Erste nuklear betriebene Rakete soll laut US-Raumfahrtbehörde 2027 abheben

josef

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ANTRIEB DER ZUKUNFT
Erste nuklear betriebene Rakete der Nasa soll 2027 starten
Die US-Raumfahrtbehörde arbeitet gemeinsam mit der Darpa an einer Mission, die deutlich effizienteres Reisen durchs All gewährleisten soll

Der geplante nukleare Antrieb könnte die interplanetare Raumfahrt revolutionieren, hofft die Nasa.
Illustr.: Nasa/Darpa

Die ersten Raketen der Weltgeschichte stiegen wahrscheinlich unabsichtlich in den Himmel: Vor über 2.000 Jahren warf man in China mit Salpeter, Schwefel und Holzkohle gefüllte Bambusrohre bei religiösen Festen ins Feuer, in der Hoffnung, dass die Knallerei böse Geister vertreiben würde. Waren solche Rohre unzureichend versiegelt, schossen sie, angetrieben vom explodierenden Schwarzpulver, aus dem Feuer davon.

Alte und neue Konzepte
Kluge Beobachter dürften damals schon erkannt haben, dass sich dieses Phänomen für alle möglichen Anwendungen nutzen ließ – etwa als laute und farbenfrohe Feuerwerkskörper, aber insbesondere auch für militärische Zwecke. Fakt ist jedenfalls, dass bereits die Song-Dynastie des chinesischen Kaiserreichs zu Beginn des 13. Jahrhunderts im Krieg gegen die Mongolen Raketen eingesetzt hat, hauptsächlich, um deren Pferde zu erschrecken.

An der grundlegenden Technik hat sich seither praktisch nichts geändert: Vom Beginn der Raumfahrt bis zu den modernsten Systemen der Nasa – darunter etwa Artemis 1, die im vergangenen Jahr einen historischen Rundflug um den Mond absolvierte – basierte bisher die überwiegende Anzahl der Raumschiffe auf einem chemischen Antrieb, bei dem explosiver Treibstoff, für den Flug im luftleeren Raum mit einem Oxidationsmittel gemischt, einen feurigen Schubstrahl erzeugt, um Fracht oder Menschen im All zu bewegen. Daneben gibt es auch elektrische Antriebe, wie beispielsweise Ionen-Triebwerke; diese sind zwar äußerst treibstoffsparend, deren Schub ist allerdings sehr gering.

Video:
Die Draco-Mission soll die Vorteile von nuklearen Triebwerken gegenüber chemischen Antriebsvarianten demonstrieren.
Lockheed Martin

In 45 Tagen zum Mars
Doch es geht auch anders: Wie die US-Raumfahrtbehörde und die Defense Advanced Research Projects Agency (Darpa), eine US-Behörde für militärische Forschungsprojekte, ankündigten, wollen die USA bereits in vier Jahren das weltweit erste Raumschiff mit Nuklearantrieb zu seinem Jungfernflug in die Erdumlaufbahn schicken. Die rund 500 Millionen US-Dollar (455 Millionen Euro) teure Mission trägt den Namen Demonstration Rocket for Agile Cislunar Operations (Draco) und basiert auf einer Technik, die nach offiziellen Angaben Astronauten im Idealfall in nur 45 Tagen zum Mars bringen könnte.

Die Behörden, die sich bei der Entwicklung der sogenannten X-NTRV-Rakete (Experimental Nuclear Thermal Rocket Vehicle) zusammengetan haben, gaben am 26. Juli grünes Licht für Phase 2 des Projekts. Nasa und Darpa trafen dafür eine Vereinbarung mit dem US-Rüstungs- und Technologiekonzern Lockheed Martin zur Entwicklung, zum Bau und zum Test des Prototyps. Der Reaktor und das spaltbare Material sollen dabei vom Nukleartechnologiekonzern BWX Technologies in Lynchberg, Virginia kommen. "Wir werden diesen Prototyp bauen und fliegen, eine Reihe großartiger Daten sammeln und, so glauben wir, ein neues Zeitalter für die Vereinigten Staaten und für die Menschheit einleiten", sagte Kirk Shireman, Vizepräsident von Lockheed Martin Lunar Exploration Campaigns, bei einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche.


