Um 1330 bekam Wien das "alte" Rathaus in der Wipplingerstraße. Im 15. und 16. Jahrhundert wurden 3 Wiener Bürgermeister hingerichtet

josef

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#1
Das blutige Ende der Wiener Bürgermeister
Drei Amtsinhaber mussten ihre Regierungszeit mit dem Kopf bezahlen
Die Wahl in Wien ist geschlagen, Michael Ludwig mit großer Mehrheit als Bürgermeister bestätigt. Vor ihm liegen arbeitsreiche Jahre und jede Menge Probleme. Es ist zu wünschen, dass er dabei einen ruhigen Kopf behält. Im wahrsten Sinne des Wortes verlieren wird er ihn jedenfalls mit Sicherheit nicht: ein Schicksal, das im 15. und 16. Jahrhundert einigen seiner Vorgänger beschieden war. Von dreien wird hier erzählt. Sie alle bezahlten ihre Parteinahme im Spiel der Mächtigen mit dem Leben.

Streit um Macht
Wien erhielt 1221 das Stadtrecht. Städte hatten eine relativ große Selbstständigkeit, umso mehr bei Problemen der Landesfürsten. Und deren gab es für die Herrscher Österreichs in ihren Anfängen genug. Nach dem Sieg König Rudolfs I. von Habsburg über König Ottokar von Böhmen begannen schon die Schwierigkeiten – und unter Rudolfs Nachkommen die Streitereien um Geld, um Territorien, um Vormundschaften, kurz: um Macht. In diese Auseinandersetzungen wurde auch die Bevölkerung hineingezogen, was oft zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führte.

So auch Anfang des 15. Jahrhunderts, als zwischen den Brüdern Herzog Leopold IV. von Österreich ob und unter der Enns (Ober- und Niederösterreich) und Ernst dem Eisernen, Herzog der Steiermark, ein Streit wegen der Vormundschaft über ihren minderjährigen Neffen ausbrach. Die dynastischen Auseinandersetzungen machten auch vor den Einwohnern der Stadt Wien nicht halt, die Führungsschicht ergriff Partei für Ernst, während die Handwerker und Kleingewerbetreibenden aufseiten Leopolds standen. In dieser aufgeheizten Stimmung ließ der Bürgermeister, Konrad Vorlauf, im Jänner 1408 fünf Handwerker, die eines Komplotts gegen Ernst den Eisernen bezichtigt wurden, hinrichten. Von Ernst erntete er dafür keinen Dank, der kam zu einer Verständigung mit seinem Bruder und zog sich in die Steiermark zurück. Leopold hatte nun in Wien das Sagen und übte Vergeltung an den Parteigängern seines Bruders. Er ließ Bürgermeister Vorlauf samt den Ratsherren Hanns Rockh und Konrad Rampersdorfer am Schweinemarkt, dem heutigen Lobkowitzplatz, enthaupten. Eine Tafel am Haus Lobkowitzplatz Nr. 3 erinnert noch heute daran.


Hinrichtung von Bürgermeister Vorlauf durch das Schwert.
Foto: ÖNB

Vereitelter Putschversuch
In der nächsten Generation gab es schon wieder einen Bruderzwist. Der Sohn Ernsts des Eisernen, Friedrich, wurde als Friedrich III. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Zwischen ihm und dem zweiten Sohn, Albrecht VI., kam es zu Erbstreitigkeiten um die österreichischen Gebiete. Wien war anfangs kaisertreu, nach einem Wechsel in der Stadtregierung schlug die Stimmung zugunsten Albrechts um. Kaiser Friedrich, der mit seiner Familie in Wien residierte, wurde von den Wienern in der Burg belagert, die Belagerten mussten bald mangels anderer Nahrungsmittel Hunde und Katzen und auch einen Geier, der lange Jahre in der Burg gelebt hatte, essen. Nach Verhandlungen erhielt der Kaiser letztlich freies Geleit, und Erzherzog Albrecht trat die Regentschaft in Wien an.

