Vor 150 Jahren startete die Wiener Weltausstellung

josef

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#1
Weltausstellung 1873
Wie Wien zum Nabel der Welt wurde
Eine Schau der Superlative und am Ende ein gewaltiges finanzielles Minus: Mit der Wiener Weltausstellung startete vor 150 Jahren ein bis heute einzigartiges Event, das den Metropolenstatus der Stadt untermauern sollte. Die Welt kam damals nach Wien, das sich gekonnt als Schnittstelle zwischen Orient und Okzident inszenierte – wobei der Orient-Begriff damals alles umfasste, was südlich der k. u. k. Reichsgrenzen lag.

Die originalen japanischen Fächer sollen weggegangen sein wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln: 3.000 Stück pro Tag wurden angeblich verkauft, Spötter vermuteten schon einen einheimischen Großproduzenten, der für Nachschub sorgte. Durch die Weltausstellung 1873 schwappteeine erste Japonismus-Welle nach Wien: Auch die Wienerinnen und Wiener lechzten nun nach japanischer Mode, Lackdosen und Stoffmustern. Die edlen Stücke, die unter anderem vom MAK angekauft wurden, sollten später mit ihrer ornamentalen Linienführung den Wiener Jugendstil maßgeblich beeinflussen.

Die Wiener Weltausstellung, eröffnet am 1. Mai 1873, streckte ihre Hände in gleich in zwei Richtungen aus. Von einem diffus verorteten „Orient“ erhoffte man sich neue Handelsbeziehungen: In Ägypten war der Sueskanal gerade errichtet worden, mit der Abschaffung des alten Feudalsystems im Zuge der Meiji-Restauration setzte Japan ab 1868 auf ein weltoffeneres Image.

Richtung Westen, namentlich Paris und London, galt es hingegen, den eigenen Metropolenstatus unter Beweis zu stellen. Und zugleich war die Ausrichtung im gesamteuropäischen Rahmen als ideologische Kompensationshandlung zu sehen: Österreich hatte erst 1866 im Deutschen Krieg gegen die Preußen verloren, mit dem Österreichisch-Ungarischen Ausgleich war man gezwungen, den Einheitsstaat zum Vielvölkerstaat zu entwickeln. Durch die Weltausstellung versprach man sich nun, den Status als Großmacht wiederzuerlangen – und sich erneut als Vermittlerin zwischen Orient und Okzident zu profilieren.


Wien Museum
Zeigen, wie „Weltstadt“ geht: Der Blick vom Dach der Rotunde kostete zwar viel Eintritt, war aber spektakulär

Nicht kleckern, sondern klotzen
Nicht kleckern, sondern klotzen, mit diesem Ansatz war die Stadt Wien an das Prestigeprojekt von Kaiser Franz Joseph I. herangegangen, unter federführender Beteiligung des Industriellen Franz von Wertheim und des mit Vollmachten ausgestatteten Generaldirektor Wilhelm von Schwarz-Senborn.

Anlässlich des 150-Jahr-Jubiläums zeigt das Weltmuseum Wien einen Schwerpunkt auf Ägypten und Japan. Das Wiener MAK lädt ab 28. Juni thematisch ähnlich zu „Wiener Weltausstellung 1873 revisited. Ägypten und Japan als Europas ‚Orient‘“. Gespannt sein darf man auch auf die Ausstellung „Women at Work“ im Technischen Museum, die ab 3. Mai über den vergessenen Frauenpavillon informiert.

Alles sollte größer und besser werden als zuvor in Paris und London. Der beachtliche Logistikakt wurde in nur zwei Jahren Vorbereitungszeit gestemmt. Auf dem Gelände des Praters war eine eigene Planstadt von über zwei Quadratkilometern errichtet worden, fünfmal größer als jene zuvor in Paris. Das Herzstück war der Industriepalast samt der Rotunde, die mit der bis dahin weltgrößten Kuppel beeindruckte. Renomminierte Fachleute wie der Ringstraßenarchitekt Carl von Hasenauer entwarfen die riesige, fischgrätförmige Ausstellungsanlage.

Superlative gab es auch bei den Länderbeiträgen: 53.000 Aussteller aus 35 Staaten kamen zur „globalen Zusammenschau aller menschlichen Erzeugnisse und Hervorbringungen“. „Wien wird nicht mehr Weltstadt, Wien ist Weltstadt“, schrieb die „Freie Presse“ nicht ohne Stolz anlässlich der Eröffnung.


