"Lichtverschmutzung" - Nächte werden immer heller

josef

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#1
Wie Lichtglocken die Nacht verdrängen...

An einigen Orten der Welt strahlt der Nachthimmel mittlerweile Hunderte Male heller als vor Einführung des künstlichen Lichts. Das hat ein Team verschiedener deutscher Forschungsinstitute gemeinsam mit internationalen Partnern herausgefunden. An 30 von 50 untersuchten Orten - darunter zwei in Österreich - leuchtete der Nachthimmel demnach mehr als doppelt so hell wie ein natürlicher Nachthimmel. Die Studienautoren warnen vor den unabsehbaren Folgen, die die nächtlichen Lichtglocken auf Menschen, Fauna und Flora haben können. In Österreich sind demnach 80 Prozent der Bevölkerung vom nächtlichen Lichtsmog betroffen.

Tiefschwarze Nächte werden rar
Bilder von Weltraumsatelliten zeigen deutlich, wie hell vor allem die westliche Welt nachts leuchtet. Und das nicht nur in den Metropolen: Kaum ein Weg, der heutzutage nicht beleuchtet wird, jedes durchschnittliche Einfamilienhaus verfügt über barocke Beleuchtung. Diverse Lichtquellen sorgen für eine permanente Lichtglocke am nächtlichen Himmel. Richtig dunkel wird es selten.


Straßenbeleuchtung, Werbeschilder, Fassadenstrahler, hell erleuchtete Wohnungen, Häuser, aber auch Lichtkonzentrationen in ruralen Gebieten - etwa beleuchtete Skipisten - streuen jede Menge Licht in die Atmosphäre, das in der Folge eine Art Schleier über den Himmel legt. Diese Lichtglocken hellen den Himmel sogar noch in weiter Entfernung auf - am stärksten im Horizontbereich. Der Nachthimmel vor allem über Ballungszentren leuchtet so hell, dass man keine Sterne mehr sehen kann.

An einigen Orten strahlt er mittlerweile Hunderte Male heller als vor Einführung des künstlichen Lichts, schlägt nun eine neue große Metadatenstudie Alarm. Erstmals erforschte ein Team verschiedener deutscher Forschungsinstitute dieses Phänomen gemeinsam mit internationalen Partnern aus zwölf Ländern in Europa, Nordamerika und Asien - darunter Österreich. Die Studie, die unlängst im Fachjournal „Scientific Reports“ veröffentlicht wurde, ist die bisher umfangreichste ihrer Art, bisherige zum Thema waren regional begrenzt.

Enorme Unterschiede am Himmel
An 30 der 50 untersuchten Orte leuchtete der Nachthimmel demnach mehr als doppelt so hell wie ein natürlicher Nachthimmel, so Studienautor Christopher Kyba vom GeoForschungsZentrum Potsdam. Der hellste Ort war das niederländischen Schipluiden. Dort leuchtete der Himmel 10.000-mal heller als über dem dunkelsten Ort der Studie, Kitt Peak in den USA.


„Das Ausmaß von 10.000-mal hat uns schon überrascht“, so Koautor Franz Hölker vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin. Der bedeckte Nachthimmel über Berlin zeigte sich etwa 300-mal heller als über der Nordseeinsel Schiermonnikoog in den Niederlanden. „Diese Spanne ist sehr viel größer als wir sie tagsüber beobachten können“, sagte Kyba.

Wolken verstärken Phänomen
Die Studie bestätigte, dass Wolken die Helligkeit enorm beeinflussen können und wie Verstärker wirken. Wenn es bewölkt ist, sind die Nächte sogar noch heller, weil das Licht dann von den Wolken reflektiert wird. „Die in den Wolken enthaltenen Wassertropfen können das vom Boden abgestrahlte Licht meist nicht absorbieren und reflektieren einen Großteil davon zurück auf die Erde“, beschreibt Kyba das Phänomen. So werden helle Gegenden in bedeckten Nächten sogar noch heller. Umgekehrt verdunkeln Wolken in abgelegenen Gegenden den Nachthimmel - weil sie Mond- und Sternenlicht abschirmen.


„Beleuchtete Skipisten heller als Städte“
In Österreich beteiligten sich zwei Messstationen: Auf der Universitätssternwarte in Wien und auf dem Mitterschöpfl, dem höchsten Berg des Wienerwaldes, wird seit 2012 jede Nacht alle sieben Sekunden die nächtliche Himmelshelligkeit gemessen. Das Fazit der österreichischen Studienpartner: 80 Prozent der Bevölkerung in Österreich sei vom Phänomen Lichtverschmutzung stark betroffen, und in Wien sei der Nachthimmel bis zu 1.500-mal heller als natürlicherweise, so Thomas Posch vom Institut für Astrophysik der Uni Wien gegenüber ORF.at.


Nicht nur die Ballungsräume seien betroffen. So sendeten etwa im Winter grell erleuchtete Skipisten jede Menge Licht in die Erdatmosphäre. Sie seien sogar hellere Streulichtquellen als so manche Städte, so Posch. Durch die Aufhellung des Nachthimmels sind laut Posch am durchschnittlichen Nachthimmel in Österreich nur noch zehn Prozent der eigentlich mit freiem Auge sichtbaren Sterne zu erkennen.

