Marshall-Inseln: Gefahr durch das Erbe dutzender US-Atomtests

josef

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#1
Undichtes Endlager nicht das größte Problem der Marshallinseln

Der Inselstaat beherbergt das Erbe dutzender US-Atomtests. Steigt der Meeresspiegel, droht die nächste Katastrophe


grafik: standard
Die Republik Marshallinseln im mittleren Ozeanien besteht aus mehr als tausend kleine Inseln. Runit Island im Eniwetok-Atoll ist eine davon.

Am 6. Mai 1958 detonierte im Norden der winzigen Pazifikinsel Runit eine Atombombe mit einer Sprengkraft von 18 Kilotonnen. Innerhalb von zehn Minuten ragte eine Pilzwolke 5,8 Kilometer in die Höhe. Die Bombe mit dem Codenamen "Cactus" war weder die erste noch die stärkste Nuklearwaffe, die von den USA im Eniwetok-Atoll der Marshallinseln, zu dem Runit zählt, getestet wurde. Doch sie wurde zu einem Symbol für die nuklearen Hinterlassenschaften des US-Militärs in der Region, die bis heute für Diskussionen sorgen.


foto: steve holloway / okeanos foundation for the sea
Unter der Betonkuppel im Norden der Marshallinsel Runit liegt radioaktiver Schutt von Atomwaffentests begraben. Der steigende Meeresspiegel bedroht nicht nur das Endlager.

Insgesamt 67 Atombombentests wurden in den 1940er- und 1950er-Jahren auf den Atollen Eniwetok und Bikini durchgeführt, 43 davon auf Eniwetok. 1952 war hier auch die erste große Wasserstoffbombe explodiert, die Eniwetok-Insel Elugelab wurde dabei vollständig zerstört. Die Sprengkraft betrug das 750-Fache der Bombe "Little Boy", die 1945 auf Hiroshima abgeworfen worden war.

Bombenkrater als Endlager
Der Krater, den die "Cactus"-Detonation in den weißen Sand der Insel Runit gerissen hatte, wurde Jahre später zu einem Atommülllager umfunktioniert. Zwischen 1977 und 1980 wurden rund 100.000 Kubikmeter radioaktiven, teils plutoniumhaltigen Schutts von anderen Inseln des Atolls eingesammelt, in den Krater gekippt und mit Betonplatten abgedeckt.

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Atombombentest auf Runit Island 1956.

Die späte und bestenfalls halbherzige Aufräumaktion kam lange nach den letzten Tests, aber kurz bevor die von den USA als Treuhandgebiet verwalteten Marshallinseln ihre Unabhängigkeit erlangten. In einem Assoziierungsabkommen mit den USA wurden dem Inselstaat Entschädigungszahlungen für die Folgen der Atombombentests zugesichert, die Verantwortung für den Runit-Dome wurde aber der Regierung der Republik Marshallinseln zugeschoben. Dort fehlt es jedoch an Geld und wissenschaftlicher Expertise, die kleine Nation ist auf internationale Hilfe angewiesen.

Plutonium am Meeresgrund
Dass der Runit-Dome kein Bau für die Ewigkeit ist, war klar. Die an ein gelandetes Ufo erinnernde Lagerstätte liegt nur wenige Meter von der Lagune entfernt, ihr Boden ist nicht versiegelt. Seit Jahren gibt es Hinweise darauf, dass bereits radioaktives Material austritt und ins Meerwasser gelangt. Der steigende Meeresspiegel droht die Betonkuppel früher oder später zu überfluten, und ob die inzwischen jahrzehntealte Struktur einem starken Taifun standhalten würde, ist unklar.

Mitte Mai machte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, auf das Problem aufmerksam. Die Folgen der Kernwaffentests seien "in Bezug auf die Gesundheit und die Vergiftung von Gewässern in einigen Gebieten ziemlich dramatisch", sagte Guterres nach einem Treffen mit Hilda Heine, der Präsidentin der Marshallinseln. "Hier muss noch viel getan werden." Wie dringend ist der Handlungsbedarf?

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US-Medienbericht über Atomwaffentests im Eniwetok-Atoll von 1950.