Wien Museum
Außen war der Industriepalast historistisch verkleidet, drinnen befand sich eine gewaltige Stahlkonstruktion

Die Moderne und das „Exotische“
Die Welt nach Wien holen, alles zeigen, was am Puls der Zeit war: Mit dem damals üblichen Universalismusanspruch bot man Architektur, Technologie, Bildungssystem, Kunsthandwerk und Kulinarik aus aller Welt auf, räumlich klar geordnet. In deren Zentrum setzte sich wenig überraschend der Gastgeber als fortschrittliche Großstadt in Szene. Auf der einen Seite dann der geografische Westen, auf der anderen der „Orient“, Persien, Ägypten, China oder Japan – was auf deutlich mehr Publikumsinteresse stieß.
Vor den Augen aller Welt legt es (Wien, Anm.) zum erstenmale die Probe seiner kraftvollen Entwicklung ab und entfaltete zum erstenmale den bestrickenden Zauber der Weltstadt.
Aus dem „Guide und Souvenir-Album“ der Wiener Weltausstellung 1873

Der „Cercle Oriental“ wurde zum Umschlagplatz von Geschäftsleuten, bereits während der Schau wurden Objekte gesammelt, die nach Ausstellungsende ins neu gegründete Orientalische Museum, das spätere Handelsmuseum, wanderten. Und auch die Allgemeinheit lockte die Erwartung der „Exotik“, wobei sich manche Länder die Authentizitätssehnsüchte zunutze machten – im Osmanischen Reich war etwa eine gigantische Turbantracht zu sehen, die eigentlich längst durch den Fes ersetzt worden war.

Regenwetter und Börsencrash
Die Eröffnung der Großschau selbst stand unter keinem guten Stern: Die spektakuläre Eröffnungszeremonie um Kaiser Franz Joseph versank in Regen und Gatsch. Acht Tage später kam es zum Börsenkrach, der – neben einem Ausbruch einer Choleraepidemie im Sommer – dazu beitrug, dass anstelle der erwarteten 20 Millionen nur 7,25 Millionen Besucherinnen und Besucher kamen.


Wien Museum
Japanische Galerie bei der Wiener Weltausstellung 1873

Vieles war zum Eröffnungsdatum auch noch nicht fertig, etwa die Sanitäranlagen, die später als patentierte „water closets“ bestaunt wurden. Auch so mancher Länderpavillon, auch der Publikumsmagnet japanischer Garten war noch in Arbeit, was sich zum gesamten Stadtbild fügte: Wien war damals selbst eine einzige Baustelle gewesen, das gigantische Projekt des Ringstraßenbaus war noch immer im Gang.

Die Baustelle passte auch zum neuen Image: Statt glattpolierter Repräsentation zeigte sich Wien da als Laboratorium, als Stadt, die sich eben als Metropole neu erfand, mit der Weltausstellung als Katalysator. Die bis zur Eröffnung anvisierten städtebaulichen Großprojekte verdienen tatsächlich diesen Namen: 1873 wurde mit der Hochquellwasserleitung eine hygienische Jahrhundertleistung gefeiert.

Sechs neue Bahnhöfe wurden errichtet, darunter eine eigene „Weltausstellungsbahn“, die vom Wiener Nordbahnhof direkt in den Prater führte. Auch ein neu gegründetes Pferdetramwaynetz ließ besser durch die Stadt kommen, dutzende repräsentative Hotelneubauten beherbergten – trotz gedämpften Ansturms – Millionen von Besucherinnen und Besuchern.

Rentierzungen und Bärenschinken
Für viele Wienerinnen und Wiener waren die Weltausstellungstickets teuer, „ermäßigte Tage“ erlaubten es aber auch der breiten Masse, ins Gewurl einzutauchen. So mancher bewunderte dabei weniger andächtig die Leistungsschau der Modernisierung, sondern frönte vor allem Genuss und Spektakel, wie manche Zeitungen kritisch anmerkten.