Zusammenhang mit Krankheiten befürchtet
Zu viel Licht könne zum gesundheitlichen Problem werden, da es etwa die Melatonin-Ausschüttung verhindert, so Posch. Die Schlafqualität sei schlechter, das Risiko für Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Fettleibigkeit und hormonabhängige Krebsarten erhöht. Posch verweist in diesem Zusammenhang auf Studien zu den gesundheitlichen Risiken von Schichtarbeit. Dass eine Reihe von Zivilisationskrankheiten in Zusammenhang mit zu viel Licht stehen könnten, sei derzeit Gegenstand „intensiver Forschung“.


Man stehe noch am Anfang, diese Effekte zu verstehen, räumt auch Kyba im Interview mit ORF.at ein. Wie sich der Trend der hellen Nächte fortsetzt, ist demnach ebenfalls noch unklar. Schon jetzt warnen die Studienautoren aber davor, dass natürliche Verhaltensmuster von Tieren, etwa die nächtliche Navigation mancher Arten und die Beutesuche, durch den künstlichen „Skyglow“ negativ beeinflusst werden. Auch die Fortpflanzung der Tiere könne darunter leiden. Kyba verweist auf geplante Untersuchungsreihen zu den Auswirkungen: Bald startet demnach eine Forschungsstudie an einem künstlichen See nahe Berlin, in der die Himmelshelligkeit simuliert wird.

Sterneschauen mit App
Obwohl die Studie breit angelegt ist, bilde man leider „nur einen Bruchteil des rapiden Wandels durch künstliche Beleuchtung ab“, so Kyba. Die Studienautoren fordern deshalb ein internationales Netzwerk an Messstationen. Um zu ergänzenden Daten zu gelangen, entwickelte Kyba die App „Verlust der Nacht“. App-User können Sternkarten herunterladen und mit dem aktuellen Sternbild vergleichen. Die Daten werden anonymisiert und ausgewertet. Daraus gewonnene Informationen sollen vermutlich noch heuer analysiert werden.


Im heurigen „Jahr des Lichts“ gibt es zudem ein internationales Citizen-Science Projekt namens „Globe at Night“, wo jeder die Helligkeit des Nachthimmels messen und die Daten mit seinem Mobiltelefon, Tablet oder Computer einschicken kann. In Österreich hat die Kuffner-Sternwarte in Wien schon 2001 eine ähnliche Initiative namens „Wie viele Sterne sehen wir noch?“ ins Leben gerufen. „Ich finde diese Projekte sehr gut, weil sie den Wissenschaftlern erstens Resultate liefern und andererseits das Problem der Lichtverschmutzung bewusst und greifbar machen“, so Posch. Auch für ihn gestalteten sich Prognosen aus der neuen internationalen Studie als schwierig, da noch nicht lange genug gemessen worden sei. Er verweist allerdings auf ältere italienische Studien, die einen exponentiellen Anstieg der Lichtverschmutzung mit sechs bis sieben Prozent Wachstum im Jahr ableiteten.

„Praxis hinkt Forschung hinterher“
Dass Handlungsbedarf besteht, ist für den österreichischen Astrophysiker unbestritten: „Die Ebene der Praxis hinkt der wissenschaftlichen Forschung hinterher“, so Posch im ORF.at-Interview. Seit 300 Jahren, als man die Straßen mit öffentlicher Gasbeleuchtung erhellte, glaube man, dass Licht die Öffentlichkeit nur erfreuen könne, sagte er unlängst gegenüber der APA. „Aber irgendwo gibt es da Grenzen, und das ist in der Politik noch nicht richtig angekommen.“ Von einer Leuchtmittelgeneration zur nächsten würde man sich nicht fragen, wie viel Licht man eigentlich braucht, sondern sich nur freuen, dass man mit der gleichen Menge Energie alles noch heller erleuchten kann.


Posch registriert im ORF.at-Interview allerdings erste positive Tendenzen Richtung umweltbewusster Beleuchtung - auch im öffentlichen Raum. Als aktuelles Vorzeigeprojekt nennt er die Initiative „Besseres Licht“ des Landes Oberösterreich. Der Leitfaden für Alternativen zum Lichtsmog wurde an alle Gemeinden des Landes verteilt. Grundsätzlich solle Licht nach unten gerichtet sein, wie viele LEDs es tun, es soll bedarfsgerecht eingesetzt werden und so wenig kalt-weiße Anteile wie möglich besitzen, empfiehlt Posch. Der Kostenfaktor spiele leider eine gewichtige Rolle: Dimmbares und gelbliches bzw. warmweißes Licht sei in der Anschaffung etwas teurer. Und weil LEDs energiesparend sind, werde auf Dimmbarkeit gerne verzichtet, kritisiert Posch.

Doris Manola, ORF.at
Neue Großstudie: Wie Lichtglocken die Nacht verdrängen
 
H

Harald 41

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#2
Na da kommt der ORF erst jetzt drauf, diese Problem wurde in der Astrofotografie schon vor mindestens 20 Jahren angeprangert.

Ich verwendete damals schon einen UHC Filter in Niederösterreich, allerdings nur zu beobachten lichtschwacher Objekt am Sternenhimmel ( und das aber ca. 25km von der Wiener Stadtgrenze entfernt.
Dieser Filter blockt 95% der künstlichen Himmelsaufhellung ab.

http://de.wikipedia.org/wiki/UHC-Filter

https://www.google.at/search?q=uhc+...6gziVL7QB8TKOtyugcAF&sqi=2&ved=0CB4QsAQ&dpr=1

LG Harry

PS: Bei uns in DW sind sie schon etwas wiffer, hier wurde schon auf LED Strassenbeleuchtung umgerüstet.