"Kosmetische Maßnahme"
Tatsächlich wiesen Forscher der Woods Hole Oceanographic Institution 2017 nach, dass die Plutoniumwerte in der Lagune der unbewohnten Insel Runit hundertmal höher sind als im umliegenden Ozean, die Cäsiumwerte etwa zweimal höher. Nähere Analysen zeigten aber, dass austretendes Material aus dem Dome nur in geringem Maß dafür verantwortlich ist. Das meiste Plutonium ist in den Sedimenten auf dem Meeresgrund abgelagert, wie Ken Buesseler und Kollegen in "Science of the Total Environment" berichteten.

Für den Radioökologen Georg Steinhauser von der Universität Hannover, der zuvor am Atominstitut der TU Wien tätig war, kommt der Befund nicht überraschend. "Im Runit-Dome wurde etwa ein Prozent der ganzen Radioaktivität, die auf dem Eniwetok-Atoll freigesetzt wurde, zusammengetragen. Das war eher eine kosmetische Maßnahme", sagte der Wissenschafter, der zu den ökologischen Auswirkungen von Nuklearkatastrophen forscht.

Eine "tickende Zeitbombe", wie der Dome medial oft reißerisch genannt wird, sei, wenn überhaupt, dann das ganze Atoll – also jene 99 Prozent Material, die nicht eingesammelt wurden. "Dass die Werte 100-mal höher sind als im Restpazifik, ist nicht gut und soll auch nicht beschönigt werden, es ist aber noch überschaubar", so Steinhauser.

Langsamer Prozess
Sollte die Betondecke wirklich brechen oder der Krater geflutet werden, wäre mit einer punktuell stärkeren Freisetzung zu rechnen. Dass der verstrahlte Schutt vor dem Einfüllen in den Krater mit Zement gemischt wurde, sei ein Vorteil und würde die Freisetzung verzögern, sagte der Wissenschafter. Da Plutonium schwer wasserlöslich sei, handle es sich ohnehin um einen sehr langsamen Prozess.

Steinhauser sieht daher keinen Grund für Alarmismus: "Der ganze Dome hatte eine gewisse Feigenblattfunktion. Natürlich ist es kein schönes Symbol, wenn dieses Feigenblatt jetzt auch noch verwelkt." Dass eine aufwendige Sanierung die radiologische Situation in der Region stabilisieren würde, sei unwahrscheinlich.


foto: apa/afp/giff johnson
Der Runit-Dome kurz nach seiner Fertigstellung 1980.

Schwindende Inseln
Tatsächlich ist das radioaktive Erbe des Kalten Kriegs längst nicht mehr das drängendste Problem des Inselstaats mit aktuell rund 53.000 Einwohnern. Die Marshallinseln zählen zu den am stärksten vom Klimawandel bedrohten Regionen der Welt. Der steigende Meeresspiegel gefährdet jetzt schon die Süßwasserreserven, die sich allein aus Regen speisen. Die Infrastruktur der 24 bewohnten Inseln und Atolle wird regelmäßig von Überflutungen in Mitleidenschaft gezogen.

2018 ermittelten Forscher am Beispiel des Kwajalein-Atolls, wie sich die Überschwemmungen der vergangenen Jahre auf das Trinkwasser auswirkten, und erstellten aus den Daten Prognosen für die Zukunft. Wie sie in "Science Advances" berichteten, könnte schon in den nächsten beiden Jahrzehnten der Kipppunkt erreicht werden, ab dem Regenfälle die Versalzung durch zunehmende Überflutungen nicht mehr ausgleichen können. Den Bewohnern der Marshallinseln bliebe dann nur noch die Emigration.
(David Rennert, 30.5.2019)

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#3
Strahlendes Erbe des Kalten Krieges im Südpazifik
Aktuelle Studien zeigen, dass die Radioaktivität rund um die Marshall-Inseln jene der Reaktorunfälle von Tschernobyl und Fukushima noch übertreffen
Zwischen 1949 und 1958 zündeten die USA über dem Bikini-Atoll und der Insel Eniwetok annähend 70 Kernwaffen – eine davon übertraf alle bis dahin getesteten US-Kerwaffen bei weitem: "Castle Bravo" war rund 1000-mal stärker als jene Atombomben, die 1945 über Hiroschima und Nagasaki abgeworfen worden waren. Letztlich zählte diese gewaltige Explosion zu den größten Nuklearwaffentests, die die Vereinigten Staaten überhaupt jemals durchgeführt haben.
Die Folgen dieser Versuche sind bis heute wissenschaftlich nachweisbar, wie Forscher um wie Emlyn Hughes von der Columbia University in New York feststellen konnten: Die Bombe "Castle Bravo" macht eine eigens für dieses Experiment aufgeschüttete Insel nicht nur dem Erdboden gleich, sie riss in dem Atoll zudem einen Krater von 75 Metern Tiefe und 1,5 Kilometer Durchmesser.


