Versunkene Fleute bei Lübeck entdeckt

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400 Jahre altes Schiffswrack inklusive Ladung nahe Lübeck entdeckt

Ein Handelsschiff aus der Spätzeit der Hanse liegt in elf Metern Tiefe auf dem Grund der Trave. Das Schiff dürfte seinerzeit auf Grund gelaufen sein

27. Juli 2022, 16:15

Über Jahrhunderte war die Deutsche Hanse eine mächtige Kraft im Ostseeraum und darüber hinaus. In ihrer Hochblüte waren annähernd 300 Städte im Verbund der Städtehanse zusammengeschlossen. Der wachsende Reichtum dieser Hansestädte ist vor allem ihren Schiffen zu verdanken, mit denen Waren und Rohstoffe im großen Stil verfrachtet wurden. Allen voran die Kogge, die bis ins ausgehende 14. Jahrhundert der wichtigste größere Schiffstyp der Hanse war.

Später kamen andere Gefährte in Mode, etwa die niederländische Fleute oder der etwas kleinere Typus Galliot. Im Goldenen Zeitalter der Niederlande im 17. Jahrhundert waren sie die am weitesten verbreiteten Handelsschiffe Nordeuropas. Nun haben Forschende die Entdeckung eines Schiffswracks aus dieser Ära des hanseatischen Niedergangs verkündet.


Bei zahlreichen Tauchgängen wurde das Wrack detailliert vermessen und fotografiert.
Foto: Forschungstaucher Christian Howe

Sensationsfund bei Routinemessungen

Ende 2020 haben Mitarbeiter des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts bei Routineuntersuchungen auf dem Grund der Trave nahe Lübeck Unebenheiten ausgemacht. Zahlreiche Tauchgänge später bestätigte sich der Anfangsverdacht: In elf Metern Tiefe lagen die Überreste einer kleinen Fleute aus der frühen Neuzeit – inklusive ihrer umfangreichen Ladung.

"Die unabhängige Altersbestimmung der Schiffshölzer in drei verschiedenen Laboren ergab, dass das Schiff in der Mitte des 17. Jahrhunderts gebaut worden sein muss", sagte Fritz Jürgens von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). "Auf einen solchen Fund hofft man immer, und plötzlich liegt er vor einem. Das ist wirklich einmalig – auch für mich persönlich." Der Archäologe hatte das Wrack zusammen mit seinem Team acht Monate lang genauer untersucht.


Das 20 bis 25 Meter lange Schiff hatte dutzende Fässer mit Brandkalk geladen.
Illustr.: Fritz Jürgens, Uni Kiel

Arbeitspferde des Ostseehandels

Auf Grundlage von Fotos und Videos, die bei insgesamt 13 Tauchgängen entstanden sind, rekonstruierten die Forschenden das Schiff als virtuelles 3D-Modell. Zwischen 20 und 25 Meter lang und rund acht Meter breit dürfte es demnach gewesen sein. Frachtsegler dieses Typs galten als Arbeitspferde des Ostseehandels. Sie wurden in sehr großer Zahl hergestellt, besaßen große Laderäume und waren auch mit kleinen Besatzungen gut zu segeln.


Ihr geringer Tiefgang erlaubte es vor allem den kleineren Exemplaren, Massengüter in den flachen Küstengewässern der Ostsee zu transportieren. "Für den westlichen Ostseeraum ist dieser Fund jedoch außergewöhnlich", sagte Jürgens. Vergleichbare Funde waren bisher nur aus dem östlichen Ostseeraum bekannt.

Video: Schiffswrack aus der Hansezeit.
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Gefahr für das Wrack

Die Untersuchung der Ladung lieferte weitere Hinweise auf Herkunft und Ziel des Schiffes. In den 73 noch vorhandenen Fässern befand sich Branntkalk, in der damaligen Zeit ein begehrtes Baumaterial. "Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit hat man Kalkstein abgebaut, gebrannt und abgelöscht. Daraus wurde Mörtel hergestellt", sagte Jürgens. Nach den bisher gesammelten Erkenntnissen dürfte das Schiff auf dem Weg von Skandinavien nach Lübeck gewesen sein, wo es allerdings nie ankam.

Die Tauchgänge offenbarten auch, dass das Wrack in großer Gefahr schwebt. Freiliegende Teile sind inzwischen der Erosion und vor allem den Angriffen durch die Schiffsbohrmuschel ausgesetzt. Obwohl es bereits Jahrhunderte unter Wasser überdauert hat, könnte das Wrack ohne Schutzmaßnahmen innerhalb weniger Jahre zerstört werden. Damit das nicht geschieht, arbeiten die Forschenden zusammen mit der Stadt Lübeck und weiteren Institutionen bereits an einem Konzept, wie man die Überreste bergen könnte.



Die Schiffsbohrmuschel droht die Überreste zu zerstören.
Foto: Forschungstaucher Christian Howe

Verhängnisvolle Untiefe

Warum das Schiff aus der Endzeit der Hanse sank, lässt sich vorerst nicht genau feststellen. Einige Indizien deuten jedoch darauf hin, dass das Schiff an einer Biegung der Trave auf Grund gelaufen ist, stark beschädigt wurde und schließlich unterging. Die Tatsache, dass sich die Fässer noch an Bord befanden, spricht gegen ein Kentern; das Schiff dürfte demnach mehr oder weniger senkrecht versunken sein. (tberg, red, 27.7.2022)
Quelle: 400 Jahre altes Schiffswrack inklusive Ladung nahe Lübeck entdeckt
 
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