Mit Rentierzungen aus Sibirien, Bärenschinken aus dem Ural, Reiswein aus Japan und türkischem Mokka wurde Kulinarik aus aller Welt bei Vorläufern der Erlebnisgastronomie angeboten. Wer es weniger exotisch mochte, kam in Pilsener Bierhallen auf seine Kosten. Allein die Rotunde hatte, so hieß es, „Buffets wie der Sand am Meere“ im Angebot. Um Authentizität scherten sich auch da nicht immer alle: Zu den meistbesprochenen Attraktionen der Weltausstellung zählte der US-amerikanische Wigwam, wo man sich auf Thonet-Sesseln sitzend von Schwarzen im weißen Kellnerhemd neumodische Longdrinks servieren lassen konnte – ein ziemlich unbedarftes Sammelsurium an Versprechen von „Authentizität“.

Während die Weltausstellung zum finanziellen Desaster wurde – statt sechs Millionen Gulden kostete sie 19 Millionen Gulden –, prägte sie doch maßgeblich die Stadt: Es blieben nicht nur die Infrastrukturprojekte, sondern auch der ersehnte Handel wurde angekurbelt. Und nicht zuletzt schrieb sich Wien nachhaltig auf der Städtetourismus-Landkarte ein. Baulich blieben dagegen von damals nur die Prater-Bundesateliers bestehen – die Rotunde, die im Jahr 1937 abbrannte, soll aber noch in diesem Sommer im neuen Gewand wiederauferstehen.
30.04.2023, Paula Pfoser (Text, Gestaltung), ORF Topos, Kafeela Adgebite (Schnitt), für ORF Topos

Hier ein Beitrag zur Rotunde im Wiener Prater


Panorama Vienna
Derzeit in Bau: Die neue Rotunde im Wiener Prater

Links:
Schwerpunkt Weltmuseum Wien
Ausstellung Technisches Museum (ab 3. Mai)
Ausstellung MAK (ab 28. Juni)
Virtuelle Ausstellung zur Wiener Weltausstellung (ÖAW)
Ausstellungskatalog Wien Museum: Experiment Metropole (Czernin Verlag)
Artikel zur neuen Rotunde (wien.orf.at)
ORF Topos
 

josef

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#3
...und das Ereignis im DERSTANDARD:

WELTAUSSTELLUNG 1873
Wie Wien vor 150 Jahren Weltstadt wurde
Am 1. Mai 1873 wurde die Weltausstellung im Wiener Prater eröffnet. Zwei Katastrophen überschatteten die Megaschau, die Höhe- und Endpunkt des Liberalismus war

Haupteingang zur Weltausstellung 1873 im Prater mit der Rotunde im Hintergrund. Dieses Gebäude – die damals weltgrößte Kuppel – wurde zum Wahrzeichen und Symbol der gigantomanischen Schau.
Foto: Michael Frankenstein / gemeinfrei

Das Wetter an diesem 1. Mai 1873 meinte es nicht gut mit Wien und seinem Großereignis – dem wohl größten, das die Reichs- und Residenzstadt je sah. Tout Vienne und hohe Gäste aus aller Welt hatten sich an diesem Donnerstag für die Eröffnung der megalomanischen Weltausstellung fein herausgeputzt. Und dann verwandelte der Dauerregen die Zugänge zur riesigen Rotunde im Prater, die immer noch nicht ganz fertiggestellt war, in Matsch.

Das sollte der pompösen Eröffnungsfeier aber keinen Abbruch tun. 15.000 geladene Personen hatten sich in dem zeltartigen Bau unter der damals mit Abstand größten Kuppel der Welt eingefunden. Darunter waren nicht weniger als 900 Sänger und vier Militärkapellen, die für den musikalischen Aufputz sorgten.


1. Mai 1873 in der Rotunde: Der Kaiser eröffnet die Weltausstellung.
Illustration: Vinzenz Katzler / gemeinfrei

Nachdem Kaiser Franz Joseph I. als Höhepunkt der Veranstaltung die Weltausstellung für eröffnet erklärt hatte, strömten die Besucherinnen und Besucher in den angrenzenden Industriepalast, um die dort ausgestellte Pracht des Fortschritts zu bestaunen.

Die Weltausstellung im Wiener Prater war die erst fünfte ihrer Art nach jeweils zwei Expos in London (1851 und 1862) und Paris (1855 und 1867), zwei der damals wichtigsten Weltmetropolen. Das zeigt die Ansprüche, die man in Wien hatte. Entsprechend wollten die Organisatoren – federführend Wilhelm von Schwarz-Senborn – eine Schau der Superlative gestalten, was zumindest bei den Dimensionen gelang: Das Gelände der Weltausstellung in Wien war fünfmal größer als jenes in Paris.


