USIA-Betriebe - Sowjetische Besatzungszone

josef

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#1
Da @aschi79 unter http://www.unterirdisch-forum.de/forum/showthread.php?p=78518#post78518 Infos zur USIA sucht, möchte ich hier einen Thread zu dem Thema aufmachen, da sicher viele Forumsbenützer in Westösterreich und D mit dem Begriff wenig anfangen können:

Unter der Verwaltung der USIA waren während der Besatzungszeit bis 1955 im österreichischen "Sowjetsektor" mehr als 300 von den Besatzern beschlagnahmte Betriebe zusammengefasst. Die Beschlagnahme erfolgte unter dem Titel "Deutsches Eigentum", da es sich großteils um Firmenneugründungen (Neubauten) bzw. von deutschen Konzernen und sonst. Eigentümern nach dem Anschluss übernommenen ehemaligen österr. Firmen handelte. Der Bogen spannte sich von Werken der Schwerindustrie, Bergbaue, Textil- u. Lebensmittelindustrie bis zu Land- u. forstwirtschaftlichen Betrieben. Den Schwerpunkt bildeten natürlich ehemalige Rüstungswerke...

Hier ein sicher unvollständiger Wiki-Beitrag, der zumindest einen Überblick bietet:

http://de.wikipedia.org/wiki/USIA

lg
josef
 
#2
Das entspricht wahrscheinlich den SMAD (Sowjetische Militär Administration) - bzw. SAG (Sowjetische AG, z. B. Wismut) - Betrieben in der ehemaligen Sowjetzone/DDR.
 
#3
USIA Infos aus Archiven

Hallo an alle,

derzeit forsche ich in einigen russischen Archiven zu Themen in Österreich. Dadurch ist auch die USIA nicht ganz fremd :).

Ich möchte hier auf folgenden Thread hinweisen:

http://www.unterirdisch-forum.de/forum/showthread.php?t=9230

Herr Medwedev hat befohlen die russischen Archive online zu bringen. Mehr unter

http://www.podvignaroda.ru/

Leider sind nur Teile der Seite russisch. Ich biete mich aber gerne an, Dinge zu übersetzten soweit es meine Zeit zuläßt.

LG
Aschi79
 
#4
Wenn man wirklich etwas erfahren will

... muss man sich in russisch jedoch an eine Moskauer Adresse wenden. Leider funktioniert das nur auf dem Postweg und der ist bis Russland sehr weit und nicht zuverlässig. Es gibt ein Archiv in Moskau in dem alle Informationen zum Thema USIA lagern. Antwort gibt es entweder ebenfalls auf dem Postweg oder in Form von gedruckten und eingesannten PDFs in russisch. Auch die Anfragen müssen in russisch gestellt werden.

Wenn es jemanden interessiert, kann ich die Adresse gerne posten.

LG
Aschi79
 

josef

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#5
@UHG:
So ist es, war quasi ein "Staat im Staat":)

@aschi79:
Danke für die Links! Mir ging es eigentlich um eine Erklärung des "Kürzels" USIA, von dem sicher einige noch nichts gehört hatten...

lg
josef
 
#6
@UHG:
Danke für die Links! Mir ging es eigentlich um eine Erklärung des "Kürzels" USIA, von dem sicher einige noch nichts gehört hatten...

lg
josef
Hallo Josef,

sorry, hab dich falsch verstanden. Das Kürzel USIA steht für die russischen Worte

Uprawlenje Sowjetskim Imuschestwom w Awstrij = USIWA

Anfangs wurde auch die Abkürzung USIWA genutzt, das W ist allerdings irgendwann weggefallen. Das obenstehende heißt zu deutsch so viel wie Verwaltung des sowjetischen Vermögens in Österreich.

Mittlerweile hab ich die Adresse des Archiv gefunden:

Russisches Staatliches Militärarchiv (RSMA)
125212, Moskau, Ul. Admiral Makarov, 29.

Dort lagern alle Infos zum Thema Sowjet-Verwaltung und USIA.

LG Aschi79
 
#7
Ausbeutung

Hallo nochmal,

wir mir vom MAN-Archiv auch bestätigt wurde, wurden die USIA-Betriebe bis zum letzten ausgebeutet. Hier war Gewinnmaximierung das einzige Ziel. Nennenswerte Investitionen wurden in die Betriebe nicht getätigt. Alles was möglich war, wurde nach der Nutzung abgebaut und in die Sowjetunion gebracht. Resultat daraus war, dass die Betriebe nach der Nutzung durch die USIA herabgewirtschaftet und technologisch hinterhet waren.