Ist aus heutiger Sicht auch nur ein Tropfen auf den heissen Stein.
 

josef

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#3
Forscher messen Lichtverschmutzung
Wie stark verdrängt Kunstlicht das Dunkel der Nacht in Österreich? Diese Frage wollen Forscher unter der Leitung des Naturhistorischen Museums (NHM) analysieren. Das Projekt wird mit 220.000 Euro gefördert.
Das künstliche Licht verdränge die Nacht zunehmend: Allein das von Wien aus ungenutzt abgestrahlte Licht nehme pro Jahr um sechs Prozent zu. Das entspricht insgesamt einer Verdopplung in weniger als zwölf Jahren. Wie dieser Prozess voranschreitet und wie dem entgegengewirkt werden kann, wird etwa der Astronom Günther Wuchterl untersuchen.

An dem Projekt „Lebensraum Naturnacht“ sind neben dem KHM als Koordinator auch der Verein Kuffner-Sternwarte, das E.C.O. Institut für Ökologie und der Umweltdachverband beteiligt. Die EU und das Landwirtschaftsministerium fördern es mit über 220.000 Euro.


G. Wuchterl/ Kuffner Sternwarte
Am Donnerstag findet der Internationalen Tag des Lichts der UNESCO statt

Umweltbelastung und Verschwendung
Auch die Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt sowie auf die innere Uhr und Gesundheit des Menschen sollen beleuchtet werden. Das in Klagenfurt ansässige E.C.O. möchte etwa Empfehlungen für Schutzgebiete ausarbeiten. Außerdem gehe es um die Entwicklung von „naturpädagogischen Angeboten“, um die Öffentlichkeit auch in Veranstaltungen auf das Thema aufmerksam zu machen.

Für den Direktor des NHM, Christian Köberl, geht es bei dem Thema „nicht nur um das Erlebnis der Naturnacht, sondern auch um Umweltbelastungen und die Verschwendung gigantischer Mengen an Energie und Ressourcen“.


ORF
Neuen LED-Leuchten sollen die Lichtverschmutzung in Wien reduzieren

Maßnahmen gegen Lichtverschmutzung
Statt der bekannten Seilhängeleuchten wird es in Wien bald überall runde LED-Leuchten geben. Die MA 33 rüstet derzeit die Straßenbeleuchtung um. Damit soll auch die Lichtverschmutzung reduziert werden - mehr dazu in LED-„Vintage-Leuchten“ im ersten Bezirk.

Köberl forscht seit Längerem zum Thema Lichtverschmutzung und meint, dass jeder Einzelne etwas dazu beitragen kann, Lichtverschmutzung in der Stadt zu verringern - mehr dazu in Kritik an Weihnachtsbeleuchtung zu Ostern.

Links:
Publiziert am 15.05.2019
Forscher messen Lichtverschmutzung
 

josef

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#4
„Lock-down“: Mehr Sterne über Wien zu sehen
Der coronavirusbedingte „Lock-down“ hat in Wien die Lichtverschmutzung verringert. Jetzt sind über Wien wieder mehr Sterne zu sehen, meldete der Verein Kuffner-Sternwarte am Donnerstag.
Online seit heute, 13.10 Uhr
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Die Städte werden nicht nur größer, sondern auch immer heller. Neben Luftverschmutzung und Lärm zählt die sogenannte Lichtverschmutzung zu den größten Umweltbelastungen in Siedlungsgebieten. In Wien war sie im ersten Monat der Maßnahmen so gering, wie zuletzt vor fünf Jahren.

Günther Wuchterl
Die durch den Menschen verursachte künstliche Aufhellung des Nachthimmels hat weitreichende Auswirkungen

„Die Messdaten zwischen 15. März und 14. April zeigen Werte, wie sie zuletzt im Jahr 2015 typisch waren“, sagte Günther Wuchterl vom Verein Kuffner-Sternwarte in einer Aussendung des Naturhistorischen Museum (NHM) Wien am Donnerstag. Der Verein Kuffner-Sternwarte betreibt als Partner des NHM beim Projekt „Lebensraum Naturnacht“ ein Lichtmessnetzwerk. Wuchterl zufolge ist der Rückgang auf die Einschränkungen der Wirtschaft im Zuge der Maßnahmen zurückzuführen, die genauen Ursachen würden aber noch detailliertere Analysen erfordern.

Sechs Prozent Zuwachs pro Jahr
„Im langjährigen Durchschnitt wächst die Lichtverschmutzung Wiens um rund sechs Prozent pro Jahr. Dieser Trend hat sich jetzt umgekehrt, indem der Zuwachs von fünf Jahren mit einem Schlag rückgängig gemacht wurde“, so Wuchterl. Sollte nun ein Umdenken stattfinden, dass eine derart exzessive Nutzung von Licht nicht unbedingt notwendig ist, könnte sich die erfolgte Reduktion zumindest teilweise als nachhaltig erweisen.

„Damit ließen sich nicht nur Kosten einsparen, sondern am Ende auch ein wesentlicher Betrag zum Umweltschutz leisten“, so NHM-Generaldirektor Christian Köberl. Trotz des Rückgangs der Lichtverschmutzung würden die Wiener Werte noch immer zehn- bis 20-fach über jenen liegen, die derzeit noch in den weitestgehend naturbelassenen Nächten, wie beispielsweise im Wildnisgebiets Dürrenstein in Niederösterreich gemessen werden.

