"Landwehr-Train" mit Benzin- und Elektroantrieb

josef

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Weiterführender Beitrag zum Rätselthema Fahrgestell eines "Austro-Daimler C-Zuges":
"Landwehr-Train" mit Benzin- und Elektroantrieb fuhr auch auf Straßen
Sportwagen von Porsche laufen "wie auf Schienen". Das ist oft zu lesen, seltener aber, dass es veritable Porsche-Konstruktionen gegeben hat, die tatsächlich auf Schienen liefen. Allerdings ist das auch schon ein paar Jahre her.
Ferdinand Porsche, 1875 im böhmischen Maffersdorf geboren, war seit Juli 1906 technischer Direktor der Österreichischen Daimler-Motoren-Gesellschaft in der Wiener Neustadt. Automobilfreunde wissen, dass von dort die "Austro-Daimler" kamen, repräsentativ und verwöhnt von Rennerfolgen. 1912 folgt Porsche einer Idee des k.k.-Obersten des Generalstabs Ottokar Landwehr von Pragenau und beginnt mit der Entwicklung des nach diesem benannten "Landwehr-Train". Dabei handelte es sich um einen Zug, der auf der Schiene als auch auf der Straße fahren konnte und das "mit gemischt benzin-elektrischem Antrieb".
Diese Züge bestanden aus einem Generatorwagen und auf der Straße bis zu fünf, auf der Schiene bis zu zehn Anhängewagen mit jeweils 5 t Nutzlast. Für den Schienenbetrieb wurden auf die vollgummibereiften Straßenräder stählerne Scheiben mit Spurkränzen aufgeschraubt. Ein 100-PS-Benzinmotor im Generatorwagen war mit einem 70-kW-Dynamo direkt gekuppelt. Der lieferte die elektrische Energie über Kabel vom ersten bis zum letzten Wagen an E-Motoren, die jede zweite Achse antrieben.
Der Generatorwagen war also keine "Lokomotive" im herkömmlichen Sinne, sondern sozusagen ein Führerfahrzeug mit eingebauter Kraftzentrale. Der Vielachsantrieb gestattete es dabei, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Einerseits war der Betrieb mit geringen Achsdrücken von weniger als 5 t möglich, andererseits ergab sich eine bis dahin weder auf der Straße noch gar auf der Schiene je zuvor erreichte Steigfähigkeit.


Diese Eigenschaften waren von besonderer Bedeutung, weil der "Landwehr-Train" primär für militärische Transportzwecke konzipiert war. Er sollte auch auf unbefestigten Straßen und selbst auf provisorisch verlegten Feldbahngleisen schwerste Lasten transportieren können, von Mörsern und Haubitzen bis zum Verpflegungsnachschub. Generaloberst von Pragenau hatte sogar penibel berechnet, welche Proviantmengen den jeweils 2 t Nutzlast der Einzelwagen für den Straßentransport entsprachen – z. B. 50 Säcke Hafer oder 47 Säcke Mehl, 66 Kisten Fleischkonserven oder 40 Säcke Feldzwieback, 48 Kisten "Frühstückskaffeekonserven" oder "Brot: 1400 Wecken à 1,4 kg = 1960 kg".

Nach Beginn des ersten Weltkrieges wurde der Zug mit einem 150 PS leistenden Sechszylindermotor ausgerüstet. Die kurzen Wagen verfügten über eine Spurfolgeeinrichtung, die auch auf der Straße ein Schlingern des Zuges verhinderte. Gerade deshalb allerdings durfte er nicht allzu häufig dieselbe Straße benutzen: Die Räder folgten einander so exakt, dass sie trotz des relativ niedrigen Achsdrucks die Straßendecken bald bis zum Grund durchschnitten. Ununterbrochen während des ganzen Krieges indessen fuhren sie auf Schienen der unterschiedlichsten Spurweiten und Qualitäten.
Fahrtrichtungsänderungen gingen dabei übrigens problemlos vonstatten; denn Porsche hatte von vornherein Wendezugeigenschaften vorgesehen, die bei den deutschen Eisenbahnen erst Jahrzehnte später eingeführt wurden. Der letzte Anhänger verfügte über einen Führerstand, von dem aus die Geschwindigkeit elektrisch geregelt und die Bremsen betätigt werden konnten. Dank fixierbarer Achsschenkellenkung dieses Anhängers funktionierte das Ganze übrigens ebenso gut auf der Straße.
Bis 1915 hatte Porsche das System zum "C-Zug" weiterentwickelt, dessen 59-seitige "Betriebsvorschrift" überliefert ist. Ihre "Überlassung an dritte Personen bzw. Übersetzung in fremde Sprachen" würde "strafgerichtlich verfolgt", hieß es damals. Im Lastenheft stand ausdrücklich die Möglichkeit "schneller Beförderung auf Eisenbahngeleisen".
Zum Wechsel von Straßen- auf Schienenbetrieb, so die Betriebsvorschrift, müssen die Straßenräder abgenommen werden. Hierzu fuhr der C-Zug mit den innen liegenden Eisenbahnrädern auf das Gleisprofil einer keilförmigen Auffahrvorrichtung, die auf das Gleis aufgelegt wurde. Dadurch wurden die Räder vom Boden abgehoben und konnten abmontiert werden. "Schwer abgehende Straßenräder lockert man durch Hammerschläge auf den Kranz ... Das Umstellen ... auf Schienenfahrt erfordert bei gut geschulter Mannschaft etwa 45 Minuten."
Den Einsatzbereich des C-Zuges hatten die k.k.-Militärs nicht eben kleinlich bemessen. Ausdrücklich war eine "Spurerweiterung auf russische Weite" vorgesehen: "... muß bei den Vorderrädern des Generatorwagens der Achsbügel durch die Schraube gelöst, die Radnabe mittels der Spurverstellvorrichtung herausgeschoben und der Bügel nun zum Zusammenhalt des Nabenbundes neu aufgebracht werden. Bei den anderen Radachsen wird das Laufrad samt dem vorgestreckten Distanzring abgenommen und die neue Spurweite durch Einsetzen des Distanzringes hinter das Rad zwischen Radnabe und Bund erreicht." So einfach ging das damals schon.
Und mit der in vier Teile zerlegten 81,7 t schweren österreichischen 38-cm-Haubitze erreichte der C-Zug auf der Schiene eine Höchstgeschwindigkeit von 27 km/h und eine Steigfähigkeit von immerhin 90 %. Zum Transport jedes der Geschützteile diente allerdings je ein vierachsiger Transportwagen und ein eigener 150-PS-Generatorwagen. Einige von Porsches Austro-Daimler-C-Zügen tauchten sogar noch um 1941 auf mitteleuropäischen Schienen auf.
Quelle: http://www.schule.de/bics/son/verkehr/presse/2000_2/v4002_67.htm

Dazu habe ich einige Fotos zusammengesucht:

1. Die Ursprungsversion des "Landwehr-Trains" 1913 bei der Erprobung auf der Semmeringstraße.
2.- 4. Probefahrten des C-Zuges als Schienenfahrzeug bei und im Bf. Puchberg am Schneeberg.
5. C-Zug bei der Umrüstung von Schienen- zur Straßenfahrt.
6. C-Zug Generatorwagen mit auf 2 Elektrofahrgestellen verlasteten Geschützrohr.

Bildquellen: 1., 5.u.6. Museum Mürzzuschlag, 2.-4. aus Slezak; "Kanal – Nostalgie – Aspangbahn" bzw. “Vom Schiffskanal zur Eisenbahn"
 

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