Der Plan zeigt die enormen Dimensionen der internationalen Leistungsschau.
Illustration: Gemeinfrei / Wikimedia

Umbau zur modernen Metropole
Das schnell wachsende Wien zählte Anfang der 1870er-Jahre eine Bevölkerung von rund einer Million und befand sich mitten im Umbau von einer barocken Residenz- in eine moderne Weltstadt. Zu Beginn des Jahrzehnts waren die Bahnverbindungen einigermaßen ausgebaut, der Bau der Ringstraße war in vollem Gang und die Donauregulierung in die Wege geleitet. Für die Wasserversorgung der Metropole und zur Seuchenbekämpfung wurde eine Hochquellenwasserleitung geplant.

Mit der Weltausstellung wollte man den Modernisierungsrückstand im Vergleich zu anderen westlichen Ländern aufholen, die mit der Industrialisierung bereits weiter waren. Zudem galt es, die Niederlage von Königgrätz zu kompensieren. "Diese Umstände haben mit dazu beigetragen, dass man sich mit der Weltausstellung in Wien übernommen hat", sagt der Zeithistoriker Oliver Rathkolb von der Uni Wien, der an einem Buch über die beiden Globalisierungen Ende des 19. Jahrhunderts und Ende des 20. Jahrhunderts arbeitet.

"Weniger wäre in dem Fall mehr gewesen", meint Rathkolb mit Blick auf die 53.000 Aussteller aus 35 Ländern und die insgesamt 194 Pavillons, von denen etliche im Stil des Historismus errichtet wurden. Denn der Fortschritt sollte in Wien mit traditionellen Kostümen camoufliert werden.

Der Nahe und der Ferne Osten
Zu den besonderen Attraktionen der Expo anno 1873 zählte die Präsenz des Nahen und Fernen Ostens, was insbesondere die Kunst der folgenden Jahrzehnte inspirieren sollte: Japan präsentierte sich erstmals groß im Westen; etliche der damaligen Ausstellungsobjekte sind heute im Weltmuseum zu bestaunen. Auch die Anwesenheit des Schahs von Persien erregte große öffentliche Aufmerksamkeit. Der 17-jährige Maturant Sigmund Freud allerdings war wenig angetan, wie er in einem Brief notierte: "Der Schah ist gestern angekommen, allein er ist eine langweilige Bestie und mir ganz gleichgiltig."

Ein 14-jähriger US-Amerikaner, der nach Wien gekommen war, weil sein Vater die Expo-Delegation der Vereinigten Staaten leitete, war ebenfalls ostentativ gelangweilt. "Die letzten Wochen verbrachte ich in der trostlosesten Monotonie", vertraute er seinem Tagebuch an. Er schuf Abhilfe, indem er in der Suite des Grand Hotel Hühner und Hasen sezierte und in Arsen konservierte. Sein Name war Theodore Roosevelt. Keine dreißig Jahre später sollte er 26. und bis heute jüngster Präsident der USA werden.


Nordamerikanischer Wigwam als Teil der traditionellen US-amerikanischen Selbstdarstellung.
Foto: Gemeinfrei / Wikimedia

Die Vereinigten Staaten hatten sich da längst angeschickt, Europa als Innovationszentrum den Rang abzulaufen: "Davon war in Wien 1873 noch wenig zu sehen, als sich die USA traditionell mit einem riesigen Wigwam präsentierten", sagt Rathkolb: "Doch 1893 bei der Weltausstellung in Chicago war bereits alles elektrisch, während die in Wien noch von der Dampfmaschine geprägt war."

Börsenkrach und Cholera
Hier ging die Kosten-Nutzen-Rechnung der Regierenden und Veranstalter, Wien zur Weltmetropole zu machen, indem die Welt nach Wien geholt wurde, nur bedingt auf. Das lag aber auch an zwei Katastrophen, die nur mittelbar auf das Großereignis zurückgingen. Zum einen kam es bereits am 9. Mai 1873, also gut eine Woche nach der Eröffnung, zum "Schwarzen Freitag" an der Wiener Börse. Er verpasste sowohl dem Wirtschaftswachstum der Gründerzeit wie auch der Fortschrittseuphorie des Liberalismus ihren ersten nachhaltigen Dämpfer.