Schematische Darstellung eines Nuclear Thermal Propulsion-(NTP)-Triebwerks.
Illustr.: Nasa

Wie funktioniert das?
Wie soll nun ein solcher revolutionärer Nuklearantrieb für die Raumfahrt konkret aussehen? Neu ist die Idee jedenfalls nicht, denn bereits 1959 hat die Nasa ein Forschungsprojekt zur Entwicklung eines thermischen Nukleartriebwerks begonnen. Das Ergebnis war die Nerva, kurz für Nuclear Engine for Rocket Vehicle Application. Der Feststoffkernreaktor wurde zunächst auf der Erde erfolgreich getestet und sollte auch bei der Raumfahrt eingesetzt werden. Doch nach dem Ende der Apollo-Missionen im Jahr 1973 und einer drastischen Kürzung der Mittel für das Programm hat man das Projekt zunächst nicht mehr weiterverfolgt.

Das Konzept der X-NTRV basiert im Grunde auf der Kombination eines Kernreaktors mit niedrig angereichertem Uran (sogenanntes Haleu, High-Assay Low-Enriched Uranium) und einem Treibmittel, in diesem Fall flüssiger Wasserstoff: Durch die Spaltung von Uranatomen entsteht Hitze, die den Wasserstoff auf eine Temperatur von über 2.400 Grad Celsius aufheizt. Bei der Erhitzung dehnt sich das Gas sehr schnell aus, während es aus dem Triebwerk des Raumfahrzeugs ausgestoßen wird, was für eine hohe Schubkraft sorgen soll. Die Nasa erhofft sich davon vor allem eine deutlich höhere Effizienz, als sie durch chemische Triebwerke erreichbar wäre.


Auch für künftige Mondmissionen würde das neue Antriebskonzept bedeutende Vorteile bringen, so die Nasa.
Illustr.: Lockheed Martin

Testflug 2027
Die größte Herausforderung ist dabei die Kühlung des Wasserstoffs im Tank auf minus 251 Grad Celsius. "Der limitierende Faktor wird sein, wie lange wir den Wasserstoff bei so tiefen Temperaturen halten können", sagte Tabitha Dodson, Draco-Programmmanagerin bei der Darpa. Bei dem für 2027 angepeilten Testflug soll eine konventionelle Rakete das X-NTRV in den Orbit heben. Dort will man im Rahmen der Draco-Mission laut Dodson sowohl die Machbarkeit der Speicherung von kryogenem Flüssigwasserstoff im Orbit demonstrieren als auch die Funktionsfähigkeit des nuklearen thermischen Raketentriebwerks selbst.

Geplant ist eine möglichst hohe Umlaufbahn zwischen 700 und 2.000 Kilometern über dem Erdboden. Dadurch würde das Testvehikel mindestens 300 Jahre im Orbit bleiben – lange genug, um die Radioaktivität des Triebwerks auf ein sicheres Niveau abklingen zu lassen, meinte Dodson. Über die Gefahr durch einen Absturz des fliegenden Kernreaktors, falls beispielsweise beim Start oder auf dem Flug in die Zielumlaufbahn etwas schiefgehen sollte, ließ sich die Wissenschafterin nicht weiter aus.
(Thomas Bergmayr, 2.8.2023)

Links
Nasa: New Class of Bimodal NTP/NEP with a Wave Rotor Topping Cycle Enabling Fast Transit to Mars
Darpa: Demonstration Rocket for Agile Cislunar Operations (DRACO)
BWXT to Provide Nuclear Reactor Engine and Fuel for DARPA Space Project
Lockheed Martin: How Nuclear Technology Will Get Us to Mars Faster Than Ever


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