Schauplatz der Varusschlacht, bei der die Germanen den Römern eine vernichtende Niederlage bereiteten, womöglich gefunden

josef

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LEGENDÄRE GEFECHTE
Schauplatz der Varusschlacht womöglich identifiziert
Kalkriese nahe Osnabrück war von jeher als Ort der Niederlage von Publius Quinctilius Varus gegen die Germanen vermutet worden. Nun sollen Beweise dafür vorliegen
Zehntausende schwerbewaffnete Soldaten, Reitpferde und Tragtiere – ein gewaltiger Tross: Als sich die römische Streitmacht im Spätsommer oder Herbst des Jahres 9 unserer Zeitrechnung auf den Weg ins Winterquartier machte, muss der Zug 15 bis 20 Kilometer lang gewesen sein. Die Route führte, angeführt von Publius Quinctilius Varus, von der Weser Richtung Südwesten ans Rheinufer.

Der römische Senator, Feldherr und Statthalter von Germanien glaubte sich in befriedetem Gebiet, weshalb ihm Nachrichten von einem lokalen Aufstand einen kleinen Umweg wert schienen – Rebellion wollte er offenbar nicht dulden. Der Abstecher sollte sich als desaströse Fehlentscheidung entpuppen.

Schlammschlacht in fremder Umgebung
Am zweiten Tag des Marsches durch unbekanntes Gelände verschlechterte sich das Wetter, es begann heftig zu regnen, und der schlammige Boden behinderte das Fortkommen. Varus dürfte es spätestens jetzt gedämmert sein, dass sich seine Truppen in einer äußerst prekären Situation befanden. Zu spät erkannte er den Hinterhalt des Cheruskerfürsten Arminius, seine Soldaten hatten keine Chance gegen die ortskundigen Kämpfer des abtrünnigen Verbündeten: Zwei Tage tobten die Gefechte – am Ende hatten die bestens vorbereiteten Germanen die römische Streitmacht praktisch vollständig aufgerieben. Varus nahm sich an Ort und Stelle das Leben, viele seiner Offiziere sollen es ihm gleich getan haben.


Die alten Römer besaßen ein gut gerüstetes diszipliniertes Militär – gegen die Guerillataktik der Germanen konnten sie jedoch nichts ausrichten.
Foto: REUTERS/Darrin Zammit Lupi

Nach der Varusschlacht – römische Schriftsteller nennen sie "Varusniederlage" – zogen sich die Römer zeitweilig wieder bis an die Rheinlinie zurück. Am Verlust von drei Legionen, sechs Kohorten und drei Alae sowie zahlreichen Kastellen, Bergwerken und Siedlungen hatten die römischen Truppen eine ganze Weile zu nagen. Obwohl die Varusschlacht zu den am besten untersuchten antiken Kriegshandlungen zählt, blieb vor allem eine Frage umstritten: Wo genau fanden die Kämpfe überhaupt statt?

Idealer Ort für eine Falle
Aus den Diskussionen und Hypothesen der letzten Jahrhunderte hat sich mittlerweile ein Favorit herausgebildet: Kalkriese. Das Gebiet liegt 16 Kilometer nordöstlich von Osnabrück in einer kleinen, engen Senke, eingezwängt zwischen dem Großen Moor im Norden und dem Kalkrieser Berg im Süden – ein idealer Ort für eine Falle.

Tatsächlich ist Kalkriese ein bedeutender Fundort für römische Artefakte. Hier sind vor rund 2.000 Jahren viele Menschen gestorben, so viel lässt sich aus den bisherigen Funden schon schließen. Doch welche römischen Einheiten hier eine Niederlage erlitten hatten, darüber herrscht Uneinigkeit. Manche Forschende vermuten, dass es sich um Überreste von Germanicus' Truppen handelt.


In der chemischen Signatur von Pferdegeschirren ...
Foto: Christian Grovermann

... Kleiderfibeln ...
Foto: Dave Ziegenhagen

... und Gürtelschnallen fand Annika Diekmann gleichsam einen metallurgischen Fingerabdruck, der typisch ist für die Legio XIX.
Foto: Dave Ziegenhagen

Eine Antwort darauf könnte nun aber ein metallurgisches Analyseverfahren geliefert haben: Ein Team um Annika Diekmann vom Deutschen Bergbaumuseum in Bochum suchte in den römischen Funden wie Gürtelschnallen oder Kleidungsspangen nach chemischen Signaturen, die man zweifelsfrei mit der 19. Legion (Legio XIX) in Verbindung bringen kann. Es gilt als gesichert, dass dieser Truppenverband an der Varusschlacht teilgenommen hat.

Rund 550 Proben
Anschließend bargen sie Proben von Orten, an denen die 19. Legion nachweislich stationiert war. Um auszuschließen, dass die Artefakte nicht von Soldaten des Feldherrn Nero Claudius Germanicus aus dem Jahr 15 stammten, nahmen sie auch Proben von den Winterquartierorten von Germanicus' Legionen.

Die Untersuchung von über 550 Proben liefert ein recht klares Ergebnis: Die 19. Legion kämpfte in der Schlacht in Kalkriese. Zu Proben von Germanicus' Soldaten dagegen fanden "wir signifikante Unterschiede", meinte Diekmann. "Aus chemischer und mathematischer Sicht halte ich die Ergebnisse daher für sehr aussagekräftig."

Arminius' Schicksal
Damit dürfte zumindest klar sein, dass in Kalkriese die Legionen des Varus eine Niederlage erlitten hatten und nicht die Verbände von Germanicus. Ob es als endgültiger Beweis für den Schauplatz der Varusschlacht anerkannt wird, werden die Fachdiskussionen zeigen, die wohl zu diesem Ergebnis bereits entflammt sind.

Arminius konnte übrigens aus dem Triumph über Varus letztlich kein Kapital schlagen. Der Cherusker-Fürst, der in Rom aufgewachsen und zum römischen Offizier ausgebildet worden war, schaffte es nicht, seinen Sieg in eine bessere Machtposition unter den Cheruskern umzuwandeln. Die innergermanischen Rivalitäten kosteten ihn zwölf Jahre nach der Varusschlacht das Leben: Im Jahr 21 wurde Arminius von Verwandten umgebracht.
(tberg, 17.11.2022)

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