Zu allem Überfluss überschattete auch noch eine Epidemie in Wien die Ausstellung. Im Juni starben erste angereiste Besucher der Ausstellung an der Cholera. Das lag auch daran, dass die Wiener Hochquellenwasserleitung erst wenige Tage vor Ende der Weltausstellung – wieder vom Kaiser – feierlich eröffnet werden konnte.


Zeitgenössische Karikatur, die Wilhelm Schwarz-Senborn angesichts des Defizit die Haare raufen lässt.
Illistration: Gemeinfrei / Wikimedia

Die Expo endete deshalb im November in einem finanziellen Fiasko: Statt der erhofften 20 Millionen Gäste kamen "nur" 7,2 Millionen. Das Defizit der Weltausstellung betrug mehr als 15 Millionen Gulden (heute gut 200 Millionen Euro), weshalb sie der Publizist Ferdinand Kürnberger gar als "unser zweites Königgrätz" bezeichnete.

"Die Weltausstellung war Höhepunkt und Endpunkt des Liberalismus in Wien", resümiert Rathkolb. Und weil dieser es verabsäumt habe, das Elend der für die Modernisierung benötigten Zuwanderer zu lindern, kam es in den Jahren danach zur radikalen Veränderung der politischen Verhältnisse – Stichwort Karl Lueger, der zur Zeit der Weltausstellung noch liberal eingestellt gewesen sei.

Wenig Bleibendes im Stadtbild
Architektonisch blieb von der Riesenausstellung nicht allzu viel. Die meisten der eigens errichteten Gebäude wurden bald nach 1873 demontiert und wichen allmählich wieder der Grünanlage, die der Prater zuvor gewesen war und nach 1873 wieder werden sollte. Die Rotunde, deren Abbau zu teuer war, wurde 1937 Opfer eines Großfeuers. Das zur Weltausstellung errichtete Aquarium an der Prater Hauptallee, das zuerst als Vivarium und dann als Biologische Versuchsanstalt weitergenützt wurde, brannte im April 1945 in den letzten Tagen des Kampfs um Wien aus.

So ist von den damaligen Bauten nur der südliche Pavillon für Kunst erhalten, in dem sich Bildhauerateliers des Bundes befinden. Viele der damals errichteten Hotels existieren nach wie vor. Im Hotel Donau in der Nordbahnstraße, wo die Cholera ausbrach, residiert heute die Immobilienverwaltungszentrale der ÖBB. Bleiben vor allem einige Straßenbezeichnungen im zweiten Bezirk, die an das globale Großereignis erinnern, etwa die Ausstellungsstraße, die Rotundenallee oder die Vivariumsstraße.

Ein bleibendes Relikt ist auch der Konstantinhügel im Prater, benannt nach Konstantin zu Hohenlohe-Schillingsfürst, einem der Bauleiter der einzigen Weltausstellung Wiens. Die sieben Meter hohe Erhebung war vor 150 Jahren durch das damals angefallene Aushubmaterial der Rotunde entstanden.
(Klaus Taschwer, 30.4.2023)

Verwendete und neue Literatur zur Weltausstellung:
Wie Wien vor 150 Jahren Weltstadt wurde
 

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#4
Was von der Wiener Weltausstellung blieb
Geologen und Mineralogen sicherten 1873 nach dem Ende der Ausstellung die schönsten Stücke aus aller Welt für ihre Sammlungen
Blog
Im Gastblog erzählen Thomas Hofmann, Geologe und Bibliothekar an der Geosphere Austria, und die Mineralogin Vera M. F. Hammer vom Naturhistorischen Museum Wien die Geschichten einiger Weltausstellungsobjekte, die heute noch in der Bundeshauptstadt zu finden sind.
Unter dem Titel "Rare Relikte der Wiener Weltausstellung" schrieb Johann Werfring am 27./28. Mai 2023 in der "Wiener Zeitung" über die wenigen baulichen Relikte des Jahres 1873. Die alles überragende Rotunde war 1937 ein Raub der Flammen geworden, lediglich die sogenannten Praterateliers und die heutige Meierei in der Prater Hauptallee sind geblieben. Anders hingegen ist die Lage bei Ausstellungsobjekten. So manche Kostbarkeit aus fernen Ländern kam damals nach Wien und kann heute noch besichtigt werden.