Castle Bravo zählte zu den mächtigsten Atomtests der Vereinigten Staaten. Sie hatte eine Sprengkraft von etwa 15 Megatonnen TNT-Äquivalent. Die nukleare Explosion pulverisierte eine künstliche Insel und kontaminierte bis heute zahlreiche Inseln.
Foto: United States Department of Energy

Folgenreicher Fallout
Der radioaktive Fallout dieses Kernwaffentests hinterließ darüber hinaus bis heute dramatische radioaktive Spuren, die das Team um Hughes nun nachweisen konnte. Die vor Ort gesammelten und im Fachjournal Pnas präsentierten Daten zeigen, dass die damaligen Atomtests bis heute tatsächlich mehr Radioaktivität hinterlassen haben als die Reaktorunfälle von Tschernobyl und Fukushima.

Sogar auf dem Bikini-Atoll wiesen die Forscher um Hughes in einigen Untersuchungen mehr Plutonium nach, als in den Sperrzonen von Tschernobyl oder Fukushima gemessen werden konnten. Um zu diesen Daten zu kommen, holten die Forscher direkt aus dem Castle-Bravo-Krater insgesamt 130 Sedimentproben. In diesen Proben konnten die Wissenschafter zahlreiche radioaktive Isotope feststellen, darunter Plutonium-239 und -240 sowie Americium-241 und Bismut-207. Die Plutonium-Isotope wiesen dabei eine Radioaktivität von 54 Picocurie pro Gramm auf. Dies entspricht etwa zwei Becquerel bzw. 120 Zerfällen pro Minute und Gramm.

Kein Lebensraum
Die Analysen stellten damit einen um das Zehnfache höheren Strahlenwert gegenüber den Nachbarinseln fest. Letztlich ist dieser Testort somit der am massivsten verseuchte Platz der gesamten Marshall-Inseln. Betroffen waren darüber hinaus auch die Atolle Eniwetok, Rongelap und Utirik. Ein für die Zukunft besonders Problem dürften auch jene von den USA versenkten radioaktiv kontaminierten Kriegsschiffe in der Region darstellen, die diesen Tests ausgesetzt waren.
Eine andere Studie nahm das Zäsium-137 in Obst auf den Inseln rund um das Testgelände ins Visier. Dabei stellten die Forscher ebenfalls Radioaktivitätswerte fest, die zum Teil weit über internationalen Sicherheitsvorgaben liegen. Letztlich gehen die Wissenschafter davon aus, dass die vier nördlichen Inseln Runit, Enjebi, Bikini und Naen aufgrund der Nachwirkungen der US-Atombombenversuche für Menschen eigentlich kein geeigneter Lebensraum mehr sind.
(Thomas Bergmayr, 22.7.2019)

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#4
Steigender Meeresspiegel gefährdet bröckelndes US-Atommülllager auf Marshallinseln
Auf dem Eniwetok-Atoll sickert zusehends radioaktives Material inklusive Plutonium in den Pazifik. Ein Taifun könnte eine Katastrophe auslösen

Mittlerweile ist die Kuppel mit Pflanzen bewachsen und deutlich von Rissen durchzogen.
Foto: APA/AFP/US DEFENCE NUCLEAR AGENC

Der steigende Meeresspiegel rund um die Atolle der Marshallinseln droht ein riesiges Atommülllager der USA zu zerstören. Mehr als 100.000 Kubikmeter an radioaktiv verstrahltem und teils plutoniumhaltigem Schutt und Boden könnten dadurch in den Pazifik gespült werden. Während des Kalten Krieges testeten die Vereinigten Staaten sage und schreibe 67 Atomwaffen auf der Inselgruppe. Mit der Wasserstoffbombe Castle Bravo mit einer Sprengkraft von mehr als 15 Megatonnen kam dort auch die stärkste jemals von den USA getestete nukleare Waffe zum Einsatz. Als atomare Tests zwischenzeitlich eingestellt wurden, fungierte die Inselgruppe als Testort für zwölf biologische Waffen (Bakterien sollten Feinde töten) und später auch als Zielfläche für Raketentests.

