Seen im Raum Wiener Neustadt geht das Wasser aus

josef

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#1
Wiener Neustädter Seen geht das Wasser aus
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Trockenheit und fehlender Regen wirken sich auf den Grundwasserspiegel aus. Im Südosten Niederösterreichs war dieser seit Jahrzehnten nicht so niedrig wie jetzt. Das zeigen auch einige Seen im Raum Wiener Neustadt. Diesen geht das Wasser aus.
Online seit heute, 17.05 Uhr
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Als Andreas Kuchar seine Wohnung direkt am Wiener Neustädter Anemonensee – einem beliebten Wohngebiet – kaufte, hätte er niemals gedacht, dass sich der Grundwassersee nur wenige Jahre später derart verändern würde. Vom Anemonensee ist nicht mehr viel übrig. „Ich konnte direkt zuschauen, wie der Wasserspiegel immer weiter gesunken, ist und natürlich bin ich enttäuscht“, sagte der Anrainer, der die Gegend vor allem wegen des Sees zu seinem Lebensmittelpunkt machte.

Schuld an der Misere ist laut Martin Angelmaier, Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft des Landes Niederösterreich, der niedrige Grundwasserpegel im Raum Wiener Neustadt. Schwankungen seien zwar nicht ungewöhnlich, aber im südöstlichen Niederösterreich seien diese besonders ausgeprägt, so Angelmaier. So niedrig wie jetzt war der Grundwasserspiegel seit Jahrzehnten nicht mehr. Seit 2010 sank er um fast zehn Meter. Momentan liegt er bei rund 257 Metern über der Adria, vor zwölf Jahren betrug er mehr als 266 Meter.

Fehlende Niederschläge lassen Pegel sinken
„Wir hatten gerade im östlichen und südlichen Niederösterreich in den letzten Jahren deutlich unterdurchschnittliche Niederschlagsverhältnisse. Der Regen ist nicht durchgekommen bis in den Raum Wiener Neustadt“, so Angelmaier. Dieses Niederschlagsdefizit habe niedrige Pegelstände zur Folge. Besonders der Schneefall fehle in den letzten Jahren, denn Schnee reichert das Grundwasser besonders gut an. Das hänge damit zusammen, dass Schnee langsam schmilzt und Zeit hat, in den Boden einzudringen. Bei starkem Gewitterregen funktioniere die Versickerung im Gegensatz dazu nicht so gut, erklärte Angelmaier.

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Vom Badeparadies Föhrensee ist nicht viel übrig geblieben
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Tret- und Ruderboote parken im Schotter

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Diese Treppe sollte eigentlich direkt ins Wasser führen

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Auch das Wasser im Achtersee wird immer weniger

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Am Anemonensee sind nur noch einzelne Wasserlacken übrig geblieben, Enten schwimmen aber immer noch darin

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Die Trockenheit ist nicht zu übersehen

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Der Anemonensee wird nun ausgebaggert und neu gestaltet

Der Anemonensee ist jedenfalls kein Einzelfall. An anderen Grundwasserseen in Wiener Neustadt ist die Lage nicht besser. Das zeigt etwa der öffentlich zugängliche Achtersee – ein beliebtes Naherholungsgebiet –, wo das Wasser ebenfalls immer weniger wird. Vor nicht allzu langer Zeit konnte man direkt von einer Treppe in den Badesee eintauchen, jetzt muss man von der Treppe aus noch einige Meter über Schotter zurücklegen, bevor man das Wasser erreicht.

Badeparadies wird zur Schotterwüste
Einige hundert Meter weiter, am Föhrensee, investierten Anrainerinnen und Anrainer viel Geld in ihre Grundstücke mit Seezugang. Nun sei der Grund am See sicherlich viel weniger wert, meinte eine Anrainerin gegenüber noe.ORF.at, denn statt eines Badeparadieses habe sie – wenige Jahre, nachdem sie ihr Haus am See baute – eine Schotterwüste vor der Haustüre. Tretboote parken im Schotter. Stiegen führen ins Nichts statt ins Wasser. Der See gleicht einer Lacke – und das, obwohl er noch vor wenigen Jahren mit blaugrün leuchtendem Wasser gefüllt war und zum Baden einlud.

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Andreas Kuchar
So hat der Anemonensee ausgesehen, bevor der Grundwasserspiegel stark gesunken ist
Doris Macho
Aufnahmen aus dem Jahr 2013

Sabina Riegelbauer
Der Föhrensee vor einigen Jahren – das blaugrün schimmernde Wasser lud zum Baden ein

Auch im Anemonensee haben die Bewohnerinnen und Bewohner der Hunderten angrenzenden Wohnungen früher gerne gebadet. Damit das wieder möglich ist und der See nun nicht völlig austrocknet, veranlasste die Hausverwaltung, dass er ausgebaggert und bis zum Sommer neu gestaltet wird. Es soll künftig etwa zusätzliche Liegeflächen geben. Diese Maßnahme stimme die Bewohnerinnen und Bewohner hoffnungsvoll, sagte Kuchar. „Ich bin sehr happy darüber und bin schon gespannt, wie das dann im Sommer aussehen wird“, so der Anrainer.

