Brünn

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Bagojowitsch

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#1
Liebe Listenmitglieder,

im Rahmen meiner Familienforschung habe ich erfahren, dass ein gewisser Paul Anton eine leitende Stelle bei den Junkers-Werken gehabt haben soll und dies wahrscheinlich in Brünn. Wo und wie kann ich erfahren, ob er dort beschäftigt war?

Vielen Dank
 
H

hebbel

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#2
Das ist ein schwieriges Terrain. Das Junkers-Firmenarchiv (bis 1935) liegt im Deutschen Museum. Andere Bestände, wohl auch der seit 1935/36 reichseigenen Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG (JFM), liegen im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt bzw. im Stadtarchiv Dessau.
http://www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksArtikel&aid=1277474081984
Der Bestand im Hauptstaatsarchiv Dresden scheint mehr technisch ausgerichtet zu sein. http://www.archiv.sachsen.de/archive/dresden/4442_3133343933.htm

Erschwerend kommt hinzu, daß das Werk in Brünn eine Neugründung (Januar 1941) der Flugmotorenwerke Ostmark (FO) war. Diese wurden durch die Bank der Deutschen Luftfahrt AG und die Junkers-Motoren-Aktiengesellschaft gegründet. (Es gibt auch andere Zahlen, als z.B. in "WiKi" stehend: 49.900.000 RM die Bank und nur 100.000 RM Junkers)
Unstrittig scheint zu sein, daß Planung und Leitung zunächst in den Händen der Fa. Junkers lagen. So könnte auch das leitende Personal in Brünn (Fertigung von Aggregaten und vor allem Einspritzpumpen) aus Junkers-Mitarbeitern bestanden haben. Dann aber wird es schwierig. Da deren Motor Jumo 222 nicht gefertigt wurde, zog sich Junkers schon Ende 1941, zumindest finanziell mittels Übernahme des Anteils durch Daimler-Benz, zurück. Es sollte jetzt der DB-603 gefertigt werden. Da DB aber mit dieser Aufgabe nach verschiedenen Quellen völlig überfordert war, könnte das Junkers-Personal zumindest im unteren und mittleren Management auch in Brünn weiterhin in Amt und Würden geblieben sein, zudem nach den Analysen des 1943 eingesetzten kommissarischen Leiters der FO, Dr. Georg Meindl, Junkers-Mitarbeiter die Produktion "sabotiert" hätten.
Ob man das Werk in Brünn als "Junkers-Zweigwerk" bezeichnen kann, wie in verschiedenen Publikationen geschehen, halte ich für diskussionswürdig. Ist das Logo der Flugmotorenwerke Ostmark in WiKi so korrekt wiedergegeben, dann wird es für einen Außenstehenden schon schwierig, denn es ist, von der farblichen Gestaltung mal abgesehen, das Logo der Junkers-Flugzeugwerke. Hier gibt es das so nicht.

Zwar wird hier auch das FO behandelt, aber als "Zweigwerk" wird es auch nicht benannt.

LG
Dieter
 
B

Bagojowitsch

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#3
Hallo,

vielen Dank für die ausführliche Antwort. Dann denke ich, werde ich mein Glück zunächst in Dessau versuchen, dort will ich ohnehin in den nächsten Wochen mal hinfahren. Der genannte Paul Anton hat zumindest bis 1940 in Dessau gewohnt und wird als Abteilungsleiter bezeichnet. Denkbar ist vielleicht, dass er nach der Gründung des Werkes nach Brünn gewechselt ist. Mal schauen, ob ich fündig werde.
 
H

hebbel

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#4
Nach dieser Bachelor-Arbeit, die das Flugmotorenwerke Ostmark, Zweigwerk Brünn und dessen Verlagerung in die Höhlen des mährischen Karsts behandelt, haben in Brno-Líšeň wohl BOSCH-Mitarbeiter eine Führungsrolle eingenommen.

