US-Militär Verschrottungsaktion der Superlative in Afghanistan

josef

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Altmetall im Milliardenwert

Die US-Vorbereitungen für den Abzug aus Afghanistan Ende 2014 laufen auf Hochtouren. Doch nicht die Rückkehr der stationierten Soldaten bereitet dem US-Verteidigungsministerium Kopfzerbrechen, sondern Tausende Tonnen an Militärgerät. Rund 20 Prozent davon sollen nicht in die USA zurückkehren oder afghanischen Truppen übergeben werden, sondern in einer bisher beispiellosen Aktion verschrottet werden. Geschätzter Wert: rund sieben Milliarden Dollar. „Wir schreiben Geschichte, mit dem, was wir machen“, so ein hochrangiger US-General. Die „Altmetallaktion“ ist allerdings auch heftigst umstritten.

Bisher beispiellose Aktion
Die USA stehen mit ihrem für Ende 2014 geplanten Abzug aus Afghanistan vor einer schwierigen logistischen Aufgabe. Nicht die Rückkehr der Soldaten gilt als das große Problem, sondern was mit dem in Afghanistan stationierten Militärgerät passieren soll. Die Zeichen stehen auf einer der größten Verschrottungsaktionen aller Zeiten.

Bisher wurden laut Angaben der „Washington Post“ bereits 85.000 Tonnen an Ausrüstung zerstört bzw. verschrottet. Doch das ist erst der Anfang. Obere US-Militärs sprechen bereits von einer in ihren Ausmaßen beispiellosen, bisher noch nie dagewesenen Entsorgungsaktion. Und die Stimmen, die dabei von einer Verschwendung von US-Steuergeldern sprechen, werden immer lauter. Denn auch im US-Militär ist die Meinung zu der Verschrottungsaktion nicht einhellig.

Altmetall im Wert von sieben Milliarden Dollar
Die Logistikplaner des US-Militärs sind sich einig, dass Gerät im Wert von rund sieben Milliarden Dollar (rund 5,3 Mrd. Euro) nicht den Weg in die USA schaffen werden. Das ist rund ein Fünftel der nach Afghanistan gebrachten militärischen Ausrüstungsgegenstände. Der Grund: Es wird entweder nicht mehr gebraucht - etwa wegen Veralterung - oder es ist im Vergleich zum Wert einfach zu teuer, es in die USA zu transportieren. „Wir schreiben, mit dem was wir hier machen, Geschichte“, so der hochrangige US-General Kurt J. Stein, zuständig für den Abzug. „Das ist die größte Rückzugsaktion in der Geschichte.“

Teurer Transport und Reparatur
Der US-Armee gehört der Löwenanteil des sich derzeit in Afghanistan befindlichen Militärmaterials. Der für Logistik zuständige US-General Raymond V. Mason gab den Wert per Mai gegenüber der Zeitung mit rund 25 Milliarden Dollar (19 Mrd. Euro) an. Nach einen Analyse von Kosten und Nutzen sei man übereingekommen, nicht mehr als 76 Prozent in die USA zurückzuschicken.

Die Armee schätzt hier die Transportkosten zwischen zwei und drei Milliarden Dollar (1,5 bis 2,3 Mrd. Euro) ein. Für die fälligen Reparaturen werden nochmals Kosten zwischen acht und neun Milliarden Dollar (6,1 bis 6,8 Mrd. Euro) anfallen, so die aktuelle Schätzung des US-Militärs.

Wer kann MRAPs brauchen?
Das Problem mit dem Militärgerät wächst sich immer mehr zu einem großen Dilemma für das US-Verteidigungsministerium aus. Denn was soll man mit der Militärausrüstung, die in Afghanistan bleibt, machen? Einerseits spricht man sich für die Übergabe an die afghanische Armee und auch den Verkauf intakter Gerätschaften an andere verbündete Staaten aus. Andererseits sieht die andere Fraktion nur den Weg in die Verschrottung.

Es geht dabei um Gerätschaften wie etwa die extra zu Tausenden für den Einsatz in Afghanistan gebauten MRAPs (Mine Resistant Ambush Protected-Vehicle; auf Deutsch etwa Minen aushaltendes und für Hinterhalte geschütztes Fahrzeug), die bekannten hellbraunen Schutzfahrzeuge. Ein MRAP kostet in der Produktion laut „Washington Post“ rund eine Million Dollar (rund 760.000 Euro).

US-Rüstungsindustrie gegen Marktüberschwemmung
Einerseits gibt es strenge gesetzliche Auflagen für die Weitergabe und den Verkauf von US-Militärgütern, andererseits wurden die afghanischen Truppen für den Umgang leichterer Militärfahrzeuge trainiert, „die der Straßenlage in Afghanistan besser angepasst“ seien, wie es laut „Washington Post“ aus Militärkreisen heißt. Es besteht also auch die Befürchtung, dass das afghanische Militär mit dem schweren Gerät gar nicht umgehen könnte und diese dann ihren Weg in die Hände der aufständischen radikal-islamischen Taliban finden könnten.

Ein weiterer Einflussfaktor in der hitzigen Debatte ist die US-Rüstungsindustrie. Sie wäre über eine Überschwemmung des globalen Rüstungsmarktes mit altem und daher billigem US-Gerät gar nicht erfreut - und die Umsätze würden darunter leiden, wie die Zeitung weiter schreibt.

