Meganitfabrik Zurndorf

#1
Hallo!

Hab da letztens etwas interessantes gefunden, bei dem ich mir auch nicht ganz sicher bin,aber vielleicht weiß jemand etwas genaueres darüber.
Und zwar sind zwischen Zurndorf und Mönchhof,oder besser gesagt,ein paar Kilometer außerhalb von Zurndorf Richtung A4, mehrere Gebäude die früher angeblich (laut Gerüchten von Anrainern etc.) zu einer Munitionsfabrik und/oder Arbeitslager gehörten....

Hier mal die Koordinaten:
47.961944, 16.988314

und,Süd-westlich davon,in dem kleinen Waldstück dahinter,befinden sich Betonreste,Fundamente,eingestürzte unterirdische Gänge (man kann Torbögen erkennen) und ein großer,ca. 30m tiefer Schacht mit einem rechteckigen Einstieg, ca. 4x4m! Der Schacht scheint nicht fertig gestellt worden zu sein, weil noch in den "Etagen" Holzlatten liegen. Wollten schon mal da runter,war uns aber zu gefährlich. Wir vermuteten Verbindungsgänge zu den alten Stollen,falls es welche gab. Zum Sprengstoff-lagern eventuell?

Angeblich soll auch ein Verbindungstunnel von Zurndorf bis dort draußen gewesen sein. Ein Kollege hat im Keller eine dicke Stahltür, die angeblich ebenfalls ein Zugang gewesen sein sollte. Wird mittlerweile sicher alles verschüttet sein,aber trotzdem interessant.
Vor allem würd mich interessieren,woher man genaue Informationen über das besagte Objekt einfordern kann?
Derzeit wird das Objekt,also zumindest der vordere Bereich mit den größten Gebäuden,privat renoviert und als Wohnhaus/Pferdezucht verwendet.
Werd mal demnächst bei den Besitzern fragen ob die was genaueres dazu wissen....

Fotos kann ich auch bald reinstellen!

MfG
Thomas
 
H

Harald 41

Nicht mehr aktiv
#2
Hallo Thomas;

Ohne Fotos kann ich nicht viel sagen,aber Du kannst von mir ein Album hier im Forum über das RAD Lager Marchegg ansehen ob es dem ähnlich ist,muss aber nicht sein aber Du kannst mir bescheid geben.

LG Harry
 
#4
Danke Harald,hab ich auch zufällig gefunden beim googlen ;)

War heute beim Objekt und wollte mit dem Besitzer reden,der war aber nicht anwesend. Hab mit einer Nachbarin geredet und die meinte,das er eventuell morgen noch Anwesend sei, aber dann in Urlaub fährt. Vielleicht schaff ichs morgen vorbei zu schauen und nähere Infos aufzutreiben ;)
 
G

Gunship

Nicht mehr aktiv
#5
Hallo Thomas,
Dass diese Gebäudegruppe eine Munitionsfabrik war, habe ich auch schon gehört.
Die Gemeinde müsste doch darüber bescheid wissen!?

Schade, dass ich das Photoalbum erst so spät gesehen habe... Wär sicher interessant gewesen...

Grüße,
Lukas
 

Geist

Worte im Dunkel
Mitarbeiter
#6
Es handelt sich bei der im ersten Beitrag erwähnten Fabrik um die Meganitfabrik Zurndorf.
Ich habe hier anhand des Buches von Hans Hahnenkamp, Die burgenländische Industrie, Bd. 2 1881-1921 (Eisenstadt 1994) die wichtigsten Infos, teilweise wörtlich aus der Literatur entnommen, zusammengefasst.

Gründung:

1887 errichtete die Firma Wilhelm Schückher und Compagnon in Zurndorf eine Meganit(Dynamit)-Fabrik. Meganit war ein Sprengstoff, der Nitroglycerin mit dem Aufsaugungsmittel (Basis) Nitrozellulose in gelatinösen Zustand brachte (bei Dynamit ist die Basis Infusorienerde = Kieselgur).

Einteilung der Fabrik:

Das Areal der Firma umfasste etwa 75 Katastraljoch (431.625 m²). Die Gebäude waren in zwei Gruppen aufgeteilt:
Die erste Gruppe bestand aus den nicht gefährdeten Objekten, wo Rohmaterial und Abfälle bearbeitet wurden. Dieser Bereich ist heute in Privatbesitz und wurde renoviert, siehe Homepage Zurndorf. In der zweiten Gruppe befanden sich die explosionsgefährdeten Gebäude mit der Nitroglycerinfabrik, wo das Meganit erzeugt wurde.

Gruppe 1:

- Kesselhaus mit zwei Kessel von je 160 m³ Heizraum

- Maschinenhaus mit einer 50 PS Dampfmaschine, 15 PS Luftkompressor, Gramme-Apparat (Wechselstrommaschine) zur elektrischen Beleuchtung von 160 Flammenstärke [Anm. d. Verf.: Lux? Lumen? Candela? Weiß es jemand?], Maschinenreparaturwerkstätte, Salpetermühle, Zellulosetrockenapparat und Trockenkammer.

- Nitrozellulosefabrik mit Montejus-Apparat (Pumpe), Filterkammer, Gußeisen-Abklärmaschine zur Rückgewinnung der überschüssig verwendeten Säuren, Pressraum mit hydraulischer Presse, Waschraum mit den Bottichen zur Entsäuerung der gepressten Zellulose, Holländer-Raum mit zwei Holländern von je 200 kg, mit zwei Dämmen zum Sammeln der gereinigten Nitrozellulose, zwei sich zentrisch bewegende Maschinen zur Ausscheidung der Nitrozellulose, Wasserpumpe für die hydraulische Presse, Raum für Papierrauf- und -schneidemaschine.