G. Wuchterl, Verein Kuffner-Sternwarte
Derzeit sind mehrere Sternbilder, wie im Bild markiert, deutlich zu erkennen

„Naturnacht erhalten“
„Das zeigt, dass wir noch sehr viel Arbeit vor uns haben, wenn wir die Naturnacht in Österreich auch für kommende Generationen erhalten wollen“, so Christoph Goldmann, Leiter des Projekts „Lebensraum Naturnacht“ im NHM. Er hofft, dass die neuen Messungen dabei helfen, die „Ursachen und Beiträge zur Lichtverschmutzung und damit auch die Ursachen der Bedrohung jener Lebensräume zu verstehen, deren Erhaltung für Mensch und Tier lebenswichtig sind“.
07.05.2020, red, wien.ORF.at/Agenturen

Link:
„Lock-down“: Mehr Sterne über Wien zu sehen
 

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#5
Wetterphänomen: Himmel leuchtet

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Immer häufiger nimmt der Himmel über Wien außergewöhnliche Farben an. Vor allem bei nebligem Wetter in den Abendstunden ist dieses Phänomen zu beobachten. Zuletzt war das im Westen von Wien der Fall. Der Grund ist Lichtverschmutzung.
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„Durch die meteorologischen Gegebenheiten scheint dieser Effekt hier besonders stark ausgeprägt zu sein“, erklärte Radio-Wien-Meteorologe Kevin Hebenstreit. Unter dieser Lichtverschmutzung wird die Aufhellung des Nachthimmels durch künstliches Licht bezeichnet. Meist kommt dieses Wetter-Phänomen durch die Reflexion der städtischen Beleuchtung an den Wassertröpfchen des Nebels zustande.

In der vergangenen Woche war eine derartige Lichtverschmutzung im Westen von Wien zu beobachten. Auch an den Bewohnerinnen und Bewohnern ging dieser Himmel nicht unbemerkt vorbei. „Mir sind immer schon die richtig intensiven Sonnenuntergänge aufgefallen“, sagte Franz W., ein Anrainer nahe der Westausfahrt. Meteorologe Hebenstreit vermutet, dass dieses Phänomen häufiger bei Autobahnauffahrten aufgrund der vielen Straßenleuchten zu beobachten sei. Dasselbe Phänomen lasse sich auch über dem Nebel wahrnehmen, insbesondere auf Bergstationen, ergänzte er.

ORF/Gerald Heidegger
ORF/Gerald Heidegger

Lichtverschmutzung kann Gesundheit schaden
Vor allem Großstädte sind von dieser Lichtverschmutzung betroffen. Verursacht wird sie von diversen Lichtquellen: Ob durch die öffentliche Beleuchtung von Straßen und von Denkmälern oder durch die private Beleuchtung von Geschäften. Die wesentlichen Probleme an der Lichtverschmutzung sind die Auswirkungen auf den Menschen. Aufgrund der Störung des Hell-Dunkel-Rhythmus kann es zu Schlafproblemen kommen. Um den Anteil der Lichtverschmutzung durch die Straßenbeleuchtung in Zukunft zu minimieren, werden die alten Leuchten gegen neue LED-Seilhängeleuchten ausgetauscht.
18.11.2020, red, wien.ORF.at

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Wetterphänomen: Himmel leuchtet
 

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#8
Region Attersee-Traunsee wird „Sternenpark“
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Die Region Attersee-Traunsee wird zum ersten „Sternenpark“ in Österreich. Die gegen die Lichtverschmutzung kämpfende „International Dark Sky Association“ hat ein über hundert Quadratkilometer großes Gebiet zwischen den beiden Seen zum „Dark Sky Park“ erklärt.

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Weltweit gibt es knapp 150 solche „Nachtlandschaftsschutzgebiete“ unterschiedlicher Ausprägung, rund 35 davon in Europa. „In Europa, aber auch weltweit wird die Lichtverschmutzung zu einem immer größeren Problem“, erklärte Stefan Wallner vom Institut für Astrophysik der Universität Wien in einer Aussendung. Dafür gebe es viele Gründe, die teilweise leicht zu vermeiden wären. So seien Lichtquellen häufig zu stark und würden dorthin leuchten, wo kein Licht gebraucht werde. Zudem würden oft Lampen mit „schädlichen Lichtfarben“, konkret zu hohem Blaulichtanteil, verwendet.


Peter Oberransmayr
Durch möglichst wenig künstliches Licht soll die Milchstraße wieder leichter zu erkennen sein

Das erschwert nicht nur Astronomen die Beobachtung, sondern hat auch Folgen für die Natur und die Menschen, wie zahlreiche Studien belegen: Das künstliche Licht stört den biologischen Tag-Nacht-Rhythmus. Der Raub der Nacht führt zu Vogel- und Insektensterben und macht Menschen anfälliger für Krebserkrankungen.

„Wichtiger Schritt für Biodiversität“
Vor diesem Hintergrund wurde nun der erste „Sternenpark“ Österreichs etabliert, als gemeinsames Projekt der oberösterreichischen Landesregierung, des Naturparks Attersee-Traunsee, der Uni Wien und weiterer lokaler Partner. Für Wallner ist das ein „wichtiger Schritt für Biodiversität und den Schutz des natürlichen Nachthimmels“. „Unser Ziel muss sein, dass wir schädliche Licht- und auch Energieverschwendung schrittweise verringern“, sagte Oberösterreichs Klimalandesrat Stefan Kaineder (Grüne). Durch Eindämmung der Lichtverschmutzung könne man „einen gesunden Lebensraum für Mensch und Tier sowie die eindrucksvolle Nachtlandschaft bestmöglich erhalten“.

