Zitat:
Brauerei Schellenhof
Bundesland: Wien
Bezirk: Wien 23., Liesing
Gemeinde: Stadt Wien
Adresse: Wien 23., Ketzergasse 123 / Schellenhofgasse / Wildagasse
früher: Siebenhirten, Schellenhof Nr. 1
Homepage:
Bestand: vor 1622 - 1926
Produktion: 1845: 5.320 Eimer, 1858: 45.105 Eimer, 1894/95: 122.913 hl
Diverses: Gutsbrauerei; der Schellenhof wurde 1683 vor den herannahenden Türken zerstört
und 1685 samt Brauerei wieder aufgebaut; 1862 als Dampfbrauerei vollkommen
neu errichtet; 1926 Liquidation, die Brau- und Lieferrechte wurden von den
Wiener Verbandsbrauereien übernommen; während des 2. Weltkriegs diente die
Kelleranlage als U-Fabrik (Deckname „Sophie“) und während des Krieges als
Luftschutzkeller
- bei einem Bomben-Volltreffer am 29. Mai 1944 wurden rund
300 Personen getötet, die noch heute hier verschüttet liegen
Devotionalien: Bierdeckel, Etiketten, Rechnungszettel, Reklametafeln
Alte Ansichten: Postkarten, Fotografien
Bauzustand: 2006: nach dem verheerenden Bombenangriff 1944 befand sich an der Stelle des alten Edelsitzes nur mehr ein ausgedehntes Ruinengelände; die Reste wurden abgetragen und an ihrer Stelle 1960/61 die Wohnhausanlage „Brauhausflur“ der Gemeinde Wien errichtet; das Pförtnerhaus, das Direktionsgebäude, das Gärtnerhaus, ein Stadel und das Gebäude der ehemaligen Gastwirtschaft sowie der Kellerberg mit der weitläufigen, teilweise zerbombten Kelleranlage (Halauska- /Kellerberggasse) und der ehemalige Eisteich „Schellensee“ sind erhalten
unter #2 finden sich obige Angaben (Quelle aus dem Netz).
Da mir heute zufällig die entsprechenden Unterlagen in die Hände gekommen sind, möchte ich zur Kelleranlage der Schellenhofer Brauerei einiges klären:
Die zitierte Katastrophe am 29.5.44 gab es sicher nicht, die LS-Schadensmeldung/Schlussmeldung vom 31.5.44 gibt für ganz Wien 85 Tote und 4 Verschüttete an.
Die "300" dürften sich wohl auf den Luftangriff vom 23.8.1944 beziehen.
In einer 1. Meldung des Gaubefehlstandes Wien (an München u. Berlin) findet sich der Abschlusssatz: "In einem als LS-Keller gebrauchten Bierkeller der Schellenhofer Brauerei in dem Gefolgschaftsmitglieder zahlreicher umliegender Betriebe Zuflucht gesucht hatten, wurden bisher 15 Tote geborgen, zirka 100 Personen sind noch verschüttet."
In einer undatierten Liste der NSDAP Ortsgruppe Siebenhirten mit der Überschrift: "Personenschäden anläßlich des Fliegerangriffes am 23. August 1944 auf Siebenhirten" finden sich die Personalien von 78 Personen mit dem Ort des Todes "Knobl-Keller" und der Art der Verletzung "Verschüttet und Erstickt".
Die Schadensmeldung des Kreises Mödling (inklusive der Ortsgruppe Siebenhirten) meldete am 30.8.44 insgesamt 176 Tote und 2 Vermißte (davon allein 61 Tote in Brunn am Gebirge).
Demnach ist eine Zahl von 300 völlig unrealistisch, genau so wie die Angabe dass diese heute noch dort verschüttet sind.
Die LS-Schadensmeldung/Schlußmeldung vom 24. August (19.00 Uhr) meldet für Wien insges. 182 Tote, 30 Verschüttete und 3 Vermisste.
Am 31.8.44 gab es einen Nachtag zur LS-Schadensmeldung zum 23.8.44 (Anm.: einmaliger Vorgang für Wien während des ganzen Krieges!)
Darin heißt es: "Nach Beendigung der Bergungsarbeiten sind folgende Personenverluste zu beklagen: Tote insgesamt 271"
Da man am 24.8.44 bereits 215 Tote registriert hatte (182 Tote + 30 Verschüttete + 3 Vermißte) beträgt die Differenz zum 31.8.44 zwar gezählte 89 Tote, unter Berücksichtigung der als verschüttet und vermißt gemeldeten, hatte man 56 Tote zusätzlich geborgen.
In dieser Größenordnung der Verlustangaben ist kein Platz für 300 Tote, die im Schellenhof-Keller noch immer verschüttet sein sollen.