Weil andere Lösungen zur Lagerung der radioaktiv verstrahlten Erde zu teuer waren, füllten die USA zwischen 1977 und 1980 einfach einen Krater auf der Insel Runit im Eniwetok-Atoll mit dem Atommüll und verschlossen ihn mit einer Kuppel aus Portlandzement. Von den Einheimischen wird die Kuppel "The Tomb" ("Das Grab" oder "Die Gruft") genannt. Ohne die Marshallinseln zu informieren kippten die USA zusätzlich auch noch 130 Tonnen verstrahlten Boden aus der Nevada-Wüste in das Atommülllager. Als zu klein, zu weit entfernt und zu unbedeutend galt den USA damals der 50.000-Einwohner-Staat.
In den vergangenen Jahren schwemmten Wellen kontinuierlich verstrahltes Material von benachbarten Inseln und Atollen an, weshalb man sich später für einen Zubau entschloss. Neue Recherchen der "Los Angeles Times" und der Columbia-Universität zeigen nun den schlechten Zustand der Kuppel, die von Rissen übersät ist und bröckelt. Zudem beobachteten sie verheerende Folgen für die unmittelbare Umwelt, die schon heute eklatant zutage treten.

Der 1. März 1954 war jener Tag, an dem für viele Bewohner der Marshallinseln zweimal die Sonne aufging und zunächst keiner so recht wusste, warum. Die Evakuierung umliegender Inseln erfolgte erst zwei Tage nachdem der radioaktive Fallout wie Schnee vom Himmel gefallen war.
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Verheerende Umweltfolgen
Forscher berichten immer öfter von sogenannten Kippeffekten. Rund um die Marshallinseln stieg der Meeresspiegel seit 1993 mit fast einem Zentimeter pro Jahr mehr als doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt. Auch hat das wärmere ansteigende Wasser zu einem massiven Ausbleichen zahlreicher Korallenriffe, zu großflächigem plötzlichem Fischsterben, riesigen Algenteppichen und merkwürdigen Verfärbungen des normalerweise kristallklaren azurblauen Wassers hin zu einer braunen, unklaren Brühe geführt. Ähnlich verfärbt sei das Wasser rund um die Kuppel. Die Forscher befürchten außerdem, dass Taifune mit großen Wellen die Kuppel schon bald komplett vom Krater herunterreißen könnten.

Der Klimawandel gilt außerdem als mitverantwortlich für den bisher größten Ausbruch des Dengue-Fiebers in dem Pazifikstaat. Stets gepaart mit zahlreichen Spätfolgen der nuklearen Verstrahlungen, die nach wie vor zu deutlich erhöhten Krebsraten und einer überdurchschnittlichen Anzahl an Fehlbildungen führen – schließlich haben die damaligen Atomtests bis heute mehr Radioaktivität hinterlassen als die Reaktorunfälle von Tschernobyl und Fukushima, wie eine heuer veröffentlichte Studie beweist.

Fehlende Verantwortung
Die USA werden ihrer Verantwortung für die bereits begangenen und noch abzusehenden Umweltkatastrophen keinesfalls gerecht – sofern das überhaupt möglich ist. Nicht nur wurde scheinbar unsauber gearbeitet und bei weitem nicht der gesamte verstrahlte Boden abgetragen, nicht einmal die eigenen 4.000 Soldaten verfügten über die notwendige Schutzkleidung bei den Aufräumarbeiten. Sechs Personen starben noch während des Kuppelbaus, hunderte an den Spätfolgen. Wenngleich Menschenleben nie aufgewogen werden können, ist die Zahl gefährdeter und an den Spätfolgen verstorbener Einheimischer natürlich noch deutlich höher. Vielen wurde zu früh die Rückkehr erlaubt, um die Folgen der Strahlenwirkung an menschlichen Versuchskaninchen zu erforschen. Und dennoch wird fast jede Verantwortung abgewälzt.