Johannes Horvath
Die Gahberg-Kapelle im Sternenlicht

Der „Sternenpark“ umfasst ein über hundert Quadratkilometer großes Gebiet zwischen Attersee und Traunsee mit den Gemeinden Weyregg, Schörfling, Aurach, Altmünster und Steinbach. In dem Licht- und Landschaftsschutzgebiet geht es um den bestmöglichen Schutz der nächtlichen Dunkelheit und der natürlichen Nachtlandschaft vor Lichtverschmutzung. Ausgewählt wurde das Areal nach einer wissenschaftlichen Analyse durch das Institut für Astrophysik der Uni Wien.

Öffentliche Beleuchtungen werden angepasst
Als Hauptkriterium nannte Wallner, dass die Milchstraße mit bloßem Auge leicht zu sehen ist. „Das war rund um das Höllengebirge leicht erfüllt.“ Weiters sollen sich in der Nähe keine signifikant aufscheinenden künstlichen Lichtquellen befinden und vorhandene Lichtkuppeln, etwa von Städten, nur sehr beschränkt und nahe dem Horizont sichtbar sein.

Im Zuge des Projekts wurden auch die Kriterien für die öffentliche Außenbeleuchtung in der Region angepasst: So werden zum Beispiel Lampen abgeschirmt, um Streulicht zu vermeiden, und, wo möglich, in der Nacht abgeschaltet oder gedimmt. Zudem werden Leuchtmittel auf umweltfreundliche warm-weiße Lichtfarben umgerüstet. Zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags erfüllten in der Region Attersee-Traunsee bereits knapp 75 Prozent der öffentlichen Beleuchtung diese Kriterien, sagte Wallner gegenüber der APA.

pixabay/EvgeniT
Der „Sternenpark“ soll mehr Touristen in das Gebiet bringen

Die Gemeinden haben sich verpflichtet, alle Lichtquellen im „Sternenpark“ in den nächsten zehn Jahre entsprechend umzurüsten, erklärte der Geschäftsführer des Naturparks Attersee-Traunsee und Koordinator des „Sternenparks“, Clemens Schnaitl. Die Umstellung von Beleuchtung im privaten Bereich müsse durch Sensibilisierung und Motivationsarbeit erreicht werden, so Wallner.

Für den Astronomen sind durch die Maßnahmen bereits Verbesserungen erkennbar: „Die Menge an unnötiger Beleuchtung wie Streulicht oder nicht zu beleuchtende Flächen hat durch optimal ausgerichtete Lampen und Abschirmungen stark abgenommen.“ Oberösterreich hat als erstes Bundesland ein eigenes Messnetz für die Lichtverschmutzung installiert. Seit 2014 erfasst ein Lichtmessnetz mit mittlerweile 24 Stationen den Helligkeitsverlauf jeder Nacht.
pixabay/EvgeniT

„Sternenpark“ soll auch touristische Entwicklung fördern
Mit dem „Sternenpark“ sollen auch die touristische Entwicklung der Region gefördert und Sterneninteressierte gezielt angesprochen werden. Geplant sind etwa Veranstaltungen zum Thema Sternenhimmel und Nachtlandschaft im „Sternenpark“, unterstützt auch von der Sternwarte Gahberg des Astronomischen Arbeitskreises Salzkammergut. Laut Wallner gibt es in Österreich weitere Bemühungen um die Einrichtung von „Sternenparks“. Als Beispiel nannte er das Biosphärenreservat Lungau in Salzburg und die Region Sterngartl Gusental in Oberösterreich.
08.04.2021, red, ooe.ORF.at/Agenturen

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Region Attersee-Traunsee wird „Sternenpark“
 

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#9
Stadt Salzburg: „Licht aus“: Denkmäler für eine Nacht dunkel
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Am Dienstag, 7. September bleiben ab 22.00 Uhr in der Stadt Salzburg für eine Nacht die Denkmäler im Dunkeln. Es ist ein Zeichen gegen die Lichtverschmutzung und unterstützt die weltweite Earth Night.
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Die Earth Night ist eine weltweit durchgeführte Aktion, die sich kritisch mit der zunehmenden Lichtverschmutzung und ihren negativen Folgen auseinandersetzt. In der Nacht vom 7. auf 8. September werden Menschen auf der ganzen Welt dazu eingeladen, den Einsatz von künstlichem Licht zu reduzieren.

Denn zu viel an künstlichem Licht schadet nicht nur der menschlichen Gesundheit, irritiert Pflanzen und Vögel, sondern ist auch eine pure Energieverschwendung. Besonders Insekten leiden unter der Lichtverschmutzung, die als Pflanzenbestäuber eine große Bedeutung für unser Ökosystem haben.

100 Baudenkmäler unbeleuchtet
Im Rahmen der Earth Night schaltet die Stadt ab 22 Uhr die Anstrahlung von rund 100 großen und kleinen Baudenkmäler wie z.B.: Festung Hohensalzburg, Dom, Glockenspiel und Residenz, aber auch einige Brunnen (Pegasusbrunnen, Papageno Brunnen, Wilder–Mann Brunnen) aus.
„Die Teilnahme der Stadt an der Earth Night 2021 ist ein wichtiger Beitrag gegen die Lichtverschmutzung. Gleichzeitig sind wir alle eingeladen in dieser Nacht den Einsatz von Kunstlicht zu reduzieren – für unsere Gesundheit und unsere Natur,“ so Umwelt- und Baustadträtin Martina Berthold und weiter: „Dann können wir den Sternenhimmel auch umso mehr genießen.“

Die Earth Night wurde 2020 ins Leben gerufen von der Initiative „Paten der Nacht“ – einer in Deutschland ansässigen überparteilichen Vereinigung Ehrenamtlicher, die für die Eindämmung der Lichtverschmutzung einsetzen.