In Sachen Geowissenschaften war damals die 1849 gegründete k.k. geologische Reichsanstalt (heute: Geosphere Austria) mit Sitz im noblen Palais Rasumofsky (Wien Landstraße) weit über die Grenzen der Monarchie bekannt. Mit Franz von Hauer (1822 bis 1899) hatten die Geologen einen engagierten und höchst umtriebigen Direktor. Hauer war im Laufe des Jahres wiederholte Male auf der Weltausstellung, wo die Reichsanstalt zahlreiche Exponate, Gesteine und geologische Karten zur Schau gestellt hatte. Darunter war auch die geologische Karte der Monarchie in zwölf Blättern, die unter seiner Ägide in mehrjährigen Arbeit entstanden war.


Aus allen Ländern der Monarchie zusammengewürfelte Mustersteine für Bauten.
© GeoSphere Austria

"Würfel von sechs Zoll Kantenlänge"
Höchst engagiert war auch der Geologe Heinrich Wolf (1825 bis 1882), er hatte 1872 alle Steinbruchbesitzer der Monarchie angeschrieben Musterstücke von Baugesteinen, "bestehend aus Würfeln von sechs Zoll Kantenlänge", zu senden. "Diese Sammlung, welche von allen Seiten unterstützt, in dem kurzen Zeitraume von kaum einem Jahre, wenn auch nicht vollständig, so doch die wichtigsten Vorkommnisse repräsentirend, vom Bergrath Wolf zusammengestellt wurde, war geographisch nach Ländern angeordnet", so die Internationale Ausstellungs-Zeitung, 18. Februar 1874.

Heute sind die bunten Gesteinswürfel in der Kartause Mauerbach (Niederösterreich), wo sie dem Bundesdenkmalamt für historische Forschungen dienen. Einige sind noch im Besitz der Geosphere Austria am Standort Neulinggasse, sie bilden einen Sockel für einen Adler aus Kunststein, der im Keller des Palais Rasumofsky war.

"Zahlreichreiche Schenkungen von der Weltausstellung"
Am Dienstag, den 7. Oktober 1873, war Hauer von der Sommerfrische südlich von Wiener Neustadt in Niederösterreich ("Umzug von Schleinz nach Wien“) zurückgekommen, so sein Tagebucheintrag. Seine Aufmerksamkeit lag nun bei der Weltausstellung, die am 2. November zu Ende ging; galt es doch die besten Stücke für das hauseigene Museum zu sichern. Die Geologen verfügten im Palais Rasumofsky über ein Museum, das öffentlich zugänglich war. 1873 unter "Wien's Sehenswürdigkeiten" in der Wiener Weltausstellungs-Zeitung gelistet, war es dienstags von 10 bis 13 Uhr geöffnet. Ebenfalls angeführt waren die Vorgängerinstitutionen des heutigen Naturhistorischen Museums, das Naturalienkabinett (donnerstags von 9 bis 13 Uhr), beziehungsweise das k.k. zoologische und das k.k. Mineralogische Hof-Cabinet (Werktags von 9 bis 14 Uhr).


Fürstliches Exponat: Ein Kunstwerk aus reinem Kohlenstoff (Grafit) als edle Zierart schwarzenbergischen Bergbaus.
© GeoSphere Austria

Hauers Tagebuch liest sich wie ein Countdown. 23. Oktober: "Die meisten Ausstellungsgegenstände des Ackerbau-Ministeriums sind schon verschenkt aus dem was noch übrig ist können wir wählen." 30. Oktober: "Zahlreiche Antworten von Ausstellern die uns ihre Sachen schenken." 30. Oktober: "Mit [Heinrich] Wolf die Schriften bezüglich der der Anstalt versprochenen Geschenke durchgesehen." 1. November: "Wieder laufen zahlreiche Schenkungen von der Weltausstellung ein." 2. November: "Mit Moisisovics [Edmund v. Mojsisovics (1839 bis 1907); Geologe] u. Stache [Guido Stache (1833 bis 1921); Geologe] in die Weltausstellung, dort treffen wir Wolf, der sehr viel für die Anstalt aquirirt hat, so insbesondere auch im Schwarzenberg Pavillion." Hier konnte Wolf für die Anstalt ein wunderschön geschnitztes Kunstwerk aus Grafit mit dem Wappen des Fürsten Schwarzenberg und der Jahreszahl 1873, betitelt als Archaische Form, akquirieren – um Hauers Worte zu verwenden.

