Wohntraum im Schutzraum
Vor zehn Jahren war es noch undenkbar, in einem der Hunderten Hochbunker Deutschlands wohnen zu wollen. Schuld daran war vor allem die 2007 aufgehobene Zivilschutzbindung, die vorsah, die Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg im Ernstfall wieder als Schutzräume zu nutzen. Seitdem werden stetig mehr der Betonkolosse verkauft und in eigenwillige Wohntürme, Lofts und Ausstellungsräume verwandelt.
Imagekorrektur für Betonbauten
Mit der Aufhebung der Zivilschutzbindung 2007 hat die deutsche Bundesregierung einen neuen Wohntrend gestartet. Seit sie im Krisenfall nicht mehr als Schutzräume genutzt werden müssen, wurden viele der 2.000 Hoch- und Tiefbunker in Deutschland zu Wohnraum umgebaut.
Betreut wird der Verkauf der Objekte von der deutschen Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Das derzeitige Angebot umfasse etwa 160 Objekte, sagte der für den Bunkerverkauf zuständige Ansprechpartner Lars Drewes gegenüber ORF.at. Die meisten davon in Hamburg, Bremen (wo erst kürzlich ein Hochbunker versteigert wurde) und Nordrhein-Westfalen. Sukzessive werden die Bunker verkauft, die Nachfrage ist enorm, so Drewes vom „freundlichen Bunker-Team“, wie die Website verkündet.
„Car-Loft“ und Bunkermuseum
Die Käufer haben ganz Unterschiedliches mit den Spezialimmobilien in bester City-Lage vor: In Düsseldorf etwa wurde ein Hochbunker in Luxusappartements mit riesigen Terrassen und „Car-Lofts“ verwandelt: Da dürfen die Bewohner dann vom Schlafzimmer aus auf ihr Auto schauen, das mittels Aufzug bis auf Wohnungsniveau gehievt wird.
In Berlin hat der Kunstmäzen Christian Boros seine Sammlung in einem Bunker öffentlich zugänglich gemacht, er selbst wohnt in einem Penthouse auf dem Bunkerdach. In Hamburg soll auf dem Dach eines riesigen Flakbunkers ein öffentlich zugänglicher Park wachsen. Und im süddeutschen Schweinfurt wurde aus einem Hochbunker, der noch 1983 angeblich atombombensicher gemacht wurde, ein Bunkermuseum.
Die in Bremen lebenden Architekten Rainer Mielke und Claus Freudenberg haben sich schon im Jahr 2000 darauf spezialisiert, Bunker in lebenswerten und auf individuelle Bedürfnisse zugeschnittenen Wohnraum zu verwandeln. Mielke zog 1993 nach Bremen, in eine Straße mit Bunker. Jeden Tag führte ihn sein Arbeitsweg an dem düsteren Bau vorbei. Wie es war, in einem Bunker Musik zu machen, das wusste Mielke noch aus Studentenzeiten. Mielke wollte den Koloss pachten, um auf dem Dach eine Wohnung zu bauen. Es sei ein Spleen von ihm gewesen, erinnert er sich gegenüber ORF.at.
Doch das deutsche Bundesvermögensamt, das mittlerweile Bundesanstalt für Immobilienaufgaben heißt und der der Bunker damals gehörte, mauerte. „Die haben mich ganz verschreckt und entgeistert angeguckt und mit dem Kopf geschüttelt: Überhaupt nicht vorstellbar!“, so Mielke. Fünf Jahre lang stattete er zweimal im Jahr der Behörde einen Besuch ab. Bis er auf eine Mitarbeiterin traf, die seinen Plan gut fand.