Einsatz von insektenfreundlichem Licht
Die Stadt Salzburg setzt sich seit einigen Jahren sehr intensiv mit umweltfreundlicher Beleuchtung auseinander und erarbeitet in Zusammenarbeit mit der Landes-Umweltanwaltschaft gute, mensch- und naturgerechte Lösungen. So wird beim neuen Geländer der sanierten Clemens-Holzmeister-Stiege und beim neuen Flutlicht im Sportzentrum Nord ein insektenfreundliches Licht eingesetzt.
07.09.2021, red, salzburg.ORF.at
„Licht aus“: Denkmäler für eine Nacht dunkel
 

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#10
NOCTIS AUSTRIA
Atemberaubendes Video zeigt Österreichs Nachthimmel im Zeitraffer
Der steirische Astrofotograf Michael Kleinburger dokumentierte ein Jahr lang das Zentrum der Milchstraße vom Nationalpark Gesäuse aus

Alpiner Ausblick ins All: Michael Kleinburger schätzt die Dunkelheit im Nationalpark Gesäuse.
Foto: Michael Kleinburger

Die Spuren menschlicher Aktivitäten prägen den Planeten Erde in einem solchen Ausmaß, dass in der Wissenschaft längst über die Einführung eines neuen Erdzeitalters diskutiert wird, jenes des Menschen: das Anthropozän. Ein Aspekt, der dabei in der öffentlichen Wahrnehmung noch wenig Beachtung findet, obwohl er im Wortsinne immer stärker ans Licht kommt, ist die schwindende nächtliche Dunkelheit.

In immer weniger Regionen der Erde kehrt wirklich Finsternis ein, künstliche Lichtquellen verändern die nächtlichen Verhältnisse auf unserem Planeten erheblich. Das bringt vielfältige negative Folgen mit sich, wie zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen – von beeinträchtigten Tag-Nacht-Zyklen bei Tieren über Schlafprobleme bei Menschen bis hin zu Wachstumsstörungen bei Pflanzen. Auch ein Wissenschaftszweig ist von der nächtlichen Beleuchtung massiv betroffen: die Astronomie.

Lichtverschmutzter Kontinent
Der steirische Naturfotograf Michael Kleinburger, der sich auf astronomische Aufnahmen spezialisiert hat, setzt sich in seiner Arbeit intensiv mit dem Thema auseinander. "Im Prinzip sind 99 Prozent von Europa lichtverschmutzt, es gibt nur noch kleine Inseln der Dunkelheit", sagt Kleinburger. Eine solche Insel findet sich in der Obersteiermark, rund um den Nationalpark Gesäuse. Dort verbringt der Fotograf viel Zeit und hat allein im vergangenen Jahr mehr als hundert Stunden lang den Himmel per Kamera festgehalten.

Das Ergebnis hat Kleinburger nun als Video veröffentlicht – vier Minuten lang zeigt "Noctis Austria" tausende Fotos im Zeitraffer:
Michael Kleinburger

"Ich möchte darauf aufmerksam machen, wie wunderschön und erhaltenswert der dunkle Nachthimmel ist", sagt Kleinburger. Dafür wolle er auch die Dynamik zeigen, die beim Ansehen einzelner Fotos nicht sichtbar wird. "Wenn ich die Milchstraße, ferne Galaxien oder den Mond fotografiere, ist das immer ein Kampf gegen die Zeit, durch die Erdrotation bewegen sich diese Objekte am Himmel. Diesen Effekt anderen Menschen nahezubringen, funktioniert am besten im Zeitraffer."

Falsche Sterne
In 25 Bildern pro Sekunde lässt der Fotograf die Milchstraße über den steirischen Himmel wandern. Immer wieder werden die Aufnahmen durchkreuzt: Selten und kaum wahrnehmbar ziehen Kometen durchs Bild, deutlich häufiger und prominenter sind Satelliten und Flugzeuge zu sehen. Die rasant wachsende Zahl an künstlichen Erdtrabanten löst bei Astronominnen und Astronomen ernsthafte Sorgen aus: Erst im Vorjahr warnte ein Forschungsteam, dass mit bloßem Auge bald mehr falsche Sterne am Nachthimmel zu sehen sein könnten als echte.


Der steirische Nationalpark zählt für den Astrofotografen zu den letzten "Inseln der Dunkelheit".
Foto: Michael Kleinburger

Faszinierende Aufnahmen des Himmels könnten Menschen den Wert der Dunkelheit näherbringen, hofft Kleinburger, der auch in Workshops und Kursen unterrichtet, wie Laien schon mit einer bescheidenen Ausrüstung beindruckende Astrofotos gelingen. "Die Leute sind oft erstaunt, was da alles möglich ist – im Schutz der Dunkelheit."
(David Rennert, 17.7.2022)

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#11
ZU VIEL LICHT
Suche nach den Sternen
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Vier von fünf Menschen weltweit können die Milchstraße nicht mehr mit bloßem Auge sehen. In Europa und Nordamerika sind es sogar 99 Prozent der Bevölkerung. Obwohl die UNESCO den dunklen Nachthimmel bereits 1992 zum Welterbe erklärt hat, nimmt die Lichtverschmutzung weltweit zu – mit allen negativen Konsequenzen für Menschen und Umwelt. Die Energiekrise bringt die Verschwendung von Licht nun so stark ins öffentliche Bewusstsein wie selten zuvor. Das ist nicht nur in Österreich, sondern auch auf EU-Ebene spürbar.
Online seit heute, 6.10 Uhr
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Über Österreich ist aufgrund der besonderen Lage der Alpen in vielen Regionen der dunkelste Himmel Mittel- und Westeuropas zu beobachten. „Das macht Österreich einzigartig“, sagt der an der Universität Wien tätige Astrophysiker Stefan Wallner gegenüber ORF.at. Es gibt einige Initiativen, die sich für den Schutz und Ausbau dieser Dunkelgebiete einsetzen, darunter das Kompetenzzentrum Helle Not der Tiroler Umweltanwaltschaft und Österreichs erster von der International Dark-Sky Association anerkannter Sternenpark Attersee-Traunsee in Oberösterreich.