LG
Aschi79
 

josef

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#8
Hier war Gewinnmaximierung das einzige Ziel.
Ich war selbst in einem ehemaligen “USIA-Betrieb” beschäftigt und kenne noch Erzählungen von “echten”, zwischenzeitlich meist schon verstorbenen, Zeitzeugen aus allen “Hierarchien” des Betriebes. Auch in einige der spärlich vorhandenen Geschäftsunterlagen konnte ich Einsicht nehmen… Dazu muss man sagen, dass der (auch im Wiki-Artikel verwendete) Begriff “Gewinnmaximierung” nach der heutigen Interpretation falsch ist (war)! Oberstes Ziel war die Erreichung der von der Führung (Moskau) vorgegebenen Planziele! Diese waren primär nicht auf die Erreichung bzw. Erfüllung von finanziellen Größen, sondern auf zu produzierende MENGEN ausgerichtet! Diese wurden branchenspezifisch in Tonnen, Stück, Hektoliter, Kubikmeter usw., für bestimmte Zeiträume (Planperioden) vorgegeben. Die vorgegebenen Planziele mussten (sollten) mit allen den Betrieben zur Verfügung stehenden Ressourcen erfüllt bzw. übererfüllt werden!

In meinem konkreten Fall handelt es sich um ein nach dem Anschluss nach den damaligen modernsten technologischen Stand errichtetes Hüttenwerk zur Feinblecherzeugung. Das Werk ging Anfang 1943 in Vollbetrieb ( SM-Stahlwerk, Blockstrecke, Feinblechwalzstrecken…). Die Anlagen überstanden den Krieg ohne Beschädigungen durch Bomben oder Kampfhandlungen.

Im Sommer 1945 demontierten die Sowjettruppen Teile der relativ neuen Anlagen. Dabei wurde lt. Überlieferung durch unsachgemäße Vorgangsweise des Abbaues sehr viel zerstört. Bevor die demontierten Anlagen in den Osten verbracht wurden, standen diese auf offenen Waggons verladen monatelang herum…
Durch Einsatz der Stammbelegschaft konnte unter Aufsicht der Besatzungsmach durch improvisierte Neuanfertigungen in eigenen Werkstätten und Aufstellung von zusammengewürfelten Anlagenteilen aus anderen Betrieben, etwa Mitte 1946 wieder mit der Erzeugung von Blechen begonnen warden. Obwohl das Unternehmen ursprünglich im Besitz einer österreichischen Gewerke-Dynastie war, wurde es als “Deutsches Eigentum” in den USIA-Konzern eingegliedert. Als Grund wurde die Kapitalbeschaffung von deutschen Banken zur Errichtung des neuen Werkes angegeben. Nach Überwindung enormer Anfangsschwierigkeiten, die nach Lösung der technischen Probleme hauptsächlich in der Beschaffung von Vormaterial für die Walzung von Feinblechen in Form von Stahlplatinen lag (das SM-Stahlwerk und die Blockstrecke wurden nach der _Demontage nicht mehr neu errichtet), wurden die “Pläne” schrittweise hochgefahren. Die Zuteilung der nach “Plan” zu erzeugenden Fertigware (schwarze und verzinkte Bleche) erfolgte ebenfalls nach genau vorgegebenen Plänen. Der Großteil ging in den Osten, ein Teil an die heimische Industrie und der Rest wurde, zwecks Devisenbeschaffung für die USIA-Organisation, in westliche Staaten exportiert.

Die Belegschaft verdiente, wie im Wiki-Artikel angeführt, besser als in den privaten Betrieben innerhalb der Sowjetzone. Das “Sagen” in den Betrieben hatten damals die Funktionäre der “Kommunistischen Partei” und viele Arbeitnehmer wechselten der wirtschaftlichen Besserstellung wegen, gegen ihre innere Überzeugung, zur KPÖ! Zur Anhebung der Planmengen bediente man sich, lt. Erzählungen, kommunistischer Kaderleute aus der Belegschaft die Sonderprämien bekamen, um Akkordleistungen hochzuschrauben, die dann für die Gesamtbelegschaft zum Standard erhoben wurde.
Wie schon gesagt/geschrieben, wenn das “Werkl” lief, wurde nichts mehr investiert und nur notdürftig repariert, um herauszuholen was nur ging! Die Verkaufspreise und Verrechnungen mit den Ostpartnern und anderen USIA-Betrieben wurde ebenfalls von den Planbehörden festgelegt, nur die Lieferungen an den “übrigen” österreichischen Markt und die Exporte unterlagen einigermaßen der freien Preisgestaltung. Jedenfalls kann man von keiner der heutigen Praxis entsprechenden bzw. vergleichbaren betriebswirtschaftlich gestalteten Untenehmensführung sprechen!
Resultat daraus war, dass die Betriebe nach der Nutzung durch die USIA herabgewirtschaftet und technologisch hinterhet waren.
Das stimmt, für viele Betiebe führte das fast 10-jährige "Aushungern" mit dem daraus resultierenden technologischen Stillstand nach 1955 zum AUS! Andere hatten das Glück, durch Eingliederung in Konzerne aus den "westlichen" Bundesländern oder dem Ausland, die "verlorenen Jahre" nachzuholen und sich dementsprechend am Markt zu etablieren...

