ORF.at/Roland Winkler
Am 12. Jänner 2023 wird das historische Parlamentsgebäude mit einem Festakt wiedereröffnet. Für Besucher und Besucherinnen öffnet das Hohe Haus in den Tagen danach die Tore. Der Staubschutz, der jetzt noch über viele Möbelstücke gelegt ist (siehe Bild oben), wird dann ebenso Geschichte sein wie der Akt der Rückübersiedlung. Dieser findet jetzt statt. Er werde noch einige Zeit in Anspruch nehmen, wie es aus der Parlamentsdirektion bei einer Führung durch das Hohe Haus Mitte November hieß.
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Insgesamt werden 800 Arbeitsplätze übersiedelt. Nach Angaben der Parlamentsdirektion werden allein dafür bis zu 6.400 Umzugskartons gepackt, was acht Kartons pro Arbeitsplatz ausmacht. Tausende Gegenstände wie Möbel, Tresore, Pflanzen, aber auch Monitore müssen von den Ausweichräumlichkeiten in das Parlament am Ring befördert werden. Mehr als 40 Personen kümmern sich um den reibungslosen Ablauf.
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Zu den Objekten gehören aber auch historische Dokumente und Bücher, die während der fünfjährigen Sanierung im Palais Epstein (Bild) und im Gebäude der ehemaligen Handels- und Gewerbekammer untergebracht waren. Die Rückübersiedlung der Bibliothek und des Archivs nimmt noch etwas mehr Zeit in Anspruch: In sechs Etappen soll bis Februar alles in den Räumlichkeiten des Parlaments untergebracht sein.
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Der Umzug erfolgt in sechs Etappen, wobei die letzte Etappe die 2.710 Laufmeter Archiv betrifft. Die Dokumente der gesetzgebenden Organe seit 1861 und Verwaltungsakte der Parlamentsdirektion, die sich über Jahrzehnte angesammelt haben, füllen rund 9.000 Kartons.
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Der Bibliotheksbestand, der in grauen Kisten abgepackt wird und auf seinen Umzug wartet, umfasst 4.500 Laufmeter und wird bereits seit Oktober übersiedelt. Die Bibliothek wurde 1869 gegründet und besitzt 370.000 Bücher, 48.000 Aufsätze und 260 nationale und internationale Zeitschriften und Zeitungen.
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Jene Objekte, die sich im Palais Epstein befinden, werden über einen unterirdischen Tunnel, der direkt ins Parlament führt, befördert. Das hat in erster Linie zeitökonomische Gründe, weil man das Hohe Haus über den Tunnel sehr einfach und schnell erreicht. Zudem sind die teils wertvollen Bücher damit nicht Wind und Wetter ausgesetzt. Zwischen Palais Epstein und Parlament liegen Luftlinie nur ein paar Dutzend Meter, aber für diesen Transport sind Gehsteige und Straßenbahnschienen eher ungeeignet.
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Mit „Der dritte Mann“ machte Orson Welles die Wiener Kanalisation zur Berühmtheit, das Tunnelsystem hat womöglich den gleichen Charme, ist der Öffentlichkeit aber wohl kaum bekannt. Die Belüftung läuft über die unterirdischen Gänge, die auch unter dem vor dem Parlament stehenden Pallas-Athene-Brunnen (Bild) vorbeiführen. Dem Vernehmen nach war früher das Durchschreiten des Tunnelsystems einfacher als heute: Nun kann hier freilich nicht jede Person durchmarschieren.
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Haben die Bücher den Weg durch den Gang und den Aufzug des Parlaments erreicht, landen sie am Ende in der neuen Bibliothek. Ebenerdig befindet sich die juristische Literatur, die auch für die Arbeit der Abgeordneten relevant ist.
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Die parlamentarischen Materialien ab 1848/49 werden auf der Galerie einsortiert. Der Bestand umfasst zum Beispiel die Protokolle der zwei Kammern des Reichsrats (Abgeordnetenhaus und Herrenhaus).
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Aus der Bibliothek, die kostenlos benutzt werden kann, können künftig Bücher auch entlehnt werden. Das war bisher nicht möglich, war die Bibliothek ja als Präsenzbibliothek gegründet worden. Diese Möglichkeit besteht auch weiterhin – nun mit 15 Leseplätzen, einer davon ist für blinde und sehbehinderte Personen barrierefrei.