Auf gesetzlicher Ebene hat Österreich aber noch Aufholbedarf. 16 von 27 EU-Staaten haben bereits direkt oder indirekt Gesetze gegen die Lichtverschmutzung. In Österreich behelfe man sich mit den Naturschutzgesetzen, die Ländersache sind, verweist der Tiroler Umweltanwalt Johannes Kostenzer gegenüber ORF.at auf Behelfsmittel, um Fragen der Lichtverschmutzung zumindest indirekt zu regeln.

Light pollution map
Aufgrund der besonderen Lage der Alpen hat Österreich in einigen Regionen noch besonders dunkle Gebiete

Gesundheitliche Auswirkungen
Die Zahlen zur Zunahme der Lichtverschmutzung variieren. Der Weltatlas der Lichtverschmutzung von 2016 machte etwa eine jährliche globale Steigerung von 2,2 Prozent aus, für Europa und Nordamerika eine von sechs Prozent. Mehrere Studien belegen die schädlichen Auswirkungen von zu viel Licht auf die menschliche Gesundheit und die Biodiversität.

So werden etwa Insekten von Straßenlaternen angezogen, ermüden und verbrennen dort. Das stört die gesamte Nahrungskette. Mehrfach belegt sind zudem schädliche Auswirkungen auf Nachtfalter, Vögel und Fledermäuse. Bei Menschen kann sich die Verschiebung des Tag-Nacht-Rhythmus auf die Gesundheit auswirken. Die Unterdrückung des Schlafhormons Melatonin etwa stört den natürlichen Schlafrhythmus. Für die Fachleute besteht Handlungsbedarf.

„So bald wie möglich“ Thema im Nationalrat
Als „wichtigen Schritt in die richtige Richtung“ bezeichnet Wallner die vor Kurzem novellierte ÖNORM O-1052. Dabei werden strengere Grenzwerte vorgegeben, zwischen Naturräumen und Ortskernen unterschieden und die Auswirkungen von Licht auf Mensch und Umwelt berücksichtigt. Die Norm bedeutet eine deutliche Verschärfung der Rahmenbedingungen, ist aber gesetzlich nicht bindend, erklärt Stefanie Pontasch. Sie ist Projektleiterin von Skyscape, einem EU-geförderten Projekt für Schutz und Förderung des Nachthimmels. Es brauche aber gesetzliche Bestimmungen.

Die derzeitige ÖVP-Grünen-Koalition schrieb sich das Thema Lichtverschmutzung als erste Regierung sogar ins Regierungsprogramm. Getan hat sich bisher aber noch wenig. Die grüne Abgeordnete Astrid Rössler will das Thema im Nationalrat nun über eine Petition angehen – „so bald wie möglich“. Aus dem Klimaschutzministerium gab es gegenüber ORF.at keine Informationen über konkrete Pläne gegen Lichtverschmutzung.

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EU erkennt Lichtverschmutzung als Schadstoff an
Bereits in den vergangenen zwei, drei Jahren sei Bewegung in diesen Bereich gekommen, erinnert sich Wallner. Das macht sich auch auf EU-Ebene bemerkbar. Der im Rahmen des „Green Deal“ 2021 verabschiedete „Zero Pollution Action Plan“ nimmt erstmals Lichtverschmutzung als Schadstoff auf und fordert weitere Untersuchungen.

Tschechien räumte während seiner EU-Ratspräsidentschaft (bis 31. Dezember) der Lichtverschmutzung große Bedeutung ein – mit einem Appell an die EU-Kommission, Lichtverschmutzung auf europäischer Ebene zu regulieren. Pontasch sieht das als „große Chance“: „In der EU wurde dieses Thema bisher stiefmütterlich behandelt.“ Es fehlen EU-weite Regeln für den Umgang mit und die Eindämmung von verschwenderischem Umgang mit Licht.

Einheitliche Messungen fehlen
„Wir müssen Licht wie Luft behandeln“, fordert Wallner. Für Luftverschmutzung gebe es ein umfassendes Messnetzwerk. Das fehle für Licht noch, sei aber unerlässlich für Politik und Wissenschaft. EU-weit brauche es einen einheitlichen Messstandard. Selbst in Österreich, wo es in Oberösterreich und Wien zwei Lichtmessnetzwerke gibt, werden unterschiedliche Systeme verwendet.

Es brauche auch einen eigenen Satelliten, der die Lichtverschmutzung messen könne. Wallner: „Der derzeit verwendete Satellit erkennt kein blaues Licht. Daten von oben durch Satelliten in Bezug auf Lichtverschmutzung sind daher nicht aussagekräftig.“

ESA/NASA
Die Iberische Halbinsel, aufgenommen von der Raumstation ISS im September 2022

Als Basis für die Forschung werden vielfach Bilder aus dem All herangezogen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten dokumentierten Astronauten der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) in Millionen Bildern die Zunahme der globalen Lichtverschmutzung. Mit dem verstärkten Einsatz von LED ist in diesen Bildern eine deutliche Aufhellung des künstlichen Lichts erkennbar. Besonders drastisch zeigt sich etwa die Lichtverschmutzung in Mailand. Die norditalienische Stadt war die erste in Europa, die ihre Straßenbeleuchtung vollständig auf weiße LEDs umstellte.

