Quelle (5/2023)
Die ehemalige KZ-Sekretärin, die in wenigen Tagen 98 Jahre alt wird, ist noch nicht rechtskräftig verurteilt.
Nach fast 15 Monaten Prozessdauer erfolgte am 20. Dezember 2022 die Urteilsverkündung in einem der spektakulärsten Prozesse, die das Landgericht Itzehoe zu verhandeln hatte.
Die ehemalige KZ-Sekretärin Irmgard F. (97) aus Quickborn, die von 1943 bis 1945 rechte Hand des Lagerkommandanten war, erhielt eine Jugendstrafe von zwei Jahren wegen Beihilfe zum Mord in 10.505 Fällen und fünf Fällen des versuchten Mordes – ausgesetzt zur Bewährung.
Eine Woche nach dem Urteil legten die beiden Verteidiger, die Freispruch gefordert hatten, Revision ein. „Inzwischen hat die Kammer Anfang April 2023 das schriftliche Urteil abgesetzt“. Das Schriftstück – inklusive Protokoll annähernd 300 Seiten stark – sei den Prozessbevollmächtigten inzwischen zugestellt worden.
Eine Veröffentlichung in anonymisierter Form sei durch das Landgericht geplant. Mit Zustellung des Urteils laufe für die Verteidiger eine vierwöchige Frist, in der sie ihre Revisionsbegründung niederlegen müssen. Anschließend würden die Staatsanwaltschaft sowie die Nebenkläger in dem Verfahren eine Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Sobald dies passiert ist, gehen die Akten an den Bundesgerichtshof in Karlsruhe, der über die Revision befinden muss. Weist er sie zurück, wird das Urteil rechtskräftig. Anderenfalls könnte er eine teilweise oder ganze Neuverhandlung anordnen. Das kommt jedoch nur selten vor.
Angesichts des Alters der Angeklagten ist damit zu rechnen, dass eine Entscheidung aus Karlsruhe noch dieses Jahr erfolgt. Sollte Irmgard F., die in einem Quickborner Altenheim lebt und in wenigen Tagen 98 Jahre alt wird, die Entscheidung des Bundesgerichtshof nicht mehr erleben, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil gegen sie würde dann in jedem Fall nicht mehr rechtskräftig werden.
An 14 der 41 Prozesstagen, die von großem Medieninteresse begleitet waren, hatte der historische Sachverständige Stefan Hördler sein Gutachten erstattet. Auf dieses hatte sich letztlich die Kammer beim Schuldspruch gestützt. Acht Überlebende sagten entweder persönlich aus oder waren per Videoübertragung zugeschaltet.
Bereits am Tag des Urteils hatten die Verteidiger moniert, dass keine der von ihnen aufgeworfenen Rechtsfragen in der mündlichen Urteilsbegründung Erwähnung fanden. Dies betreffe die aus Sicht der Verteidiger problematische Rolle des historischen Sachverständigen sowie den Ortstermin im KZ Stutthof außerhalb der Hauptverhandlung, dessen Ergebnisse die Juristen für nicht verwertbar hielten.