Witterung entscheidend für Zukunft der Seen
Langfristig werde aber wohl vor allem der Niederschlag darüber entscheiden, wie es mit den Grundwasserseen weitergeht, heißt es aus der Abteilung für Wasserwirtschaft. „Wenn wir jetzt eine mehrmonatige feuchte Phase haben, dann kann sich das sehr schnell erholen, aber wir können nicht in die Zukunft schauen, wie sich die Witterung entwickeln wird“, sagte Angelmaier. Kuchar und viele andere hoffen jedenfalls, dass sich die Witterung so entwickelt, dass sie von ihrem Balkon bzw. ihrer Terrasse aus bald wieder einen Blick auf das Wasser genießen können – und nicht auf einen Schotterhaufen.
23.04.2022, Tobias Hollerer, noe.ORF.at
Wiener Neustädter Seen geht das Wasser aus
 

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#2
TROCKENHEIT
Seen bei Wiener Neustadt: "Statt Wasser haben wir stinkenden Heilschlamm"
Im Raum Wiener Neustadt sind aufgrund des fehlenden Niederschlags und der Trockenheit mehrere kleine Seen ausgetrocknet. Die Anwohner hoffen nun auf Umbauten und neues Wasser
Reportage

Der Föhrensee bei Wiener Neustadt gleicht derzeit eher einer Lacke als einem See.
Foto: Jakob Pallinger

Vor den Liegen rollen die Bagger und heben Schlamm und Erde aus. Immer tiefer graben sie das Loch, in dem sich die kleine Wasserlacke befindet. "So wenig Wasser wie heuer gab es noch nie", sagt Maria Gruber. Sie steht auf dem Weg, von dem sie bis vor wenigen Monaten nur ein paar Schritte zum Wasser gehen musste. Doch seit März ist der See vor ihrer Wohnung so klein, dass es nicht einmal mehr zum Baden reicht. "Dass das früher ein richtiges Paradies war, kann man sich gar nicht mehr vorstellen", sagt sie.

Seit 23 Jahren lebt Maria Gruber, die eigentlich anders heißt, in der Wohnung neben dem Anemonensee am Stadtrand von Wiener Neustadt. Direkt vom Fenster aus sieht sie normalerweise auf das Wasser, das nun Erde und Schotter gewichen ist. Der Grundwassersee wurde damals gemeinsam mit den Wohnungen angelegt – als private Bademöglichkeit und Erholungsort für die hunderten Bewohner, die rund um den See leben.
"Normalerweise sind die Leute hier jeden Tag, am Abend und sogar in der Nacht baden gegangen", sagt Gruber. Um das Doppelte sei der Wasserstand für gewöhnlich höher. Als es im vergangenen Herbst und in diesem März besonders trocken war, ging das Wasser Schritt für Schritt zurück, vom ursprünglichen See blieb nicht mehr viel übrig. "Dabei ist der See ja der Grund, warum viele hierhergezogen sind", sagt Gruber.


Seit einigen Monaten wird der Anemonensee bereits umgestaltet, um künftig eine Austrocknung zu verhindern.
Foto: Jakob Pallinger

Auch andere Seen ausgetrocknet
Ähnlich sieht die Lage auch bei anderen Seen in der Umgebung aus. Am gleich angrenzenden Föhrensee führen Stege ins Nichts, Tretboote und Kayaks liegen auf dem Trockenen, Liegen stehen meterweit vom Wasser entfernt. "Statt Wasser haben wir jetzt stinkenden Heilschlamm", sagt Margot Schwarz mit einem bitteren Lachen. Sie öffnet die Tür zu ihrem Haus, das sie vor 30 Jahren am See gebaut hat. "Die Idee war, im Sommer für die Kinder eine Bademöglichkeit zu haben." Bis zum Vorjahr sei das mit dem See auch super gewesen. Dann sei das Wasser jedoch schrittweise immer weiter zurückgegangen.

So drastisch wie heuer sei die Lage aber noch nie gewesen. Unter ihrem Garten ist der See nur noch eine kleine Lacke, die man durchwaten kann. Durch den niedrigen Wasserstand rutsche nun auch der steile Hang vor ihrer Haustür immer wieder ab. Nachbetonieren helfe da nur bedingt. "Für alle, die den Grund und das Haus hier gekauft haben, ist das jetzt eine enorme Wertminderung", sagt Schwarz. Müsse der See künftig ausgebaggert werden, kommen für alle Eigentümer am See dann noch zusätzliche Kosten hinzu.