Kultur hinter Beton
Damals bestand die Zivilschutzbindung noch, und Mielke musste unterschreiben, den Bunker – falls er wieder als Schutzraum benötigt würde – binnen drei Wochen zu räumen. Und das, obwohl der Architekt den Bunkerinnenraum gar nicht verändern wollte. Mielke musste damals über die Absurdität der Vorschrift schmunzeln: „Ob mir der Herr Gorbatschow wohl ein Telegramm schickt: In drei Wochen geht’s los! Bitte Bunker leer machen!?“
Im Inneren des Bunkers war Platz für Kunstausstellungen und einen Übungsraum für Chöre, die Akustik ist fantastisch. Dann kamen Mielke und sein Geschäftspartner Freudenberg auf die Idee, dass man ja vielleicht auch im Bunker wohnen könne mit seinen drei fensterlosen Geschossen auf 450 Quadratmetern und 110 Zentimeter dicken Betonwänden.
Tagelanges Sägen
Bloß: Wie schneidet man Öffnungen in den über die Jahre härter gewordenen Beton? Und wie transportiert man die tonnenschweren ausgeschnittenen Betonquader dann ab? Mielke und Freudenberg mussten improvisieren: Wassergekühlte Diamantseilsägen fraßen sich durch den Beton; für eine Öffnung von zwei mal drei Metern brauchten sie mehrere Tage.
Der 25-Tonnen-Block fiel irgendwann ins Bunkerinnere, wo ein Trupp Arbeiter mit Presslufthammern sich abmühte, ihn zu zerkleinern. Nach drei Wochen hatten sie den Block weiter nicht entsorgt, dafür „kochten die Nachbarn“, so sich Mielke. Die beiden Architekten mussten sich etwas anderes einfallen lassen. Die Lösung: kleiner gesägte Betonblöcke, die in Stahlnetzen aufgefangen und per Kran abtransportiert werden. 1999 zog Mielke mit Familie dann in den Bunker.
Das Öffnen des Raumes
Eine Bunkerwohnung darf innen nicht an einen Bunker erinnern, das ist eine grundlegende Erkenntnis der beiden Bunkerpioniere, man müsse ihn so weit wie möglich öffnen. Da es oft keine tragenden Wände im Bunker gebe, sei dessen Grundriss extrem variabel, auch Öffnungen von drei Meter Breite seien ohne weitere Stützen möglich, sagte Mielke.
Mielke und Freudenberg wollen dem Image eines Bunkers, so gut es geht, entgegenwirken. Denn Bunker erinnern nun einmal an Krieg, finstere Löcher, Atemnot, Sehschlitze, an Eingeschlossensein. Eine zweite Erkenntnis betrifft die Außenhaut aus Beton. Die lassen die Architekten bei jedem neuen Projekt erst einmal sandstrahlen, denn „da sind 70 Jahre Wetter drauf“, so Mielke.
Kein Bunker mit Meerblick
Ob die Weltkriegsbunker Bomben mit heutiger Sprengkraft tatsächlich standhalten würden, ist fraglich. Auch deshalb wurde 2007 die Zivilschutzbindung aufgehoben. Und aus städtebaulichen Erwägungen: Es ging um Verdichtung von knappem innerstädtischen Wohnraum. Dazu konnten auch die Bunkerlofts beitragen.
Die Bremer Architekten Mielke und Freudenberg bekamen übrigens schon Anfragen von den Kanalinseln Jersey und Guernsey. Doch es sei fast unmöglich, die deutschen Bunker mit Meerblick dort umzubauen, sagt Mielke - sie sind einfach zu klein.
Auch in Wien würden Mielke und Freudenberg gerne ihre Kompetenz anbieten. Für die sechs Flaktürme gab es bekanntlich immer wieder Nutzungsideen. Bloß nicht als Wohnung. Der Flakturm im Arenbergpark im dritten Wiener Gemeindebezirk etwa ist im Besitz der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG). Rechtlich spreche nichts gegen eine Nutzung als Wohnbau, sagte BIG-Sprecher Ernst Eichinger. Nur stehe der Turm nicht zum Verkauf. Und interessieren würde sich dafür zurzeit auch niemand.