Ein paar weitere Stichpunkte:
- ca. 5.000 Beschäftigte
- ca. 150 Mann deutsches "Führungs"personal (vom Meister bis zum Direktor)
- Hauptprodukt: BOSCH-Einspritzpumpe für DB-Flugmotoren (Aber auch Öl- und Wasserpumpen)
- Gefolgschaftsmitglieder wurden auch aus dem "Reich" nach Brünn verpflichtet
- Die Ausbildung/Umschulung der MA erfolgte auch bei DB in Stuttgart
- Die Zeitzeugin Frau Pavlíčková vergleicht die Arbeitsintensität oder die Art der Tätigkeiten (habe ich nicht ganz verstanden), mit der in einem Dessauer Werk.

Interessant ist, daß der Werksausweis des Herrn Miloslav Fiedler für das Werk Auslass vom März 1943 datiert. (Jeskyně Výpustek = Auslass-Höhle = U-Verlagerung "Dinar" bei Kiritein) Allerdings dürfte der Hohlraum in gewissem Maße schon "vorbereitet" gewesen sein, denn die Streitkräfte der ČSR nutzten die Höhle bis zur Okkupation als Lager. (Nachnutzung dann wieder durch die Streitkräfte der ČSSR. Einfach nach Jeskyně Výpustek suchen. Es gibt genug Bilder im Netz.)

Es scheint sicher, daß sich das (oder ein) Konstruktionsbüro der Flugmotorenwerke Ostmark, Zweigwerk Brünn in der Villa Tugendhat befand. (Quelle: Expose für die Aufnahme in das Weltkulturerbe der UNO.)

Hiweis: Die Bilder im Anhang der Bachelor-Arbeit sind schon interessant. :D

Quelle: Lucie Segeďová, Jeskyně Moravského krasu za druhé světové války
Historie firmy Flugmotorenwerke Ostmark G. m. b. H. Wien, Zweigwerk Brünn a její detašovaná pracoviště
Bakalářská práce, Masarykova univerzita

LG
Dieter
 
B

Bagojowitsch

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#6
Vielen Dank nochmal für die Antworten.
Ich hatte zwischenzeitlich im Stadtarchiv Dessau nachgefragt - in den dortigen Unterlagen war nichts zu finden. Beim Landeshauptarchiv habe ich auch nachgefragt, aber noch keine Antwort. Am kommenden Donnerstag bin ich aber in Dessau, dann werde ich dort mal vorstellig.
 

SuR

... wie immer keine Zeit ...
Mitarbeiter
#7
Hi,

noch ein Archivhinweis:

Bundesarchiv (Berlin): Bestand R 8121, Bank der deutschen Luftfahrt AG
Signaturen R 8121/579 und 580

Enthält u.a.:
Handelsregisterauszüge vom 18. Apr. 1941, 28. Apr. und 4. Dez. 1942
Vierteljahresberichte, Dez. 1942-Dez. 1943
Auszüge aus den Beiratssitzungsprotokollen vom 16. Dez. 1941 und 16. Okt. 1942
Rechtsgutachten über die Verpfändung von Maschinen in Dubnica/Slowakei von Rechtsanwalt Hugo Magerl, Preßburg, 1944
Bericht über die kaufmännische und finanzielle Situation, 1944
Monatliche Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Apr.-Okt. 1942
Vierteljahresabschlüsse, März 1942 und März-Dez. 1943
Schlussbesprechung vom 3. Nov. 1944
Berichte über Fliegerschäden, Juli 1944
 
B

Bagojowitsch

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#8
Hallo,

vielen Dank, behalte ich mal im Auge.
Habe gerade Nachricht vom Landeshauptarchiv in Dessau bekommen - in den dortigen Unterlagen kommt die gesuchte Person vor. Termin für Donnerstag ist vereinbart und dann schaue ich mal, wie ergiebig die Unterlagen sind.
 
H

hebbel

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#9
Das ist ja wunderbar, daß bei Deiner Anfrage gleich der von Dir avisierte Name "rausgefallen" ist. Viel Erfolg! Wenn es nur immer so ginge...

LG
Dieter
 
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