Der Steintisch in der Neulinggasse
Heinrich Wolf schrieb 1877 über die Weltausstellung: "An Deck- und Pflasterplatten waren von der Giunta minaria di Torino, den Brüdern Fontana und der Firma Ganna Severino in Luserna Gneisplatten in wirklich riesiger Dimension ausgestellt, mehr um die Qualität und Gleichartigkeit des Materiales, welches für die Längen- und Breitendimensionen in verhältnismäßig sehr dünnen Platten ganz ebenflächig bricht, zu zeigen, als die wirkliche Handelswaare zu exponiren. Es waren Platten von 7,35 Meter Länge, 1,40 Meter Breite und 0,18 Meter Dicke neben anderen von 4,7 Meter Länge, 2,5 Meter Breite und nur 0,02 Meter Stärke zu sehen."


Ein sieben Meter langer Tisch aus einem einzigen Stück Gneis aus dem Piemont.
© GeoSphere Austria

Die hier erwähnte mehr als sieben Meter lange und knapp eineinhalb Meter breite monolithische Platte kam nach der Weltausstellung in den Garten des Palais Rasumofsky. Dort war sie ein beliebter Punkt bei Treffen von Geologen, wo sich das Who's who versammelte, darunter war auch der US-amerikanische Geologe Eugen Shoemaker. Als die Geologen 2005 übersiedelten, kam der Steintisch mit in die Neulinggasse, wo die legendären "Steintischfeste" ihre Fortsetzung fanden.

"Eine mächtige Salzpyramide"
Nicht bloß die Geologen der Rasumofskygasse auch die Mineralogen des k.k. mineralogischen Hof-Cabinets Kabinetts, das sich im Augustinertrakt der Hofburg am Josefsplatz (Innere Stadt) befand, konnten reüssieren. Sie sicherten sich im Herbst 1873 so manche Großobjekte, die heute noch in


den Schausälen des 1889 eröffneten Naturhistorischen Museum an der Ringstraße zu sehen sind.


Der Salzobelisk vom ungarischen Finanzministerium mit Förderdaten wichtiger Bergbaue.
© NHM Wien, Alice Schumacher

Dazu Franz v. Vivenot im Ausstellungskatalog (1873) über Bergbau und Hüttenwesen: "Was Ungarn und die Länder der ungarischen Krone betrifft, so war vom königlich ungarischen Finanzministerium eine Sammlung von Bergwerks-Producten und Mineralien, von der königlich ungarischen Bergdirection zu Marmaros-Szigeth eine mächtige Salzpyramide ausgestellt." Der heute mit vier Stahlbändern gesicherte, hell erleuchtete Obelisk findet sich in Saal II und wurde im Eingangsbuch des Mineralien Kabinets am 20. Dezember 1873 wie folgt beschrieben: "Steinsalz. Ein Obelisk von 2⅔ Met. Höhe, Weisses durchscheinendes mittelkörniges Steinsalz von merkwürdiger Reinheit und deutlicher Schichtung. Gewicht ca 30 Ctr. Von Ronaszek in Siebenbürgen [heute: Coștiui, Rumänien] Mineral im Werthe v. 400 fl. [Florin = Gulden, circa 5.570 Euro] als Geschenk vom k. ung. Finanzministerium in Pest acquiriert." Besagter Eintrag im Inventarbuch war Chefsache, er stammt von Gustav Tschermak Edler von Seysenegg (1836 bis 1927). Der Mineraloge hatte sich 1861 an der Universität Wien habilitiert, wurde 1868 a.o. Professor und 1868 Direktor am k.k. Mineralogischen Hof-Cabinet (heute: Mineralogisch-Petrographische Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien), ehe er 1873 als Ordinarius für Mineralogie und Petrographie an der Universität Wien berufen wurde.