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Die Bibliothek und die anderen Räumlichkeiten, die mit Jänner 2023 öffentlich zugänglich sind, erreichen die Besucher und Besucherinnen über den Eingangsbereich. Dieser wurde wie vieles andere auch neu konzipiert. Die Sanierungskosten wurden 2014 gesetzlich mit 352 Millionen Euro festgelegt. Für alle Fälle wurde eine 20 Prozent hohe Reserve ebenfalls vereinbar – diese wurde im November 2020 aktiviert. Wie hoch die Kosten nun tatsächlich sein werden, wird die Öffentlichkeit Ende 2023 erfahren.
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Neben der feierlichen Eröffnung Anfang Jänner findet wenige Wochen später die Angelobung des wiedergewählten Bundespräsidenten statt. Das frühere Abgeordnetenhaus des Reichsrats war in Zeiten der Monarchie mit bis zu 516 Abgeordneten aus acht Nationen besetzt. Am 26. Jänner wird dort die Bundesversammlung (Nationalrat und Bundesrat) die Amtszeit von Alexander Van der Bellen um weitere sechs Jahre verlängern. Der Ausbau unter dem Bundesversammlungssaal mit 509 Plätzen war wegen der historischen Bausubstanz aufwendiger und kostspieliger als jener unter dem Nationalratssitzungssaal.
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Im Nationalratssaal wurde auch einiges geändert, aber das Grundgerüst blieb gleich: Mit dem Rednerpult als Bühne und einem halbkreisförmigen Auditorium ist der Sitzungsaal im historischen Parlament dem griechischen Theater nachempfunden, an dessen Spitze der Nationalratspräsident sitzt. Dieser hatte zuletzt für Aufregung gesorgt, weil er im Empfangssalon („Blauer Salon“) ein Klavier aufstellen lässt – die Miete beträgt 3.000 Euro monatlich. Der Flügel wurde aus „Flexibilitätsgründen“ gemietet, heißt es offiziell, der Vertrag sei monatlich kündbar. Bedeutet auch, dass sich künftige Parlamentspräsidenten bzw. -präsidentinnen vom Musikinstrument trennen könnten. Der Flügel soll übrigens Ende November geliefert werden – weshalb es noch keine Fotos gibt.
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Der Bundesratssaal (Bild) wurde zwar mit 128 Sitzplätzen ausgestattet, kann allerdings für Veranstaltungen mehr Leute unterbringen. Während die großen Säle bei ihren ursprünglichen Bezeichnungen bleiben, wurden andere Lokale, in denen etwa Ausschusssitzungen stattfinden, zusätzlich nach bekannten Persönlichkeiten benannt: „Erwin Schrödinger“ (Lokal 1), „Elise Richter“ (Lokal 2), „Theophil Hansen“ (Lokal 3), „Berta von Suttner“ (Lokal 4), „Ludwig Wittgenstein“ (Lokal 5), „Lise Meitner“ (Lokal 6), „Egon Schiele“ (Lokal 7) und „Eugenie Schwarzwald“ (Lokal 8).
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Im dritten Obergeschoß lassen sich die Wintergärten „Romy Schneider“ und „Maria Lassnig“ finden. Die insgesamt sechs Besprechungszimmer werden nach „Viktor Frankl“, „Ella Lingens-Reiner“, „Sigmund Freud“, „Gabriele Possaner“, „Ingeborg Bachmann“ und „Fellerer/Wörle“ benannt. Für Untersuchungsausschüsse (Bild) gibt es im Untergeschoß künftig zwei abhörsichere Räume. Namensgeber sind der Künstler Oskar Kokoschka und der Architekt Adolf Loos – zumindest mit Stand August 2022.
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Damit sich die Abgeordneten und Beschäftigten nicht immer Vor- und Nachnamen zurufen müssen, um zu wissen, wo der nächste Termin im Parlament stattfindet, sollen dem Vernehmen nach die ursprünglichen Nummerierungen („Lokal I“, „Lokal II“, „Lokal III“ etc.) weiter Bestand haben. Besucher und Besucherinnen können sich frühestens Anfang des kommenden Jahres davon ein Bild machen.
21.11.2022, Jürgen Klatzer (Text), Roland Winkler (Bild), beide ORF.at