Lg
josef
 
#9
Hallo Josef,

darf ich fragen, welcher Jahrgang du bist? Eine andere interessante Frage die sich hier auch aufdrängt ist, wie war das für dich in der Zeit nach dem Krieg. Wie waren die sowjets als Arbeitgeber?

Natürlich nur wenn du erzählen möchtest. Ich selbst bin JAhrgang 1979 und sehr daran interessiert, wie Menschen die Zeit erlebt haben.

LG
Aschi79
 

josef

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#10
Hallo Josef, darf ich fragen, welcher Jahrgang du bist? Eine andere interessante Frage die sich hier auch aufdrängt ist, wie war das für dich in der Zeit nach dem Krieg. Wie waren die sowjets als Arbeitgeber?
Bin Jahrgang 1950 und kann natürlich, wie ich bereits schrieb, nur Erzählungen von Zeitzeugen wiedergeben! Bei meinem Berufseinstieg erlebte ich noch einige Bürokollegen, die ca. Mitte der 1970iger bis Anfang der 1980iger Jahre in Pension gingen und ihre Laufbahn in der letzten Kriegsphase bzw. USIA-Zeit begannen. Sie gehörten durch ihre Beschäftigung im USIA-Konzern zu den privilegierten Arbeitnehmern in der sowjetischen Besatzungszone. Neben der besseren Entlohnung profitierten sie von den günstigen Einkaufsmöglichkeiten in USIA-Läden, die in den Betrieben eingerichtet waren. Dafür mussten sie an den vielen straff organisierten Veranstaltungen der KPÖ teilnehmen. So wurde z.B. erzählt, dass bei derartigen "Pflichtterminen" die Namen der Teilnehmer aufgeschrieben wurden und die Nichtteilnehmer ihre Abwesenheit begründen mussten...

Die ganze Betriebsorganisation war umständlich und ein aufgeblähtes Berichtswesen sollte die Kontrolle quer durch alle Bereiche sichern...und eine ordentliche "Trinkfestigkeit" im Umgang mit russischen Vorgesetzten war angeblich auch von Vorteil:)

Bis auf einige Ausnahmen war es auch mit der fachlichen Qualifikation der vorgesetzten Russen nicht weit her...

Soweit mein weiterer Kurzbericht über die Zeitzeugenberichte

lg
josef
 
#11
Kpö

Hallo Josef,

die KPÖ war ja bis vor einigen Jahren noch relativ vermögend, dafür dass sie nirgends großartig vertreten war. Konnte das Geld von der Zeit der USIA-Betriebe bzw. durch sowjetische Zuwendungen stammen?

LG
Aschi79
 

josef

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#12
Hallo Josef,die KPÖ war ja bis vor einigen Jahren noch relativ vermögend, dafür dass sie nirgends großartig vertreten war. Konnte das Geld von der Zeit der USIA-Betriebe bzw. durch sowjetische Zuwendungen stammen?
In gewissen Sinne ja, über das ehemalige "verschleierte" Eigentum der Mineralölfirma "Turmöl" bis Anfang der 1980iger Jahre. Genaues müsste ich auch nachlesen... Jedenfalls war dieses aus "5 Hanseln bestehende historische Relikt" die reichste Partei Österreichs gemessen an der Mitgliederzahl:)

Die jetzige "Turmöl" - Tankstellenkette hat mit den damaligen Machenschaften nichts zu tun.

http://de.wikipedia.org/wiki/Turmöl

lg
josef
 
#13
Turmöl

Danke Josef, interessanter Artikel!