- Gebäude mit Trockenkammer, in der sich Laugenfässer zur Reinigung der gebrauchten Zellulose befanden, 24 Rahmen zur Trocknung der gereinigten Zellulose und zwei Exhauster, weiters ein Raum mit dem Apparat zum Paraffinieren des Patronenpapiers.

Gruppe 2:

- Nitroglycerinfabrik
- Patronenfabrik
- Depots

Die Ölfabrik umfasste eine Vorrichtung für die Nitroglycerinherstellung, zwei Separatoren und einen Raum mit einem Sicherheitsbottich, einen Säurebehälter, einen Montejus-Apparat, einen Absonderungsraum mit sechs Scheidegefäßen zu je 3.000 kg, eine Filterkammer und drei Seihkästen, schließlich zwei Mischräume mit den zum Meganitmengen nötigen Mengentrog und mit Filtern.

Die Patronenfabrik bestand aus 12 Hütten zur Herstellung der Patronen, aus drei Trockenkammern zur "Dörre" der Nitrozellulose und aus drei Lagerräumen.

Das Meganit wurde in Patronen mit den Zahlen I, II und III auf den Markt gebracht und hatte Eigenschaften, wie sie von "keinem Sprengstoff erreicht wurden". Es war gegen Stöße unempfindlich, konnte längere Zeit im Wasser ohne Beeinträchtigung der Wirkung liegen, gefror nur unter ganz extremen Bedingungen und entwickelte bei der Explosion sehr wenig Gas.

Die Produktionskapazität der Fabrik betrug 10.000 kg pro Tag, sodass jährlich 3 Mio. kg Meganit hergestellt werden konnten.

Explosionen in der Fabrik:

- 23. Jänner 1888: Keine Todesopfer.

- 1. September 1888: Keine Todesopfer.
50 kg Meganit detonierten im von Erdwällen gesicherten Apparatehaus. Der Werksdirektor Ballabene alarmierte alle Arbeiter, als er rote Dämpfe, die das überhitzte Nitroglycerin bildete, bemerkte. Nachdem alle Arbeiter geflüchtet waren, ging das Meganit in die Luft. Sämtliche Fensterscheiben am Gelände brachen, auch die des 800 Schritt entfernten Beamtenhauses und auch einige Fenster im 2,5 km entfernten Zurndorf zerbarsten. Sogar in Preßburg war die dumpfe Detonation deutlich wahrnehmbar.
Das Unglück hätte noch viel schlimmer kommen können, da im Apparatehaus insgesamt 400 kg Meganit lagerten - 50 kg detonierten, der Rest ging zuvor in roten Dämpfen auf. Sämtliche Objekte waren stark zerstört, dennoch entgingen 14.000 kg fertiger Meganitpatronen in den Lagerschuppen der Detonation.

- 12. Dezember 1890: 3 Todesopfer, 3 Schwerverletzte.
In Patronenhütte 11 füllten drei Arbeiterinnen Patronen mit Meganit, als dieses explodierte. Wieder bot die Fabrik ein Bild der Verwüstung.
Ein Kommissär des Ministeriums legte die Fabrik daraufhin einige Zeit still.

Umbenennungen und Ende:

Am 5. Jänner 1891 wurde die Firma in "Ungarische Sprengstoff-Actien-Gesellschaft ("Magyar robbáno anyaggyár részvénytársaság") geändert und am 19. Februar protokolliert.

Das Ende der Firma dürfte um 1925/26 gekommen sein. Sie wurde von Dynamit Nobel übernommen, womit sich der Firmenname in "Österreichische Dynamit Nobel AG" änderte.

Daten:

1891:

- Produktionskapazität: 1.120.000 kg Meganit
- Herstellung: 200.000 kg Meganit
- Personal: 1 Direktor, 2 Beamte, 3 Aufseher, 6 Handwerker, 26 Taglöhner, 9 Arbeiterinnen.

1894:

- Personal: 3 Beamte, 45 Arbeiter, 6 Arbeiterinnen, 5 Taglöhner [Anm. d. Verf.: Vermutlich gab es auch einen Direktor, ist in der Quelle aber nicht vermerkt]
- Es gab bereits drei Dampfmaschinen im Werk

1895 und 1896 musste der Betrieb wegen Absatzschwierigkeiten zeitweise stillgelegt werden. Hauptabnehmer war in dieser Zeit Bulgarien.
Ab dieser Zeit entwickelte sich die Sprengstofffabrik Blumau zu einer schweren Konkurrenz, weil dieser militärische Betrieb Erleichterungen genoss, die er auch in Anspruch nahm, wenn er zivile Geschäfte tätigte (beispielsweise günstigere Bahntransportkonditionen)

1906:

- 160 Arbeiter.

Umsätze und Gewinne:

1891:

- Aktienkapital: 400.000 Gulden

1904:

- Aktienkapital: 240.000 Kronen
- Gewinn: 53.357 K 66 h

1906:

- Gewinn: 90.729 K 97 h

1909:

- Aktienkapital: 240.000 Kronen
- Gewinn: 38.735 K 04 h

1910:

- Gewinn: 70.613 K 48 h

1911:

- Gewinn: 52.053,84 K

1912:

- Gewinn: 86.291,87 K


Literatur: Hans Hahnenkamp, Die burgenländische Industrie, Bd. 2 1885-1921 (Eisenstadt 1994)


Fotos:
1 - Übersicht über das Fabriksareal, Luftbild von GIS-Burgenland
2 - Höhenscan des explosionsgefährdeten Bereichs, GIS-Burgenland
3 - Wahrscheinlich ist dieses Fundament der Rest des im Text erwähnten Beamtenhauses.
4 - Ziegel in dessen Nähe
 

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