Kelleranlage Schellenhof Liesing

josef

Administrator
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#21
Kann ich das in einer Frage zusammenfassen?
Gab es jetzt in den Brauereikellern in der Halauskagasse eine Fertigung?
DANKE
Petes
Deckname "Sophie" => siehe Beitrag #2 Schellenhof-Brauerei. Leider ist es mir bisher noch nicht gelungen, die Firma zu eruieren, gerüchteweise Teilefertigung für A4 (V2) in Zusammenhang mit einem Fertigunsring A4 im Wiener Raum. Jedenfalls gibt es keine Beweissicherung dazu!

lg
josef
 
#22
Schellenhof

Hallo Josef,

zumindest bei den Schellenhof-Kellern kann ich etwas zur Klärung beitragen.
In einem A.D.I. (K) Bericht No. 291/1945 (betreffend Flugmotorenfertigung und Reparatur) fand ich eine Abschrift einer Liste des Sonderauschusses T2 vom 28.7.1944, betreffend Verlagerungen Stichtag 10. und 18.7.1944.
Darin ist unter Flugmotorenwerk Ostmark (FMO) folgendes angeführt:
Schellenhof Keller, Vösendorf , (Surface Factory) Fertigung: Turbolader und Kleinteile auf 3.500 m2, mit 245 Maschinen, Belegschaft 443.
Die A.D.I. (K) beruhen im Normalfall auf Erkentnisse von Vernehmungen von Kriegsgefangenen und bedürfen einer kritischen Überprüfung. In diesem Falle wurden jedoch Dokumente zitiert, die in "Goldfisch" erbeutet wurden und daher als unbedenklich gelten können.
LG
 
#24
Renke

Hallo Josef,

bleibt nur der Versuch eines Indizienbeweises.
1.) Laut der Liste A.D.I. (K) ist der Brauereikeller Liesing in der Verlagerungsliste der Flugmotorenwerke Ostmark, was von der Örtlichkeit her Sinn machen würde, nicht enthalten.
2.) Sicher läßt sich Renke 603 als Brauereikeller in Schwechat nachweisen (Verlagerung der Flugmotorenfertigung von Steyr), vgl. #12.
In der ADI (K) Liste finden sich dazu folgende Angaben: Underground Factory (!!!), Serienproduktion von Flugmotorenteile auf 12.060 m2, 729 Maschinen Belegschaftsstärke 1.075.
3.) Keller des Liesinger Brauhauses:
im Wiener Stadt- u. Landesarchiv fand ich einst ein Schreiben des Stadtrats Dr. Schreiter (Bauwesen) an den Reichsverteidigungskommissar für den Reichsverteidigungsbezirk Wien, vom 20.12.44, bezüglich Schnellpressen Verlagerung, Betr.: Ihr Schreiben vom 13.12.44.
In dem, anstelle von Räume in einem der Flaktürme, Keller des "Liesinger Brauhauses" vorgeschlagen wurden. Einem Antwortschreiben ist zu entnehmen, dass ... "die Sicherheit ... nur durch eine ausreichende Deckenverstärkung erzielt werden kann. Diese baulichen Veränderungen dauern nämlich sehr lange und bieten trotzdem nicht die Gewähr für vollkommene Trockenheit der Räume". Mann verzchtete darauf!

Natürlich kein hiebfester Beweis, aber ich meine das eine industriele Nutzung der Brauereikeller der Liesinger Brauerei nicht sehr wahrscheinlich war, da diese Großkeller damals auch für die Einlagerung von Lebensmittel (Obst u. Gemüse) unverzichtbar waren.
LG
Renato
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#25
Hallo Rento,
ein weiteres Dankeschön für die Infos!

Kann durchaus möglich sein, dass im "Liesinger Braukeller", wie auch aus deinen Unterlagen ersichtlich, letztendlich keine Verlagerung stattfand, aber bei den vorangegangenen Planungen ein Deckname vergeben wurde. Bei den Auflistungen bei Wichert gibt es einige solche Fälle, z.b. "Lucia" - Langenlois oder "Resi" - Retz...

Interessant finde ich den Hinweis auf die zu geringe Überdeckung beim Liesinger Keller. Z.B. weist die Kelleranlage der ex Verlagerung "Rosmarin" (Nibelungenwerke - Laufwerkteile Pz IV) in Furth-Göttweig (Ortsteil Aigen) nur eine Überlagerung von max. 6 m im Lößhang auf.