Alexander Musik, ORF.at
Vor zehn Jahren war es noch undenkbar, in einem der Hunderten Hochbunker Deutschlands wohnen zu wollen. Schuld daran war vor allem die 2007 aufgehobene Zivilschutzbindung, die vorsah, die Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg im Ernstfall wieder als Schutzräume zu nutzen. Seitdem werden stetig mehr der Betonkolosse verkauft und in eigenwillige Wohntürme, Lofts und Ausstellungsräume verwandelt.
Imagekorrektur für Betonbauten
Mit der Aufhebung der Zivilschutzbindung 2007 hat die deutsche Bundesregierung einen neuen Wohntrend gestartet. Seit sie im Krisenfall nicht mehr als Schutzräume genutzt werden müssen, wurden viele der 2.000 Hoch- und Tiefbunker in Deutschland zu Wohnraum umgebaut.
Betreut wird der Verkauf der Objekte von der deutschen Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Das derzeitige Angebot umfasse etwa 160 Objekte, sagte der für den Bunkerverkauf zuständige Ansprechpartner Lars Drewes gegenüber ORF.at. Die meisten davon in Hamburg, Bremen (wo erst kürzlich ein Hochbunker versteigert wurde) und Nordrhein-Westfalen. Sukzessive werden die Bunker verkauft, die Nachfrage ist enorm, so Drewes vom „freundlichen Bunker-Team“, wie die Website verkündet.
„Car-Loft“ und Bunkermuseum
Die Käufer haben ganz Unterschiedliches mit den Spezialimmobilien in bester City-Lage vor: In Düsseldorf etwa wurde ein Hochbunker in Luxusappartements mit riesigen Terrassen und „Car-Lofts“ verwandelt: Da dürfen die Bewohner dann vom Schlafzimmer aus auf ihr Auto schauen, das mittels Aufzug bis auf Wohnungsniveau gehievt wird.
In Berlin hat der Kunstmäzen Christian Boros seine Sammlung in einem Bunker öffentlich zugänglich gemacht, er selbst wohnt in einem Penthouse auf dem Bunkerdach. In Hamburg soll auf dem Dach eines riesigen Flakbunkers ein öffentlich zugänglicher Park wachsen. Und im süddeutschen Schweinfurt wurde aus einem Hochbunker, der noch 1983 angeblich atombombensicher gemacht wurde, ein Bunkermuseum.
Die in Bremen lebenden Architekten Rainer Mielke und Claus Freudenberg haben sich schon im Jahr 2000 darauf spezialisiert, Bunker in lebenswerten und auf individuelle Bedürfnisse zugeschnittenen Wohnraum zu verwandeln. Mielke zog 1993 nach Bremen, in eine Straße mit Bunker. Jeden Tag führte ihn sein Arbeitsweg an dem düsteren Bau vorbei. Wie es war, in einem Bunker Musik zu machen, das wusste Mielke noch aus Studentenzeiten. Mielke wollte den Koloss pachten, um auf dem Dach eine Wohnung zu bauen. Es sei ein Spleen von ihm gewesen, erinnert er sich gegenüber ORF.at.
Doch das deutsche Bundesvermögensamt, das mittlerweile Bundesanstalt für Immobilienaufgaben heißt und der der Bunker damals gehörte, mauerte. „Die haben mich ganz verschreckt und entgeistert angeguckt und mit dem Kopf geschüttelt: Überhaupt nicht vorstellbar!“, so Mielke. Fünf Jahre lang stattete er zweimal im Jahr der Behörde einen Besuch ab. Bis er auf eine Mitarbeiterin traf, die seinen Plan gut fand.