„Zerschneiden, zerquetschen und schreddern“
Alles Gründe, warum vorerst mit dem „Zerschneiden, Zerquetschen und Schreddern“ der zurückbleibenden schweren Waffen und Ausrüstungsgegenstände fortgefahren wird und diese unbrauchbar gemacht werden, so die „Washington Post“. Der Schrott landet dann auf dem afghanischen Altmetallmarkt, wo er für wenige Cent das Kilo weiterverkauft wird.

Der Prozess zeige auch das mutmaßliche Ende der Ära der langwierigen Bodenkriege, wie etwa auch im Irak, sinniert die Zeitung weiter. Die Zerstörung der Tonnen an US-Militärmaterial wird sich noch zu einer politischen Diskussion ausweiten, geht es doch dabei um US-Steuergelder. Die Zeitung erwartet noch „scharfe Fragen in Afghanistan und den USA, ob der Ansatz des Pentagons dem Steuerzahler gegenüber verantwortlich ist und ob man nicht Wege finden sollte, mehr Kriegsmaterial der afghanischen Regierung zu übergeben“, so die Zeitung.

Ein Fahrzeug symbolisiert den Kriegsverlauf
Am meisten Kopfzerbrechen machen den USA dabei die MRAPs. Die teilweise Zerstörung der Sicherheitsfahrzeuge ist der umstrittenste und am genauesten beobachtete Teil der Verschrottungsaktion. Ihr Bau begann erst 2007, um die US-Truppen besser vor Minen und Hinterhalten in Afghanistan und dem Irak zu schützen.
Sie sind mehr oder weniger nur auf diese strategische Aufgabe hin konstruiert worden. Sie symbolisieren die Entwicklung von zwei US-Kriegen, die laut Planung nur kurz hätten dauern sollen, sich dann allerdings in einen blutigen und kaum überschaubaren „kriegerischen Morast“ entwickelten, wie die Zeitung schreibt.

Abholbar im Krisengebiet
Das Pentagon gab bereits bekannt, dass sie für 12.300 der 25.500 MRAPs, die in diversen Militärbasen weltweit stationiert sind, keine Verwendung mehr hat. In Afghanistan wurden bereits 2.000 der rund 11.000 dort stationierten schweren Militärfahrzeuge als „Überschuss“ gekennzeichnet. Die rund 9.000 übrigen MRAPs sollen teils in die USA zurückgebracht bzw. in Basen in Kuwait „und anderen Ländern“ stationiert werden.
Das Gros der unerwünschten Fahrzeuge wird allerdings zur Verschrottung freigegeben, da es unwahrscheinlich ist, Käufer zu finden, die die Fahrzeuge auch aus dem Krisengebiet bringen können, wie hochrangige US-Militärs der Zeitung sagten. Wenige Staaten hätten die Logistik, die MRAPs aus Afghanistan herauszuholen und für ihre eigenen Zwecke einzusetzen. Eine Übergabe an die afghanischen Truppen würde aus mehreren Gründen schwierig, so die „Washington Post“ weiter.

Auch Container Problem
Derzeit werden MRAPs in vier US-Militärbasen in Afghanistan unter erheblichem Aufwand auseinandergenommen und verschrottet. Die unbrauchbar gemachten Teile werden dann in US-Container gepackt - auch diese gelten als Ausschuss und bleiben in Afghanistan. Auch hier macht sich Unmut breit. Denn die USA haben die meisten Container gemietet, und das teils über Jahre. Kritikern rechneten nun vor, dass eigen produzierte oder gekaufte Container gemessen über die Nutzungsdauer weitaus billiger gekommen wären.

Für Baustellen und selbstgemachte Ersatzteile
Allein in der US-Militärbasis in Kandahar wurden laut der „Washington Post“ im Mai 2013 rund 5.500 Tonnen Altmetall an afghanische Firmen für wenige Cents pro Kilo verkauft. Der Schrott wird großteils auf Baustellen und für selbstgebastelte Ersatzteile verwendet. „Die Afghanen nennen es ‚Goldstaub‘“, so Morgan Gunn, von der Defense Logistic Agency, einer Abteilung des US-Verteidigungsministeriums.

Unliebsame öffentliche Diskussion
Das Thema Verschrottung ist bei hochrangigen US-Militärs nicht sehr beliebt. Sie versuchen es in der öffentlichen Diskussion klein zu halten. Die Befürchtungen sind groß, dass gerade in Zeiten des Sparens - so wurde auch da US-Verteidigungsbudget gekürzt - und auch der anhaltenden Attacken der radikal-islamischen Taliban auf afghanische Sicherheitskräfte ein schlechtes Licht auf den Abzug geworfen wird.

Kein zweiter Irak
Als sich das US-Militär aus dem Irak zurückzog, wurde sehr viel US-Kriegsgerät den irakischen Truppen übergeben. Der Irak hatte allerdings zu diesem Zeitpunkt den Zugang zu billigem Treibstoff, ein stabiles Verteidigungsbudget und weitaus besser ausgebildete Mechaniker als das in Afghanistan der Fall ist.
Von dem im Irak durch den US-Abzug nicht mehr benötigten US-Militärgerät wurden auch wesentliche Teile nach Afghanistan gebracht, wo eine US-Truppenaufstockung im Gange war, so die Zeitung weiter. „Offen gesagt, die afghanische Wirtschaft und das Militär sind in weiten Teilen noch nicht darauf vorbereitet, es den Irakis gleichzutun“, zitiert die „Washington Post“ den für die Logistik zuständigen General Mason. „Wir wollen den Afghanen keine Ausrüstung übergeben, mit der sie nicht zurechtkommen“, so der General weiter.
Text- u. Bildquelle: http://www.orf.at/stories/2188387/
 

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