Bürgermeister Wolfgang Holzer als Vertreter der Stadt leistete Albrecht in der Wiener Burg den Treueid. Kaiser Friedrich jedoch gelang es, den Wienern durch Handelsrestriktionen starken wirtschaftlichen Schaden zuzufügen, gleichzeitig wurden die Söldner Erzherzog Albrechts in Wien immer unbeliebter, und so nahm Bürgermeister Holzer heimlich Verhandlungen mit dem Kaiser auf, um ihm die Stadt wieder zu übergeben. Dieser Putschversuch wurde vereitelt, Holzer auf der Flucht verhaftet. Von Kaiser Friedrich konnte er keine Hilfe erwarten, und es ereilte ihn die grausame Rache Albrechts: Seine Mitangeklagten wurden enthauptet, Wolfgang Holzer im April 1463 auf dem Platz Am Hof gevierteilt, der zerstückelte Leichnam vor den Toren aufgehängt und sein auf einer Stange aufgespießter Kopf ausgestellt. Einige Monate später starb Erzherzog Albrecht, und die Wiener leisteten Kaiser Friedrich III. erneut den Treueid.

Blutgericht
Sein Sohn, Kaiser Maximilian I., führte neue Verwaltungsmaßnahmen ein. Gar nicht einverstanden damit waren die Wiener, denen alte Vorrechte entzogen wurden. Aber erst nach dem Tod des Kaisers im Jänner 1519 bildete sich in Wien unter dem späteren Bürgermeister Martin Siebenbürger eine Opposition gegen die gemäßigte, die kaiserlichen Maßnahmen mittragende Stadtverwaltung. Unter dem Druck des "pofels" (Pöbels) konnte sich die Opposition unter Siebenbürger durchsetzen. Es zeigte sich bald, dass die landesherrliche Gewalt zunahm und die Autonomie der Städte zu schwinden begann. Der neue Herrscher der österreichischen Erblande, Erzherzog Ferdinand, setzte am Beginn seiner Herrschaft ein starkes Zeichen seiner Stärke mit einem strengen Gericht über alle, die in die Auseinandersetzungen nach dem Tod Maximilians verwickelt gewesen waren. Am 11. August 1522 wurden Bürgermeister Martin Siebenbürger und weitere Wiener Ratsherren am Hauptplatz von Wiener Neustadt geköpft. Heute erinnert dort eine besondere Pflasterung an das "Wiener Neustädter Blutgericht".


Blutgericht von Wiener Neustadt.
Foto: Public Domain

Die Namen von Konrad Vorlauf, Hanns Rockh und Konrad Ramperstorfer sowie jener von Martin Siebenbürger sind in Wiener Straßenbezeichnungen der Bezirke Innere Stadt, Margareten und Donaustadt verewigt. Zum Schluss gibt es eine gute Nachricht: Auch Bürgermeister, die keines gewaltsamen Todes sterben, können mit einem Straßennamen geehrt werden.
(Friederike Kraus, 23.10.2020)

Friederike Kraus, geb. 1945, ist Historikerin und Kunsthistorikern und derzeit als Fremdenführerin in Wien und Teilzeit-Buchhalterin im fjum – Forum Journalismus und Medien Wien tätig. Seit 2018 gestaltet sie gemeinsam mit Edith Michaeler den Podcast "Erzähl mir von Wien".
Das blutige Ende der Wiener Bürgermeister - derStandard.at
 

josef

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#3
Wie Wien zu einem Rathaus kam
Die Anfänge der habsburgischen Herrschaft in Wien

Foto: OeNB, Bildarchiv Austria

Nach dem Tod des letzten männlichen Babenbergers Friedrich II. 1246 trat in den Herrschaftsverhältnissen Österreichs eine ziemlich unübersichtliche Situation ein. Die österreichischen Adeligen und die Ratsbürger von Wien wandten sich an den mächtigsten Fürsten der Region, den böhmischen König, um Hilfe. Dieser nominierte seinen Sohn Přemysl Ottokar als neuen Herzog von Österreich. Das Wiener Bürgertum war erstmals als aktiver politischer Player in Erscheinung getreten.