Beeindruckende Bilder vom Bau der Kuppel und den furchtbaren Spätfolgen sind auch in dieser Doku zu sehen.
ABC News In-depth


Von einer gemeinsam eingesetzten Schiedskommission zu einer Strafzahlung von 2,3 Milliarden Dollar verurteilt, zahlten die USA bisher gerade einmal vier Millionen an die Regierung der Marshallinseln. Die US-Ministerien argumentieren, dass die Vereinigten Staaten ohnehin schon mehr als 600 Millionen Dollar für Umsiedlungen, Rehabilitation und Gesundheitskosten ausgegeben haben. Für die Instandhaltung und die damit verbundenen Kosten der Kuppel wird jedoch weiter jegliche Verantwortung den Marshallinseln zugeschrieben. "Wie kann sie uns gehören?", fragte Präsidentin Hilda Heine im Interview mit der "L.A. Times" in Bezug auf die Kuppel. "Wir wollen sie nicht. Wir haben sie nicht gebaut. Der Müll gehört nicht uns. Er gehört ihnen!", attackierte sie die USA direkt.

Fragwürdige Begründungen
Besonders erschreckend mutet an, dass die USA heute sagen, sie hätten die Kuppel ja nie zum Zweck des Strahlenschutzes gebaut, sondern lediglich, um den Inhalt konzentriert an einer Stelle zu halten. Die umliegenden Inselbewohner berichten heute, dass sie selbstverständlich davon ausgingen, dass auch ausreichend Vorkehrungen für den Strahlenschutz getroffen wurden, wie auch lokale Politiker betonen.

Der US-Verantwortliche für die Kuppel auf der Runit-Insel, Terry Hamilton aus dem Energieministerium, hat hingegen eine andere Sichtweise: Er betonte stets, dass sich kein Bewohner Sorgen machen müsse. Zwar sei die Stabilität der Kuppel von Lecks durch Stürme und dem steigenden Meeresspiegel gefährdet, aber das bisschen mehr Plutonium würde die ohnehin hohen Raten im Meerwasser auch nicht merklich verschlechtern. Die Lagune sei auch so schon so verschmutzt, dass es auf die Reste aus dem "Grab" nicht mehr ankomme. Da Plutonium dem menschlichen Körper nur über die Luft oder durch Schnitte in der Haut schaden könne, seien die Plutoniummengen im Wasser nicht weiter bedenklich und man könne beruhigt auf der Insel leben, so Hamilton. Wenig überraschend hielten zahlreiche Fachkollegen Hamiltons Aussagen für verrückt und betonten sehr wohl die immense Gefahr für Mensch und Umwelt.

Machtfaktor China
Eine geopolitische Komponente macht die Situation besonders pikant, könnte aber die USA zu mehr Verantwortung auf den Marshallinseln drängen. China will seinerseits die Vormachtstellung der USA im Pazifik brechen, und zahlreiche Pazifikstaaten liebäugeln bereits mit lukrativen Investitionen, wenn sie ihre Inseln als potenzielle chinesische Militärstützpunkte hergeben. Wenn 2023 der bilaterale Vertrag zwischen den USA und den Marshallinseln zur Neuverhandlung steht, dürfte der Pazifikstaat seine Verhandlungsposition deutlich gestärkt haben und die USA zwingen können, die Entschädigungszahlungen endlich ernst zu nehmen.

Die Frage ist dennoch, inwiefern sich in den USA der politische Druck für konkretes Handeln aufbauen lässt. Die USA akzeptieren weder die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs noch lassen sie Klagen der Marshallinseln in den Vereinigten Staaten zu. Der US-Kongress lehnt Anträge zur Behandlung der Materie regelmäßig ab. Eine neue Studie zu Highschool-Geschichtsbüchern in Kalifornien zeigte kürzlich zudem, dass weder die US-Atomtests auf den Marshallinseln und deren verheerende Folgen noch der Pazifikstaat an sich irgendeine Rolle in den Lehrplänen spielen. Auch das ist ein klares Zeichen einer mangelnden Selbstreflexion der nuklearen Supermacht USA.
(Fabian Sommavilla, 14.11.2019)
Steigender Meeresspiegel gefährdet bröckelndes US-Atommülllager auf Marshallinseln - derStandard.at
 
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