In den wenigen mir zur Verfügung stehenden Verlagerungshinweisen zu den SDP-Werken => Steyr-Daimler-Puch AG, Aufgliederung der Raumbilanz der Werke Steyr inkl. Konzern, Std. 15.03.45, sind die Brauereikeller Schwechat und auch Liesing nicht angeführt. Als Verlagerungsorte der "Flumo-Sparte des Werkes Steyr sind nur Letten, Hallein und die Planung für "Zement B" in Ebensee genannt. Hinweis in Fußnote: Planungsstand 15.03.1945, nicht berücksichtigt sind Kleinstverlagerungsstandorte im Raum Steyr und Verlagerungsorte, die nach dieser Planungsüberlegung ind die Standortüberlegungen miteinbezogen wurden...

In den Kelleranlagen in Schwechat müssten demnach Verlagerungen der "Flugmotorenwerke Ostmark" - Wr.Neudorf und der "Flumo-Sparte der SDP" untergebracht gewesen sein. Da in meiner Verlagerungsliste des Standortes Steyr kein Hinweis zu Schwechat zu finden ist, könnte es sich um einen Betriebsteil des Werkes/Standort Graz-Thondorf der SDP handeln - dort war ja die Einzelteilfertigung angesiedelt, in Steyr die Endmontage und Motorenprüfung.

lg
josef
 
#26
Hallo Josef,

ich glaube wir sollten die Flumo-Fertigungs Verlagerung einmal mit vereinten Kräften angehen. Meine Angaben beziehen sich auf den bereits genannten Bericht vom Sommer 44 (hier ist die reale Situation vom Sommer wiedergegeben, es sind aber auch Zieltermine für 1944/45 genannt).
Beginnen wir mit Steyr:
Oberirdische Verlagerungen: Znaim (completed), Wien Messehallen (compl.).
Unterirdische Verlagerungen: WBK Keller Schwechat (compl.), Budapest für Znaim (10.8.44), Budapest für Wien Messehallen (20.7.44), Budapest für Steyr (15.9.44).
SDP Werk Graz
Oberirdische Verlagerung:
Zementfabrik Peggau (30.7.44), Floriansäge Peggau (compl. 2.5.44), Murlager Gratkorn (compl. 16.6.44).
Unterirdische Verlagerung:
Salm I u. II Aflenz (compl. 25.6.44), Salm III u. IV Aflenz (20.10.44), Gambrinuswerk Graz (10.8.44), Felshütte Peggau (März 1945).

Nachdem die Werksgruppe Steyr (Motor DB 605) zur Gänze in den Raum Budapest verlagert wurde, wäre es denkbar das die Schwechater Keller (Renke 603) zu FMO kamen (Motor DB 603).
Bei der Rückverlagerung von Ungarn 1944/45 war Wien sicher nicht mehr sehr gefragt, die SDP orientierte sich industriepolitisch nach dem Zentralraum.
LG
Renato
 
#27
Nun zu den Flugmotorenwerke Ostmark:

Oberirdische Verlagerungen:
Strakosch B. I u. II Vösendorf (compl.), Schellenhof Keller Vösendorf (compl.), Schmimek? Pottendorf (compl. April 44), Dr. Macha & Co. Inzersdorf (compl. 4.44), Lange & Co. Brunn Felsenkeller (compl. 4/44), Neu. Keller Schwechat (compl. 4/44), Mechanische Weberei Mariental (compl. 4/44).
Unterirdische Verlagerungen:
Skoda Werker Dubnica (compl.)
Flakturm Wien (compl.)
Quarz I (geplant 65.000 m2, ansonst keine Angaben).