Seit 1251 nannte sich Ottokar also Herzog von Österreich. Waren die Anfänge auch nicht friktionsfrei, gelang es ihm, der 1253 zum König von Böhmen aufgestiegen war, in den folgenden zweieinhalb Jahrzehnten seiner Herrschaft, die maßgeblichen Wiener Bürgerfamilien durch Privilegien und wirtschaftliche Begünstigung an sich zu binden. Als einer der mächtigsten Territorialherren des Reiches betrachtete sich Ottokar als Favorit für den Posten des römisch-deutschen Königs. Als die Wahl der Kurfürsten 1273 aber nicht auf ihn, sondern auf den Habsburger Rudolf I. fiel, war ein Konflikt unausweichlich. Die Auseinandersetzung der beiden Machtmenschen führte für Ottokar nach drei Jahren zunächst zum Verlust Österreichs und letztendlich in der Schlacht bei Dürnkrut und Jedenspeigen 1278 seines Lebens. Obwohl König Rudolf seine Söhne erst vier Jahre später mit Österreich belehnte, war das für die Stadt Wien der Beginn der habsburgischen Ära.


Rudolf I. von Habsburg.
Foto: OeNB, Bildarchiv Austria

Die obere Bürgerschicht Wiens stand zu einem großen Teil zu Ottokar, die meisten akzeptierten zwar gezwungenermaßen die Gegebenheiten, taten dies aber nur sehr zögerlich und zurückhaltend. Offen aufrührerische Parteigänger Ottokars wurden des Landes verwiesen, ihr Vermögen konfisziert. Die Handwerker und der sogenannte "Pöbel" waren eher bereit, den Habsburger anzuerkennen. Gemeinsam war allen Bevölkerungsschichten die Abneigung gegen die im Gefolge von König Rudolf nach Wien gekommenen Schwaben. Noch jahrhundertelang wurde Küchenungeziefer als "Schwaben" bezeichnet, sogar im 20. Jahrhundert war dieser Ausdruck noch manches Mal zu hören.

Aufstieg und Fall einer Bürgerfamilie
Es waren immer dieselben Bürgerfamilien, die das Schicksal und die Politik Wiens mitbestimmten. Die meisten von ihnen waren schon zur Zeit der Babenberger wichtige und mächtige Vertreter des Bürgertums gewesen und unter König Ottokar zu noch mehr Reichtum und Ansehen gelangt. Sie nahmen Einfluss auf die Landesverwaltung, bezeugten Urkunden, gemeinsam errichteten sie eine bürgerliche Stiftung: das Bürgerspital. Sie hatten Häuser in der Stadt und Grundbesitz außerhalb der Stadt, wo sie Landwirtschaft und Weinbau, der im mittelalterlichen Wirtschaftsleben Wiens eine beherrschende Rolle spielte, betrieben. Neben Geldgeschäften war das die Grundlage ihres Vermögens. Eine dieser Familien waren die Haimonen.

Die Haimonen, also die Nachkommen des Haimo, gehörten zum alten Patriziat. Sie besaßen neben ihren Wiener Häusern auch Gründe in Mauer. Das Dorf Mauer – der Name weist auf römische Mauerreste hin – wurde schon im Mittelalter zur Anlage von Weingärten genützt. Hier stiftete der Haimone Otto eine dem heiligen Andreas geweihte Kapelle im alten Maurer Schloss. In der Stadt selbst befand sich das Haus der Familie Haimo in der Wiltwercherstrazze, der heutigen Wipplingerstraße. In diesem Stadtpalais war, wie für reiche Familien üblich, im Obergeschoß eine Hauskapelle untergebracht, welche der Muttergottes geweiht war. Sie dürfte von den Brüdern Otto II. und Haimo III. um 1290 errichtet worden sein. Diese waren unter jenen, die sich nach Ottokars Fall mit den habsburgischen Landesherren arrangiert hatten. Als es Ende des 13. Jahrhunderts in den österreichischen Ländern zu einem Adelsaufstand gegen Herzog Albrecht kam, beteiligten sie sich ebenso wenig wie die anderen Wiener Bürger daran, was der Stadt erheblichen Profit in Form eines Stadtrechtsprivilegs einbrachte.