Folgendes steht zum Them USIA auf aeiou.at
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USIA (anfangs USIWA, Abkürzung für "Uprawlenje Sowjetskim Imuschestwom w Awstrij" = Verwaltung des sowjetischen Vermögens in Österreich): Am 5. Juli 1946 wurden in der sowjetischen Besatzungszone mehr als 300 Industriebetriebe (darunter fast die gesamte Erdölindustrie und die DDSG) sowie 140 land- und forstwirtschaftliche Besitzungen mit mehr als 150.000 ha Kulturfläche als ehemaliges deutsches Eigentum beschlagnahmt. Der USIA-Konzern, dem auch zahlreiche nach 1938 arisierte Betriebe zugeschlagen wurden, dominierte mit 53.000 Beschäftigten (1955) die für das gesamte Österreich wichtigen Schlüsselindustrie (Böhler, Voith, Enzesfelder, Leobersdorfer, Heid usw.) und war dem österreichischen Recht und den Auswirkungen der Verstaatlichungsgesetze 1946 und 1947 (Verstaatlichung) entzogen. Beim Oktoberstreik 1950 waren die mehrheitlich kommunistischen Betriebsräte der USIA-Betriebe besonders aktiv. Nach den Bestimmungen des Staatsvertrags übertrug die Sowjetunion gegen Zahlung von 150 Millionen Dollar in den folgenden 6 Jahren die Vermögenswerte der USIA an Österreich, die Ablöse konnte auch durch Warenlieferungen erfolgen. Für die Rückgabe der Erdöl- und Erdgasfelder musste Österreich 10 Millionen Tonnen Erdöl im Wert von 200 Millionen Dollar an die Sowjetunion liefern.
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Besonders die Zahlungen an die Sowjetunion ist interessant.

LG
Aschi79
 

josef

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#15
USIA-Betriebe in Niederösterreich

Konnte endlich eine schon vor längerer Zeit versprochene Auflistung der USIA-Betriebe in NÖ. fertigstellen!

Die Liste ist nach Branchengruppen zusammengestellt, basierend auf Daten der

- Handelskammer NÖ. - Betriebserhebung 1947
- Arbeiterkammer NÖ. - Bestand "USIA"
- Bd. 5 Studien der NÖ.-Landeskunde; Feigl-Kusternig; USIA-Betriebe in NÖ., Wien 1983, NÖLB-Sign. 34.962-B


Die Auflistung betrifft nur die USIA-Betriebe in Niederösterreich 1945-1955, ohne Kleingewerbebetriebe, Detailhandelsgeschäfte (USIA-Läden) und beschlagnahmten Güter- und Grundbesitz (Land- und Forstwirtschaftsbetriebe). Nicht enthalten sind die Betriebe der von den Sowjets besetzten Wiener Bezirke, der nördlich der Donau gelegenen oberösterreichischen Bezirke (Mühlviertel) und des Burgenlandes.

Hinweise auf Demontagen beziehen sich nur auf Betriebe, die in den Bestand der USIA übergeführt wurden, aber wegen der starken Kriegszerstörungen nicht mehr weiterbetrieben wurden oder während der Besatzungszeit stillgelegt wurden. Die meisten der angeführten Unternehmen erlitten enorme Schäden durch Demontagen der maschinellen Ausstattung durch die Russen. Die Produktion wurde meist nur durch veraltete Anlagen und Provisorien wieder aufgenommen bzw. "recht und schlecht" aufrechterhalten. Neuinvestitionen gab es nur in wenigen Ausnahmefällen...
 

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#16
Danke Josef,

nach der Aufstellung ist klar, warum es ueber Jahre manche Gebaeudeueberreste gibt.

Nach Demontage Stilllegung, z.B:
Oberhütten-Vereinigte Schlesische Hüttenwerke AG - Eisenerzbergbau Pitten
Payerbacher Eisengewerkschaft – Erzbergbau - Payerbach-Grillenberg
Donau-Chemie AG - Moosbierbaum
Sprengstoffwerke Blumau AG - Blumau
Tritolwerke - Theresienfeld
Gustloff-Werke Weimar – Werke - Lichtenwörth
Leichtmetallwerk Bernhard Berghaus - Berg bei Wolfsthal
Flugmotorenwerke Ostmark - Wiener Neudorf
Wiener Neustädter Flugzeugwerke Ges.m.b.H.
“Zimmermann” - Berndorfer Fleischwerke AG - Berndorf
Quarz Bauunternehmung - Loosdorf

Praktisch alle ohne Eigentuemer wahrscheinlich in Staatsbesitz uebergegangen. War auch eine Art Strukturbereinigung.
Im Gegensatz dazu wurden nach dem ersten Weltkrieg die Kriegsmaterialien Erzeugungstaetten nach einer gewissen Demolierung dem Staat uebergeben. Diese waren meistens die Basis fuer eine weitere Erzeugung im WKII.
Nach dem WKII haben 10 Jahre Besatzung dafuer gesorgt, dass eigentlich fast nichts operativ ueberblieb, bzw. nur Reste fuer unser Hobby.
 
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