Wasser- oder Mühlradbauer

josef

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Alte Säge mit neuem Leben

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Am Sagenschneiderhof in Ried i.O. (Bezirk Landeck) ist die alte Säge zu neuem Leben erweckt worden. Das Herzstück, das große und über 300 Jahre alte Wasserrad wurde originalgetreu nachgebaut. Es war eine Herausforderung der besonderen Art, denn das Handwerk des Mühlradbauens ist so gut wie ausgestorben.

Die Kraft des Stalanzer Bachs wurde in Ried i.O. seit über 300 Jahren für den Betrieb der alten Säge genutzt. 1873 wurde sie am Sagschneiderhof der Familie Maaß aufgebaut. Seit 1960 stand sie still Jetzt ist sie aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt worden. Nicht mit dem Kuss eines Prinzen, sondern mit solider alter Handwerkskunst eines Osttiroler Mühlradbauers.
Eines der größten Wasserräder Österreichs
Nach hunderten Arbeitsstunden und vielen Monaten der Vorbereitung und des Herumtüftelns drehte sich das originalgetreu nachgebaute Wasserrad nun wieder wie in alten Zeiten. Mit einem Durchmesser von 4.60 Meter ist es eines der größten in ganz Österreich. Schon vor vielen Jahren wurde die Österreichische Mühlengesellschaft auf die alte Säge aufmerksam. „Das größte Problem war, jemanden zu finden, der ein solches Wasserrad überhaupt noch bauen kann. Wir hatten strenge Auflagen des Denkmalschutzes, alles musste originalgetreu und auch mit alten Werkzeugen gebaut werden, “ erinnerte sich Johann Glatzl, der Landessprecher der Österreichischen Mühlengesellschaft an die schwierigen Anfänge. „Dann haben wir Hans Senfter in Osttirol gefunden.“

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Herzstück der alten Säge ist das gewaltige Wasserrad aus Lärchenholz

Alles begann mit einem Anschiss
Die erste Begegnung zwischen den beiden Mühlenexperten verlief nicht gerade harmonisch, gab Johann Glatzl zu, der auf dem Glatzlhof in Haiming eine eigene historische Mühle stehen hat. Dafür hatte er gerade einen alten Baum gefällt. „Und deshalb bekam ich von Hans Senfter dann gleich einen Anschiss,“ schmunzelte Glatzl. Aber dann wurden sich die beiden Männer doch einig. „Wir sind zusammen auf den Sagenschneiderhof nach Ried gefahren, ich mit dem Auto und der Hans Senfter aus Innervillgraten mit dem Motorrad hinterher. Als der die alte Säge mit dem Wasserrad sah, war er gleich begeistert.“

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V.l.: Johann Glatzl, Landessprecher Österreichische Mühlengesellschaft, Säge-Besitzerin Elisabeth Maaß und Mühlradbauer Hans Senfter

Unlösbare Aufgaben und ihre Lösung
„Das wird eine interessante Arbeit,“ dachte sich der Osttiroler Mühlradbauer. Was im Klartext heißen sollte, dass er vor geradezu unlösbaren Aufgaben stand. „Die größte Herausforderung war die Dimension des Wasserrades.“ Schritt für Schritt tastete sich Hans Senfter an die Arbeit heran. Der Fachmann hat sich auf den Nachbau von alten Wasserrädern und Mühlen spezialisiert. „Neben meiner Erfahrung habe ich viel nachgelesen, altes Wissen aufgespürt und in Büchern und im Internet gestöbert. So setzte sich Teil für Teil zusammen,“ ließ sich Hans Senfter nicht abschrecken.

Ein Wasserrad aus Kindertagen
Seit ihrer Kindheit ist die Besitzerin der Sagennschneider-Säge mit dem Tosen des Baches, dem Klappern des Wasserrades und dem Sägen des Holzes vertraut. „Meine Großeltern haben von der Säge gelebt,“ sagte Elisabeth Maaß beim Besuch von ORF Tirol auf dem Sagenschneiderhof. „Im Sommer wurde Holz geschnitten, im Winter Schnaps gebrannt. Zu der Zeit arbeitete ein Knecht am Hof und als ich fünf oder sechs Jahre alt war, hat der mich immer zur Säge mitgenommen. Da durfte ich dabeisitzen und er hat mir alles erklärt. Daran kann ich mich noch heute erinnern,“ sagte Elisabeth Maaß, die heute selbst schon Großmutter ist. Ihr war es ein besonderes Anliegen, das Anwesen auch für die Nachwelt zu erhalten und erlebbar zu machen.

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Das Getriebe der Säge

Der mächtigste Baum im richtigen Mond
Die Suche nach dem geeigneten Baum nahm viel Zeit in Anspruch. Denn ohne einen gewaltigen Stamm wäre der Bau eines solch großen Wasserrades nicht möglich gewesen. „Ein halbes Jahr habe ich in Nord-, Ost- und Südtirol gesucht,“ erklärte Hans Senfter. Gefunden hat er den perfekten Stamm schließlich in Osttirol auf 1800 Meter Seehöhe. „Es war ein zähes Verhandeln mit dem Besitzer, bevor er ihn mir endlich überlassen hat.“ Denn die mächtige, etwa 200 Jahre alte Lärche, konnte die Anforderungen des Mühlradbauers endlich erfüllen. „Wir haben sie dann im richtigen Mond geschlagen, darauf lege ich großen Wert.“

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Das Wasserrad ist mehr als Zierde, es ist der Motor für die alte Augsburger Säge

Neues Leben als Schau-Säge
Mehr als ein Jahr dauerten die Arbeiten, die Vorbereitungen nicht eingerechnet. Die Kosten für den historischen Nachbau des alten Wasserrades und der Säge beliefen sich auf knapp 200.000 Euro. Es gab Förderungen unter anderem auch von der EU. Jetzt soll die alte Säge interessierten Kindern und Erwachsenen, Gästen wie Einheimischen das Erlebnis einer historischen Arbeitsweise ermöglichen. Auf dem Sagenschneiderhof wird „Urlaub am Bauernhof“ und „Bauernhof macht Schule“ angeboten. „Jetzt schauen wir mal, wie groß das Interesse ist,“ freute sich Elisabeth Maaß. „Zweimal in der Woche wollen wir Führungen anbieten.“ Denn die alte Säge funktioniert noch eindrucksvoll, wenn das große Wasserrad plätschert und klappert wie seit 300 Jahren.
Die geplante offizielle Eröffnungsfeier hat coronabedingt noch keinen Termin. Aber auf den kann eine jahrhundertealte Säge ja leicht warten.
16.08.2020, Lydia Gallo Gau; tirol.ORF.at

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