Kultur hinter Beton
Damals bestand die Zivilschutzbindung noch, und Mielke musste unterschreiben, den Bunker – falls er wieder als Schutzraum benötigt würde – binnen drei Wochen zu räumen. Und das, obwohl der Architekt den Bunkerinnenraum gar nicht verändern wollte. Mielke musste damals über die Absurdität der Vorschrift schmunzeln: „Ob mir der Herr Gorbatschow wohl ein Telegramm schickt: In drei Wochen geht’s los! Bitte Bunker leer machen!?“
Im Inneren des Bunkers war Platz für Kunstausstellungen und einen Übungsraum für Chöre, die Akustik ist fantastisch. Dann kamen Mielke und sein Geschäftspartner Freudenberg auf die Idee, dass man ja vielleicht auch im Bunker wohnen könne mit seinen drei fensterlosen Geschossen auf 450 Quadratmetern und 110 Zentimeter dicken Betonwänden.
Tagelanges Sägen
Bloß: Wie schneidet man Öffnungen in den über die Jahre härter gewordenen Beton? Und wie transportiert man die tonnenschweren ausgeschnittenen Betonquader dann ab? Mielke und Freudenberg mussten improvisieren: Wassergekühlte Diamantseilsägen fraßen sich durch den Beton; für eine Öffnung von zwei mal drei Metern brauchten sie mehrere Tage.
Der 25-Tonnen-Block fiel irgendwann ins Bunkerinnere, wo ein Trupp Arbeiter mit Presslufthammern sich abmühte, ihn zu zerkleinern. Nach drei Wochen hatten sie den Block weiter nicht entsorgt, dafür „kochten die Nachbarn“, so sich Mielke. Die beiden Architekten mussten sich etwas anderes einfallen lassen. Die Lösung: kleiner gesägte Betonblöcke, die in Stahlnetzen aufgefangen und per Kran abtransportiert werden. 1999 zog Mielke mit Familie dann in den Bunker.
Das Öffnen des Raumes
Eine Bunkerwohnung darf innen nicht an einen Bunker erinnern, das ist eine grundlegende Erkenntnis der beiden Bunkerpioniere, man müsse ihn so weit wie möglich öffnen. Da es oft keine tragenden Wände im Bunker gebe, sei dessen Grundriss extrem variabel, auch Öffnungen von drei Meter Breite seien ohne weitere Stützen möglich, sagte Mielke.
Mielke und Freudenberg wollen dem Image eines Bunkers, so gut es geht, entgegenwirken. Denn Bunker erinnern nun einmal an Krieg, finstere Löcher, Atemnot, Sehschlitze, an Eingeschlossensein. Eine zweite Erkenntnis betrifft die Außenhaut aus Beton. Die lassen die Architekten bei jedem neuen Projekt erst einmal sandstrahlen, denn „da sind 70 Jahre Wetter drauf“, so Mielke.
Kein Bunker mit Meerblick
Ob die Weltkriegsbunker Bomben mit heutiger Sprengkraft tatsächlich standhalten würden, ist fraglich. Auch deshalb wurde 2007 die Zivilschutzbindung aufgehoben. Und aus städtebaulichen Erwägungen: Es ging um Verdichtung von knappem innerstädtischen Wohnraum. Dazu konnten auch die Bunkerlofts beitragen.
Die Bremer Architekten Mielke und Freudenberg bekamen übrigens schon Anfragen von den Kanalinseln Jersey und Guernsey. Doch es sei fast unmöglich, die deutschen Bunker mit Meerblick dort umzubauen, sagt Mielke - sie sind einfach zu klein.
Auch in Wien würden Mielke und Freudenberg gerne ihre Kompetenz anbieten. Für die sechs Flaktürme gab es bekanntlich immer wieder Nutzungsideen. Bloß nicht als Wohnung. Der Flakturm im Arenbergpark im dritten Wiener Gemeindebezirk etwa ist im Besitz der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG). Rechtlich spreche nichts gegen eine Nutzung als Wohnbau, sagte BIG-Sprecher Ernst Eichinger. Nur stehe der Turm nicht zum Verkauf. Und interessieren würde sich dafür zurzeit auch niemand.
Alexander Musik, ORF.at
Links:
Büro Mielke und Freudenberg
Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
1. Hochbunker in Hannover
2. Blick aus der Bunkerwohnung in Hannover
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