Zur Frage der Einschätzung einer ausreichenden Bombensicherheit und Überdeckung muß man wohl auch die örtliche Lage mit einbeziehen. Bei U-Anlagen in ländlichen Raum (z.B. Rohrbach oder auch Furth-Göttweig) konnte man wohl davon ausgehen, dass diese nicht gezielt bombardiert wurden. Anders war die Situation in Großstädten wie Wien und Linz, wo überall Bomben fielen (mangelnde Präzision - Kollateralschäden). Im Fall Liesing könnten auch die erheblichen Personenverluste vom Frühsommer 44, im Kellerkomplex Schellenhof, mitgewirkt haben. Aber solange keine Quellen auftauchen, ist alles Spekulation, obwohl das Fehlen von entsprechenden Hinweisen bei der Beurteilung auch nicht ignoriert werden darf.
Bei Bedarf bin ich für weitere Auskunfte zu den einzelnen Objekten gerne Bereit.
LG
Renato
LG
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#28
Hallo Renato,
bin vollkommen deiner Meinung, dass solange nicht stichhaltige Quellen vorliegen, sich die Dinge im Bereich der Spekulationen/Vermutungen bewegen! Jedenfalls ist mir jetzt klar, warum in meinen Listen z.B. der Brauereikeller Schwechat nicht aufscheint: Liegt in der zeitlichen Diskrepanz - deine Auflistung Stand Sommer 1944, meine Unterlage Stand 15.03.1945! Und wie du richtig schreibst, orientierte sich SDP bei den "zeitgerecht" durchgeführten Rückverlagerungen an/in den österreichischen Zentralraum. Dadurch konnte ein nicht unwesentlicher Teil des Maschinenparks den Zugriff der Roten Armee entzogen werden!

Betreffend der Bombensicherheit/Überdeckung von U-Verlagerungen stimmt es, dass die Luftgefährdung im urbanen, hochindustrialisierten Bereich im Raum Wien, hier speziell Liesing, weit größer als in der "Fläche der Provinz" war.

lg
josef
 
#29
Zitat:
Brauerei Schellenhof
Bundesland: Wien
Bezirk: Wien 23., Liesing
Gemeinde: Stadt Wien
Adresse: Wien 23., Ketzergasse 123 / Schellenhofgasse / Wildagasse
früher: Siebenhirten, Schellenhof Nr. 1
Homepage:
Bestand: vor 1622 - 1926
Produktion: 1845: 5.320 Eimer, 1858: 45.105 Eimer, 1894/95: 122.913 hl
Diverses: Gutsbrauerei; der Schellenhof wurde 1683 vor den herannahenden Türken zerstört
und 1685 samt Brauerei wieder aufgebaut; 1862 als Dampfbrauerei vollkommen
neu errichtet; 1926 Liquidation, die Brau- und Lieferrechte wurden von den
Wiener Verbandsbrauereien übernommen; während des 2. Weltkriegs diente die
Kelleranlage als U-Fabrik (Deckname „Sophie“) und während des Krieges als
Luftschutzkeller

- bei einem Bomben-Volltreffer am 29. Mai 1944 wurden rund
300 Personen getötet, die noch heute hier verschüttet liegen

Devotionalien: Bierdeckel, Etiketten, Rechnungszettel, Reklametafeln
Alte Ansichten: Postkarten, Fotografien
Bauzustand: 2006: nach dem verheerenden Bombenangriff 1944 befand sich an der Stelle des alten Edelsitzes nur mehr ein ausgedehntes Ruinengelände; die Reste wurden abgetragen und an ihrer Stelle 1960/61 die Wohnhausanlage „Brauhausflur“ der Gemeinde Wien errichtet; das Pförtnerhaus, das Direktionsgebäude, das Gärtnerhaus, ein Stadel und das Gebäude der ehemaligen Gastwirtschaft sowie der Kellerberg mit der weitläufigen, teilweise zerbombten Kelleranlage (Halauska- /Kellerberggasse) und der ehemalige Eisteich „Schellensee“ sind erhalten

unter #2 finden sich obige Angaben (Quelle aus dem Netz).
Da mir heute zufällig die entsprechenden Unterlagen in die Hände gekommen sind, möchte ich zur Kelleranlage der Schellenhofer Brauerei einiges klären:

Die zitierte Katastrophe am 29.5.44 gab es sicher nicht, die LS-Schadensmeldung/Schlussmeldung vom 31.5.44 gibt für ganz Wien 85 Tote und 4 Verschüttete an.

Die "300" dürften sich wohl auf den Luftangriff vom 23.8.1944 beziehen.

In einer 1. Meldung des Gaubefehlstandes Wien (an München u. Berlin) findet sich der Abschlusssatz: "In einem als LS-Keller gebrauchten Bierkeller der Schellenhofer Brauerei in dem Gefolgschaftsmitglieder zahlreicher umliegender Betriebe Zuflucht gesucht hatten, wurden bisher 15 Tote geborgen, zirka 100 Personen sind noch verschüttet."
In einer undatierten Liste der NSDAP Ortsgruppe Siebenhirten mit der Überschrift: "Personenschäden anläßlich des Fliegerangriffes am 23. August 1944 auf Siebenhirten" finden sich die Personalien von 78 Personen mit dem Ort des Todes "Knobl-Keller" und der Art der Verletzung "Verschüttet und Erstickt".