Wirklich baden kann man im Föhrensee unterhalb von Schwarz' Garten nicht mehr.
Foto: Jakob Pallinger

Fehlender Regen und Schnee
"Es ist völlig natürlich, dass die Grundwasserstände immer wieder schwanken und damit auch der Wasserstand von Grundwasserseen wie des Anemonensees und des Föhrensees", sagt Martin Angelmaier, Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft des Landes Niederösterreich. Wie hoch der Grundwasserstand sei, sei abhängig davon, wie viel es in den vergangenen Jahren nicht nur direkt um die Seen, sondern in der gesamten Region geregnet und geschneit habe.

Da es vor allem in den vergangenen Monaten im sudöstlichen Niederösterreich unterdurchschnittlich geregnet habe und auch der Schnee aus dem Winter gefehlt habe, seien auch die Grundwasserseen abgesunken. Statt eines klassischen Landregens, bei dem es mehrere Tage leicht regnet und der für das Grundwasser besonders wichtig sei, komme es durch den Klimawandel lokal immer häufiger zu gar keinem Regen oder zu Starkregen, bei dem viel Wasser wieder abfließe.

Die Wasserversorgung in der Region sei zwar weiterhin gut gesichert, da die Brunnen viel tiefer reichen als die Schwankungsbreite beim Grundwasserstand. Das Verschwinden der Seen sei aber natürlich besonders für die Anwohnerinnen und Anwohner ein Verlust. Sind die kleinen Seen zudem seichter als drei Meter, könne schnell auch die Wasserqualität darunter leiden, sagt Angelmaier.

Umbauarbeiten im See
Aber ans Baden denken die Bewohner rund um den Anemonensee und den Föhrensee gerade ohnehin wenig – nicht zuletzt deshalb, weil der Anemonensee gerade eine Baustelle ist. Der Grundstückseigentümer, die Genossenschaft EGW, hat den niedrigen Wasserstand genutzt, um den See umzugraben. Schon vor etlichen Jahren hatte die Wasserrechtsbehörde des Landes Niederösterreich das Ausbaggern des Anemonensees vorgeschrieben, um ein Austrocknen zu verhindern. Weil der Wasserstand nun so niedrig ist, lässt sich das Vorhaben technisch einfacher umsetzen.

Der See soll tiefer werden, zudem soll der Uferbereich abgeflacht und neu begrünt werden. "Weißt du, wie schön das dann aussehen soll", sagt Gruber, während sie auf die Bagger und Lkws blickt, die um den See rollen. In drei Wochen sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Dann soll auch das Baden wieder möglich sein.

Abhängig von Regen
Wie gut sich die Seen tatsächlich wieder erholen, ist aber vor allem abhängig vom Niederschlag. "Entscheidend ist, dass es über mehrere Monate überdurchschnittlich viel regnet", sagt Angelmaier. Dann könne der Grundwasserstand und damit auch das Wasser in den Seen innerhalb eines Jahres wieder auf den normalen Wert zurückgehen. In den vergangenen Wochen haben sich die Grundwasserstände in der Region zumindest wieder stabilisiert.


Zumindest um einige wenige Zentimeter ist der Föhrensee in den vergangenen Wochen wieder angestiegen.
Foto: Jakob Pallinger

Langfristig hänge der Grundwasserstand aber auch davon ab, wie viel Regenwasser versickern kann. Regen dürfe nicht oberflächlich abfließen, sondern müsse dort gehalten werden, wo er fällt. "Es braucht wieder mehr Grünfläche in den Ortszentren und eine Entsiegelung", sagt Angelmaier.

Viel Verbauung
In den vergangenen Jahren sei in der Umgebung viel verbaut worden, sagt Schwarz. "Als wir vor 30 Jahren hier gebaut haben, gab es das meiste noch nicht." Sie meint damit die vielen Häuser, die sich nun an den See schmiegen, und die Straßen, die diese mit der Stadt verbinden. Wenn es damals viel geregnet hat, kam es eher zu Überschwemmungen. "Wir sind dann mit dem Boot zum Haus gefahren", erinnert sie sich – eine Vorstellung, die beim derzeitigen Anblick der Lacke ziemlich schwerfällt.

Zumindest ein paar Zentimeter sei das Wasser des Föhrensees die vergangenen Wochen wieder gestiegen, sagt Schwarz. "Das macht aber noch kaum etwas aus." Sie hofft, dass das Wasser in den kommenden Monaten doch wieder zurückkehrt. Und dass sie und ihre Familie dann vom Garten aus wieder auf blaugrün leuchtendes Wasser schauen können – und nicht auf Schotter und Schlamm.
(Jakob Pallinger, 13.7.2022)
Seen bei Wiener Neustadt: "Statt Wasser haben wir stinkenden Heilschlamm"
 
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