Steinsalzblock aus Indien
Ein beachtlicher Block kam als weit gereistes Objekt aus Indien und fand in Saal III seine Aufstellung. "Durch die Güte des Directors der indischen geologischen Landesaufnahme in Calcutta, Herrn Oldham, gelangte das Museum in den Besitz des colossalen 1½ Meter hohen und Meter breiten Salzblockes von fleischrother Farbe aus den Mayo-Mines in Pendschab in Indien. Er ist bei vierzig Centner schwer und stammt aus der Silurformation [Erdaltertum]." (Internationale Ausstellungs-Zeitung, 18. Februar 1874). Tschermak gab den Wert mit 800 Gulden an, was das Objekt doppelt so wertvoll machte wie den oben erwähnten Obelisken.


Weit gereist: Der Steinsalzblock kam aus dem fernen Indien, um hierzubleiben.
© NHM Wien, Alice Schumacher

Dass ausgerechnet aus dem fernen Indien ein Block nach Wien kam, hängt mit den guten wissenschaftlichen Kontakten zwischen beiden Ländern zusammen. Namentlich ist der in Wien bei Eduard Suess (1831 bis 1914) ausgebildete Geologe Ferdinand Stoliczka (1838 bis 1874) zu erwähnen. Er war 1860/61 kurzzeitiger Mitarbeiter am Mineralogischen Hof-Cabinet, kam dann an die geologische Reichsanstalt, ehe er 1862 zum 1851 gegründeten Indischen Geologischen Dienst unter der Direktion von Thomas Oldham (1816 bis 1878) nach Calcutta (heute Kolkata) ging und stets mit seiner Heimat in engen Kontakt blieb.

Stalagmit aus Krain: "von weisser Farbe und ganz rein"
Schließlich fällt vor dem mittleren Fenster in Saal I des Naturhistorischen Museums ein Stalagmit aus der Adelsberger Grotte in Krain auf (heute: Höhle von Postojna in Slowenien). Ein zugehöriges Wandbild der Adelsberger Grotte ist ebenfalls in diesem Saal zu sehen. Das weitläufige Höhlensystem mit seinem Reichtum an Tropfsteinen war 1872 mit einer Bahn als Schauhöhle touristisch erschlossen worden. Adolf Schmidl (1802 bis 1863), Doyen der Höhlenkunde, hatte sie ab den 1850er Jahren eingehend beschrieben. Damals wie heute war und ist dieses unterirdische Naturwunder ein Must See. Klarerweise war der neu erschlossene Tourismushotspot auch in Wien präsent.

Dazu ein Blick in die "Illustrirte Zeitung" vom 25. Oktober 1873. Hier wird beim Pavillon des österreichischen Ackerbauministeriums eine Nachbildung des Karstes erwähnt und im Detail beschrieben: "In der Mitte eine zierliche Nachbildung der berühmten Adelsberger Grotte in Krain mit originalen Stalaktiten". Der damalige Redakteur dürfte Stalagmit und Stalaktit verwechselt haben und man darf annehmen, dass es jener Stalagmit war, der heute im Museum zu sehen ist. Dazu Tschermaks detailreicher Eintrag im Inventarbuch von 1873: "Tropfstein. Ein Hauptindividuum von 2½ Meter Höhe, daran zwei kleine Individuen. Der ganze Block von weisser Farbe und ganz rein. Aus der Adelsberger Grotte, Mineral im Werthe v. 1000 fl. als Geschenk der Grottenverwaltung in Adelsberg."


Tropfstein: 1873 war der Stalagmit ein heimisches Exponat aus Krain, heute käme er aus Slowenien.
© NHM Wien, Alice Schumacher

Die erste Aufstellung dieses Stalagmiten sowie des oben erwähnten Steinsalz-Obelisken (hier noch ohne Sockel) in den Sammlungsräumen des k.k. Mineralogischen Hof-Cabinets in der Hofburg zeigt das rechte Wandbild im Saal V in einer künstlerischen Überarbeitung des Originals von Eduard Ameseder durch den Maler Farid Sabha aus dem Jahr 1983.
(Thomas Hofmann, Vera M. F. Hammer, 16.11.2023)

Thomas Hofmann ist Leiter der Bibliothek, des Verlags und des Archivs der Geosphere Austria und freier Autor.
Vera M. F. Hammer ist Sammlungsleiterin der Mineraliensammlung und Leiterin des Staatlichen Edelsteininstituts am Naturhistorischen Museum Wien.

Was von der Wiener Weltausstellung blieb
 
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