Bumerangeffekt bei LED-Beleuchtung
Die Umrüstung auf LED führte zum Teil zu mehr Lichtverschmutzung. Fachleute beobachteten einen Bumerangeffekt (Reboundeffekt). Da diese Leuchtquelle noch heller strahlt und zugleich weniger Energie verbraucht, stieg gerade in Zeiten günstiger Energie die Nachfrage. Potenzielle Einsparungen wurden dadurch zunichtegemacht.

Das von LEDs erzeugte Licht ist mit Tageslicht vergleichbar. Besonders schädlich sind LEDs mit starkem Blauanteil. Dadurch gerät die biologische Uhr von Menschen und Tieren besonders stark durcheinander. Eine Unterscheidung in Tag und Nacht wird schwierig. Der Blaulichtanteil sollte reguliert werden, fordern Fachleute. Auch die technische Weiterentwicklung kann helfen, Licht zu reduzieren. „Wir können ohne Komfortverlust mit besserer Technik Lichtverschmutzung reduzieren“, ist Kostenzer, dessen Kompetenzzentrum an einigen Innovationen in puncto Licht beteiligt war, überzeugt.

Umdenken im öffentlichen Sektor
Ein Umdenken beim Umfang der Beleuchtung hat vor allem mit der Energiekrise eingesetzt. Denkmäler und Gebäude werden spärlicher beleuchtet. Einige Gemeinden und Städte ergriffen bereits zuvor Maßnahmen bei der Beleuchtung. Die Stadt Wien begann 2017 mit der Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED. Nicht umgestellt werden die vom Bund geführten Straßen wie die Tangente.

Für Auswirkungen auf die Lichtverschmutzung sei der Anteil der Straßenbeleuchtung zu gering, meint der Astronom Günther Wuchterl, der sich als Leiter der Kuffner Sternwarte seit Jahren gegen Lichtverschmutzung einsetzt, gegenüber ORF.at, lobt aber, dass die ausgewechselten Lampen nur noch auf den Boden und nicht nach oben strahlen. Zudem merke man Effekte etwa durch Teilnachtabschaltungen. Wien sei aber weißer geworden, so der Astronom und kritisiert einen hohen Blaulichtanteil. Vor allem der hohe Lichtanteil aus dem Werbe- und Eventbereich sei problematisch.

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Die Lichtglocke von Wien kann bei entsprechenden Bedingungen auch in 200 Kilometer Entfernung gemessen werden

Wiens Lichtglocke weithin sichtbar
Wuchterl führt mit einigen Freiwilligen und der Stadt Wien die Lichtmessungen für die Stadt durch. Er beobachtet eine jährliche Zunahme der Lichtverschmutzung in der Stadt von sechs bis 20 Prozent am Stadtrand. Die Lichtglocke von Städten kann sich weit ausbreiten. Das Licht von Wien könne etwa bei für den Lichttransport optimalen Bedingungen auch noch in einer Entfernung von etwa 200 Kilometern gemessen werden, sagt Wallner.

In Wuchterls letztem Bericht aus dem Jahr 2020 über das Licht in Wien zeigt sich eine Stabilisierung der Werte ab 2018. Konkrete Ursachen dafür kann er nicht nennen. Er geht von einer Kombination mehrerer Effekte wie einer schnelleren Dimmung der Beleuchtung von Supermärkten und Parkplätzen aus. Die Daten aus den vergangenen drei Jahren harren – auch pandemiebedingt – noch ihrer Auswertung.

Nachholbedarf bei Privaten
Auch andere Städte in Österreich haben auf LED-Beleuchtung umgestellt. In Innsbruck etwa werden teilweise auch Sensoren für eine stärkere Anpassung an den Lichtbedarf eingesetzt. „Es ist eine mühsame Arbeit der Sensibilisierung – viel Klinkenputzen bei Bürgermeistern und kommunalen Betreibern“, erzählt Kostenzer, der sich seit rund 20 Jahren gegen Lichtverschmutzung einsetzt. Im öffentlichen Sektor gebe es großes Interesse. Auch im Tourismus sei das Thema Lichtverschmutzung und der Schutz davor angekommen.

„Problematischer ist der private Sektor“, so Kostenzer. Bei Sportplätzen, Einkaufs- und Gewerbezentren gebe es noch Aufholbedarf. Das zeigt sich deutlich am Beispiel Eisenstadt. Große Wirkung in puncto Reduktion der Lichtverschmutzung erzielte die burgenländische Landeshauptstadt bei der Umstellung der Straßenbeleuchtung, so Wallner: „Private sowie Werbe- und Industriebeleuchtung haben die Reduktion inzwischen aber wieder wettgemacht.“
30.12.2022, Simone Leonhartsberger, ORF.at

Links:
Lichtverschmutzung: Zu viel Licht als Gefahr für Ozeane
International Dark-Sky Association
„Zero Pollution Action Plan“
Initiative Helle Not
Tiroler Umweltanwaltschaft
Lichtverschmutzungskarte
ESA-Artikel

Kuffner Sternwarte

Lichtverschmutzung: Zu viel Licht als Gefahr für Ozeane
 
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