Die Schadensmeldung des Kreises Mödling (inklusive der Ortsgruppe Siebenhirten) meldete am 30.8.44 insgesamt 176 Tote und 2 Vermißte (davon allein 61 Tote in Brunn am Gebirge).

Demnach ist eine Zahl von 300 völlig unrealistisch, genau so wie die Angabe dass diese heute noch dort verschüttet sind.

Die LS-Schadensmeldung/Schlußmeldung vom 24. August (19.00 Uhr) meldet für Wien insges. 182 Tote, 30 Verschüttete und 3 Vermisste.
Am 31.8.44 gab es einen Nachtag zur LS-Schadensmeldung zum 23.8.44 (Anm.: einmaliger Vorgang für Wien während des ganzen Krieges!)
Darin heißt es: "Nach Beendigung der Bergungsarbeiten sind folgende Personenverluste zu beklagen: Tote insgesamt 271"

Da man am 24.8.44 bereits 215 Tote registriert hatte (182 Tote + 30 Verschüttete + 3 Vermißte) beträgt die Differenz zum 31.8.44 zwar gezählte 89 Tote, unter Berücksichtigung der als verschüttet und vermißt gemeldeten, hatte man 56 Tote zusätzlich geborgen.

In dieser Größenordnung der Verlustangaben ist kein Platz für 300 Tote, die im Schellenhof-Keller noch immer verschüttet sein sollen.
 
#31
Bei der Zuordnung der Decknamen für die Brauereikeller ist Vorsicht am Platz. So produzierte nachweislich der Rüstungsbetrieb mit der Tarnbezeichnung "Renke 603" (das 603 dürfte sich auf den Flugmotor DB 603 beziehen) in Schwechat (damals Wien 23. Brauhausgasse 10), mit einer Belegschaftsstärke von 1.700.
Quelle: Luftschutz-Schadensmeldung (Schlußmeldung) über den am 8.2.1945 von 12.26 bis 13.40 erfolgten Luftangriff auf den LS-Ort Wien.
Im Betrieb Renke 603 wurden an diesen Tag getroffen:
Werksgebäude, schwer, 3 Sprengbomben
Werkshalle, mittelschwer, 1 Sprb.
Klederinger Keller, mittelschwer, 1 Sprb.
Vor Büroanlage, mittelschwer, 1 Sprb.
Werksküche, leicht 1 Sprb.
Produktionsausfall: 100% auf etwa 3 Wochen.
LG Zwölfaxinger
Renke 603 für Flugmotorenwerke Ostmark bestätigt!
Quelle: Imperial War Museum, Besprechungsprotokoll bei F. O. W., 9.3.1944 - 11.30 Uhr.
Hier ging es um die Freigabe des Felsenkellers in Dresden für die Röhrenfertigung (Fa. Osram).
Diesing (OKL) antwortete: "Er hat gesagt, dass wir den Schwechater Keller für die Ostmarkwerke bekommen; nur deshalb ist der Felsenkeller vom Reichsmarschall freigegeben worden."
 
W

Wienermaedl

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#32
Ich wohne da am Kellerberg wo die Schellenhof Brauerei einmal stand und hab mich vor einem Jahr mit einer sehr alten Dame unterhalten die seit ihrer Geburt hier wohnt. Sie hat den Luftangriff danmals mit erlebt und hat mir berichtet das man die Verschütteten schreien gehört hatte und auf die Frage warum man sie nicht ausgräbt wurde nur geantwortet das sie in ein paar Tage eh nicht mehr zu hören seien.


LG Wienermaedl
 

Geist

Worte im Dunkel
Mitarbeiter
#33
Im Wiener Stadt- u. Landesarchiv wurde ich heute zufällig fündig bezüglich Schellenhof. Siehe Anhänge: Auf Seite 2 steht der Hinweis auf den Schellenhof und auf Seite 3 eine Auflistung der Fabrikate, die bei dem Bombenabwurf am 23.08.1944 zwischen 12 und 13 Uhr zerstört wurden.
 

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R

ratte2011

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#34
bin mir nicht mehr sicher ob ich die bilder schon reingegeben habe.egal hier einige überbleibsel von der anlage.
 

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