Erst das Jahr 1309 brachte die Wende, als Albrecht, der inzwischen römisch-deutscher König geworden war, von seinem Neffen Johann "Parricida" ermordet wurde. Sein Sohn und Nachfolger als Herzog, Friedrich "der Schöne", war gänzlich unvorbereitet und befand sich deshalb in einer schwachen Position. Diese Situation nutzten österreichische Adelige, unterstützt vom bayerischen Herzog, zu einer antihabsburgischen Erhebung. Und dieses Mal schlossen sich Vertreter des Wiener Bürgertums, darunter die Haimonen Otto und Haimo, aber auch Handwerker dem Aufstand an. Der brach allerdings mangels Unterstützung durch die übrige Bevölkerung bald zusammen. Herzog Friedrich hielt strenges Strafgericht, wobei die Adeligen relativ glimpflich davonkamen und die Handwerker am strengsten bestraft wurden. Sie zahlten mit dem Leben oder büßten ihr Augenlicht oder ihre Zungen ein. Den aufständischen Bürgern wurde ihr gesamter Besitz entzogen, für die Brüder Otto und Haimo bedeutete das auch den Verlust des Hauses mit Kapelle in der Wipplingerstraße.


Die Haimonen Otto und Haimo setzen ein Bild des heiligen Salvator auf den Altar der von ihnen gestifteten Kapelle.
Foto: OeNB, Bildarchiv Austria

Wien erhält ein neues Rathaus und einen neuen Heiligen
Die Stadt Wien profitierte indirekt von diesen Ereignissen, denn Herzog Friedrich schenkte ihr das Haus der Haimonen, das in den 1330er-Jahren als neues Rathaus das ältere in der Wollzeile ersetzte. Im Lauf der Jahrhunderte immer wieder erweitert, beherbergte das heute als "Altes Rathaus" bekannte Gebäude noch über 500 Jahre den Wiener Stadtsenat. Erst 1885 übersiedelte er in das neue Gebäude am Ring.

Die Namen der Kapellengründer lebten in der Erinnerung der Wiener Bevölkerung fort, im Lauf der Zeit verschmolz Otto und Haimo zu Ottenhaim, und nach einigen Jahrzehnten betete man zum Sankt Ottenhaim. Das war dem Klerus natürlich ein Dorn im Auge, die "Ketzerei" wurde Anfang des 16. Jahrhunderts verboten. Die Kirche, deren Inneres schon im 14. Jahrhundert erweitert worden war, wurde neu, dieses Mal dem Erlöser, geweiht. Sie ist seitdem als St. Salvator bekannt und heute Bischofssitz der altkatholischen Kirche.


Grabdenkmal des Přemysl Ottokar I.
Foto: OeNB, Bildarchiv Austria

Portal der Salvatorkapelle.
Foto: public domain

Zum Schluss gibt es die gute Nachricht: Das anlässlich dieser neuen Weihe errichtete, wunderbare Portal in der heutigen Salvatorgasse ist noch erhalten. Es ist eines der wenigen Werke der Frührenaissance in Wien. Über der Darstellung der Kirchenpatrone Maria und Jesus im Tympanon weist eine Inschrift auf die Gründer, die Brüder Otto und Haimo, hin. In der ehemaligen Grundherrschaft Mauer erinnert die Haymogasse an eines der mächtigsten, längst vergangenen Bürgergeschlechter Wiens.
(Friederike Kraus, 13.11.2020)

Friederike Kraus, geb. 1945, ist Historikerin und Kunsthistorikern und derzeit als Fremdenführerin in Wien und Teilzeit-Buchhalterin im fjum – Forum Journalismus und Medien Wien tätig. Seit 2018 gestaltet sie gemeinsam mit Edith Michaeler den Podcast "Erzähl mir von Wien".

Wie Wien zu einem Rathaus kam - derStandard.at
 
#4
Interessante Information!
Durch das alte Rathaus kann man durch den Innenhof durchschlendern und das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes befindet sich auch dort. DÖW
Weiters das Bezirksmuseum I.Bezirk Hier
Vor der Salvatorkirche bekamen Obdachlose am Mittwoch früh immer warme Suppe - so war es jedenfalls vor Corona.

Einmal war dort ein Punschstand mit auch Kleinigkeiten zum Essen aufgestellt. Sonst keine andere Info.
Hab mich dazugesellt da schon voller Betrieb, gab eigenartiger Weise keine Preise sondern nur Spenden.
Später habe ich erfahren, der war nur für die Magistratsabteilungs-Angestellten gedacht - zumindest habe ich gespendet :)
 
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